nicht können oder nicht wollen

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janedoe
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nicht können oder nicht wollen

Beitrag von janedoe »

Komme gerade von meiner Psychologin und sie sagte mir zum gefühlten 100-sten Mal, dass sie das Gefühl hat, ich würde nicht wolle. Es wäre, als würde ich die Tür zu einem anderen Leben zuhalten.

Ist dieses Gefühl von Nicht-können in Wirklichkeit ein Nicht-wollen?
Früher hat mich so ein Satz noch zu Protest angeregt, dass ich will und was ich will. Heute hatte es eher den Effekt, wenn sie schon denkt, dass ich nicht will, was soll ich dann hier. Es ist als hätte sie mich aufgegeben oder als zweifle sie an ihrer eigenen Diagnose.

Mir fällt alles zunehmend schwerer, der Haushalt, die persönliche Pflege, die Arbeit, das ganze drumherum. Am liebsten möchte ich meine Ruhe haben. Diese bleierne Müdigkeit, die mich den ganzen Tag begleitet, die Angst vor der Arbeit und doch gehe ich jeden Tag hin, die "Ansprüche" von meiner Tochter, die ganz normal sind und mir trotzdem schwer fallen und mich an mir zweifeln lassen, die Maske des ewigen Sonnenscheins bei Bewohnern und Angehörigen zu tragen, weil sie ja nichts für ihre und meine Situation können... ist das alles nur ein Nichtwollen???

Liebe Grüße

Janedoe
janedoe
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Re: nicht können oder nicht wollen

Beitrag von janedoe »

das ich kann nicht oder ich will nicht steht nicht für die Medikamenteneinnahme, sonder für den Tipp, ich soll mit dem Rad in die Arbeit fahren, eine Tour ca 20km und nach dem Schichtdienst auch wieder zurück, ich soll spazieren gehen, ich soll soziale Kontakte pflegen, regelmäßig kochen, waschen, putzen... Wie macht frau das, wenn sie diese bleierne Müdigkeit spürt, alles in diesem Nebelgrau verschwindet und das Sofa der beste Freund ist. Ich habe heute frei, lange im Bett gelegen, war kurz einkaufen, wieder gelegen. Muss noch kochen, weil die Lütte mit Hunger nach Hause kommt. Letzteres fällt, GSD, nächste Woche aus, weil sie auf Kursfahrt ist. Bilde ich mir dieses Nicht-Können wirklich nur ein und ist es in Wahrheit Bequemlichkeit und nicht wollen?

Liebe Grüße
janedoe
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Re: nicht können oder nicht wollen

Beitrag von janedoe »

Ich schiebe es mal hierrüber, weil es doch einige Missverständnisse gab.
Zarra
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Re: nicht können oder nicht wollen

Beitrag von Zarra »

Hallo Janedoe,

dann dopple ich mein Posting hier vielleicht auch besser, mehr oder weniger:

Das Erschöpfungsgefühl ist keine Einbildung! Und Bequemlichkeit schon gar nicht! Soweit also in gewisser Weise "Nicht-Können", auch wenn es ein relatives Nicht-Können ist.

Das andere: "Die Depression" sagt uns auch Dinge, die so nicht stimmen. ... u.U. daß wir eh nicht zu gebrauchen seine, daß keiner (!) uns mag, daß wir xy nicht können, daß ... - Fakt ist, daß zu einem gesunden Leben im allgemeinen auch ausreichend Bewegung und soziale Kontakte gehören, das Ausmaß kann zwischen unterschiedlichen Personen aber sehr schwanken und immer noch gesund sein. - Es gilt also, auch in der Krankheit (!) ein passendes Maß an Kontakten und Rückzug zu finden.

Und da muß man schon auch mal über seinen Schatten springen und sich überwinden! - Keine Ahnung, ob das als Kriterium taugt, doch ein bißchen würde ich das für mich so sagen: Überwindung, irgendwas zu tun oder irgendwohin zu gehen, ist okay und gut, wenn es sich dann dort oder beim Tun oder spätestens hinterher gut oder zumindest neutral anfühlt. (Und da gilt es, ein immer besseres Gefühl für sich selbst und sein Befinden zu bekommen, damit man das immer besser einschätzen kann. Am Anfang liegt man natürlich auch mal daneben.)

