Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Sette
Beiträge: 22
Registriert: 31. Okt 2016, 15:40

Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Sette »

Hallo zusammen,

In meiner letzten Therapiestunde haben wir uns u.a. darüber unterhalten, was ich über mich durch die Depression gelernt habe.

Hier ging es hauptsächlich um die positiven Dinge:
- ich habe mehr Geduld mit mir als gedacht (bin seeeehr ungeduldig)
- ich bin viel stärker als vermutet
- ich bin Menschen mit psychischen Problemen verständnisvoller und aufmerksamer gegenüber. Vor der Erkrankung war ich oberflächlicher, jetzt höre ich genau zu.
- ich verändere mich ständig (das habe ich "früher" gar nicht gesehen)
- manchmal ist es nötig, mich abzugrenzen
- manchmal schaffe ich es, erst nachzudenken und dann zu handeln (das ist ganz schwer für mich). Dieser Wesenszug, sofort loszulegen, war mir bis vor kurzem gar nicht bewusst.
- ich freue mich mehr über die Natur und Dinge, die "früher" selbstverständlich waren ( z.B. ein liebes Wort von einer Kollegin). Also war meine Wahrnehmung sehr eingeschränkt.

Was hat euch eure Depression, für mich Frau D., gelehrt?

Einen schönen Abend im Kerzenschein, Sette
Mutmacher
Beiträge: 55
Registriert: 10. Feb 2018, 14:50

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Mutmacher »

Hallo Sette,
Deine Frage ist ja schon etwas älter... Aber hier meine Antworten
- der Blick auf andere Menschen die offensichtlich an D leiden ist geschärft
- Eine D ist ein Aufruf zur Lebensneugestaltung / Umdenken
- Eine D kann bzw. sollte meinen Aktionismus bewirken
- Eine D ist das Vorzimmer der Hölle und da will ich nie wieder hin.
- Der Körper kann den Geist heilen durch Sport
- Eine D kann man in Selbstbewusstsein verwandeln
- Eine D bewirkt Einfühlungsvermögen in sonst verborgene "Welten"

Liebe Grüsse
Katerle
Beiträge: 11309
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Katerle »

Hallo Sette,

Interessanter Thread.

Ich habe gelernt, dass ich meine gewonnenen Erkenntnisse, die mir dabei geholfen haben, mich aus der Depression zu befreien, weiter nutze.

Ausserdem achte ich darauf, mich nicht zu überfordern, mir nicht mehr zuviel zumute.

Tue täglich Dinge, die mir guttun.

LG Katerle
Sieglinde1964
Beiträge: 1267
Registriert: 30. Dez 2006, 19:31

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Sieglinde1964 »

Die Depression hat mich gelehrt:
* achtsamer mit mir selber umzugehen
* mit gesundem Egoismus mal an mich zu denken
* nicht für andere immer mitzudenken
* aufzuhören immer alles perfekt machen zu müssen
Ziege04
Beiträge: 1329
Registriert: 1. Feb 2016, 17:56

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Ziege04 »

Für mich habe ich gelernt:

- wer es nicht kennt, kann es nicht verstehen/ nicht mitreden
- es braucht seine Zeit
- Zwang ist kontra produktiv
- Therapie ist keine Garantie
- am Leben bleiben ist der Wunsch
- zu Leben das Ziel
- sich selbst zu finden/erkennen
- Grenzen setzen
Philosophin
Beiträge: 377
Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Philosophin »

