Hallo ihr,
ich bin Betroffene und würde mich auch gerne zu eurem Thema äußern.
Adorno hat geschrieben:Ich habe manchmal das Gefühl, dass solche Gespräche mit allen Zweifeln immer dann hochkommen, wenn der subjektive Druck und die vermeintlichen "Erwartungen" als zu hoch empfunden werden. Da kann man selbst noch so passiv sein, wie man will. Meine Partnerin meinte mal, dass auch das sie unter Druck setzen würde, wenn ich gar nichts mehr über unsere Zukunft sagen würde, denn dann hätte sie das Gefühl, die Partnerschaft lenken zu müssen.
Ich denke, da liegst du mit deiner Vermutung richtig. Es ist auch für mich als Betroffene schwierig damit umzugehen, wenn man jeden kleinen Piep als Druck empfindet. Das sind oft auch Sachen, wo ich auch vom Kopf her weiß, dass es mir keinen Druck machen sollte, und auch niemand auf die Idee kommt, dass das für mich Druck sein könnte. Manchmal nehme ich es auch nicht so wirklcih wahr, dass irgendwas mich stresst und irgendwann wird es dann zu viel.
Adorno hat geschrieben:
Ich finde, dass es sehr beängstigend ist, wenn man den Moment nicht mehr genießen kann sondern denkt, wie lange das wohl anhalten wird... das kennen ich nur allzu gut. Ich glaube, dass das wirklich mit den größten Schaden für alle anrichtet und einen auch verkümmern lassen kann.
Das kenne ich als Betroffene leider sehr, sehr gut. Vor allem je länger man schon mit Depressionen zu kämpfen hat, desto öfter hat man erfahren, dass gute Momente sehr schnell wieder vorbei sein können. Man hofft natürlich immer, dass es diesmal länger dauert, und hat Angst, dass der Moment gleich wieder vorbei ist. Für mich ist es auch immer, wenn es mir mal in einem Moment ziemlich gut geht, ein Balanceakt, weil ich permament damit beschäftigt bin, zu schauen, dass meine gute Stimmung nicht kippt, ständig auf meinen Körper und meine Gefühle achte, damit ich mich nicht doch übernehme, um den guten Moment so lange wie möglich zu behalten. Und gleichzeitig soll/will man den Moment ja eigentlich auch einfach genießen... Aber wenn man einfach weiß, wie schnell sowas kippt und dann wieder alles fürchterlich ist... Sowas nimmt einem dann in den guten Momenten die Gelassenheit, Unbeschwertheit (die man als Depressiver ja eigentlich eh nicht hat, die man aber dringend brauchen würde, weil sie einem wirklich gut tun würde) und so lebt man immer mit angezogener Handbremse.
Ich hab mal im Internet ein paar Grafiken zum Thema Depression gesehen, keine richtigen Statistiken mit Zahlen usw., sondern humorvoll gemeinte. Da war auch ein Kreisdiagramm dabei, das war aufgeteilt in einen seeeehr großen Teil, so 80-90%, und einem dementsprechend sehr kleinen Teil. Darüber stand: Wie man einen guten Tage verbringt.
Beim kleinen Teil stand:" ihn genießen", beim großen Teil stand: "sich darüber Sorgen machen, wie lange er anhalten wird." Das triffts ziemlich gut. Nicht nur als Angehörige hat man das Problem, wir Betroffene haben genau das gleiche.
Laca55 hat geschrieben:Es kamen wird Dinge an den Tag, welche ihr die letzten Wochen zu schaffen gemacht haben. Auch in Bezug auf mich. Und dass sie gerade wieder lieber ihre Ruhe und keine Zweisamkeit möchte. Ich sagte ihr, dass ich dies akzeptiere und ihr mehr Freiraum und Ruhe gebe und mich zurück halte. Aber für sie da bin, wenn sie mich braucht. Sie meinte, sie will gerade keine Zuneigung oder ähnliches und macht gerade dicht. Das merkt sie schon selbst. Doch kurze Zeit später war es wieder so, dass sie sich zu mir ins Wohnzimmer gesellte, sich an mich schmiegte, fest umarmte und küsste. Als wenn nichts gewesen wäre. Sie sagt und zeigt manchmal ganz unterschiedliche Dinge. Kennt ihr das auch? Ich weiß nicht, was dieses Gespräch in ihr ausgelöst hat. Aber seit zwei Tagen ist sie wieder etwas zugänglicher und sucht öfter meine Nähe und Zuneigung.
Also bevor ich hier was dazu schreibe: Ich hab keine Ahnung, ob das, was ich schreibe, auf eure Freundinnen zutrifft, ich hab keine Beziehung, aber ich kann mir SEHR gut vorstellen, dass das bei mir auch so laufen würde!
