Meine eigene Unsicherheit

Sil75
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Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Sil75 »

Ich versuche gerade, mit der Diagnose (schwere depressive Störung) umzugehen, sie für mich selbst anzuerkennen. Ich weiß selbst, dass es mir nicht gut geht, ich habe nur jetzt den Eindruck, dass es durch die Diagnose einer Psychiaterin realer und dadurch schlimmer geworden ist. So als hätte ich es davor noch vor mir selbst verleugnen können und jetzt eben nicht mehr. Ich bin irgendwie total durcheinander. Das macht es für meine Familie auch schwieriger, da ich das alles kaum in Worte fassen kann. Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht, oder geht das nur mir so? Irgendwie verliere ich den Boden unter den Füßen - dabei war ich immer die Starke, die alles geregelt hat, wenn andere zusammengebrochen sind. Diese Hilflosigkeit mir selbst gegenüber macht mir Angst.
Glück ist, wenn die Katastrophe mal Pause macht.
kaizer
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von kaizer »

Hallo Sil,

vielleicht gelingt es dir mit der Zeit, die Diagnose eher als Entlastung zu sehen: Jetzt ist das Problem endlich benannt, nun kann die Hilfe ansetzen und der Weg zur Besserung kann starten. Dabei ist eine offizielle Diagnose, die dem Kind einen Namen gibt, ja oft sehr hilfreich. Das Leugnen und Rumdrucksen macht es häufig nur schlimmer, bis dann irgendwann mal die Notbremse gezogen werden muss.

Lass dir helfen, um nix zu verschleppen.

Alles Gute dabei
Flussi
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Flussi »

Da stimme ich zu!
Liebe Grüße
Flussi
Bittchen
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Bittchen »

Liebe Sil 75 ,

herzlich willkommen,hier kannst du schon viele Informationen über Depressionen
bekommen.
Vielleicht kannst du hier über deine Sorgen,Gefühle und auch Ängste sprechen.
Schwere Depression ist eine Diagnose die dir zeigt,du warst zu lange stark.
Jetzt wirst du dich mit dir beschäftigen und die Notbremse ziehen müssen.
Dein Körper und deine Seele sagen Stop.
Das solltest du akzeptieren,das geht aber nicht ganz so schnell.
Das du bei einer Fachärztin in Behandlung bist,ist schon mal ein guter Schritt.
Das ist der beste Weg um eine langsame Genesung einzuleiten.
Therapie,Medikamente,Klinik,was auch immer du für dich tust,es ist ein Stück in die richtige Richtung.
Selbsthilfebücher können dir auch sehr viel helfen.
Mein erstes Buch ,was ich mir über die Krankheit Depressionen gekauft habe war, von Stiftung Warentest "Depressionen überwinden."
Das gibt es immer noch und da hatte ich erst einmal sehr wichtige Informationen.
Du hast gute Chancen wieder ganz gesund zu werden.
Einen guten Austausch wünsche ich dir hier.

Liebe Grüße Bittchen
Katharina72
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Katharina72 »

@sil
hallo liebe sil,
nein, das geht nicht nur Dir so und wenn Du Dir hier mal die einzelnen geschichten ansiehst, dann
wirst Du das auch feststellen.
Das ist ein prozess: sich selbst erstmal einzugestehen dass man krank ist.
Ich glaube wenn man die diagnose gestellt bekommt ist es sowas wie "normal" dass es einem erstmal
schlimmer geht. Aber es gibt sicher auch viele menschen die die diagnoseerstellung als erleichterung ansehen:
endlich "hat das kind einen namen" (ich glaube #kaizer#) schrieb das.
Ich denke das braucht zeit auch bei Dir.
Und das dann auch noch offen zu legen in der familie das setzt dann nochmal einen drauf!
Du schreibst, dass Du immer die starke warst, ja eben, jetzt kannst Du die fassade (mir fällt im
augenblick kein besseres wort ein) nicht mehr aufrecht erhalten.
Ich kann Dir das aus eigener erfahrung berichten: Ich habe gerade selber erst vor ein paar wochen
meinen beiden schwestern mitgeteilt, dass ich an einer depression erkrankt bin. Grosses erschrecken bei beiden, ich war doch die starke!
und es ging mir danach zeitweise richtig schlecht und ich hab mir zig mal gedacht "hätte ich das doch bloss nicht offen gemacht, dann ginge es mir jetzt nicht soviel schlimmer"
mein fazit: ich halte das für völlig nachvollziehbar, es ist wohl wirklich ein prozess durch den man hindurch muss.
Du hast Dich immerhin hier im forum gemeldet und das ist gut so Sil!
lieben gruss
katharina72
"Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer lebenslangen Romanze" (Oscar Wilde)
Ich weiss noch nicht wie, aber ich fang damit gleich an ;-)
Sil75
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Sil75 »

