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Benzodiazepin-Langzeiteinnahme

Verfasst: 19. Jan 2017, 09:37
von gvman
Guten Morgen an alle Forumsmitglieder und -leser!
Ich möchte gerne einmal ein heikles Thema ansprechen, das hier zu wenig im Form behandelt wird : Die medizinisch derzeit notwendige langfristige Einnahme von BZD! Auch möchte vorweg bitten, nicht zu stigmatisieren bzw. nur auf eine Suchtproblematik hinzuweisen. Nur ganz kurz zu meiner Geschichte. Ich bin leide seit nun genau 6 Jahren an einer klinischen Depression , die durch massive Schlafstörungen ausgelöst wurde.Mittlerweile hat sich auch noch eine schwere Somatisierung am Magen u.a. dazu eingestellt. Da ich schon seit meiner Kindheit unter Phobien und Magen -Galle und Darmprobleme leide, habe ich schon früh Erfahrungen mit Antidepressiva u.a gemacht. Nun ist es so, dass ich seit etwa 15 Jahren keinerlei typische AD mehr vertrage. Einzig und allein half mir niedrig dosiertes Sulpirid, das nun wieder mit kurzen Unterbrechungen seit 2002 zum Einsatz kommt. (Erstmalig bekam ich es 1989.) Dies half mir lange Zeit gegen die Somatisierung relativ gut. Doch entwickelte ich trotzdem durch anhaltende Schlafstörungen dann 2011 den kompletten Zusammenbruch. Ich habe neben Klinikaufenthalt und Psychotherapien bestimmt 20! Medikamente versucht. Darunter auch alles Pflanzliche. Entweder ohne Wirkung oder noch häufiger, mit massiven NW. Somit blieben nur noch (niedrig dosierte)Benzodiazepine übrig.
Ich bin nach wie vor schwer beeinträcht und erwerbsunfähig, aber nur so kann ich grob den Anforderungen des Alltags standhalten. Ich möchte alle die auch auf eine BZD Einnahme angewiesen sind, auffordern , mir Ihre Erfahrungen zu schildern. Gute wie schlechte! (Ich habe natürlich auch Nachteile durch die Medikation und würde gerne irgendwann ohne auskommen, was zwischenzeitlich auch mehrmals kurzfristig funktioniert hat ,momentan aber nicht!)...LG Markus

Re: Benzodiazepin-Langzeiteinnahme

Verfasst: 22. Jan 2017, 15:25
von fendtsepp
Hallo Markus,
ich bin auf dich aufmerksam geworden, weil Du auf meinen Beitrag zu "Agomelantin=Valdoxan" geantwortet hast.
Sulprid ist aber kein Benzodiazepin. Ich habe das eben nochmal im "Handbuch der Psychopahmakotherapie" von Benkert & Gruender nachgelesen. Falls es Dich interessiert:
https://www.magentacloud.de/lnk/3zv0QNTS" onclick="window.open(this.href);return false;
http://www.wirkstoffprofile.de/online/w ... Amisulprid" onclick="window.open(this.href);return false;