Ich habe gelernt, dass

- meine Depression sich relativ unbeeindruckt von Therapie, Medikamenten, Sport, sozialen Aktivitäten zeigt,
- dass sie mein Leben/ meine Zukunft ruiniert,
- mich zum Versager der Gesellschaft macht,
- gelegentlich auf Verständnis trifft,
- mich dazu zwingt, in zwei Welten zu leben/zwei Gesichter zu haben: ein fröhlich, aktives und eben das depressive.
- die Depression auf Dauer auch meine körperliche Gesundheit ruiniert,
- sie das Leben nicht nur als sinnlos empfinden lässt, sondern es mit der Dauer tatsächlich sinnlos macht,
- sie mich zum "Stehen bleiben" zwingt, obwohl ich weitergehen möchte.
- sie einen täglichen Kampf bedeutet, den ich mir vorher nicht vorstellen konnte,
- die meisten Psychotherapeuten/Psychiater zu optimistisch sind, dass es wieder aufhören wird, Antidepressiva in ihrer positiven Wirkung meist extrem überschätzt werden.
- die Depression mich immer wieder in Erklärungsnot bringt und zu Rechtfertigungen zwingt,
- Depressionen furchtbar einsam machen, nicht nur aufgrund von sozialer Isolation

Ist wahrscheinlich nicht die Aufzählung, die ihr hier lesen wolltet- aber ich kann meiner Depression nicht viel abgewinnen. Sie ist unerträglich und ruiniert mein Leben.

LG Philosophin
Emma52
Beiträge: 331
Registriert: 4. Nov 2016, 00:01

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Emma52 »

Liebe Philosophin, kann mich Dir nur anschließen. Liebe Grüße, Emma
Michael-T
Beiträge: 71
Registriert: 16. Feb 2018, 15:11

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Michael-T »

Liebe Philosophin, besser hätte ich das auch nicht schreiben können! Liebe Grüße Michael
carlos -_-
Beiträge: 5
Registriert: 4. Mär 2018, 20:57

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von carlos -_- »

Hallo, bin ganz frisch hier im Forum. Zu diesem Thema möchte ich anfangen meine Gedanken, vielleicht auch Erfahrungen zu teilen. Alles was die "Philosophin" auflistet ist richtig. So hätte ich auch noch letzten Sonntag geantwortet, ohne auch nur einen positiven Gedanken aufzuführen. Mittlerweile bezeichne ich mich als "geübter" schwer Depressiver. Ohne die im Laufe der Zeit erworbenen, ich sag Mal, Tipps und Tricks, komme ich aus den Tiefs nicht heraus. Diese Dinge habe ich von anderen, teils auch kranken Leuten gelernt.
Darum find ich es recht gut, sich auch über das auszutauschen, was es vornehmlich Gutes aus unserer Krankheit zu berichten gibt. Es wäre schön, wenn dieser Thread weiter geht.

Meine Depressionen haben mich gelehrt:

Sobald ich aufgebe und nicht mehr kämpfe, ist mein Leben zu Ende.

Daraus hat sich bis jetzt auch so einiges Gutes ergeben.

Alles Gute
carlos -_-
Beiträge: 5
Registriert: 4. Mär 2018, 20:57

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von carlos -_- »

Hallo, bin ganz frisch hier im Forum. Zu diesem Thema möchte ich anfangen meine Gedanken, vielleicht auch Erfahrungen zu teilen. Alles was die "Philosophin" auflistet ist richtig. So hätte ich auch noch letzten Sonntag geantwortet, ohne auch nur einen positiven Gedanken aufzuführen. Mittlerweile bezeichne ich mich als "geübter" schwer Depressiver. Ohne die im Laufe der Zeit erworbenen, ich sag Mal, Tipps und Tricks, komme ich aus den Tiefs nicht heraus. Diese Dinge habe ich von anderen, teils auch kranken Leuten gelernt.
Darum find ich es recht gut, sich auch über das auszutauschen, was es vornehmlich Gutes aus unserer Krankheit zu berichten gibt. Es wäre schön, wenn dieser Thread weiter geht.

Meine Depressionen haben mich gelehrt:

Sobald ich aufgebe und nicht mehr kämpfe, ist mein Leben zu Ende.

Daraus hat sich bis jetzt auch so einiges Gutes ergeben.

Alles Gute
carlos -_-
Beiträge: 5
Registriert: 4. Mär 2018, 20:57

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von carlos -_- »

Hallo, bin ganz frisch hier im Forum.

