Depressionen wegen Inhaftierung

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LaMi2410
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Registriert: 2. Mai 2017, 01:14

Depressionen wegen Inhaftierung

Beitrag von LaMi2410 »

Hallo zusammen,
ich sehe diese Option als letzte Option,weil ich einfach nicht mehr weiter weiß.
Kurz zu unserer Geschichte.
Mein Mann und ich sind seit knapp 3 Jahren zusammen. Im letzten Jahr hätten wir uns beinahe getrennt, weil er immer wieder Kontakt zu anderen Frauen gesucht hat (es hat nie ein Treffen gegeben aber flirty chatten). Ich war zu dem Zeitpunkt bereits in 3. Monat schwanger, was wir aber noch nicht wussten.
Am 07.07.16 kam dann die schreckliche Nachricht, dass er verhaftet wurde. Ich musste mich nun entscheiden, ob ich bleibe oder gehe und ich habe mich dafür entschieden, den Weg mit ihm zu gehen. Dafür sprachen viele Gründe. Ich liebe ihn und es ändert für mich nichts an seinem Charakter, weil er einen Moment nicht über die Konsequenzen nachgedacht hat. Außerdem haben wir mittlerweile ein Kind zusammen und (auch ein wenig eigennützig) ich wusste, wenn wir das schaffen, wird er mich endlich zu schätzen wissen.
Unsere Beziehung ist mittlerweile (knapp 10 Monate nach Verhaftung) auch wirklich stabil und ausgeglichen und im Grunde sind wir trotz der Situationen ein glückliches Paar; vermutlich sogar glücklicher als viele andere, deren Beziehung sich nicht auf 2 Telefonate à 10 Minuten pro Woche, 6 Besuchsstunden pro Monat und Briefkontakt beschränkt.... Wenn da nicht diese Depressionen wären.

Die Depressionen fingen kurz vor der Geburt unserer Tochter Anfang des Jahres an, als ihm immer bewusster wurde, was er alles verpassen wird. Dazu natürlich die unglaublichen Schuldgefühle (leider zu recht) und seine unglaubliche Angst, ich könnte ihn betrügen und die momentane Situation ausnutzen.

Ihm zureden, dass ich mich dann von Anfang an gegen ihn entschieden hätte und nicht immer zum Besuch käme, bringt nichts.

Wie machen sich seine Depressionen bemerkbar?

Nun, ich schreibe ihm die schönsten und emotionalsten Briefe. Aber alles was bei ihm hängen bleibt, sind negative Dinge, weil ich ein Thema zu knapp formuliert habe oder eine falsche Formulierung gewählt habe. Eine Antwort bekomme ich nun seit fast 3 Monaten nicht mehr, weil er keine Kraft hat zu schreiben.
Ich versuche ihn in diesen 10-minütigen Telefonaten aufzumuntern aber er kann über nichts lachen.
Wenn es gute Neuigkeiten gibt, berichte ich ihm das enthusiastisch aber seine Reaktionen sind nüchtern und knapp.
Ich frage ihn, wie es ihm geht und bekomme immer dieselbe Antwort "joa wie soll es mir hier gehen". Er fragt mich kaum. Aber wenn ich ihn mal nicht frage, wie es ihm geht, interessiere ich mich nicht mehr für ihn und bin egoistisch.
Im Grunde versuche ich immer wieder ihn aufzubauen und ihm ein gutes Gefühl zu geben aber es ist nie genug. Und wehe ich selbst habe mal schlechte Laune oder ein Problem und bin mal nicht so verständnisvoll für seine Krankheit, dann mache ich alles nur noch schlimmer. Dabei ist die Situation für mich nicht einfacher als für ihn, nur mit dem Unterschied, dass ich nicht in 8qm eingesperrt bin. Genau wie er brauche ich auch manchmal aufbauende Worte oder schöne Briefe, die ich mir in Momenten der Zweifel immer wieder durchlesen kann. Ich habe aktuell das Gefühl, er zieht mich mit runter. Dinge, über die ich vorher hinweg sehen konnte, belasten mich auf einmal und es fühlt sich an, als stünde ich permanent unter Strom aus Angst, ich könnte falsch reagieren und ihn damit noch weiter runterziehen. Dazu setze ich mich enorm unter Druck, weil ich das Gefühl habe als Frau zu versagen. Eine Trennung kommt für mich nicht in Frage, nur wie soll ich mit der Krankheit umgehen?