Sulprid gehört zu den Neuroleptika, und vor denen habe ich höllischen Respekt.
Benzodiazepine sind Drogen mit denen ich umgehen kann, und mit Tetrazepam, das wegen Suchtgefahr vom Markt genommen wurde, konnte ich gut umgehen. Als ich zum ersten Mal "somatisierte" und die Ärzte das nicht erkannten und mir Schmerzmittel verschrieben, haben sie meinen Magen ruiniert. Seit dem checke ich alles was mir ein Schulmediziner erzählt oder verabreichen will bevor ich dem folge. [In diesem Forum wird viel zu oft empfohlen: "Frage deinen Weisskittel"]
Die Woche war der Entertainer Hirschhausen bei Markus Lanz, er ist ex Dr. med. und sagte seine 5 essenziellen Checks bevor er einer Schulmedizinischen Empfehlung Folge leistet. Ist noch in der Mediathek zu sehen.
Mein aktuelles Leiden (Schlaflosigkeit mit den ähnlichen Folgen wie bei dir) wurde durch die unterschwellige Zurückweisung und dann Trennung seitens meiner Ex-Lebensgefährtin ausgelöst und zwischendurch nehme ich immer wieder mal 2,5mg oder 5mg Diazepam (Valium), das bei mir nur die Hauptwirkung und keine unerwünschten NW induziert.
Ich habe in zwei meiner Ausbildungen (Tieraztgehilfe, ZIVI im Krankenhaus) die Apotheke mit betreut und damit Zugang zum Ausprobieren gehabt und mir auch mal selbst, weil ich wissen wollte was das macht, Valium intravenös gespritzt. Valium oder Cannabis ist nicht gefährlicher als Alkohol und alle Drei wirken ähnlich. Wir leben in einer suchtkranken und suchtkrankmachenden Gesellschaft - das ist die eigentliche Gefahr.
Neuroleptika verbinde ich immer mit Haldol (Haloperidol). Das ist für mich total negativ besetzt, weil ich in meinem Zivildienst gesehen habe was es mit den Menschen macht (in einem Krankenhaus in dem mit älteren Menschen Geld verdient wurde, indem man sie mit Haldol ruhig stellte und den Tagessatz kassierte. Ja ich weiß, das geht heute nicht mehr - das war auch von 1985 bis 87, aber Haldol wird immer noch viel an ältere Patienten verabreicht.
Sulprid dockt an den Rezeptoren an die was mit Dopamin zu tun haben, deshalb interessiert es mich. Über den Jahreswechsel habe ich mich mit Büchern/Vorträgen von Helen Fisher befasst. Die forscht/schreibt viel über die Hormone/Neurotransmitter Dopamin, Serotonin, Testosteron und Östrogen. Ich kann ihre Aussagen dazu bei mir persönlich total gut nachvollziehen auch wenn der naturwissenschaftliche Beweis von ihr eigentlich nicht erbracht wird. Sie ist biologische Anthropologin mit dem Forschungsschwerpunkt "Romantic Love", also warum wir lieben und was dabei passiert?
Das hat mich dazu gebracht, dass ich wissen will was da mit diesen Stoffen in meinem Körper eigentlich los ist. Auf der Suche nach endokrinologischer oder neuroendokrinologischer Kompetenz bin ich in Berlin beim "MVZ Endokrinologikum Berlin am Gendarmenmarkt" oder der Ambulanz der "Klinik für Endokrinologie" der Charite gelandet. Die haben mir Termine für Juni bzw. September in Aussicht gestellt. Da war ich wirklich sauer.
Bei der Nachfrage in Selbsthilfegruppen habe ich erfahren, dass keiner ihrer Ärzte das je untersucht hat. Alle erzählen die Mär vom Serotonin oder Dopaminmangel, keiner checkt es!
Jetzt habe ich durch die Vermittlung von anderen Charité Beschäftigten einen Termin am 20.2. in einer Praxis, die das hoffentlich auch kann.
Wenn ich einen Dopaminmangel habe, dann will ich die Medikamente probieren, die genau da andocken und das könnte auch Sulprid sein oder L-DOPA oder ???. Bis dahin nehme ich im Notfall (gar nicht schlafen können) lieber Diazepam.
Opipramol half bei mir gegen somatische Beschwerden (Muskelverspannungen) nicht so gut wie Tetrazepam, aber es half. Aber nach 10 Monaten wirkt es glaube ich nicht mehr, ob ob es je den Schlaf unterstützte ist schwer zu beurteilen, zumindest war die Wikung nie so prompt wie mit Tertrazepam oder Diazepam.
LG
- fendtsepp -

Re: Benzodiazepin-Langzeiteinnahme

Verfasst: 22. Jan 2017, 22:25
von gvman
Hallo fendtsepp.
Habe mich da etwas falsch ausgedrückt. Ich nehme zusätzlich zum Sulpirid 3-6 teilweise (selten) 9mg Bromazepam. Ich bin immer neidisch auf alle, die AD vertragen. Mir bleibt nur diese Medikation übrig. (Als 11- jähriger vertrug ich problemlos 60mg Doxepin.)
Sulpirid ist übrigens nur in hohen Dosen ein Antipsychotikum. Unter 300mg wirkt es sich überwiegend antidepressiv aber auch positiv auf Magen aus. Es ist nicht mit Haloperidol zu vergleichen..Um Gottes Willen...
Ich habe aber trotzdem den Verdacht, dass die Benzos auch meinen Magen auf Dauer negativ beeinflusst haben, weswegen ich es schon oft abgesetzt habe. Jedoch hat sich die Abstinenz später auf die Übelkeit kaum noch ausgewirkt. Diese Übelkeit besteht ja seit Ende 2014. Es ist grausam, da ich seit meiner Kindheit unter Brechangst leide (Emetophobie). Ende Januar 2015 schlich ich dann aus der Überzeugung auch Sulpirid nicht mehr zu vertragen, dieses ebenfalls aus. Es folgte die schwerste Depression incl Übelkeit , die ich je in meinem Leben hatte. Seit April 2015 nehme ich wieder 200mg Sulpirid und 3-6mg Bromazepam. Damit kann ich essen und einige Stunden schlafen, Haushalt und Einkäufe (unter Qual) erledigen Aber mein Magen hat seitdem einen totalen Knacks..Ich bin durch die Übelkeit und Brechangst mittlerweile agoraphobisch geworden. Auch quälen mich Derealisation und ständige Migräneauren. Ohne die Medikamente war das aber noch viel schlimmer.
Ich denke mit Opipramol und Diazepam bist du mit deiner Symptomatik gut bedient. LG