Mal krass gesagt: Einmal um den Block laufen, sollte fast jeder Depressive "können", wenn er keine Zusatzerkrankungen hat. - 20 km Radfahren einfach zur Arbeit täglich: Wer von Euch (Du?!; die Therapeutin?!) ist gut trainiert?!? ;-) (Vielleicht war es ja auch nur eine Idee und sie wußte die Entfernung nicht? ... oder sie ist eine geübte Radfahrerin, da ist das halt vermutlich ein Klacks - für alle anderen aber nicht.)

Und manchmal muß man die Haltung ändern oder etwas Neues ausprobieren, um der Depression nicht weiterhin Futter zu geben (Perfektionismus reduzieren u.a., auch mal Nein-Sagen, sich nicht für alles verantwortlich fühlen(!!), ...; keine Ahnung, welches ggf. andere Hauptbaustellen bei Dir sein könnten??!).
regelmäßig kochen, waschen, putzen...
Hat sie das wirklich so gesagt? - Ja, klar, wäre toll und einfacher, wenn das so klappen würde. ... doch zumindest bei stärker von der Krankheit Betroffenen läuft das nicht mehr so locker automatisch.

Beim ersten Lesen hatte ich den Eindruck, daß Du eventuell verschiedene Dinge in einen Topf wirst, die aber nicht gleich zu behandeln wären. Keine Ahnung, ob es solche Punkte geben könnte oder ob es eine Fehlvermutung war.

Viele Grüße, Zarra
janedoe
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Re: nicht können oder nicht wollen

Beitrag von janedoe »

Zarra,

ich bin bis nach der Reha letzten Jahres, tgl. die 40km geradelt und, wenn es zeitmäßig ging, auch jeden Tag bis zu 18km gejogged. Das war wie ein Zwang, eine Sucht, um eine innere Unruhe abzubauen, um den Kopf leer zu bekommen und vlt. mal eine Nacht durchschlafen zu können. Es war Stress pur, eine Flucht vor mir selbst und auch körperlich zerstörerisch.
In der Reha, musste ich zwischendurch immer wieder die Laufschuhe anziehen oder aufs Radl. Ich habe dort fast alles im Laufschritt gemacht und war bei den Einzelgesprächen am Starnd oder im Wald mindestens 5m vor meinem Therapeuten, musste oft auf ihn warten, da er seeehr gemütlich durchs Leben wandelte. Erst eine heftige Entzündung an der Achillessehne stoppte zumindest das Laufen, radeln ging ja immer noch.

Nach der Reha bin ich in ein tiefes Loch gefallen, meine Laufschuhe und das Radl seitdem nimmer angeschaut und gut 15kg zugenommen. Ich bin froh, dass ich die Arbeitstage noch schaffe, obwohl auch das immer schwerer fällt. Ich zwinge mich dazu. Manchmal weiß ich gar nicht wie ich dorthin gekommen bin, ich steige ins Auto und komme erst wieder zu mir, wenn ich auf dem Parkplatz stehe. Ich muss über die Autobahn. Nach dem Termin beim Psychiater wäre ich fast auf ein Auto aufgefahren. Ich habe es nicht gesehen... Aber meine Chefin wollte, dass ich arbeite.
Also ja, ich habe ein Problem Nein zu sagen, kann mich von der Arbeit nicht abgrenzen und nehme viele Dinge mit nach Hause.
Wenn auf Arbeit jemand stürzt, suche ich das Problem bei mir, was hätte ich anders machen müssen, damit es nicht passiert. Letztes Jahr ist eine Bewohnerin weggekaufen und wurde neben den Bahngleisen liegend vorgefunden. Nächtelang hatte ich Albträume und hab mir Vorwürfe gemacht. Ich weiß bis heute nicht, was ich getan hätte, wäre der Frau etwas passiert. Ich hatte Glück, dass sie auf der "falschen" Seite lag und der Lokführer auf dem anderen Gleis sie gesehen hat.