Zu diesem Thema möchte ich anfangen meine Gedanken, vielleicht auch Erfahrungen zu teilen. Alles was die "Philosophin" auflistet ist richtig. So hätte ich auch noch letzten Sonntag geantwortet, ohne auch nur einen positiven Gedanken aufzuführen. Mittlerweile bezeichne ich mich als "geübter" schwer Depressiver. Ohne die im Laufe der Zeit erworbenen, ich sag Mal, Tipps und Tricks, komme ich aus den Tiefs nicht heraus. Diese Dinge habe ich von anderen, teils auch kranken Leuten gelernt.
Darum find ich es recht gut, sich auch über das auszutauschen, was es vornehmlich Gutes aus unserer Krankheit zu berichten gibt. Es wäre schön, wenn dieser Thread weiter geht.

Meine Depressionen haben mich gelehrt:

Sobald ich aufgebe und nicht mehr kämpfe, ist mein Leben zu Ende.

Daraus hat sich bis jetzt auch so einiges Gutes ergeben.

Alles Gute
carlos -_-
Beiträge: 5
Registriert: 4. Mär 2018, 20:57

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von carlos -_- »

Hallo, bin ganz frisch hier im Forum. Zu diesem Thema möchte ich anfangen meine Gedanken, vielleicht auch Erfahrungen zu teilen. Alles was die "Philosophin" auflistet ist richtig. So hätte ich auch noch letzten Sonntag geantwortet, ohne auch nur einen positiven Gedanken aufzuführen. Mittlerweile bezeichne ich mich als "geübter" schwer Depressiver. Ohne die im Laufe der Zeit erworbenen, ich sag Mal, Tipps und Tricks, komme ich aus den Tiefs nicht heraus. Diese Dinge habe ich von anderen, teils auch kranken Leuten gelernt.
Darum find ich es recht gut, sich auch über das auszutauschen, was es vornehmlich Gutes aus unserer Krankheit zu berichten gibt. Es wäre schön, wenn dieser Thread weiter geht.

Meine Depressionen haben mich gelehrt:

Sobald ich aufgebe und nicht mehr kämpfe, ist mein Leben zu Ende.

Daraus hat sich bis jetzt auch so einiges Gutes ergeben.

Alles Gute
carlos -_-
Beiträge: 5
Registriert: 4. Mär 2018, 20:57

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von carlos -_- »

Sorry,

ich war wohl zu ungeduldig und habe den Text mehr als einmal gepostet.

Wieder etwas, was ich noch üben muss: Geduld.

Viele Grüsse von Carlos
Kenny
Beiträge: 324
Registriert: 3. Sep 2017, 16:37

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Kenny »

Liebe Philosophin,

auch von mir ein ganz dickes Lob, Deinen Ausführungen kann ich mich nur anschließen. Die Depression ist unerträglich und ruiniert auch mein Leben, seit 32 Jahren. Auch wenn ich sehr viel über diese Erkrankung gelernt habe, und mich irgendwie immer wieder selbst an den Haaren aus dem Sumpf ziehe, es ist immer nur ein "überleben". Mit normaler Lebensqualität hat das nichts mehr zu tun. Jeder einzelne Tag kostet so viel Kraft und oft überlege ich mir, warum ich eigentlich weiter kämpfe. Die Hoffnung, irgendwann ein "normales Leben" führen zu können, hat sich in Nichts aufgelöst. Es ist, als würde ich einen großen schwarzen Stein auf meinem Rücken tragen, er wiegt 1000 kg und ist so fest mir mir verwachsen, dass ich ihn einfach nicht loswerden kann. Also stehe ich jeden morgen auf und schleppe diese Last durch mein inzwischen sehr eingeschränktes Dasein. Alle 3-4 Jahre breche ich völlig zusammen, weil ich einfach keine Kraft mehr habe. Ich falle in ein tiefes, schwarzes Loch, den Stein nehme ich mit. . .
Auch ich kann an dieser Sch...Krankheit beim besten Willen nichts positives mehr finden. Du hast mir richtig aus der Seele gesprochen. Ich danke Dir dafür.