Er nimmt nun seit 3 Wochen Antidepressiva ein, eine Therapie macht er aber nicht. Dazu lässt er sich auch nicht bewegen, weil er sich Fremden nicht öffnen kann.
Deprella
Beiträge: 103
Registriert: 30. Mär 2017, 14:10

Re: Depressionen wegen Inhaftierung

Beitrag von Deprella »

Hallo LaMi,

das ist wirklich eine schwere Situation. Ich kann dir leider nur eins sagen dass deine aufbauenden Worte bei der Depression an demjenigen abperlen. So ist es bei mir auch. Jeder der mich aufmuntern und motivieren möchte schafft es nicht. Ich sehe da nur die negative Seite. Als Angehörige kann man da leider nichr viel machen. Meistens macht man es sogar schlimmer. Ich kenne das von meiner Schwester. Sie klagt jedes mal dass sie nicht weiss wie sie mit mir umzugehen hat und dass sie alles versucht. Na ja ich sehe das bisschen anders. Sie versucht es nicht wirklich aber du scheinst ja wirklich dir Mühe zu geben. Zumindest lese ich das so aus deinen Worten. Das einzige was du deinem Mann immer geben solltest ist dass Gefühl dass er nicht alleine ist. Er sollte spüren und wissen dass du ihn liebst und bei ihm bist und bleibst. Sag ihm dass du immer da bist wenn er dich braucht und dass du ihn nicht im Stich lässt. Ihr schafft das nur zusammen. Alleine würde er glaube ich mehr untergehen. Vielleicht versuchst du mit ihm wegen einer Psychotherapie zu reden. Du kannst die Vorteile aufzählen oder was passieren kann wenn er eine Therapie versucht. Vielleicht wird ihm das helfen und er wird wieder gesund. Du kannst ihm ja sagen dass er nur mit professioneller Hilfe gesund werden kann und eure Situation sich dann auch bessert und eure Bindung stärkt. Er will ja schließlich auch keine Trennung oder? Er liebt dich ja. Depressive Personen schotten sich oft ab oder stoßen gerne die liebsten um sich herum weg obwohl das nur ein Hilfeschrei ist und die gerade jetzt sehr viel Liebe brauchen und nicht allein sein dürfen.

Ich wünsche dir und deiner Familie viel Kraft. Gute Besserung an deinen Mann.

Lg Deprella
LaMi2410
Beiträge: 2
Registriert: 2. Mai 2017, 01:14

Re: Depressionen wegen Inhaftierung

Beitrag von LaMi2410 »

Hallo Deprella,

vielen Dank für deine Antwort. Leider trifft alles, was du schreibst zu.
Er stößt mich immer weiter von sich weg und glaubt, er sei das Opfer. Meine Vernunft sagt mir dann immer "Naja, wenn er in dieser einen Nacht nachgedacht hätte, wäre er jetzt nicht da, wo er ist und wir hätten all diese Probleme nicht" und ich bin die Leidtragende, schließlich habe ich unser Kind alleine zur Welt gebracht und ziehe sie alleine groß. Aber mein Herz sagt mir dann "Er kann das aktuell nicht verstehen und braucht das Gefühl, bemitleidet zu werden".
Aber wenn ich dann mal eine wirklich beschissene Woche habe, weil unsere Tochter nur weint und sich nicht beruhigen lässt, dann empfinde ich eine solche Wut gegen ihn, dass ich für seine Leiden nicht mehr empfänglich bin. Er muss dann nur eine Sache sagen und es ist, als würden mir die Sicherungen durchbrennen und ich werfe ihm all das vor. Damit mache ich alles nur noch schlimmer. Er kann mir nicht mehr zeigen, dass er mich liebt, weil er sagt, ich hätte ihn mit meinen Worten weggestoßen und ich brauche aber genau diese Liebe, um weiterzumachen zu können und für uns stark zu sein. Wie es aktuell aussieht, werden wir uns wohl trennen...

