Verantwortung belastet mich

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Miffy
Beiträge: 14
Registriert: 7. Jan 2016, 06:31

Verantwortung belastet mich

Beitrag von Miffy »

Hallo zusammen,
Ist schon eine Weile her, dass ich hier einen Eintrag gepostet habe. Wir hatten zwischendurch kurz eine gute Zeit und da habe ich das Forum hier etwas hinter mir gelassen. Jetzt geht es leider wieder bergab und ich möchte euren Rat zu etwas hören. Vorher schildere ich noch kurz, worum es bei mir insgesamt geht.

Ich habe eine depressive Lebensgefährtin, mit der ich mittlerweile fast neun Jahre zusammen bin und die seit ca. zehn Jahren an depressiven Episoden leidet, die jedoch erst in den letzten zwei Jahren sehr schlimm geworden sind. Ganz schlimm war der letzte Sommer, da ging überhaupt nichts mehr, drei Wochen arbeitsunfähig, kaum Bewegung, sie war wirklich zu fast nichts in der Lage.
In der Zeit hab ich ihr Arzttermine besorgt und sogar einen Therapieplatz bei einer Verhaltenstherapeutin bekommen. Sie hat Escitalopram bekommen, was sie aber eigentlich nur abgedämpft hat und im Oktober wieder abgesetzt wurde.
In der Zeit war es zwar auch sehr schwierig für mich, weil ich quasi alles für sie getan habe, was ich konnte und was ihr irgendwie helfen könnte. Wenn sie um drei Uhr nachts aufstehen musste, um zum Frühdienst zu gehen, dann bin ich mit aufgestanden und habe ihr Frühstück gemacht bzw. ihr die Arbeitskleidung bereit gelegt.
Die Verhaltenstherapie hat mich etwas erleichtert, weil ich das Gefühl hatte, dass ich diese komplette Verantwortung nicht mehr tragen musste. Es war jemand vom Fach eingebunden, der mir irgendwo den Rücken frei hielt. So blöd das auch klingen mag.
Diese Therapie hat sie dann im März abgebrochen, später gab sie mir die Begründung, dass sie die Erwartungen und so unter Druck gesetzt hätten und das eher negativ für ihr Befinden gewesen wäre. Im April hat sie ihren Job verloren, was davor eine weitere Krise ausgelöst hat.
Anschließend hatten wir zwei eigentlich echt ganz gute Monate (in dem Zeitraum ging es ihr letztes Jahr auch deutlich besser, aber wieso gerade in der Zeit wissen wir nicht. Sie hat mit Pollenallergien zu tun, aber wir wissen nicht, ob dieser Hormonumsturz damit was zu tun hat, hat da jemand ähnliches erlebt?)
Und jetzt geht es wieder bergab. In vier Wochen haben wir nochmal einen Termin bei einer neuen Psychiaterin.
Aber ich merke, wie mich die Situation belastet. Sie weiß nicht, ob sie arbeiten kann, kann aber zeitgleich auch nicht zum Arzt, weil sie das nicht schafft. Und schon spüre ich die ganze Verantwortung bei mir. Ich kümmere mich um den Arzt oder um die Krankmeldung beim Arbeitgeber, weil ich eben will, dass das alles ok läuft. Jetzt muss sie den Arbeitsplatz wechseln, wegen Umzug und weiß nicht, was sie tun soll. Ob sie überhaupt in der Lage ist, was zu tun. Und von außen kommen viele Ratschläge wo und für was sie sich bewerben soll. Was sie aber eigentlich nicht will und Vollzeit auch nicht kann. Aber das mitteilen kann sie auch nicht. Und auch da sehe ich dann wieder meine Verpflichtung...
ich weiß, dass ich mich nicht genug abgrenze oder mich vllt zu verantwortlich für alles fühle, aber ich weiß nicht, wie ich das ändern soll? Was macht ihr denn, wenn ihr das Gefühl habt die Verantwortung ist zu groß? Geht es überhaupt jemanden da ähnlich?

Ich möchte einfach nur, dass es ihr besser geht. Aber ich glaube, ich muss lernen, dass ich ihr nicht alles abnehmen kann. Sie hat Angst vor neuen Medikamenten oder so, aber gleichzeitig auch, dass sie nie wieder in der Lage sein wird, normal arbeiten zu gehen.
Gott, das macht mich fertig, und ich weiß nicht genau, wie ich mich da abgrenzen kann. Bitte sagt mir eure Erfahrungen und eure Meinung!
Was ich noch dazusagen sollte, wir lieben uns sehr und das verbindet uns auch in Zeiten der Depression. Selbst wenn sie es dann nicht immer so zeigen kann, ist das etwas, was nicht in Frage gestellt wird.