Vielen Dank euch allen! Es hilft anscheinend wirklich, sich mit Betroffenen auszutauschen. Ich fühle mich ernst genommen, das ist erleichternd. Bisher wissen nur 3 Personen (ausgenommen die Ärzte) davon. Ich scheue mich noch sehr davor, es jemandem offen mitzuteilen. Ich denke auch, dass ich auf dem richtigen Weg bin, nur muß ich akzeptieren, daß es nicht so schnell geht und ich nur kleine Schritte machen kann. Das war zumindest die letzte Aussage der Fachärztin.
Mittlerweile sehe ich die Anmeldung hier und die Überwindung, etwas Persönliches von mir preiszugeben als kleinen Fortschritt.
Glück ist, wenn die Katastrophe mal Pause macht.
Katharina72
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Katharina72 »

Das klingt so gut Sil.
Du musst es ja auch nicht jedem mitteilen
es ist DEINE entscheidung wem, wann und und
wo Du es mitteilst.
Ich glaub es ist wichtig drauf zu achten wem DU
vertraust.
Ich erwarte anfang juli einen obligatorischen verwandtschaftsbesuch, 4 ganz liebe
leute, aber dieses Jahr werde ich ihnen mitteilen, dass ich an den aktivitäten
nicht teilnehmen werde/kann und dass ich auch z.zt. keinen besuch haben kann
Ich werde ihnen eine mail senden und mich "offenbaren",
ich hab das versteckspiel satt.
aber ehrlich, ich muss allen mut aufbringen um das
auch wirklich durch zu ziehen.
lg katharina
"Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer lebenslangen Romanze" (Oscar Wilde)
Ich weiss noch nicht wie, aber ich fang damit gleich an ;-)
Flussi
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Flussi »

Liebe Sil,

haste gut gemacht und Du sagst es nur Menschen, denen Du traust. Es muss nicht jeder wissen, nur die gut für Dich sind!

Gute Nacht!
Flussi
Sieglinde1964
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Registriert: 30. Dez 2006, 19:31

Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Sieglinde1964 »

Mir ist es auch sehr schwer gefallen am Anfang mit der Diagnose umzugehen Depressionen zu haben. Ich konnte es gar nicht in Worte fassen als ich damals bei meinem Hausarzt saß als ich ihm erzählte, wie es mir ging. Ich habe zwar selbst gemerkt, dass "was nicht stimmt mit mir". Mein Mann hatte mich (zunächst) zu unserem Hausarzt "getrieben". Sonst wäre ich auch nicht von alleine dahin gegangen. Später hat er mich zum Facharzt geschickt, weil es schlimmer mit mir wurde. Ich war auch erst mal platt, als ich Psychopharmaka nehmen musste und tat mich sehr schwer damit umzugehen. Bei mir liegt derzeit immer noch die Diagnose mittelgradige Depression vor. Ich kann nicht sagen, welche Diagnose ich hatte als ich in die Klinik ging. Das war mir zu der Zeit auch völlig egal. Ich wollte nur, dass es mir wieder besser geht.
Auch ich war immer die Starke. Und es ist tatsächlich so, wie es Bittchen schreibt: Du warst zu lange stark. Mittlerweile kann ich damit besser ungehen. Es geht dir also nicht alleine so.
Sil75
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Sil75 »