Re: Benzodiazepin-Langzeiteinnahme

Verfasst: 22. Jan 2017, 22:46
von gvman
Jetzt habe ich so viel über mich geschrieben..Opipramol wirkt nicht muskelentspannend , weshalb das bei den Verspannungen weniger gut hilft. Sulpirid wirkt in niedriger Dosierung dopaminaktivierend. Trotz dieser Wirkung konnte ich eine starke Insomnieperiode nach meiner Berufsabschlussprüfung 1995 , die ich weder mit Johanniskraut und Baldrian sowie durch Zolpidem (vertrug ich damals noch alles) dauerhaft lindern konnte auch wieder mit Sulpirid (ohne Beruhigungs- und Schlafmittel) hervorragend behandeln. Was ich damit sagen will, vielleicht hilft Dir eine Kombination aus dem (magenfreundlichen) Sulpirid und Opipramol auch gegen die Insomnie. Schlafstörungen und Depression sind leider eh sehr miteinander komorbid (wie alle anderen psych., psychosomatischen Störungen auch ). Allen eine hoffentlich gute Nacht.

Re: Benzodiazepin-Langzeiteinnahme

Verfasst: 23. Jan 2017, 19:14
von Zarra
Hallo Markus,

ich erinnere mich nur, daß laetitia ("lae" zum Suchen) hier mal ihre persönlichen Erfahrungen berichtet hat; was natürlich zu Kontroversen geführt hat. http://www.diskussionsforum-depression. ... bmit=Suche

Und ich habe neulich im Netz die Psychiater-Aussage gefunden: Falls wirklich nicht anders möglich, dann halt besser mit einer der sog. Z-Substanzen schlafen als gar nicht schlafen.

Ich kann sonst nichts beitragen, da bei mir die Einzelmedikation immer ausreichend war und mir dann ggf. ein beruhigendes AD bzw. Opipramol weiterhalf (... garantiert aber auch kein hochdosierter Baldrian o.ä.).

LG, Zarra

Re: Benzodiazepin-Langzeiteinnahme

Verfasst: 23. Jan 2017, 22:47
von gvman
Hallo Zarra.
Ja, leatitias Beiträge habe ich gelesen,auch in der Hoffnung, dass Sie sich meldet. Leider ist sie anscheinend nicht mehr im Forum aktiv. Ich bin aber übrigens auch gewillt, die BZD wieder abzusetzen. Nur sind die letzten Versuche vollkommen nach hinten losgegangen. Z-Schlafmittel vertrage ich noch viel schlechter als Benzos. Ausserdem brauche ich mittlerweile auch was für tagsüber. Es ist so paradox. Obwohl ich immer glaube, meinem Magen wird es durch die Entwöhnung besser gehen, tritt jetzt genau das Gegenteil ein. Immer wenn ich beim letzten Viertel der Bromazepam angekommen bin, dreht sich mein Magen irgendwie ganz um. Ich schlafe dann auch fast gar nicht mehr und es kommt teilweise noch Migräne dazu. Deshalb halte ich an Ihnen fest. Klar würde jeder sagen, das ist der Entzug. Aber all diese Erscheinungen hatte ich vor einigen Jahren nie. Da konnte ich meine Dosis innerhalb von zwei , drei Tagen absetzten , ohne Probleme, außer stärkeren Schlafstörungen, die auch über den Entzug hinaus persistierten.
Und nach einem weiteren Radikalentzug im November 2014 blieb die Übelkeit, wenn auch schwächer, bestehen. Nachdem ich dann auch Sulpirid im Verdacht hatte, habe ich dieses auch abgesetzt...mit Folgen, die ich oben beschrieben habe. Nie wieder will ich das noch einmal erleben. Dieses Medikament werde ich wohl definitiv nie wieder absetzen dürfen.
Ja, mir wäre auch lieber, ich könnte wieder ein sedierendes AD nehmen. Aber die NW sind wirklich extrem.
Ich könnte hier noch viel weiter ausholen, was ich in den 6 Jahren der Depression (und auch schon viel früher) erlebt habe. Aber mittlerweile fühle ich mich als absoluter Sonderfall. Keiner kann mir im Moment weiter helfen. Laetitia hat sich mit ihrer BZD Einnahme und den 20% der Lebensqualität von vor ihrer Krankheit arrangiert. Ich kann das leider nicht. Dazu war ich zu aktiv..und habe mit 40 auch noch einige Pläne, die ich so nicht umsetzen kann.
LG

Re: Benzodiazepin-Langzeiteinnahme

Verfasst: 24. Jan 2017, 21:28
von Zarra
Hallo gvman,

zum Medikamentösen kann ich nichts sagen. - Du könntest zumindest versuchen, laetitia eine PN (persönliche Nachricht) zu schicken oder in einem ihrer alten Threads um eine Rückmeldung bitten, ... wobei es natürlich sein kann, daß sie gar keine Benachrichtigung aktiviert hatte.

