Ich igle mich ein

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Angelique
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Ich igle mich ein

Beitrag von Angelique »

Hallo alle da draußen,

warum ich heute schreibe ist die wahre Verzweiflung! Ich neige - wie wahrscheinlich viele Depressive sehr dazu,mich zuhause regelrecht einzuigeln. Ich mache das besonders seit ich eben als Depresssive gelte, also seit rund 18 Monaten. Vorher war ich auch nicht grade ein Muster an "Ausgehfreudigkeit", weil ich die häusliche Gemütlichkeit (habe auch Mann und zwei Kinder) sehr schätzte, aber es war mir eigentlich kein Problem, wenn ich mal auswärtige Termine hatte.
Aber jetzt ist beinahe jeder Termin ein Problem für mich. Gestern hatte ich z.B. schon um 8 Uhr einen Termin bei der Augenärztin zur Kontrolle und nachmittags beim Zahnarzt wegen eines ausgebrochenen Zahnes. Die ganze letzte Woche fürchtete ich mich bereits vor diesem Tag - weniger, dass mich die Ärzte so ängstigen, als einfach, weil ich zwei Termine an einem Tag hatte. Weiß der Himmel, was mir da solche Sorgen bereitete!
Und heute war es ganz schlimm: Ich wusste schon seit Längerem, dass ich meinen Mann zu einem Festakt anlässlich einer Ehrung begleiten sollte. Zuerst machte mir der Gedanke an all die fremden Leute und an den eher "steifen" Rahmen schon Angst, aber ich bemerkte, dass es meinem Mann sehr wichtig war, dass ich ihn begleite - zumal wir soundso sehr wenig unter die Leute kommen .
Gestern noch freute ich mich, dass ich keinerlei Angstgefühle den heutigen Tag betreffend hatte. Heute Früh wählte ich bereits die passende Kleidung aus und verspürte noch immer eher Ruhe in mir. Also befand ich es auch nicht als nötig, ein außertürliches Beruhigungsmittel zu schlucken (was mir mein Psychiater für besondere Fälle sogar erlaubt hat). Doch dann ging's los: Durchfall ärgeren Ausmaßes!
Obwohl ich ein Mittel dagegen nahm, hörte er nicht auf. So konnte ich unmöglich zu einem Festakt gehen - also entschuldigte ich mich bei meinem Mann, der trotz Verständnis für mich, enttäuscht war. Danach hatte ich wieder ein enorm schlechtes Gewissen ihm gegenüber, weil ich ihm die Freude verdorben hatte. Trotzdem waren meine Ängste wegen des körperlichen Zustandes stärker und ich blieb zuhause.
Einmal hätte ich etwas Ablenkung von meiner Zuhausesitzerei, dann mache ich es mir selbst wieder zunichte! Glaube ich einmal, gefühlsmäßig alles gut zu "packen", macht mir wieder der Körper einen Strich durch die Rechnung! Es gibt einfach kein Entkommen!
Wer hat ähnliche Erfahrungen gemacht und was tut ihr gegen diese eher irrationalen Ängste?
Angelique
DYS-
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Re: Ich igle mich ein

Beitrag von DYS- »

Liebe Angelika.
Du stehst nicht alleine damit. Ich kann dir nur nicht groß helfen. Bin an diesem Problem selber am arbeiten.
DYS
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
tomroerich
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Re: Ich igle mich ein

Beitrag von tomroerich »