Vielen Dank fürs Zuhören schonmal.
Eure Miffy
Flussi
Beiträge: 102
Registriert: 28. Mai 2017, 13:34

Re: Verantwortung belastet mich

Beitrag von Flussi »

Lieber Miffy,

ich bin selber depressiv und hoffe nicht, dass mein Partner so leidet. Ich denke Du musst mehr für Dich tun bzw. auch mal inne halten. Du bist sicherlich ein toller Partner. Aber vermutlich kann sich Deine Partnerin zu sehr auf Dich verlassen, so dass Du aber bald zusammen brichst.

Was sagen den die Angehörigengruppen?
Bitte sag ihr, dass Du sie liebst, aber mehr Ruhe und Gelassenheit brauchst, wenn ihr Euch liebt, wird sie damit klarkommen. Ich wünsche Dir Entspannung!!!

Liebe Grüße
Flussi
yogacat
Beiträge: 34
Registriert: 28. Apr 2017, 16:29

Re: Verantwortung belastet mich

Beitrag von yogacat »

hallo miffy,

mir ging das ne zeitlang auch so, zum glück hab ich selber viel zu tun und konnte nicht alles übernehmen. ich bin so schon ein führsorglicher mensch und das passt halt...naja.

ich finds gut dass du schonmal weißt/eingesehen hast, dass du solche sachen nicht entscheiden kannst für sie, das mit den neuen medis etc. ich würde trotzdem immer hilfe anbieten aber gib ihr auch mal die möglichkeit es alleine zu machen. das mag dann länger dauern aber sie muss es machen können.

ich versteh dich auch mit der abgrenzung, wenn mein partner früh nicht ausm bett gekommen ist bin ich selbst schier verzweifelt, aber das baut halt noch mehr druck auf >> und wird halt schlimmer.
kümmer dich bitte zuerst um deinen kram und biete ihr deine hilfe an. dann muss sie sich an dich wenden wenn sie diese benötigt.

dass du in krisen trotzdem weißt dass ihr euch liebt ist sehr schön und wertvoll, leider ist das nicht in jeder beziehung hier so :/ das bin ich jetz richtig neidisch auf dich ;)

lg, yc
In every life we have some trouble, but when you worry, you make it double.
Miffy
Beiträge: 14
Registriert: 7. Jan 2016, 06:31

Re: Verantwortung belastet mich

Beitrag von Miffy »

Vielen Dank für eure lieben Antworten! Ich werde daran denken und versuchen es so umzusetzen, dass es mir gut tut.

@yogacat: Danke! Ich weiß das sehr zu schätzen, dass unsere Liebe nicht in Frage gestellt wird. Ich habe hier schon oft gelesen, dass gezweifelt wird oder gar nichts mehr empfunden wird. Das finde ich ganz schlimm und ich glaube, das könnte ich nicht sehr lange aushalten. Tut mir leid, dass es in deiner Beziehung im Moment schwierig zu sein scheint. Melde dich, wenn du mal reden willst!
letsDoThis
Beiträge: 7
Registriert: 17. Mai 2017, 22:14

Re: Verantwortung belastet mich

Beitrag von letsDoThis »

Hi Miffy

Ich habe deine Geschichte mit etwas Sorge um dich gelesen. Ich persönlich kann dein Bedürfnis, deine Partnerin optimal zu unterstützen, sehr gut nachvollziehen. Zwar war ich noch nie in einer Beziehung mit jemandem, der an Depressionen leidet, aber meine Mutter litt - und leidet - seit meinem zwölften Lebensjahr an Depressionen. Und mir ging - und geht - es genau gleich.
Ich kann mir vorstellen, dass du alles tun möchtest, um deine Partnerin vor der Welt und sich selbst zu beschützen, und dir denkst, dass du alle Verantwortung dafür übernehmen musst. Schliesslich liebst du sie... und dann kommen diejenigen Momente, in denen es ihr wieder schlechter geht und du fragst dich verzweifelt, wie du ihr helfen kannst, was du machen kannst, warum du es nicht hinbringst, sie glücklich zu machen.
ABER: ihre Depressionen sind zwar ein Teil deines Lebens, aber sie gehören nicht zu dir - sie gehören zu ihr. Deshalb kann auch niemand anders sie heilen, als sie selbst. Sofern du nicht eine Ausbildung zur Psychologin hinter dir hast, musst du dich damit abfinden, dass auch du ihr nicht die nötigen Hilfsmittel (damit meine ich Strategien, wie sie mit ihren Depressionen umgehen soll) zur Hand geben kannst. Und: DAS IST NICHT SCHLIMM! Du bist und wirst nie dafür verantwortlich sein!
Ich kann dir von mir aus nur einen sehr guten Rat geben und ich hoffe von Herzen, dass du ihn in Erwägung ziehst. Mir hat es sehr geholfen, eine Therapie zu machen, um mit meiner Psychologin über meine Situation während dieser sehr schwierigen Zeit zu sprechen. Denn die Depressivkranken brauchen Therapie, aber wir Angehörige vernachlässigen uns und unsere eigene mentale Gesundheit leider auch. Du hast gefragt, wie es anderen gelingt, sich abzuschotten? Die Therapie war mein Weg und sie hat mir auf so viele Arten geholfen. Ich habe gelernt zu akzeptieren, dass ich nichts tun kann, um meiner Mutter zu helfen. Sie muss sich selber helfen. Und das ist okay so. Ihre Depression gehört nicht in meinen Rucksack, sie gehört einzig in ihren.
Eins zum Schluss: Hilfsbereitsschaft ist eine gute Eigenschaft, Selbstaufopferung nicht! Soll heissen: Du musst auf deine eigene Gesundheit achten. Wenn nicht um deiner Willen, dann um den Willen deines Umkreises! Auch Familie und Freunde brauchen vielleicht irgendwann wieder deine Unterstützung (von deiner Freundin ganz zu schweigen), da ist es das beste, wenn du dazu in der Lage bist, dich von gewissen Dingen zu distanzieren. Bist du dazu nicht in der Lage, dann machst du dich selber damit kaputt und scheiterst in den Situationen, in denen du einen Mehrwert leisten könntest.