Ich hatte schon früher oft schwierige Zeiten - heute weiß ich daß das wohl immer wieder depressive Episoden und Panikattacken waren. Beim Hausarzt war ich wegen Magenproblemen (ständiges Erbrechen, Schmerzen usw.) Er hat aber gleich vermutet, daß mehr dahinter steckt und mich (nach eingehender körperlicher Untersuchung) zum Psychiater überwiesen. Diese hat nun die Diagnose auch gestellt. Ich bin derzeit auf der Suche nach einem Therapieplatz für eine kognitive Verhaltenstherapie. Kann mir evtl. jemand sagen, was da auf mich zukommt? Ich kann nur sehr schlecht etwas Wichtiges, Tiefgründiges von mir preisgeben, weil ich mich dann so verletzlich und ausgeliefert fühle. Es fällt mir schwer, anderen zu vertrauen. Deshalb habe ich ein wenig Angst davor... Ich habe Medikamente bekommen, mit denen ich ganz gut zurecht komme, aber eine Therapie wird wohl unumgänglich sein. Allein die Suche nach einem freien Platz kostet mich Überwindung. Vielleicht fällt es mir immernoch schwer zu akzeptieren, daß ich jetzt mal Hilfe brauche, statt sie zu geben. Und es ist sehr schwierig Hilfe anzunehmen, da ich mich dadurch als schwach akzeptieren muß und wieder verletzbar mache. Buchstäblich ein Teufelskreis - ein ewiges Gedankenkarussell
Glück ist, wenn die Katastrophe mal Pause macht.
kaizer
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von kaizer »

Hi Sil,

aus meiner Erfahrung macht eine Therapie häufig nur richtig Sinn, wenn man sich öffnen und auch unangenehme Themen ansprechen kann - nur dann könnt ihr in der Therapie auch daran arbeiten. Mit der Maske, die viele von uns im Alltag tragen, um zu funktionieren, kommt man eben nicht an die tieferliegenden Probleme, die einem das Leben schwer machen, und von denen sonst keiner etwas wissen soll.

Dafür braucht es natürlich den richtigen Therapeuten, deshalb sollte die Chemie stimmen und man sich wohlfühlen, das merkt man ja meist schnell. Und wenn es nicht passt, macht es auch wenig Sinn, dann würde ich lieber noch weitersuchen. Ich hatte mehrere Therapien, bei denen ich heute sagen würde, die Zeit hätte man sich sparen können, jetzt fühl ich mich aber sehr wohl.

Viele Grüße
kaizer
SarahLi83
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von SarahLi83 »

Du musst für dich selber entscheiden wann du bereit bist dich zu öffnen.....

Was ich als ganz wichtig empfinde ist, das du für dich selber aktzeptieren musst das du krank bist... Erst wenn du dich mit dir selber auseinander gesetzt hast, kannste dich offenbaren.............

ich habe lange gebraucht bis ich soweit war. heute gehe ich offen damit um......
Aber merke das es viele im Umfeld überfordert..... sehe es selber an meiner schwester
Sil75
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Sil75 »

Vielleicht bin ich wirklich noch nicht soweit. Aber ich hoffe, dass ich hier einige Dinge loswerden kann, sozusagen als Übung...
Vielen Dank nochmal an euch alle, die ihr euch die Mühe gemacht habt, zu antworten.
Glück ist, wenn die Katastrophe mal Pause macht.
SarahLi83
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von SarahLi83 »

du darfst gerne mit uns üben oder deine fragen los werden...

wir sind hier alle gleich mit dem gleichen Problem
Zarra
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Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Zarra »