L.G. Kenny


P.S.:
Wie könnte unser Leben aussehen, wenn wir nicht so verdammt viel Kraft bräuchten, um die Depression tagtäglich irgendwie zu überwinden? Manchmal lasse ich meine Fantasie spielen. . .
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Gertrud Star »

Liebe(r) Kenny,
bitte lasse doch deine Fantasie öfters spielen.
Und höre nicht auf, ab und zu die schönen kleinen Freuden des Tages zu bemerken.
Damit hast du schon etwas gewonnen.
LG Gertrud
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Gertrud Star »

dass nichts im Leben sicher ist.
dass keine Investition in sich selbst wirklich lohnt.
dass man viel fragen sollte.
sehr viel Geduld.
den sozialen, finanziellen und beruflichen Abstieg, ganz systematisch.
verschleißen im Kämpfen und Wollen.
schwindende Kräfte.
verlorenes Leben,
verlorene Freude, verlorene Hoffnung.

dass ich genauso gut schon in jungen Jahren hätte Schule schwänzen und andere dumme (ruinöse) Sachen hätte machen können, weder Ausbildung noch Studium hätte absolvieren müssen, nicht anschließend einige Jahre lang für Schuldenfreiheit (Zukunft!) hätte sorgen müssen, keine Therapien machen,
um heute in genau der gleichen Lage zu sein.

Ich hasse das einfach!!!
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Bittchen »

Hallo ihr Lieben,

Depressionen sind einfach eine sch....Krankheit,aber das sind andere schwere Krankheiten auch.
Gelernt habe ich,dass ich mich nicht überfordern darf und ganz kleine Schritte machen muss.
Positives kann ich auch nichts in der Erkrankung finden.
Die schwarze Dame kann mir gestohlen bleiben und bitteschön ihren Mund halten.
Was mir hilft ist die Liste zu lesen, über die Dinge, die ich noch habe.
Wenn ich das wieder schätzen kann ,dann habe ich eine bessere Zeit.

LG Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
malu60
Beiträge: 4141
Registriert: 28. Dez 2014, 11:31

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von malu60 »

Durch jaherelange Depressionszeiten habe ich folgendes auch geschenkt bekommen:

In Therapien hat "man" mir zugehört,mich ernstgenommen,mir Wert und Respekt gezeigt
Seither kann ich reflektieren,kenne mich besser.

In Selbsthilfegruppen habe ich meine wertvollsten,längsten Freundschaften gefunden

Heute habe ich verschiedene Hilfen instalieren können,ich fühle mich nicht im Abseits,
sondern als Mensch ,der es wert ist,dass er auch mit Krankheit gut leben kann.

Dies einfordern zu können hab ich gelernt.Mein Menschenbild hat sich seither verändert.

Zeit haben und mit Menschen reden können,ehrlich sein,zuhören dasein,wenn ich Hilfestellung
geben kann hat heute einen großen Wert.......das ist mir geblieben,meine Erfahrung kann ich weitergeben.......zuhören,ersetzt die fehlende Arbeit...vermittelt mir Sinn und Anerkennung

Ich bin mit kleinen Dingen glücklich,weg vom Konsum,hin zum Sein und Tun

Durch die Krankheit habe ich viel Zeit geschenkt bekommen.Das Hamsterrad stand mit 45Jahren
still......ich suche seither nach Betätigungen,die mich erfüllen und gesund halten.

Manch Einer kann vor lauter "Arbeit" nie über sich und seine Bedürfnisse nachdenken.

Ich mußte das,zugegeben mit einer Frühpension,die ein gutes,bescheidenes ,freies Leben
ermöglichte dies ist Luxus (unter depressiven Frührentnern Harz4 u.a.)
heute seh ich es auch als was Gutes......Zeit mich zu bilden,zu lesen,zu spüren nach innen
Erfahrungen machen,auch Leid sehen,in Kliniken z.B. siehst Du viel mehr ,als Du aushälst.

Meine Kindheit mußte ich überwinden und die Depression hat mir dabei geholfen,zu mir zu kommen........das "Schauspielern aufgeben,echt werden".
Außerdem weiß ich durch die Depression,dass Leben und Sterben zusammengehören.