In der Reha wurde eine soziale Phobie diagnostiziert und eine PTBS, aber an beidem wird bisher nicht gearbeitet.
Zarra
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Re: nicht können oder nicht wollen

Beitrag von Zarra »

Liebe Janedoe,
ich bin bis nach der Reha letzten Jahres, tgl. die 40km geradelt und, wenn es zeitmäßig ging, auch jeden Tag bis zu 18km gejogged. Das war wie ein Zwang, eine Sucht, um eine innere Unruhe abzubauen, um den Kopf leer zu bekommen [...] Stress pur, eine Flucht vor mir selbst und auch körperlich zerstörerisch.
Das ist ja schon mal eine WICHTIGE Erkenntnis (!) und ein guter Ansatzpunkt!!

... und dann sollte es erst recht nicht um 20-km-Touren zur Arbeit gehen.
Ich zwinge mich dazu. Manchmal weiß ich gar nicht wie ich dorthin gekommen bin, ich steige ins Auto und komme erst wieder zu mir, wenn ich auf dem Parkplatz stehe. Ich muss über die Autobahn. Nach dem Termin beim Psychiater wäre ich fast auf ein Auto aufgefahren. Ich habe es nicht gesehen... Aber meine Chefin wollte, dass ich arbeite.
Ja, und da gilt es psychotherapeutisch anzusetzen. Es geht nicht darum, nur noch daheim rumzuliegen. Aber es geht darum, achtsam mit sich (!) und der Umwelt zu sein; dazu gehört auch, nach solch einem aufwühlenden (!) Termin hinzufühlen, ob man jetzt halbwegs sicher Auto fahren kann oder nicht (es geht dabei um Dich (!), es geht aber auch um andere Menschen, denen Du in oder außerhalb von anderen Fahrzeugen dabei begegnest), ob man eben erst mal eine Stunde für sich sein muß, irgendwo rumlaufen, auf einer Bank sitzen oder was weiß ich. Man muß nicht sofort schreien, daß man die nächste Woche nicht arbeiten kann, doch wenn es nicht regelmäßig vorkommt, muß es eine Lösung geben, wenn Du erst ein oder zwei Stunden später bei der Arbeit auftauchst. (Eine psychiatrische Praxis müßte da ggf. auch eine längere Aufenthaltsbescheinigung ausstellen, wenn man ihr das Arbeitsumfeld und die Umstände mitteilt. - Ich habe das nie gemacht, weil ich meine "Spaziergänge" immer anders "entschuldigen" etc. konnte, doch ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Arzt das nicht macht.)
ich habe ein Problem Nein zu sagen, kann mich von der Arbeit nicht abgrenzen und nehme viele Dinge mit nach Hause.
Wenn auf Arbeit jemand stürzt, suche ich das Problem bei mir, was hätte ich anders machen müssen, damit es nicht passiert. Letztes Jahr ist eine Bewohnerin weggekaufen
Ja, und das ist alles viel zu viel --. Hat die bisherige Psychotherapie wenigstens ein bißchen etwas daran verändert? Sonst mußt Du Dich fragen, ob es die passende Psychotherapie ist. Außer es ging um anderes Wichtiges.

Dann zu dem Genannten: Realitätsüberprüfung! Was ist wirklich in Deiner Verantwortung? Nicht nur formal. Daß jemand stürzt - wenn er nicht gerade über etwas gestolpert ist, was Du ihm in den Weg gelegt hast ...; ich schätze, daß das eher unabhängig von allem möglichen passieren kann. Und das Weglaufen vermutlich ebenso. - Ich befürchte, daß Du da "entspannter" werden müßtest. Würde ich Dir insgesamt dennoch empfehlen, "daran zu drehen", auch wenn Du arbeitsmäßig da weg willst.
In der Reha wurde eine soziale Phobie diagnostiziert und eine PTBS, aber an beidem wird bisher nicht gearbeitet.
Hast Du Deine Therapeutin darauf angesprochen? Was erwartest Du? Was kann sie, was kann sie nicht? (... das hängt ja auch davon ab, um was es bei der PTBS geht und wie sehr sie sich mit Traumatherapie auskennt (oder auszukennen meint).)