LG, Zarra

Re: Benzodiazepin-Langzeiteinnahme

Verfasst: 25. Jan 2017, 14:03
von gvman
Danke Zarra.Ich versuche sie mal zu kontaktieren..
LG Markus

Re: Benzodiazepin-Langzeiteinnahme

Verfasst: 27. Jan 2017, 14:03
von fendtsepp
gvman hat geschrieben:Jetzt habe ich so viel über mich geschrieben..Opipramol wirkt nicht muskelentspannend , weshalb das bei den Verspannungen weniger gut hilft. Sulpirid wirkt in niedriger Dosierung dopaminaktivierend. Trotz dieser Wirkung konnte ich eine starke Insomnieperiode nach meiner Berufsabschlussprüfung 1995 , die ich weder mit Johanniskraut und Baldrian sowie durch Zolpidem (vertrug ich damals noch alles) dauerhaft lindern konnte auch wieder mit Sulpirid (ohne Beruhigungs- und Schlafmittel) hervorragend behandeln. .
Hallo Markus,
also bei mir half Opipramol schon gegen die Muskelverspannungen, wenn auch nicht so prompt und gut wie Tetrazepam (Musaril).
Was ist an Bromazepam anders als an Diazepam oder Tetrazepam?
Wer verschreibt dir das? Ich bin vor einem Jahr vor meiner damaligen Psychiater fast zu Füßen gekrochen um ein Benzodiazepin zu bekommen - ohne Erfolg. Das ist aber wohl eine der allerschlechtesten Psychiaterin von Berlin-Mitte (hat ihre Praxisräume im St. Hedwigs Krankenhaus). Ich bin da gelandet, weil ich da in der Nähe wohne und nur da schnell einen Termin bekam, als es mir akut extrem schlecht ging. Ich bin zur Vertretung meiner Hausärztin gegangen und die hatte dann ein Einsehen, dass das in der Situation angesagt ist, und hat es mir verschrieben. Mit den 20 x 5mg bin aber bis jetzt ausgekommen. Diese Woche habe ich mir wieder von der Hausärztin ein Packung für den Notfall verschreiben lassen. Sie weiß, dass ich damit extrem vorsichtig umgehe ...
Das Absetzten oder der Entzug von langfristigem Benzodiazepineinnahmen ist kaum ohne stationäre Unterstützung zu schaffen. Ich kenne einen Ex-Anästhesisten der dafür ins TWW ging.

Noch eine Frage zu den Dopaminwirkungen von Sulprid.
Wenn das die Dopaminausschüttung oder Dopaminproduktion fördert ist dann die Folge auch wieder ein schwierigeres Einschlafen?

Viele Grüße

- fendtsepp -

Re: Benzodiazepin-Langzeiteinnahme

Verfasst: 28. Jan 2017, 10:03
von gvman
Hey..
Man kann nie genau aus meiner Erfahrung sagen, wer wie auf eine bestimmte Neurotransmitteraktivierung reagiert. Manche werden z.b. durch eine Serotoninauschüttung durch SSRI aktiviert, manche so müde, dass sie nur noch schlafen könnten. So ist das auch bei (moderater) Dopaminbeinflussung. Bei mir wirkte Sulpirid immer aufhellend, moderat antriebssteigernd und sich günstig auf die Magensomatisierung bzw. auch positiv auf den Schlaf (ohne wie gesagt, sediert zu sein) aus. Durch diverse teilweise massive Stressfaktoren privater, persönlicher und später krankheitsbedingt beruflicher Natur verlor Sulpirid bei mir die Wirkung (aber nur teilweise, wie ich später schmerzlich erkennen musste als ich es absetzte). Einfach mal ausprobieren. Fange aber mit 50 mg an, um zu schauen , wie Du reagierst.
Tja, ich punkto BZD: Ich würde, so wie ich mich jetzt fühle, von einem stationären Aufenthalt mehr runter gezogen als aufgebaut. Da komme ich garantiert nicht von denen los.
Mein Hausarzt z.B. rät mir auch von einem erneutem Versuch der Entwöhung im Winter ab. Ich sollte bis zum Frühjahr abwarten. Verschrieben bekomme ich die fast ausschließlich vom Psychiater. Ach ja, die einzelnen BZD unterscheiden sich im Prinzip nur durch ihre Wirkstärke (Angstlösung, Sedierung, Muskelentspannung) und Wirkdauer. Tetrazepam galt als besonders muskelrelaxierend.
LG