Und zwar deshalb: Wenn mich Dinge belasten (weil mir zum Beispiel alles zu viel ist, ich denke, die anderen haben bestimmte Erwartungen an mich, die ich mich stressen, usw.) und ich das dann in nem Gespräch ansprech und mir das quasi von der Seele reden kann, dann wäre für mich der Druck erstmal weg bzw. zumindest weniger. Allein schon das Reden und dass der Andere weiß, was mich belastet, wäre für mich eine Entlastung. Und dadurch wäre dann auch der Druck weg, dass ich denke "Der Andere will so viel von mir, das kann ich ihm gar nicht geben." oder "Mir ist das grad zu viel/zu wenig, aber der andere macht immer so weiter. Hilfe, wie soll ich das ansprechen?" [Manchmal ist der größte Druck für mich auch, dass ich nicht weiß, wie ich dem anderen erklären soll, wie es mir geht, wie ich das am besten ansprechen kann (man will ja auch nicht schon wieder mit einem Problem kommen...) bzw. wie ich das auch konkret in Worte fassen soll, wenn ich es oft selbst nicht verstehe, was los ist.]
Und DANN, wenn der Druck wieder weg (oder zumindest weniger) ist, bin ich auch nicht mehr so handlungsunfähig, weil es mich nicht mehr so blockiert und dann kann ich auch wieder eher von MIR aus auf den Anderen zugehen, weil ich die Freiheit dazu habe, weil keiner das von mir fordert.
Also (mal rein theoretisch) sobald ich angesprochen habe, dass mir die Nähe zu viel wird, bin ich selber wieder frei Nähe zu geben. Weiß nicht, ob das nachvollziehbar ist? Also ich kann mir das bei mir gut vorstellen, dass es auch so ein hin und her wäre. Und dass das ätzend für den Partner wäre, kann ich mir auch vorstellen.
Dass das dann gar so schnell hin- und herswitcht, könnte dann, denke ich, davon kommen, dass man so empfindlich auf Druck oder Anderes reagiert. Unter dem "Anderen" versteh ich z.B. das Bedürfnis nach Distanz, dass man zwar Distanz möchte, weil es einem grad zu nah ist, aber dass man sich auch schnell allein gelassen fühlt. Und da muss man dann halt wieder diesen Balanceakt schaffen. Es wird einem z.B. zu viel Nähe, dann sagt man das, dadurch kann man wieder Nähe zulassen, der Andere geht aber gleichzeitig auf Distanz, weil man ja gesagt hat, man will mehr Distanz, und dann ist es einem plötzlich zu viel Distanz, weil man sich dann alleingelassen/überfordert (Beziehung lenken etc.) fühlt, weil man da gleich auf kleinste Änderungen reagiert. Und dann geht es wieder von vorne los
Das Zweite, was mir noch dazu einfällt, wäre, dass wenn ich meinem Partner meine Probleme erzählen könnte, und er das respektieren würde, dass ich zum Beispiel mehr Abstand brauche, dann zeigt das sehr viel Respekt vor mir und das macht jemanden (für mich) durchaus attraktiv. Und dann hätte ich wahrscheinlich auch wieder ein Bedürfnis nach mehr Nähe
Mir ist auch mal aufgefallen, dass wenn ich total überfordert bin wegen irgendwas, und ich irgendwann endlich jemanden frag, ob er mir helfen kann, dann sagt der Andere Ja, und ab da geht es dann plötzlich viel leichter und (übertrieben gesagt) bis der Andere dann da ist zum Helfen, hab ich es alleine gemacht. Vorher ging gar nichts, aber sobald ich die Zusicherung der Unterstützung hatte, ging es mir wieder besser und ich hab teilweise wirklich Sachen dann doch alleine geschafft, ohne dass der Andere überhaupt was gemacht hat. Außer zu sagen, er hilft mir.
Vielleicht geht es auch manchmal nur darum, zu wissen, der Andere steht trotz allem hinter mir und im Notfall ist jemand da.
Adorno hat geschrieben:Vor allem in das Grübeln über jedes kleine Zeichen. Man wird darauf ja auch geeicht. Jede noch so minimale Zuneigungsbekundung nehme ich freudig auf und genauso achte ich dann auf jedes noch so kleine "negative Zeichen"... das ist oftmals natürlich übertrieben, aber man fängt an, selbst noch so kleinen Dingen ungeheure Bedeutung beizumessen - kurze oder gar keine Antworten bei whattsapp.
Hm.... ich denke, es ist auf jeden Fall gut, wenn ihr euch über jedes kleine positive Zeichen freut und das auch irgendwie abspeichert für die Zeit, wenn es eben wieder mal nicht so ist.
Bei den Sachen, die ihr als negativ auffasst... da solltet ihr wirklich nicht jedes kleine Detail auf die Waagschale legen und davon abhängig machen, ob euch eure Partnerin gerade liebt oder nicht.