Liebe Grüße, Zarra
janedoe
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Re: nicht können oder nicht wollen

Beitrag von janedoe »

Liebe Zarra,
dieses Nichtwissen wie ich an bestimmte Punkte gekommen bin, passiert nicht nur nach Therapieterminen, häufig auch morgens oder mittags auf dem Weg in die Arbeit. Es macht mir soooo Angst.
Der Psychiater wollte mich für diesen Tag krank schreiben, damit ich den Termin überhaupt wahrnehmen kann, denn eigentlich hätte ich schon mittags auf Arbeit sein müssen. Ich habe versucht, in den FD zu gehen, aber es tauscht niemand in den SD, da er psychisch sehr anstrengend ist, weil es einfach zu wenig Personal ist. ich "durfte" dann später kommen und meine Chefin wollte auch eine Bescheinigung vom Arzt von wann bis wann ich bei ihm war, weil es als Arbeitszeit zählen würde, aber das wollte ich nicht. Seit der Reha letzten Jahres habe ich eh schon das Gefühl, ich soll von ihr weggegmobbed werden und werde nicht mehr respektiert. Ich will nicht noch eine Bescheinigung abgeben, auf der ein Stempel vom Psychiater ist....
Die einhellige Meinung zur Reha war, dass ich die nicht brauche, weil es mir doch gut geht. die Maske hat also gut gessesen. Eine Ahnung wie es mir wirklich ging, haben sie wohl erst bekommen, als aus den 5 dann 7 Wochen wurden, ich AU zurückkam und eine Wiedereingliederung gemacht habe...
Die VT hat bisher nicht viel gebracht, auch wenn meine Therapeutin das anders sieht. Die Ängste sind geblieben, das Gefühl nicht gut genug zu sein auch, ich habe ab und zu mal nein gesagt, wenn es um Einspringen geht, aber meine Chefin weiß, welche Knöpfe sie bei mir drücken muss. Ich arbeite lieber selbst, als eine Kollegin aus dem frei zu holen. Sie brauchen es bei dem Job so nötig.
Meine Therapeutin legt die Termin immer so, dass sie auf einen freien tag fallen oder ich danach noch ein wenig Zeit habe, bis ich los muss. Das liebe ich so an ihr. Sie besteht nicht immer auf dem gleichen Tag und der gleichen Uhrzeit, obwohl es bei der Therapiedichte sicher nicht immer einfach für sie ist, so flexibel zu sein. Mein Psychiater macht es nicht, er gibt mir den Termin und ich muss schauen, wie ich es geregelt bekomme.

Liebe Grüße

Janedoe
Zarra
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Re: nicht können oder nicht wollen

Beitrag von Zarra »

Liebe Janedoe,
das Gefühl nicht gut genug zu sein auch, ich habe ab und zu mal nein gesagt, wenn es um Einspringen geht, aber meine Chefin weiß, welche Knöpfe sie bei mir drücken muss. Ich arbeite lieber selbst, als eine Kollegin aus dem frei zu holen. Sie brauchen es bei dem Job so nötig.
"Sie brauchen es" - und Du?!

Du wirst die Welt nicht retten, selbst wenn Du doppelt so viel arbeiten würdest. - Man muß nicht unsozial und unkollegial werden, doch es gibt einfach Grenzen, und für die eigene Gesundheit sollte man auch nicht übersozial sein.