Hallo Sil75,
Ich kann nur sehr schlecht etwas Wichtiges, Tiefgründiges von mir preisgeben, weil ich mich dann so verletzlich und ausgeliefert fühle. Es fällt mir schwer, anderen zu vertrauen. Deshalb habe ich ein wenig Angst davor...
Verhaltenstherapie kann sicher auch nur an der Oberfläche kratzen - erwarten würde ich das aber nicht, erst recht nicht von Eingangs-, Kennenlerngesprächen, die mich (!) eigentlich jedesmal ziemlich durcheinanderwarfen (und das sehr sicher auch heute noch tun würden, wenn ich wieder eine Therapie suchen würde, nach vielen, vielen Erfahrungen) . Tja, das gehört wohl mit zu der Krankheit dazu. ;-) :-) Also eigentlich nichts, was Dich irritieren sollte, auch wenn man es unangenehm findet. - Und klar: Vertrauen muß auch wachsen. (Ich habe vor Jahren - ... eher Jahrzehnten - einem Psychiater auch mal gar nichts erzählt, sondern bin nur in Tränen ausgebrochen - allerdings sollte er nur eine Bescheinigung ausstellen (daß Psychotherapie nötig sei) und ich war bei seinem Praxiskollegen in Behandlung.)
Ich würde übrigens nach Deiner Beschreibung gleichrangig auch tiefenpsychologische Psychotherapie in Betracht ziehen.
Vor allem muß die "Chemie" mit der Person des/der Therapeutin/en stimmen! :!:
Vielleicht fällt es mir immernoch schwer zu akzeptieren, daß ich jetzt mal Hilfe brauche, statt sie zu geben. Und es ist sehr schwierig Hilfe anzunehmen, da ich mich dadurch als schwach akzeptieren muß und wieder verletzbar mache.
Tja, verständlich. Ist aber so. Und letztendlich sind wir alle verletzlich, weil wir Menschen sind. ... und Du wirst Deine entsprechende Geschichte haben ... Und Schwäche schließt andererseits auch Stärke nicht aus. Gut ist es, wenn wir beides leben können.

Ich wünsche Dir viel Mut, aber auch das notwendige Körnchen "Nachlässigkeit", das es auch mal braucht,

Zarra
Sil75
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Sil75 »

Ich sehe schon, hier bekomme ich tatsächlich mal andere Sichtweisen aufgezeigt. Das hilft mir, die Dinge aus veränderter Perspektive zu sehen und neu zu überdenken.
Ich bin wahrscheinlich wirklich noch nicht soweit, dass ich das alles akzeptiere. Vorher wird höchstwahrscheinlich auch eine Therapie wenig nützen. Ich werde das beim nächsten Termin mit meiner Ärztin vorbringen.
Glück ist, wenn die Katastrophe mal Pause macht.
Luna1966
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Luna1966 »

Hallo Sil75,
Sil75 hat geschrieben: Ich bin wahrscheinlich wirklich noch nicht soweit, dass ich das alles akzeptiere. Vorher wird höchstwahrscheinlich auch eine Therapie wenig nützen.
meine Erfahrungen sind da ganz andere. Ich habe mich bis heute auch noch nicht "geoutet", weder bei Familie noch bei Freunden oder Partner ...

Die Depression ist denke ich, das Endresultat von Belastungssituationen. In einer Verhaltenstherapie geht es nicht darum, die Krankheit Depression akzeptieren zu lernen sondern vielmehr darum, krankmachende Verhaltensweisen und Denkmuster zu erkennen und bestenfalls zu ändern.

Klar, muss man sich da auch den auslösenden Situationen neu stellen und das ist wirklich nicht schön und tut weh, aber wenn man sein krankmachendes Verhalten nicht erkennt und ändert, wird sich die Depression wahrscheinlich nur verschlimmern. Mit Nichts tun ändert man nichts, dass habe ich leider auch schon schmerzlich erfahren müssen.

