Hallo freundlich,
Jetzt zur Frage: Würdet Ihr Eure depressiven Angehörigen über die o.g. Erkenntnisse informieren? Ihnen somit Zweifel an der derzeitigen Behandlung zumuten, aber auch die Chance geben, stark mit Nebenwirkungen behaftete Medikamente (deren Wirksamkeit eben nicht nachgewiesen ist) eventuell loszuwerden? Selbstverständlich gehe ich hier von einem aerztlicherseits betreuten Prozess aus ...
Es kommt auch auf den Zeitpunkt an! (... und natürlich ein bißchen auch, wie Deine Partnerin gestrickt ist.) Also ich würde das zu niemandem sagen, der gerade Antidepressiva einnimmt, weil er davor so schlecht drauf wie noch nie war, oder zu jemanden, der latent recht suizidal zu sein könnte.
Ansonsten schon. Und das würde ich mir auch von einem Partner wünschen, daß er mir mitteilt, was er "weiß" bzw. gelesen, erfahren hat. (Ich bin Betroffene.)
Wenn es gut ist (daß man ein AD einnimmt), ist es eh immer eine Einzelfallentscheidung, die gut abgewägt wurde, und die auch Erfahrungen gesammelt hat.
Wenn Du meinst, daß ADs generell und eigentlich immer schlecht seien, und nur das Deiner Partnerin vermitteln willst, fände ich das nicht gut. (Sorry, vielleicht betrifft Dich das nicht, doch das gibt es und gar nicht so selten.) - Die oder der Betroffene muß selbst entscheiden, Erfahrungen sammeln, wirklich selbst kritisch (!) schauen, was ihr oder ihm das Medikament bringt oder eben nicht bringt oder ob Nebenwirkungen zu beeinträchtigend sind. - Als Partner kannst Du Beobachtungen beisteuern, ob und wie Du jemanden mit oder ohne Medikament erlebst; das kann bei der Abwägung durchaus helfen. Entscheiden muß aber der Betroffene.
Ich habe gerade ein AD abgesetzt. Die im meinem Fall komische Nebenwirkung ist tatsächlich verschwunden, doch ich vermisse auch eine gewisse Wirkung des Medikaments. Ich kann noch einen netten Nebeneffekt des Absetzens berichten (etwas, was ich eher nicht als Nebenwirkung eingetütet hatte). Aber eben auch verstärkte Symptome. Als Hintergurnd muß ich aber sagen, daß mir ADs eben teilweise wirklich (!) geholfen haben, daß sie aber nie "alles gut" gemacht haben. - Von daher bin ich für einen kritischen Einsatz, bin aber generell sehr froh, daß es diese Medimente gibt. (Es gab auch etliche ADs, die von vorherein so viele Nebenwirkungen hatten, daß ich entweder auf keine therapeutische Dosis kam oder es ein No-Go war. Doch es gab eben auch ein paar andere.)
(Ich kann nicht beurteilen, ob sich da in den letzten Jahren etwas verändert hat. Ich habe mit ADs zurückhaltende Ärzte erlebt (z.B. in psychotherapeutischen Kliniken bei Menschen, die noch keine nahmen, aber eben auch nicht suizidal waren o.ä.). Nie erlebt oder auch gehört habe ich eigentlich von Ärzten, die aktiv (!) zu einem Ausschleichen rieten; da hat wohl jeder vor einem Rückfall Angst, dem man seinem Vorschlag dann anlasten könnte. - Ich war da immer schon froh, wenn meine Versuche toleriert wurden. Eine Reduzierung wurde erstaunlicherweise mal im nachhinein (!) mit anscheinend Erfahrungswerten des Psychiaters bestätigt; ich bin mir ziemlich sicher, daß er mir das zumindest damals nicht von sich aus vorgeschlagen hätte.)
Hat von Euch denn schonmal jemand Ärzte erlebt, die offen mit diesen Erkenntnissen umgehen oder ist es auch von dieser Seite her nicht zu erwarten, daß Behandlungsmethoden angepasst werden? Man liest z.B., daß in England bei leichten und mittleren Depressionen Antidepressiva nicht mehr verschrieben werden dürfen.
Also "nicht dürfen" habe ich nirgends gelesen und stimmt sicher nicht. - Auch bei uns werden Psychiater unterschiedlich reagieren. Es hängt vom Leidensdruck und den, den jemand dem Psychiater vermittelt, ab. - Ich würde meine Erfahrungen so subsumieren: Medikamente sind sozusagen das Handwerkszeug der Psychiater, sie werden das also auf alle Fälle anbieten. Wie "dringlich" ist sicher Typsache. Mehr als ein Psychiater hat mir gesagt, daß sie für Gespräche nicht bezahlt würden (der Rest ist zu denken!). Und wie schwer oft ein Psychotherapieplatz und noch dazu ein passender gefunden wird, ... ... ...
LG, Zarra