Alles Liebe, ich muß jetzt mal weg vom PC,

Zarra
DieNeue
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Re: nicht können oder nicht wollen

Beitrag von DieNeue »

Liebe Janedoe,

schon nach deinen ersten beiden Posts habe ich mir gedacht, dass du bestimmt eine Verhaltenstherapie machst. Warum? Weil ich das alles auch schon von Verhaltenstherapeuten gehört habe - auch mit dem Zusatz "Sie wollen doch gar nicht!"
Als ich vor ein paar Jahren in der Tagesklinik war, hieß es auch immer "machen Sie dies..., tun Sie das..., Sie müssen dies..., machen Sie sich einen Wochenplan..., gehen Sie nach der Tagesklinik nicht gleich nach hause, sondern machen Sie einen Spaziergang, machen Sie Sport, treffen Sie sich mit Leuten, Sie müssen..., Sie müssen..., Sie müssen!
Und GANZ wichtig: Legen Sie sich NIEMALS aufs Sofa!"

Und den gleichen "Vorschlag" mit dem Fahrtweg haben sie mir auch gemacht. Ich sollte doch zu Fuß in die Tagesklinik laufen und nachhause dann natürlich auch wieder.
Ich war im Sommer in der Klinik und im Winter vorher bin ich jeden Tag trotz fast -20°C eine dreiviertel Stunde in die Uni gelaufen, weil ich mich aus einem bestimmten Grund nicht mehr Straßenbahnfahren getraut habe, und ich war im Sommer sowas von froh, dass ich mit dem Auto zur Klinik fahren konnte und in 5 min dort war. Das war eine riesen Erleichterung. Das habe ich auch erzählt, aber interessiert hat es niemanden... Nachdem die Therapeutin dann wochenland trotzdem auf mich eingeredet hatte, bin ich doch mal gelaufen. Ich war über eine Stunde unterwegs, im Hochsommer in der prallen Sonne und ich war nach paar hundert Metern schon auf 180, weil ich so sauer war, dass ich mich darauf eingelassen hatte. Für jemand anderen wäre das Laufen vllt kein Problem gewesen, aber ich war damals so erschöpft und k.o., für mich war eine riesen Anstrengung und der Tag für mich dann auch gelaufen.

In der Klinik war der Tenor immer, man solle sich tagsüber niemals hinlegen, sich viel bewegen, immer was tun, auf keinen Fall aufs Sofa und schon gar nicht aufs Bett.
Das mag als Aktivierung vielleicht gut sein, dass man sich nicht hinlegt, weil man depri ist und man dann im Bett versumpft, in seinem Gedankenkarussel landet und man nicht mehr aus dem Stimmungsloch rauskommt.
Aber: Wenn jemand erschöpft ist, kann das auch genau das Gegenteil bewirken! Nach Jahren bin ich in einer Rehaeinrichtung bei einer Ärztin gelandet, die gesehen hat, wie erschöpft ich bin, und die mir geraten hat, auf KEINEN Fall Sport zu machen, sondern höchstens spazieren zu gehen, weil mein Körper mittlerweile schon so schwach war. Ich habe immer gedacht, durch mehr körperliche Anstrengung werde ich auch wieder fitter. War aber nicht so! Im Gegenteil:
Durch noch mehr Druck, ich müsse dies und das machen, mich noch mehr bewegen und auf keinen Fall hinlegen, weil ich muss ja fitter werden, ging es mir noch schlechter.
Jetzt denke ich mir: Was macht man denn normalerweise als Gesunder, wenn man z.B. nach einer anstrengenden Bergwanderung nach hause kommt? Mit Sicherheit nicht noch einen kleinen Spaziergang um den Block. Man legt sich hin, legt die Füße hoch oder isst gemütlich was... Aber man gönnt sich auf jeden Fall Erholung.
Für Gesunde ist das normal, aber wenn Depressive das so machen, hab ich manchmal echt den Eindruck, da schrillen dann bei den Therapeuten sämtliche Alarmglocken.
Mittlerweile lege ich mich jeden Tag mittags eine Stunde hin, ansonsten bin ich am Ende des Tages völlig kaputt.