Ich habe ihn darum gebeten, eine Therapie zu machen aber leider muss man dort sehr lange auf einen Termin warten. Mit etwas Glück wird er im Juli in eine therapeutische Klinik verlegt aber bis dahin müssen wir es erstmal schaffen. Und ob sich dann was ändert, bezweifle ich leider sehr, denn er kann sehr gut die Dinge aus seiner Sicht darstellen und ich weiß nicht, ob die Therapeuten das alles so hinterfragen werden. Aber wir werden sehen...
Deprella
Beiträge: 103
Registriert: 30. Mär 2017, 14:10

Re: Depressionen wegen Inhaftierung

Beitrag von Deprella »

Hallo LaMi,

Ich kenne das von mir auch. Ich sehe das von meiner Seite und verletze die Menschen die mir am nähesten stehen und mich eigentlich lieben und helfen wollen. Das ist leider ganz normal bei der Depression. Man sieht alles negativ und ist misstrauisch gegenüber anderen. Ich würde an eurer Stelle keine voreiligen Entscheidungen treffen. Lasst euch jetzt erstmal viel Zeit. Ihr müsst das nicht sofort entscheiden. Vielleicht fragst du ihn mal ob er es wirklich will dass du nicht mehr in seinem Leben bist? Er soll sich sein leben mal ohne dich vorstellen. Wird er sich denn dann besser fühlen? Frag auch explizit was sich dann alles ändert und was sich positiv auf ihn auswirkt. Wenn er und du mehr vor als Nachteile für euch gefunden habt mit der Trennung dann solltet ihr diesen Schritt auch machen. Solltet ihr aber feststellen dass es falsch ist oder wird und es euch beiden dann nur noch schlechter geht dann rate ich euch davon ab. Ich glaube auch dass eine Veränderung in dem Moment nicht gut sein wird für euch. Ich dachte auch immer ich muss was ändern und neu anfangen. Ich wusste es stimmt irgendwas nicht und ich muss jetzt etwas ändern damit es mir besser geht. Als ich dann einen Arbeitgeberwechsel hatte kam ich garnicht mehr klar. Die Veränderung war so groß dass es mich noch mehr in die Krankheit getrieben hat. Eine depressive Person kann nicht von neu anfangen. Dazu muss man erst gesund sein. Das erfordert viel Kraft.

Ich dachte bei meiner Therapie würden wir auch nicht viel reden aber wir reden über alles. Alles wird intensiv verarbeitet und besprochen. Jede Situation und Unterhaltung die mich bisher belastet haben. Auch Konflikte und Streitigkeiten. Wirklich alles was bisher angefallen ist und auch immer aktuell anfällt. Das kommt auch auf die Psychotherapie an. Mein Psychiater wendet die Tiefenpsychotherapie bei mir an. Das sei bei meiner Geschichte die sinnvollste. Viele machen aber auch die Verhaltenstherapie. Das kommt immer individuell auf den Patienten an. Er soll wirklich sich da reinhängen und bemühen und nimm ihm das mit der Inhaftierung nicht übel. Den Fehler hat er vermutlich auch gemacht weil er da schon unbewusst erkrankt war. Ich war sehr oft nicht mehr in der Lage richtige Entscheidungen zu treffen. Alles was ich während dieser Phase gemacht habe war falsch und ging in die Hose. Man weiss nicht wo einem der Kopf steht und kann nicht klar denken und unterscheiden ob es gut oder schlecht ist. Er soll sich auch selber keine Vorwürfe machen. Selbstzweifel, Schuldgefühle und Vorwürfe sind das schlimmste. Er muss abhaken was passiert ist und nach vorne schauen. Bloß nicht mehr an die Vergangenheit denken und sich Vorwürfe machen. Das ist ganz falsch.

Ich wünsche euch alles gute

Lg
Deprella
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