Bei mir war es, als ich noch zu hause gewohnt habe, oft so, dass ich manchmal einfach "böse" geguckt hab. Oft war ich da nur in Gedanken, total k.o., einfach insgesamt niedergeschlagen, etc. Meine Mutter hat aber in den Momenten immer gedacht, dass sie irgendwas falsch gemacht hat. Dass ich irgendwie sauer auf sie bin, weil mir irgendwas nicht passt etc. Dann war natürlich ihre Stimmung auch im Eimer. Irgendwann kam das mal zur Sprache und es hat sich herausgestellt, dass ich überhaupt nicht sauer auf sie bin und sie auch nichts falsch gemacht hat. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie das denkt und sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass das gar nichts mit ihr zu tun hat. Das war dann schon beruhigend für sie. Und manchmal hat sie dann auch nachgefragt, ob es was mit ihr zu tun hat, wenn ich schlecht drauf war. Ich musste ihr gar nicht erzählen, was los ist, sondern ich wusste, es geht ihr nur darum zu wissen, ob sie jetzt "schuld" dran hat oder nicht. Und wenn ich dann Nein gesagt hab, dann war es auch wieder besser und sie wieder entspannter.
Sie hat mir auch mal erzählt, dass ich manchmal ziemlich motzig war oder mir zum heulen war und ich dann einfach in mein Zimmer bin. Und sie dann dastand und nicht wusste, was sie machen soll. Soll sie mich jetzt in Ruhe lassen oder kommen und mich trösten? Und wie reagier ich dann wieder auf sie? Aber sie hat irgendwann festgestellt, dass es sich oft auch alleine wieder eingerenkt hat, ohne dass sie etwas machen musste. Ich hab mich dann selber wieder beruhigt und dann kam ich aus dem Zimmer und alles hat wieder gepasst. Ich hab das selber gar nicht so mitbekommen, dass ich motzig war, aber es war gut, dass da nicht immer jedes Wort auf die Waagschale gelegt wurde. Klar, manchmal ist es schön, wenn jemand kommt und einem zuhört und sich kümmert. Ich will euch auch nicht damit sagen, dass ihr eure Partnerinnen jetzt immer in Ruhe lassen sollt, sondern vielleicht ist es euch einfach schon eine Hilfe, wenn ihr bei euch auch mal schaut, ob sich manches nicht von selbst wieder einrenkt, ohne dass man eine große Sache draus macht. (Es gibt ja auch launische Menschen, bei denen das nicht von den Depressionen kommt, mit denen muss man ja auch irgendwie klarkommen
und sich vllt denken, die Person hat halt diese Eigenschaften und manches darf man nicht gleich persönlich nehmen).
Vielleicht gibts ja auch im Internet hilfreiche Tipps zum Umgang mit launischen Menschen? Ganz ohne den Depressions-Hintergrund...
Laca55 hat geschrieben:Aktuell hat sie unser gemeinsames Bild von WhatsApp entfernt und mit einem Bild ausgetauscht, wo drauf steht "Tier hören unser Herz, wenn es flüstert. Manche Menschen hören es nicht, wenn es schreit". Was soll ich davon halten? Ist es an mich gerichtet? Ist es für die Allgemeinheit gedacht, da es in ihrem Umfeld immer wieder Leute gibt, die nicht sehen, wie dreckig es ihr wirklich geht.
Bei sowas würde ich direkt nachfragen! Einfach ohne ihr etwas zu unterstellen das fragen, was du wissen willst. Und nachzufragen ist in dem Fall wirklich berechtigt!
Manchmal steckt auch weniger dahinter als man denkt. Eine Bekannte hatte auch mal bei WhatsApp eine Rose mit hängendem Kopf, darunter nen Spruch, der mit dem Tod zu tun hatte
Da hab ich dann auch mal direkt nachgefragt. Ergebnis war, dass sie sich gar nichts gedacht hat, sie den Spruch nur so schön fand und sie sich der Wirkung gar nicht wirklich bewusst war.
Da würde ich wirklich nicht anfangen Rätsel zu raten, sondern direkt nachfragen. Und vllt auch sagen, warum du fragst (weil du befürchtest, dass es sich auf dich bezieht etc.)
Laca55 hat geschrieben: Oder sagen wir mal so, sie blockt diese Gefühle mit Absicht aus Angst, wenn sie diese Gefühle zulässt, wieder "abzurutschen", wie sie sagt.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das richtig verstehe, aber ich verstehe es so, dass sie quasi die guten Gefühle nicht ganz zulässt, weil sie Angst hat, danach wieder abzustürzen. Und je weiter oben man war, desto höher und schmerzhafter ist halt auch der Fall. Und den schmerzhafte Aufprall kann man halt vermindern, indem man nicht so weit "hinaufklettert".
Ich hoffe, ich konnte euch ein bisschen weiterhelfen. Würde mich interessieren, ob ich mit meinen Überlegungen zu dem widersprüchlichen Reden und Verhalten richtig liege. Ich mache mir nämlich schon auch immer mal Gedanken darüber, wie ich in einer Beziehung klarkommen würde, und sehe da schon ein paar Verhaltensweise bei mir, die problematisch wären. Von daher wäre es auch für mich interessant zu wissen, wie man mit so einer Situation umgeht.
Viele Grüße,
DieNeue