Natürlich kann man sich nicht hinsetzen und darauf warten, bis die Gesundheit vom Himmel fällt, sondern man muss sich, wie Zarra gesagt hat, auch mal überwinden etwas zu tun. Aber wenn es dir schlechter geht, wenn du die Vorschläge deiner Therapeutin umsetzt, dann lass es lieber! Damit macht man sich dann nur kaputt (ist meine persönliche Erfahrung).
Wenn du k.o. bist, dann ruh dich aus, und wenn du müde bist, dann leg dich ins Bett und schlaf - du darfst das!

Zu dem angeblich Nicht-wollen: Erstens finde ich, wenn jemand freiwillig eine Therapie macht, dann will er ja prinzipiell schon was ändern. Sonst würde man gleich zuhause bleiben. Allein deshalb finde ich den Vorwurf, man würde ja gar nicht wollen, schon ziemlich anmaßend und gemein. Und auch ziemlich unproduktiv, wenn es ständig kommt...

Zweitens hat meine Therapeutin (keine VT) mir mal erklärt, dass wenn man etwas nicht will oder kann, dann heißt das nicht automatisch, dass man einafach keinen Bock hat oder zu blöd ist, etwas umzusetzen, sondern es kann auch innere Widerstände geben, die man sich ansehen sollte. Und das hat gar nichts damit zu tun, dass man keinen Bock auf die Therapie hätte etc., sondern dass man sich mit etwas anderem selbst blockiert.

Meine Therapeutin hat viel besser reagiert als die Therapeuten in den Kliniken, als ich mal einen Vorschlag von ihr definitiv abgelehnt habe. Sie fand es richtig gut, dass ich gesagt habe, was ich nicht will. Das konnte ich vorher nämlich nicht. Sie fand das sehr positiv, aber ich bin mir sicher, dass in den Kliniken da die Reaktion "Sie wollen ja gar nicht!" käme, denn dass jemand positiv auf Ablehnung reagiert, das hab ich da noch nie erlebt.

Vielleicht würde dir eine andere Psychotherapie-Richtung besser tun als eine Verhaltenstherapie. Die VT hat mir zwar mit den Wochenplänen geholfen, meinen Tag nicht mehr so voll zu packen wie vorher, aber das wars auch schon. Ansonsten waren alle verhaltenstherapeutischen Ansätze für mich meistens mit Druck verbunden.

Mir hat es auch weniger geholfen, einfach nur mein Verhalten ändern zu sollen. Mir hilft es am meisten, wenn ich verstehe, warum ich etwas wie mache. Sobald ich das verstanden habe, sind mir immer öfter Situationen aufgefallen, in denen ich mich so verhalte, und dann konnte ich auch langsam beginnen, mich anders zu verhalten. Aber bei mir lief das sehr über das Verstehen.
janedoe hat geschrieben: das ich kann nicht oder ich will nicht steht nicht für die Medikamenteneinnahme, sonder für den Tipp, ich soll mit dem Rad in die Arbeit fahren, eine Tour ca 20km und nach dem Schichtdienst auch wieder zurück, ich soll spazieren gehen, ich soll soziale Kontakte pflegen, regelmäßig kochen, waschen, putzen... Wie macht frau das, wenn sie diese bleierne Müdigkeit spürt, alles in diesem Nebelgrau verschwindet und das Sofa der beste Freund ist. Ich habe heute frei, lange im Bett gelegen, war kurz einkaufen, wieder gelegen. Muss noch kochen, weil die Lütte mit Hunger nach Hause kommt.
janedoe hat geschrieben: Mir fällt alles zunehmend schwerer, der Haushalt, die persönliche Pflege, die Arbeit, das ganze drumherum. Am liebsten möchte ich meine Ruhe haben. Diese bleierne Müdigkeit, die mich den ganzen Tag begleitet, die Angst vor der Arbeit und doch gehe ich jeden Tag hin, die "Ansprüche" von meiner Tochter, die ganz normal sind und mir trotzdem schwer fallen und mich an mir zweifeln lassen, die Maske des ewigen Sonnenscheins bei Bewohnern und Angehörigen zu tragen, weil sie ja nichts für ihre und meine Situation können... ist das alles nur ein Nichtwollen???
Ich denke nicht, dass es sich bei dir um Bequemlichkeit handelt. Bequemlich wäre, wenn du das alles locker könntest, aber zu faul bist. Aber das bist du ja nicht, du versuchst ja alles zu machen. Wenn du faul wärst, würdest du es gar nicht erst versuchen. Vielleicht kannst du das ja als Anhaltspunkt nehmen.
janedoe hat geschrieben: Ist dieses Gefühl von Nicht-können in Wirklichkeit ein Nicht-wollen?
Früher hat mich so ein Satz noch zu Protest angeregt, dass ich will und was ich will. Heute hatte es eher den Effekt, wenn sie schon denkt, dass ich nicht will, was soll ich dann hier. Es ist als hätte sie mich aufgegeben oder als zweifle sie an ihrer eigenen Diagnose.
Würde mir wahrscheinlich auch so gehen. Es ist echt alles andere als motivierend, wenn man das Gefühl hat, die Therapeutin hat einen aufgegeben. Und eigentlich ist es aber ihr Job, rauszufinden, warum du nicht kannst/willst!