Hallo Angelique,

au ja, das kenne ich auch. Meine Depr. liegen schon eine Weile zurück aber an diesem Phänomen bin ich auch schier verzweifelt. Weil ich eben nicht sagen konnte, wovor ich Angst hatte- ich hatte sie eben. Eine Zeit lang konnte ich nicht in Kaufhäuser gehen (klaustrophobische Gefühle), mied aber auch jeden Termin und zur Arbeit zu gehen war wie der Gang zum Schafott. Alles war Überforderung, einfach alles. Was vor der Depr. normal und wie selbstverständlich aus mir herausfloss an Aktivität, schien sich zu unüberwindlichen Hürden aufzutürmen. Erklären kann man das nicht wirklich. Ich habe es immer so empfunden, dass das Gehirn sich weigert, die Eindrücke zu verarbeiten. Somit kann man auch nicht angemessen reagieren. Ich hatte permanent Angst, alles würde mir entgleiten, ich könnte Blödsinn brabbeln oder nicht mehr nach Hause finden. Schon beängstigend!
Was tut man dagegen? Man zwingt sich nicht sondern nimmt für sich in Anspruch, mal wie ein kleines ängstliches Kind zu sein, das sich nicht traut. Nicht alles ist ja so schwer. Ab und zu mal wieder was versuchen ist schon oK, damit man weiß, wo man steht. Vielleicht geht spazieren gehen (mit oder ohne Begleitung) ja besser als Party? Kino z.B. ging gar nicht bei mir. Dunkler Raum und diese schnellen Schnitte der Filme, das war wie Geisterbahn, da verlor ich mich völlig.
Besser, du zwingst dich so wenig wie es geht. Jeder Misserfolg nährt die Depression, jede Überforderung baut neue Schranken in dir auf und erzeugt Angst vor der nächsten Situation. Wenn die Depr. nachlässt, geht alles wie von selber wieder besser.

Gruß von

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
Captain Kirk
Beiträge: 633
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ich igle mich ein

Beitrag von Captain Kirk »

Hi,

genau so wie Thomas es beschreibt, ging es mir auch. Und es wurde schlimmer als mich Therapeuten zwingen wollten mich der Angst zu stellen (Das mag bei manchen menschen funktionieren und bei manchen Erkrankungen auch richtig sein. Bei mir wars nicht so). Rein ins Kaufhaus, Kino, Gesellschaftsverannstaltunegn..alles wozu meine Seele und mein Gehirn NO sagten...

Ich habe für mich dann einen anderen Therapieplan zusammengestellt. Und zwar habe ich dieses Phänomen der Abschottung von der schnellen Welt erstmal als scheinbar dringend nötiges Schutzschild der Psyche angenommen und meine Aktivität in den mikroskopischen Bereich verlegt.

Dinge, bei denen ich MICH spürte und wieder ZU MIR kam. Das hat mein Gehirn dann auch gierig aufgesogen und nicht mehr blockiert.

das ist allerdings schwer nach außen zu vertreten. Denn für die "Normalen" sieht es wie Nichtstun oder Flucht vor der Welt aus. Ist es aber nicht. Im Gegenteil.


Gruß
c.
Nachtlicht
Beiträge: 38
Registriert: 10. Jan 2004, 21:03

Re: Ich igle mich ein

Beitrag von Nachtlicht »

Lieber Captain,

was sind das für Dinge die Du im kleinen und für Dich tust???
Mich würde interessieren was Du damit meinst.

Liebe Grüße

Silke
Captain Kirk
Beiträge: 633
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ich igle mich ein

Beitrag von Captain Kirk »

Liebes Nachtlicht,

ich meine damit Dinge, die außerhalb der äußeren Geschäftigkeit liegen.Diese Aktivitäten die mehr nach außen gerichtet sind stellen für mich den Makrokosmos dar. Oder sie sind für mich auch vergleichbar mit der großen Theaterbühne. Dort sind es große Gesten mit denen man der Welt begegnet und Welt darstellt. Diese großen Gesten werden aber hohl, wenn die kleinen ihnen zugrundeliegenden Empfindungen nicht (mehr)da sind. Das führt meiner Meinung nach zu einer Entfremdung und ist Teil der Depression.

Im Mikrokosmos agiere ich mit ganz kleinen Gesten, die immer MICH als Bezugspunkt haben. Zum Beispiel gehts darum zu schauen in welcher Beziehung ich eigentlich zu den mich umgebenden Dingen stehe. Das sind auch Aufmerksamkeitsübungen, wie z.B. über verschiedene Untergründe laufen und die unterschiedlichen Geräusche und Gefühle dabei wahrnehmen, -oder Dinge tun die mir Freude machen ohne an das Endresultat oder äußere Stimmen zu denken. Es geht darum zu spüren was ICH dabei empfinde.