Ich wünsche dir einen weiteren guten Austausch hier

Luna
Sil75
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Sil75 »

Wertvoll - das ist das Wort, welches mir gerade einfällt, wenn ich eure Kommentare lese. Auch wenn ich bisher dachte, ich kann es niemandem erklären was in mir vorgeht, wie es sich anfühlt (oder ich zeitweise gar nichts fühle): hier habe ich in sehr kurzer Zeit erfahren, daß es nicht nur mir so geht. Die völlige (gedankliche) Isolation ist sicher eines der vielen Schattenseiten dieser Krankheit. Nicht mal meinem Hausarzt kann ich es nahebringen; es ist, als wenn plötzlich alle Worte meiner Muttersprache verschwunden wären und nur noch nichtssagende Fragmente übriggeblieben sind.
Ich habe vor kurzem einen Bericht einer Betroffenen gelesen, über den ich schon seit Tagen nachdenke. Sie beschreibt ihre Depression als "schwarze Dame": machtvoll, erschreckend und furchterregend. Diese "Dame" ist plötzlich ohne Vorwarnung anwesend. Sie meinte, man sollte nicht versuchen, diese "Dame" einfach zu vertreiben, sondern sie im übertragenen Sinne an den Tisch bitten und fragen, was sie will.
Zuerst war ich etwas schockiert, aber dann habe ich mich intensiv mit diesem Gedanken beschäftigt. Sicher gibt es unterschiedliche Faktoren, die eine Depression auslösen. Wahrscheinlich soviele, wie es Betroffenene gibt und ich will hier nichts verallgemeinern. Ich für mich sehe das so, daß mein Innerstes so sehr leidet, weil ich immer funktioniert habe - schlimme Erlebnisse, viele schmerzliche Verluste durch Tod, Krankheiten, Unfälle usw. immer zurückgedrängt habe. Schön verschlossen in Schubladen meines Kopfes. Alles, nur nicht öffnen... Ich bin darauf konditioniert worden, nachzugeben, Rücksicht auf andere zu nehmen, deren Schwächen mit auszugleichen, Verantwortung zu übernehmen, mich zurückzustellen und vor allem: NIE zu versagen. Jetzt ist wohl der Punkt, an dem meine Psyche mir den Dienst versagt. Die "schwarze Dame" will wohl, daß ich mein bisheriges Leben überdenke, meine Erinnerungen sortiere (mich diesen auch mal stelle) und alles neu zu sortieren. Ich schaffe das nicht ohne Hilfe, das ist klar. Aber ich gehe die ersten Schritte.
Das Schreiben hier hilft mir dabei enorm. Das merke ich jedes Mal wenn ich etwas veröffentlicht habe.
Danke an alle, die dieses Forum ermöglichen - danke an alle, die sich Mühe geben, trotz eigner großer Probleme anderen Mut zuzusprechen.
Glück ist, wenn die Katastrophe mal Pause macht.
Katerle
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Katerle »

Sil75 hat geschrieben:Ich versuche gerade, mit der Diagnose (schwere depressive Störung) umzugehen, sie für mich selbst anzuerkennen. Ich weiß selbst, dass es mir nicht gut geht, ich habe nur jetzt den Eindruck, dass es durch die Diagnose einer Psychiaterin realer und dadurch schlimmer geworden ist. So als hätte ich es davor noch vor mir selbst verleugnen können und jetzt eben nicht mehr. Ich bin irgendwie total durcheinander. Das macht es für meine Familie auch schwieriger, da ich das alles kaum in Worte fassen kann. Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht, oder geht das nur mir so? Irgendwie verliere ich den Boden unter den Füßen - dabei war ich immer die Starke, die alles geregelt hat, wenn andere zusammengebrochen sind. Diese Hilflosigkeit mir selbst gegenüber macht mir Angst.
Hallo Sil,

ja wenn die Diagnose gestellt wird, ist es wirklich so, dass es für einen sehr schwer ist, für sich selbst anzuerkennen, dass man erkrankt ist. Und wenn man noch vorher für alles funktioniert hat, ist das um so schwieriger.

