Auf sich selber achten - egoistisch?

[Veronika]

Hallo ihr lieben,

Ich bin neu hier und bin im Moment ziemlich verzweifelt.

Meine beste Freundin hat - laut ihrer Therapeutin - Depressionen, ist bei ihr jedoch nicht regelmäßig in Behandlung und nimmt auch keine Medikamente. Da meine Freundin eine schwierige Familienkonstellation hat und diese nicht wirklich für sie da sind, bin ich als ihre beste Freundin eine ziemlich wichtige Bezugsperson. Die Depression hat sich in den vergangenen 3 Jahren entwickelt und bis jetzt immer schlimmer geworden - auch mit Therapie.
Die letzten Monate mit ihr waren für mich wirklich nicht einfach... ich habe irgendwie das Gefühl, von ihr ausgenutzt zu werden. Wenn es ihr schlecht geht (und das war fast durchgehend der Fall) muss ich mir sofort für sie Zeit nehmen und immer quasi schon auf der Fußmatte stehen, ansonsten macht sie mir (und ich mir auch) Vorwürfe, ich sei eine schlechte Freundin, wäre egoistisch und würde sie im Stich lassen usw.

Mittlerweile ist es schon so, dass ich nur noch genervt bin und einfach nicht mehr kann, jedes Mal wenn sie sich bei mir meldet werde ich wütend weil ich mal wieder Psychologin spielen muss... das belastet mich sehr und ich schäme mich für diese Gedanken und Gefühle, die sie zur Zeit in mir hervorruft.
Ich muss mich dann echt an der Nase nehmen und mir tausendmal sagen, dass sie das nicht mit Absicht macht und dass sie einfach nicht anders kann...

Ich gehe noch zur Schule, mache grade Matura und habe wirklich nicht immer Zeit, mich auch noch mit ihren Problemen auseinanderzusetzen... zusätzlich schafft sie es auch immer genau zum richtigen Zeitpunkt, mir zu sagen wie gern sie mich hat und wie sehr ich ihr immer helfe, immer gerade dann, wenn ich mich ein wenig zurückziehe und auf Abstand gehe.

Ist es "normal", dass man als beste Freundin sowas denkt und fühlt? Darf ich das überhaupt?
Wie geht es anderen Angehörigen - habt ihr auch Angst, zu egoistisch und eine schlechte Freundin zu sein?
In wieweit darf ich für mich selbst sorgen, oder muss ich meine Bedürfnisse hinten anstellen? Funktioniert das überhaupt auf Dauer?

Ich bin leider total überfordert... ich wünschte ich könnte die nötige Resilienz aufbringen, aber ich kann es nicht und ich traue mich nicht, mich abzugrenzen, auch wenn ich merke, dass es mr nicht gut tut... ich fühle mich wie der schlechteste Mensch der Welt dadurch...

Tut mir Leid für den langen Text, es wäre schön, wenn jemand dieses Problem kennt und vielleicht ein paar Ratschläge für mich hätte...

Vielen Dank und liebe Grüße,

Veronika

[elly3176]

Hallo Veronika,

ich kann mich ein wenig in deine Situation hineinversetzen. Mein Freund leidet unter Depressionen und ich bin die einzige, die für ihn wirklich da ist. Das ist oft sehr schwierig und hart..
Vor allem immer für einen Menschen da sein zu müssen auf den man selbst nicht wirklich zählen kann..
Aber lass dir sagen, dass es dein gutes Recht ist auch mal nein zu sagen. Zu deinem eigenen Schutz.
Ich weiß das es nicht leicht ist aber ich lese auch heraus, dass du unter der ganzen Situation leidest.
Auch wenn du deiner Freundin nur helfen willst. Es ist ganz normal das einem die Kraft irgendwann ausgeht.
Und ich finde es wirklich egoistisch von deiner Freundin dir gleich Vorwürfe zu machen!

Du musst dich ja nicht gleich völlig abgrenzen, aber es reicht auch schon nur 1-2 mal in der Woche etwas für dich zu tun was dir gefällt und möglichst versuchen abzuschalten.

Wenn Sie wirklich deine beste Freundin ist wird sie das verstehen, dass du auch mal Zeit für dich brauchst..

Ich hoffe ich konnte dir ein wenig helfen.

LG

[RezDep]

Hy Veronika,

Abgrenzung ist total wichtig, Depression hin- oder her. Was ich besonders wichtig finde: du bist ihre Freundin, nicht ihre Psychologin. Dafür ist sie in fachlicher Betreuung. Und da darfst du dich auf jeden Fall abgrenzen. Verweise notfalls auf die Therapie, wenn es zuviel wird für dich.