Ich habe den Eindruck, dass bei dir einfach die Luft raus ist. Du schreibst ja selbst, dass du am liebsten nur deine Ruhe haben willst. Aber du bist immer angetrieben durch Arbeit, Haushalt, Kind(er)... und dann noch oben drauf die Ansprüche deiner Therapeutin. Ich habe ja von dem inneren Widerstand geschrieben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das auch der Grund sein könnte, dass sie denkt, du willst nicht. Im Prinzip willst du ja, dass es anders wird. Aber für dich sind dann solche Ansprüche, dass du dies und das tun sollst, nur noch eine zusätzliche Last.
Wenn einem das Wasser eh schon bis zum Hals steht und dann jemand noch verlangt, dass man noch irgendwas zusätzlich macht, dann wäre das für mich echt sehr viel Druck. Und Druck ist, denke ich, das letzte, das du im Moment brauchst! Ich denke, dass dich das unterbewusst
schon blockieren kann.
Zarra hat geschrieben:Liebe Janedoe,
Zitat:
das Gefühl nicht gut genug zu sein auch, ich habe ab und zu mal nein gesagt, wenn es um Einspringen geht, aber meine Chefin weiß, welche Knöpfe sie bei mir drücken muss. Ich arbeite lieber selbst, als eine Kollegin aus dem frei zu holen. Sie brauchen es bei dem Job so nötig.
"Sie brauchen es" - und Du?!

Du wirst die Welt nicht retten, selbst wenn Du doppelt so viel arbeiten würdest. - Man muß nicht unsozial und unkollegial werden, doch es gibt einfach Grenzen, und für die eigene Gesundheit sollte man auch nicht übersozial sein.
Ich denke auch, dass du auf dich mindestens so gut achten solltest wie auf deine Kolleginnen. Auch du hast freie Tage verdient und brauchst sie auch. Du bist genauso wichtig und wertvoll wie alle anderen deiner Kolleginnen.

Weiß deine Therapeutin von den Diagnosen von der Reha?

Nochwas zum Autofahren: Könnte es sein, dass es an den Medikamenten liegt?

Liebe Grüße,
DieNeue
janedoe
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Re: nicht können oder nicht wollen

Beitrag von janedoe »

Liebe DieNeue,

vielen Dank für Dein langes post.
Sorry, dass ich nicht gleich geantwortet habe, manchmal reicht die Kraft nur noch fürs Lesen.
Ich nehme keine Medis, deswegen kann die Autoproblematik nicht davon kommen. Aber es macht mir Angst. Angst, dass ich mal nicht rechtzeitig bremsen kann und jemand verletzetze oder Schlimmeres.
Aber nicht in die Arbeit zu fahren ist auch keine Lösung, so gern ich es mir manchmal auch wünsche, so groß die Angst davor auch ist, die Übelkeit morgens, das Erbrechen vor der Arbeit, die Magenschmerzen....