Am Anfang einer Therapie musst du auch nicht alles preisgeben und schon garnicht was Tiefgründiges. Auf jedem Fall kostet es Überwindung nach einem freien Platz zu suchen und wenn man vorher immer Hilfe gegeben hatte, ist es auch nicht so einfach, sich einzugestehen, dass man nun selbst Hilfe braucht. Hilfe annehmen ist keine Schwäche, sondern Stärke, nur das sieht man anfangs noch nicht so als Betroffener. Schwierig ist auch, seinem Umfeld zu verstehen zu geben, was mit einem los ist.

Ich war auch jemanden in meinem Umfeld behilflich, zusammen eine Therapeutin zu finden. Aber manchmal muss man da auch ganz alleine durch..., wie das bei mir der Fall war...

Was nicht so hilfreich für mich war, als ich nach meinem Zusammenbruch Hilfe brauchte, dass sich lustig gemacht wurde und ich abgestempelt, als ich zum Psychiater überwiesen wurde oder nach einem stationären Aufenthalt von mir erwartet wurde, wieder perfekt zu funktionieren zu müssen..., einige aus meinem Umfeld NUR unzufrieden mit mir waren...

Aber ich ging meinen Weg weiter, bis hierhin...

Wünsche dir alles Gute, Kraft und das du durchhältst. LG Katerle

Wünsche dir alles Gute, Kraft und Durchhaltevermögen.
Katerle
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Katerle »

Sil75 hat geschrieben:Wertvoll - das ist das Wort, welches mir gerade einfällt, wenn ich eure Kommentare lese. Auch wenn ich bisher dachte, ich kann es niemandem erklären was in mir vorgeht, wie es sich anfühlt (oder ich zeitweise gar nichts fühle): hier habe ich in sehr kurzer Zeit erfahren, daß es nicht nur mir so geht. Die völlige (gedankliche) Isolation ist sicher eines der vielen Schattenseiten dieser Krankheit. Nicht mal meinem Hausarzt kann ich es nahebringen; es ist, als wenn plötzlich alle Worte meiner Muttersprache verschwunden wären und nur noch nichtssagende Fragmente übriggeblieben sind.
Ich habe vor kurzem einen Bericht einer Betroffenen gelesen, über den ich schon seit Tagen nachdenke. Sie beschreibt ihre Depression als "schwarze Dame": machtvoll, erschreckend und furchterregend. Diese "Dame" ist plötzlich ohne Vorwarnung anwesend. Sie meinte, man sollte nicht versuchen, diese "Dame" einfach zu vertreiben, sondern sie im übertragenen Sinne an den Tisch bitten und fragen, was sie will.
Zuerst war ich etwas schockiert, aber dann habe ich mich intensiv mit diesem Gedanken beschäftigt. Sicher gibt es unterschiedliche Faktoren, die eine Depression auslösen. Wahrscheinlich soviele, wie es Betroffenene gibt und ich will hier nichts verallgemeinern. Ich für mich sehe das so, daß mein Innerstes so sehr leidet, weil ich immer funktioniert habe - schlimme Erlebnisse, viele schmerzliche Verluste durch Tod, Krankheiten, Unfälle usw. immer zurückgedrängt habe. Schön verschlossen in Schubladen meines Kopfes. Alles, nur nicht öffnen... Ich bin darauf konditioniert worden, nachzugeben, Rücksicht auf andere zu nehmen, deren Schwächen mit auszugleichen, Verantwortung zu übernehmen, mich zurückzustellen und vor allem: NIE zu versagen. Jetzt ist wohl der Punkt, an dem meine Psyche mir den Dienst versagt. Die "schwarze Dame" will wohl, daß ich mein bisheriges Leben überdenke, meine Erinnerungen sortiere (mich diesen auch mal stelle) und alles neu zu sortieren. Ich schaffe das nicht ohne Hilfe, das ist klar. Aber ich gehe die ersten Schritte.
Das Schreiben hier hilft mir dabei enorm. Das merke ich jedes Mal wenn ich etwas veröffentlicht habe.
Danke an alle, die dieses Forum ermöglichen - danke an alle, die sich Mühe geben, trotz eigner großer Probleme anderen Mut zuzusprechen.
Du bist nicht allein und das mit der schwarzen Dame trifft es sogar auf den Punkt.