Erst wenn für mich dieser Mikrokosmos wieder stabil ist kann ich mich auch wieder frei mit der äußeren Welt beschäftigen.

Gruß
c.

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Hi Angelique,

Du schreibst: <Glaube ich einmal, gefühlsmäßig alles gut zu "packen", macht mir wieder der Körper einen Strich durch die Rechnung! Es gibt einfach kein Entkommen!
Wer hat ähnliche Erfahrungen gemacht und was tut ihr gegen diese eher irrationalen Ängste?>

Das ist ja das Phänomen des denkenden Körpers.

Also, ich sehe es so, wenn man mit dem Kopf DENKT man KÖNNTE SOLLTE oder WOLLTE, aber eigentlich gar nicht WILL oder auch seelisch nicht KANN (aber diesen
Gedanken entweder gar nicht mehr spüren kann oder ihn nicht zulässt und trotzdem -entgegen eigener Bedürfnisse handelt --aus welchen Gründen auch immer..das gilt es herauszufinden) dann wird die Seele deutlicher und läßt den Körper denken und handeln. Das wirkt dann meistens und die Umwelt hat auch Verständnis, weil man ja was sehen kann. Ein teuer erkauftes Verständnis wenn ihr mich fragt...
Wenn man "nur" auf seine innere Stimme hört ist es viel schwieriger, das seiner Umwelt klar zu machen. Aber ich denke, das sollte der Weg sein. Keine seelischen Vergewaltigungsaktionen mehr, sondern horchen und tun was das Innere begehrt.


Gruß
c.
Angelique
Beiträge: 0
Registriert: 3. Mär 2004, 17:20

Re: Ich igle mich ein

Beitrag von Angelique »

Hallo alle, die mir netterweise geantwortet haben!
Dass ich nicht alleine dastehe, mit meiner Problematik, hat mir schon einmal geholfen.
Diese Sache mit dem Mikrokosmos hat etwas für sich - ich werde in nächster Zeit versuchen, mehr in meinem innersten Bereich nach dem Rechten zu sehen.
Ich neige nämlich sowieso sehr dazu, meine eigenen Wünsche hintan zu stellen und zuerst einmal zu denken: Was wird vvon mir erwartet? Ich versuche von dieser Denkweise schön langsam wegzukommen, versuche mich "auf die Füße zu stellen" und mir dabei nicht gleich zu egoistisch vorzukommen.
Danke nochmals für eure guten Tipps!
Angelique
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ich igle mich ein

Beitrag von maggy »

Hallo Angelique,

ja, das mit dem Vorschlag des üben, üben,üben von Therapeutenseite, kenne ich auch sehr gut. Einer meinte mal ich solle täglich in unser Dorf fahren (3 km) und 1 Pfund Butter kaufen. Ich stellte mir die wachsenden Butterberge in meinem Kühlschrank vor und wußte, das kann es nicht sein.

Wenn ich mich richtig erinnere bist Du aus Österreich und was mir momentan sehr hilft ist ein Buch und eine Homepage von einem Autor, der in Wien lebt:

http://www.zartbesaitet.net

Vielleicht findest Du Dich in dem geschriebenen ja auch ein bisschen wieder.

Alles Liebe
und ein erholsames Wochenende
schickt Dir

Maggy
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
butterfly7
Beiträge: 842
Registriert: 8. Jul 2004, 17:35

Re: Ich igle mich ein

Beitrag von butterfly7 »

hallo ihr lieben,
habe gerade wieder eine "grausame einigelphase" hinter mir.
ganz allein und das wollte ich auch.
wenn frau/mann sich aber dann beim
"rausschleifen" zum briefkasten von
einer viel jüngeren nachbarin -ich hoffte nicht gesehen zu werden- die genau von meinen schicksalsschlägen weiss, anhören muss:"man kann sich zusammenreißen".
dann langt es.
kann jetzt nicht weiter.
bis dann
liebe grüße
butterfly7
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