Sehe das ansonsten wie elly.

LG
Kessy

[Hadi]

Hi Veronika,

ich lebe in einer Beziehung mit einer depressiven Frau.

Es ist sehr wichtig sich selber nicht zu verlieren. Nimm dir deine Zeit, auch wenn es hart ist!

Ich kenne die Situationen wenn sie weinend auf dem Bett liegt, aber man eigentlich mit Freunden verabredet ist. Geh zu deinen Freunden! Du brauchst einen freien Kopf und dein Leben geht weiter.

Da du Matura machst ist es um so wichtiger, dass du dich auf darauf konzentrierst. Du bist noch sehr jung, gehe raus, habe deinen Spaß und lerne für deinen Abschluss. Es ehrt dich, dass du immer für sie da sein willst. Ich denke du machst das toll.

Frage dich aber immer wie deine Freundin das sehen würde wenn sie gesund wäre. Sie würde wollen, dass du dich nicht vergisst.

Ich hoffe meine Worte machen dir Mut.

Grüße,
Hadi

[Veronika]

Vielen Dank für die aufmunternden Worte...

Theoretisch weiß ich ja, dass ich mir Zeit für mich nehmen darf und soll, aber wenn es die Situation so erfordert traue ich mich nicht, mir dieses Recht einzugestehen.
Ich denke mir eben, wenn ich in ihrer Situation wäre, hätte ich auch gerne jemanden auf den ich immer zählen kann. Ich habe sie wirklich sehr gern und sie ist mir wichtig und ich möchte sie auf keinen Fall in dieser Situation alleine lassen.
Manchmal macht es mir gar nichts aus und dann gibt es Tage, an denen ich sie gar nicht aushalte.

Danke für eure lieben Worte, ich hoffe, dass ich sie auch wirklich mal umsetzen kann...

LG Veronika

[letsDoThis]

Liebe Veronika

Du bist dir selbst bewusst, dass

dass [du] ... [dir] Zeit für [dich] ... nehmen darf[st] und soll[st]

. Der Teil nach dem Komma gefällt mir allerdings weniger gut (

aber wenn es die Situation so erfordert traue ich mich nicht, mir dieses Recht einzugestehen.

) Aus diesem zweiten Teil höre ich heraus, dass es Situationen gibt, in denen du sehr froh wärst, wenn du das könntest, es dir aber aus einem verpflichtenden Gefühl gegenüber deiner Freundin nicht erlaubst. Ich hoffe, dir in den folgenden Zeilen etwas Mut zuzusprechen, dir dieses Recht zu geben.

Du sagst, dass du, wenn du in ihrer Situation wärst, froh wärst, jemanden zu haben, auf den du immer zählen kannst. Und genau auf das IMMER kommt es darauf an. Dieses IMMER beinhaltet nämlich, dass du jederzeit und allzeit für ihre Probleme zur Verfügung stehen solltest. Angesichts dessen, dass viele Leute schon mit ihren eigenen Gedanken zeitweise überfordert sind, kann dir das aber - es sei denn du bist Superwoman - nicht gelingen! Die Depression ist nicht deine Erkrankung sondern die deiner Freundin. Nur sie kann sich daraus befreien!
Nimmst du dir nur Zeit für ihre Sorgen, dann hast du nicht genug Zeit, um dich um deine eigenen Sorgen und Bedürfnisse zu kümmern. Damit gerätst du in ein seelisches Ungleichgewicht und bist in Folge dessen weniger dazu fähig, deiner Freundin eine gute Freundin zu sein. Das führt zu einer typischen positiven Rückkoppelung: ein Teufelskreis. In anderen Worten: wenn du nicht dir das Recht herausnimmst, für dich selber zu sorgen und ihr ab und zu zu sagen, dass du in diesem Moment Zeit für dich brauchst, dann bist du längerfristig nicht fähig, Personen, die du liebst, (Freunde, Familie, etc.) zu unterstützen, weil du dich durch deine Selbstaufopferung nur mit den Gefühlen anderer, aber nicht mit deinen eigenen beschäftigen konntest.
Also bitte, bitte pass auf dich selber auf und achte auf deine eigenen Bedürfnisse wie so auf die Bedürfnisse deiner Freundin. Behandle dich mit soviel Respekt und Verständnis, wie du sie behandeln würdest!

Ich wünsche dir von Herzen nur das allerbeste!
letsDoThis