LG Katerle
Katharina72
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Katharina72 »

hallo sil,
ja, ich kann mich katerle nur anschliessen.

"ich war immer die starke ..." sagst du (weiss noch nicht wie das mit dem o-zitat hier geht)
Genau und nun hast du auch noch die "offizielle" Diagnose von einem psychiater.
Ich glaub Du müsstest dir echt sorgen machen, wenn das nix mit dir machen würde!!!

Ich bin z.zt. immer noch schwankend, war es gut, dass ich mich meinen schwestern "geoutet"
hab? ja, nein, ja ... ...
im moment weiss ich gar nichts mehr, ich schwanke hin und her ...
meine fassade "ich war doch immer die starke" ist zerbröckelt und ja, das macht mich
sehr verletzlich und das tut richtig weh! Bei den chinesen nennt man das wohl "das gesicht verlieren" - ?
aber: WAS IST DENN DIE ALTERNATIVE?
weitermachen bis man umfällt, dann in der stationären akut psychiatrie landen?
ich empfinde das jetzt als einen sehr schwierigen und sehr schmerzhaften prozess, zurück kann ich eh nicht.
ich hab noch keinen therapeuten, die wartezeiten sind katastrophal.
wenn ich recht erinnere hast du bereits einen therapeuten.
wenn ja, nix wie hin, je früher desto besser!
lieben gruss
Katharina
"Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer lebenslangen Romanze" (Oscar Wilde)
Ich weiss noch nicht wie, aber ich fang damit gleich an ;-)
Bittchen
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Bittchen »

Liebe Katharina, liebe Alle,

Gerade bin ich über einen Satz von dir gestolpert Katharina.
Ich zitiere: "Weiter machen bis man umfällt,dann in der stationären akut Psychiatrie landen?"

Gerade das sind die Gedanken ,die uns oft bis zum Zusammenbruch weiter machen lassen.
Nur nicht in die Klapse,so ist das Vorurteil.
Was ist so schlimm auch mal in die Klinik zu gehen,wenn es uns sehr schlecht geht ?
Bei einem Beinbruch lässt man sich doch auch fachlich kompetent behandeln.
Nur um die Seele kann man keinen sichtbaren Gips machen.
Für mich war das vor vielen Jahren eine gute Entscheidung.
Obwohl damals noch viele Störungen auf einer Station behandelt wurden und ich gleich am liebsten kehrt gemacht hätte.
Mir wurde da das erste mal klar,wie krank ich wirklich bin und dass ich Hilfe brauchte.
Wie ich entlassen wurde,war ich auch etwas wehmütig,denn ich hatte gute Erfahrungen gemacht,mit den Patienten da und auch mit dem medizinischen Personal.
Mein damals behandelnder Arzt und Psychologe ist heute noch mein Behandler und Oberarzt in der Psychiatrischen Instituts Ambulanz.
Heute ist das ein ganz modernes Krankenhaus,mit einer Depressions Station.
Auch da war ich schon einige Wochen und hat mir sehr geholfen.
Natürlich gibt es Krankheitsbilder die Angst machen können.
Aber wir ,von Depressionen Betroffenen, sind doch eher die Stillen.
Am Morgen, wenn 20 Depressive frühstücken im Speisesaal,da kannst du eine Stecknadel fallen hören.
Immer noch herrschen ganz falsche Vorstellungen von den modernen Psychiatrien.
Ich will keinem Nahe legen sich ins Krankenhaus zu begeben,der es nicht unbedingt nötig hat.
Wenn es mir aber angeraten würde,bei zu dunklen Gedanken oder so,würde ich mich wieder dahin begeben.
Ich war jetzt schon lange nicht mehr akut in der Psychiatrie,aber letztes Jahr in der Psychiatrischen Reha.
Auch da habe ich durchweg positive Erfahrungen gemacht.
Das war für mich wie ein Urlaub mit vielen guten therapeutischen Gesprächen und Übungen, auch in der Gruppe und mit viel Sport.
Wieder konnte ich Freundschaften schließen und erinnere mich gerne zurück.
Zeit die Seele baumeln zu lassen in schöner Atmosphäre und Landschaft.
Ich konnte mich darauf einlassen,nachdem ich mich eingewöhnt hatte.
Es hat mir wirklich gut getan.
Das schreibe ich mal,damit die Erkrankung nicht immer noch in der Schmuddelecke landet.
Keiner weiß wann es ihn selber treffen kann,das ist bei jeder Krankheit so.