Sterben ist auch Erlösung und der Tod ist nicht das Übel,schwer ist das gute Leben zu leben
und dafür alles zu tun,die Zeit hier nutzen,so gut es geht.Ich lebe gern und bewußter.

Ich bin lebens und liebenswert ,auch wenn ich "Nichts"leisten kann für die Gesellschaft,ohne die Depressionserfahrung hätte ich so nie gedacht und gefühlt...menschlicher bin ich geworden malu
Leben ist mehr
morgenstund
Beiträge: 48
Registriert: 25. Jan 2018, 17:32

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von morgenstund »

Was ich über meine Depression gelernt bzw. nicht gelernt habe...

- das das Leben nach einer Depression wieder so lebenswert ist. So einfach ist und viel Spaß macht.
- das ich in guten Zeiten keine Probleme habe. Es gibt nur Herausforderungen.
- das ich meine Depression bzw. die Krankheit nicht erkennen will
- das ich mich überfordere
- das ich nicht einsehen will, daß es auch schlechte Zeiten gibt
- das ich Angst habe vor meinen Gefühlen, bzw. nicht gut damit umgehen kann
- das jede Depression vorbei geht

Alles Gute & Stärke
Jede Depression geht vorbei
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo,

nicht dass hier ein falscher Eindruck entsteht.

Natürlich ist es so, dass auch ich habe den Blickwinkel verändern müssen, und manches mehr schätzen lernte und entspannter nehmen lernte.

Aber:
Mir ist der Preis zu hoch, den mir Depression und co quasi aufnötigt, viel zu hoch und viel zu früh.
Bei mir war jedenfalls der Ausgangspunkt ein anderer wie bei den Meisten, und mir konnte keine Therapie/Klinik/Umschulung/Betreuung/Psychiater den für mich wichtigsten Puzzlestein liefern, der bei mir die Verarbeitungsprozesse in die richtige Richtung lenkten. Im Gegenteil: Ohne diesen ging alles über viele viele Jahre in die verkehrte Richtung.

Systematischer Abstieg von der ehemaligen Hochleistungsschülerin (von Natur aus) und Beststudentin, zur überschuldeten Hilfsarbeiterin ohne verwertbaren Berufsabschluss mit Krankheit an der Backe, hin zu vergeblichem Umschulungsversuch, vergeblichen Therapieversuchen und zu früher Frührente (weil es keine andere Möglichkeit mehr gab).
Quasi untherapierbar mit den üblichen Mitteln und fast das ganze Erwachsenenleben in Sozialhilfe und co.

Nun hab ich, wenns gut läuft noch 15-20 Jahre. Da kann man noch etwas richten.
Man hätte mir den passenden Baustein aber auch in jungen Jahren liefern können. Dann hätte ich wesentlich bessere Chancen gehabt, bzw. mein Leben anders planen können, in Kenntnis dessen in Kombination mit meinen Ressourcen (die nie so üppig wie bei anderen waren).

Dieser Vergleich ist so zu verstehen, dass es ein Vergleich mit einem relativ normalen bürgerlichen Leben ist, nicht (fast) ausschließlich der Vergleich mit Armen und Kranken.
Denn dass man sich fast nur noch in solchen Kreisen bewegen kann (mangels Knete und Kraft hauptsächlich) stößt in fast dem kompletten Umfeld auf Unverständnis, außer bei den Abgehängten und von Natur aus sehr Bescheidenen.

Wie gesagt: Hoher Einsatz, schlechtes Ergebnis. Weil schlechte Resonanz bekommen, zu wenig Ressourcen und das Wissen um vieles und etwas spezielles fehlte.

Finanziell ist nix mehr zu retten, dafür bin ich zu alt und auch schon zu nah am Rentenalter. Es sei denn, ich komme auf wundersame Weise zu Geld (wenn ich nicht betrügen will).
Geniale Idee oder Heirat fällt mir da nur noch ein.

Gesundheitlich kann man evtl noch abmildern.
Soziale Exklusion wird bleiben, falls sich finanziell nix tut, weil sonst immer nur Mini-Rente und Sozialhilfe sein wird, auch im Alter.