Alles, alles liebe auf deinem weiteren Weg und vergiss nie, dass es hier Menschen gibt, die deine Situation und Gefühle nur zu gut nachvollziehen können
letsDoThis
yogacat
Beiträge: 34
Registriert: 28. Apr 2017, 16:29

Re: Verantwortung belastet mich

Beitrag von yogacat »

he miffy,

ich kann das von letsdothis nur bestätigen. ich hab mir auch von anfang an gesagt: es ist nicht meine aufgabe ihn zu heilen, seine krankheit zu heilen. das kann ich nicht und daher kann das nicht meine aufgabe sein. diese bürde wäre vieeel viel zu groß.
du kannst nur da sein. deinen kram machen. wenns ihr schlecht geht kannstes nich ändern. du kannst da sein, wenn sie wen zum reden braucht und trost und nähe.

eine schöne nächste woche euch allen
In every life we have some trouble, but when you worry, you make it double.
Miffy
Beiträge: 14
Registriert: 7. Jan 2016, 06:31

Re: Verantwortung belastet mich

Beitrag von Miffy »

Vielen Dank für eure lieben Worte und Ratschläge! :-)
Ich sehe ein, was ihr sagt und ich muss ehrlich sagen, dass mir besonders der Vergleich mit dem Rucksack gut getan hat. So konkret konnte ich das bisher noch nicht erfassen. Du hast recht, ihre Depression ist ein Teil von meinem Leben, aber es ist nicht meine Depression. Sie gehört nicht in meinen Rucksack. Dieses Bild hat in mir etwas angestoßen und ich versuche mich darüber etwas zu distanzieren. Es ist schwer und gerade jetzt, wenn sie so schrecklich schlechte Tage hat, merke ich, wie sich alles in mir zusammen zieht und auch mein Herz sich irgendwie schwer anfühlt. Jetzt nicht auf die Weise, dass ich mich depressiv fühle, sondern auf die Weise, dass es mich einfach belastet sie so schlimm zu sehen.
Es ist einfach auch krass zu sehen, wie eine Krankheit einen Menschen verändert und wie unterschiedlich es ist, wenn es ihr besser geht und wie wenn es ihr schlecht geht...

Ich denke über den Vorschlag mit der Therapie nach. Habe ich vorher auch schon hin und wieder. Mal sehen, wie sich die nächsten Wochen entwickeln. Wir haben am Freitag nochmal einen Termin bei einer Psychologin. Mal sehen, was das ergibt.

Habt ihr Erfahrungen damit, wenn jemand aufgrund von Depressionen arbeitsunfähig ist oder temporär berentet wird? Gibt es da spezielle Prozeduren?
yogacat
Beiträge: 34
Registriert: 28. Apr 2017, 16:29

Re: Verantwortung belastet mich

Beitrag von yogacat »

huhu miffy,

sehr gut, dass dich diese einsicht etwas entlastet:)

zum thema arbeitsunfähig wg krankheit, schau am besten mal im forum bei den betroffenen-themen, sicher gibts dort einiges zu lesen.

wenn du mekrst es belastet dich solltest du dir auch hilfe holen, ich scheue mich auch davor den betroffenen keinen 'platz' wegzunehmen... aber psychologen sind nicht nur für depressive da:/ und wer hilfe brauch sollte sie auch bekommen.

alles gute
lg, yc
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