Liebe Grüße Bittchen

PS.Ich habe eine Zeit überlegt,ob ich das Geschriebene abschicken soll,ich will nicht so klugscheissern,aber mache es doch.Vielleicht hilft es ja ein paar Vorurteile abzubauen.
Katerle
Beiträge: 11307
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Katerle »

Liebe Katharina und Bittchen, leider war es bei mir so, dass ich weitermachte, so dass ich dann akut in die Psychiatrie kam. Ich fand das auch nicht schlimm, in die Klinik gegangen zu sein. Aber einige aus meinem Umfeld fanden das lustig, was ich überhaupt nicht so empfand. Mir ging es total schlecht, so als ob ich sterben würde oder ins Koma fallen... Hatte einfach Angst, ganz wegzudrehen, scheiß Gefühl... Und das möchte ich auch nicht nochmal erleben...

Jedenfalls kann das Umfeld auch seinen Beitrag leisten, dass man sich nicht so abgestempelt oder ausgegrenzt fühlt... Leider hatte ich in der Hinsicht auch nicht so gute Erfahrungen machen können... Wenn ich nicht meine Kinder gehabt hätte, weiß ich nicht, ob ich noch leben wollte... Aber es hat sich gelohnt, durch diese Hölle zu gehen...

Freue mich für dich Bittchen, dass du dich in guten Händen fühltest von dem medizinischen Personal. Bei mir dauerte es eine Weile, aber in der Reha fühlte ich mich so menschlich behandelt, dass ich das gerne nochmal wiederholt hätte und auch durfte. :) Jedenfalls durfte ich dort auch viele positive Erfahrungen machen. (Sowas wünscht man sich ja eher in seiner Umgebung).

Finde es nicht klugscheisserich, was du geschrieben hast. Es sind halt deine Erfahrungen und das zählt. LG Katerle
janedoe
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Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von janedoe »

Liebe Bittchen,

wo warst Du in der Klinik und wo zur psychiatrischen Reha? Ist letzteres das Gleiche wie eine psychosomatische Reha?

Wie geht es Dir jetzt? Du warst heute Morgen nicht so fit, wenn ich mich richtig erinnere???

Liebe Grüße

Janedoe
Sil75
Beiträge: 19
Registriert: 26. Jun 2017, 13:13

Re: Meine eigene Unsicherheit

Beitrag von Sil75 »

Ich will ebenfalls nicht einfach so weiter machen. Leider habe ich noch keinen Therapieplatz... Prinzipiell hätte ich auch kein Problem mit einer Klinik - derzeit kann ich mir das aber nicht vorstellen, da ich eine kleine Tochter habe, um die ich mich kümmern muß. Ich fühle mich auch nicht in so schlechter Verfassung, dass ich die Notwendigkeit hierzu sehe. Das ist aber auch eine rein subjektive Wahrnehmung. Vielleicht geht's mir schlechter, als ich derzeit wahrhaben will. Für die Therapie will ich offen sein, ihr habt mir Mut gemacht, es zu versuchen. Ich fühle mich schon nicht mehr so allein. Das tut mir gut. Die Gemeinschaft hier ist tatsächlich sehr hilfreich.
Liebe Grüße an euch alle, danke für die guten Wünsche und viel Kraft euch allen!
Glück ist, wenn die Katastrophe mal Pause macht.
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