Ahnungslose Ärzte

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kaizer
Beiträge: 79
Registriert: 21. Jul 2016, 14:30

Ahnungslose Ärzte

Beitrag von kaizer »

Seit ein bis zwei Jahren gibt es den ABCB1-Test, mit dem man per Laboruntersuchung testen lassen kann, welche Medikamente aufgrund der eigenen genetischen Disposition ins Hirn gelangen oder eher nicht. So ließen sich theoretisch viele Fehlversuche und somit wertvolle Zeit beim Ausprobieren von Medikamenten sparen.

Ich weiß nicht, ob der Test das Gelbe vom Ei ist und will ihn nicht empfehlen, immerhin wurde er aber in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut entwickelt und ist vielleicht ein Schritt auf dem Weg zur personalisierten Behandlung - für die es aus meiner Sicht höchste Zeit ist. Von Kassen wird er nicht bezahlt, deshalb lasse ich ihn jetzt auf eigene Kosten machen, in der Hoffnung, dass mir das Ergebnis hilft, denn ich habe schon viele Medikamente probiert und wieder frustriert abgesetzt, weil sie nichts brachten.

Was mich aber wirklich schockiert, ist, dass trotz meiner langen Leidenszeit mit mir bisher noch kein Arzt darüber gesprochen hat, dass es sowas überhaupt gibt. Und die Psychiater, bei denen ich in den letzten Tagen wegen der Blutabnahme vorstellig geworden bin, hatten noch nie was von diesem Test gehört und haben mich angeschaut, als wollte ich Kontakt mit Aliens aufnehmen oder wäre nicht ganz dicht. "Was für ein Test? Und was soll ich da jetzt machen?" Am besten war, dass ich noch gefragt wurde, ob ich mein abgenommenes Blut dann vielleicht selbst per Post ans Labor schicken möchte. :)

Eigentlich würde ich erwarten, dass Ärzte einigermaßen darüber Bescheid wissen, was gerade in ihrem Fachgebiet, mit dem sie sich tagtäglich beschäftigen, los ist und welche neuen Möglichkeiten zur Behandlung es gibt. Manches mag sinnvoll sein, manches weniger - aber man sollte es doch zumindest kennen und besser informiert sein als der Patient mit Google-Suche. Mehr und mehr scheint es mir so zu sein, dass man als Patient immer auf dem Laufenden sein muss, welche Optionen es gibt, und diese auch aktiv einfordern muss, sonst wird erst mal ewig das Standardprogramm abgefahren. Aber das ist nicht mein Job, ich begebe mich in die Hände von Fachleuten, und die Bräsigkeit und Ignoranz vieler Ärzte macht mich wirklich wütend...
RezDep
Beiträge: 498
Registriert: 13. Apr 2016, 18:09

Re: Ahnungslose Ärzte

Beitrag von RezDep »

Hört sich spannend an. Bisher wirkt meine Medikombi, betrifft mich also weniger. Aber gut, dass es so eine Möglichkeit gibt.

LG
Kessy
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Ahnungslose Ärzte

Beitrag von Bittchen »

Danke Liebe/r kaizer für die Information.

Das habe ich noch nicht gehört.
Im Moment reduziere ich gerade Es-Citalopram,weil ich das Gefühl habe, ich habe nur noch Nebenwirkungen.
Der Spruch von meinem Psychologen ist" Sie wissen nicht wie es ohne Ist."
Nein, kann ich nicht wissen ,wenn ich schon Jahre die Höchstdosis von 20 mg nehme,jetzt bin ich bei 10 mg und mir geht es sogar seit ein paar Tagen besser.
Gut zu wissen,dass es so einen Test gibt.
Sollte es nötig sein zu wechseln,denn ich gehe noch weiter runter bis auf 5 mg,
dann habe ich wieder ein Gespräch mit meinem Psychologen.
Kann ja nicht schaden wenn wieder ein Medikament nötig ist,so einen Test machen zu lassen,bevor ich immer wieder eine nutzlose Tortour mit mache.
Die rTMS hat mir auch geholfen,wird auch nicht von den KK bezahlt,anscheinend weil man immer wieder auffrischen muss.
Geheilt wird man da mit rezidivierenden Depressionen auch nicht.
Das wurde mir dann auch zu teuer.
Auch die Fahrt zum Psychiater war recht weit,das kam noch dazu.
Für mich wäre das ansonsten eine gute Alternative,ist aber auch umstritten.

LG Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Morbus
Beiträge: 357
Registriert: 2. Feb 2015, 22:19

Re: Ahnungslose Ärzte

Beitrag von Morbus »

Eine Genuntersuchung wird meist durch die Humangenetik unternommen. Dies ist ein spezieller Bereich der Medizin mit für diesen Bereich spezialisierten Ärzten.

Ein solcher Test dauert in der Regel mehrere Wochen und besteht zumeist aus einem Vorgespräch, der Blutabnahme und einem Abschlussgespräch. Es wird dabei sehr sorgfältig abgewogen ob ein Test sinn macht oder nicht. Zudem sind die Kapazitäten in diesem Bereich nicht endlos, zu großen Teilen wird ein solcher Test deshalb nicht angeboten oder benötigt zusätzliche Zeit, da ein anderes Labor einer Humangenetikeinrichtung diesen vornehmen muss.