Meine Psychologin denkt auch, dass es einen inneren Widerstand gibt, der mich hindert, die Tür in ein weniger depressives Leben zu öffnen, es ist, als ob ich mir nicht erlaube glücklich zu sein... Sie hat es schon ein paar Mal angesprochen, aber ich kann keinen Grund benennen... Jedenfalls keinen bewussten.

Ganz oft möchte ich wissen, warum ich so bin wie ich bin, warum ich so oder so reagiere. so ganz anders als die Menschen um mich herum. Oft fühle ich micht wie ein Alien.

Ja, meine Therapeutin weiß um die Diagnosen von der Reha, aber bisher ging es nur um die vergangene Woche, um die Arbeit, mein Verhältnis zu meiner Lütten und ab und um Versprechen in der nächsten Woche wieder bei ihr zu sitzen.

Liebe Sonntagsgrüße

Janedoe
Coaching Kieser
Beiträge: 7
Registriert: 20. Jul 2017, 20:27

Re: nicht können oder nicht wollen

Beitrag von Coaching Kieser »

Liebe Janedoe,

Ich vertrete die Meinung, dass man seinen Therapeuten wechseln sollte, wenn man sich mit ihm nicht mehr wohl fühlt. Denn Vertrauen ist die Basis einer Therapie. Wenn ich die Meinung meines Therapeuten nicht teile bzw. Ich mich sehr unwohl oder unter Druck gesetzt fühle, dann sollte ich mir Konsequenzen überlegen.
Es ist schon richtig, dass man sich nicht nur gehen lassen sollte. Ein bisschen Aktivität muss sein, denn abgesehen davon, dass man auf der Couch oder im Bett nur noch mehr in das Tief reinrutscht, da sich die Gedanken nur um das Negative kreisen, findet man so nicht aus der Depression. Aber die Vorschläge, 20 km mit dem Rad zu radeln, finde ich schon sehr übertrieben. Man sollte doch eher langsamer beginnen, z. B. Mit einem langen Spaziergang oder ein paar Runden walken oder schwimmen. Übertreibt man es mit der Aktivität, die man eigentlich nicht will, so ist das Scheitern schon im Voraus bestimmt.

Die täglichen Dinge des Lebens wie Putzen, Haushalt, Körperpflege, belasten jeden depressiven Menschen. Auch hier muss man sich an der Nase nehmen und das Notwendigste tun, damit man nicht verkommt. Das sage ich jetzt nicht nur so dahin, sondern ich spreche aus Erfahrung. Auch ich litt jahrelang unter einer schweren Depression. Ich hatte meine Hündin, die zwang mich, täglich hinauszugehen und das nicht zu knapp. Und ich zwang mich auch zur Hausarbeit. Es war manchmal mehr als schwer, aber es musste sein. Und im Nachhinein gesehen war es sogar sehr gut, denn wie wäre es denn sonst weitergegangen??

Finde deinen eigenen Weg, mache dir einen Wochenplan, den du strikt einhältst. Und lass dich nicht dazu hinreißen, einmal davon abzuweichen, denn dann hast du die Leiter für deinen inneren Schweinehund wieder gelegt und du wirst dich immer weniger an deinen Plan halten. Ist fast so wie mit einer Diät. Einmal gesündigt öffnet es Tür und Tor für nochmaliges Sündigen.
Wenn du so einen Wochenplan erstellst, pack nicht zuviel hinein, sondern zu Beginn eher wenig. Und teile dir auch Ruhezeiten ein, denn die brauchst du auch, sonst wird es dir zuviel. Lass dir Zeit und plane es gut durch, damit du es auch einhalten kannst. Wichtig ist auch, dass du dich um deine Gefühle kümmerst. Mach Wahrnehmungsübungen, Meditation, lenk vielleicht auch die Therapie in dieser Richtung.

Wenn du die ersten Fortschritte machst, wirst du eine Verbesserung deines Gemützustandes verspüren, dieser wird dich motivieren, diesen Weg weiterzugehen.

Liebe Grüße
Coaching@Kieser
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