Es dauert also Monate eine gentechnische Untersuchung des einzelnen Gens zu erhalten. Einige Monate Wartezeit bis zum Vorgespräch, mehrere Wochen bis der Laborbefund da ist und dann weitere Zeit bis ein Abschlussgespräch geführt werden kann.
Die Aussagekraft dieses Tests ist zudem ein wenig fragwürdig aufgrund des unzureichenden Wissens über den Zusammenhang der einzelnen Gene, da dieser Bereich noch in den Kinderschuhen steckt und der Wirkungsweise vieler AD´s.
Der Test bietet daher keine Auskunft ob nicht ein anderes Gen welches in diesem Zusammenhang bisher unerkannt blieb Einfluss nimmt. Es verbessert also lediglich die Chancen ein passendes Medikament in wirkender Dosis zu nehmen, sagt aber wenig über dessen Wirkung auf die Person aus. Bei vielen Tests wird selbst nachdem mehrere Gene untersucht worden sind noch ein großer Bereich als Restrisiko genannt, da wir bisher nur einen kleinen Teil der Wirkungsweisen der Gene entschlüsselt haben.

Es ist deshalb nicht verwunderlich das normale Hausärzte oder Psychiater keine Ahnung über einen solchen Test haben oder wie dieser vonstatten geht. Es liegt einfach außerhalb ihres medizinischen Bereiches.
Auch ist es nicht verwunderlich das die Krankenkassen diesen Test nicht zahlen, dass kann sich aber natürlich in der Zukunft ändern wenn mehrere Studien zu weiteren Ergebnissen führen.

Für die meisten macht ein solcher Test aber einfach keinen Sinn, die Wartezeit ist einfach zu lang um nicht schon vorher ein paar Medikamente getestet zu haben und so ähnliche Ergebnisse erzielt zu haben.

Zudem sind die Berichte im Internet wenig aussagekräftig, die meisten Seiten lasen sich beim Überfliegen wenig professionell und es sah eher nach einer Möglichkeit aus Geld zu machen anstatt wirklich hilfreich zu sein. Denn wahrscheinlich gibt es auch hier einige Anbieter die einen solchen Test anbieten und einem das Gelbe vom Ei versprechen.

Ich würde diesen Test also nicht als Heilsbringer sehen, werde aber beim nächsten Mal wenn ich in der Humangenetik bin nachfragen. Meine Ärztin ist in diesem Punkt sehr hilfsbereit und sorgfältig und recherchiert dies sogar für mich wenn ich frage und schickt es mir zu, falls selbst Sie von diesen Test noch nichts gehört haben sollte.

Liebe Grüße, Finn
Let go your earthly tether. Enter the void. Empty, and become ...
kaizer
Beiträge: 79
Registriert: 21. Jul 2016, 14:30

Re: Ahnungslose Ärzte

Beitrag von kaizer »

Hi Finn,

wie gesagt, ich glaube auch, dass man hier kritisch sein muss, was man da tut, um nicht auf Bauernfänger reinzufallen, aber mir erscheint der Test, auch aufgrund der Einbindung des Max-Planck-Instituts, recht seriös. Das muss jeder selber wissen, ich habe da keine Aktien dran, aber ich halte es für eine wesentliche Entwicklung und evtl. Erleichterung bei der Depressionstherapie, und da erwarte ich, dass die Leute im Fach das zumindest mal gelesen oder davon gehört haben, um es besprechen zu können. Ich muss in meinem Job auch auf dem Laufenden sein.

So kompliziert, wie von dir beschrieben, ist es übrigens nicht. Blut wird abgenommen und per Post ans Labor geschickt, nach ein paar Werktagen soll das Ergebnis mit Therapieempfehlung zurückkommen. Viel einfacher geht's nicht.
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Ahnungslose Ärzte

Beitrag von Zarra »

Hallo kaizer,

ich schätze, daß es der gleiche Test oder eine Weiterentwicklung davon ist, von dem in diesen beiden Threads bereits die Rede war:
http://www.diskussionsforum-depression. ... n%20false;
http://www.diskussionsforum-depression. ... va#p453064

Und ich habe noch diese Seiten gefunden, die etwas fundierter ...:
http://aerzte.abcb1-test.de/pharmakogen ... akogenetik
(http://aerzte.abcb1-test.de/#node/18)
http://aerzte.abcb1-test.de/sites/defau ... iatrie.pdf

Ich glaube, ich habe damals etwas Ähnliches schon nachgelesen ... und dann beschlossen, daß es für mich (!) erst einmal irrelevant ist, da ich eben ein Non-Substrat des P-Glykoproteins einnahm.

Zumindest das, was ich da an empfohlenen Behandlungsstrategien lese, relativiert das doch etwas.

Doch vielleicht muß man einfach noch etwas abwarten ...

LG, Zarra
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