Es ist ein ständiges Retten der eigenen Seeele und Kräfte und Integrität unter tägliche großen Sorgen und Befürchtungen (Wertverlust der Sozialhilfe zusammen mit dem beginnenden Alterungsprozess).
Ob der Rest, den man durch die Depression und co lernen kann, das aufwiegt, bezweifle ich, ebenso ob das was man für sich tun kann, ausreichen kann.
Kann sein, die Mühen werden recht früh das Leistbare übersteigen müssen.

Mehr mag ich dazu fast nicht sagen. Weil es eh fast nicht nachvollziehbar ist.
Und weil die Intention des Threads gefühlt eine andere war.

LG Gertrud
Nitroglycerin
Beiträge: 23
Registriert: 10. Dez 2016, 20:57

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Nitroglycerin »

Ich habe aus meiner Depression gelernt...
- Auszeiten zuzulassen,
- mich selber zu hinterfragen, die eigene Persönlichkeit bis ins kleinste Detail kennenzulernen und dadurch letztlich...
- andere Menschen zu lesen. Es ist erschreckend. Mir fehlt es sehr leicht, beinahe zu leicht, mich in andere Menschen hineinzuversetzen, ihre Körpersprache zu deuten und Unausgeprochenes, das im Raum steht oder bewusst verschwiegen wird, wahrzunehmen. Auch weiß ich sofort, ob jemand die Wahrheit sagt und es ehrlich meinst oder böse Absichten hat, sodass ich mich vor Letzterem schützen kann.
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Bittchen »

Ja,liebe Gertrud,

schön reden,bei dieser belastende Krankheit ,geht für mich auch nicht.
Hoffnung machen,dass es wieder besser wird,schon.
Der Preis ist sehr hoch ,den die Depression fordert.
Wenn uns das Leben beutelt und depressiv macht ,
dann ist für mich sehr schwierig daraus positive Schlüsse zu ziehen.
Ich habe zwar habe eine andere Biographie,trotzdem hätte ich Depression nicht gebraucht ,um daraus Erkenntnisse über mich zu ziehen.
Außer ,dass ich viele Jahre das Überleben gelernt habe.
Auch Therapeuten, Medikamente und Kliniken hätte ich nicht vermisst.
Es ist gut ,dass es Hilfe gibt,aber ich hätte sie lieber nicht in Anspruch nehmen müssen.
Die Depression hat mir meine Kraft,meine Entscheidungsfreude ,meinen Antrieb ,meine Lebensfreude,meine körperliche Gesundheit und noch vieles mehr genommen.
Daraus ergeben sich automatisch auch finanzielle Nachteile .
Ich musste lernen diese Erkrankung zu akzeptieren, um mit den Einschränkungen leben zu können.
Das gelingt mir in besseren Zeiten ganz gut.
Aber jede schwere Krankheit lehrt uns dankbar zu sein,für das was wir noch haben und das Beste daraus zu machen.
Das kann ganz gut gelingen,kommt aber auch auf die äußeren Umstände an.
Da lässt die Chancengleichheit doch sehr zu wünschen übrig.
Wo wir wieder bei arm oder reich , bei mehr oder weniger Bildung währen.

Heute wünsche ich einen uns allen einen Tag,mit vielen guten Momenten,die wir auch erkennen und genießen können.

Liebe Grüße Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Christiane1
Beiträge: 583
Registriert: 19. Dez 2013, 09:10

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Christiane1 »

Hallo,
ich habe lernen müssen viel mehr über andere Menschen als über mich selbst, so fühlt
es sich manchmal für mich an. Wir sind soziale, fühlende Wesen und je höher das Gefälle zwischen Ist und Soll ist, umso mehr wirkt sich das aus. Wieso bin ich jetzt noch traurig über das, was mir vor einem halben Jahrhundert passiert ist, wieso kann ich per Beruf nicht mehr für mich selber sorgen und wieso fühlt sich das so an wie ein eingestürztes Gebäude? Weil es so ist.

Mich interessieren seit jeher Ursache und Wirkung und wenn ich überhaupt etwas über mich oder meine Abstürze verstehen kann, dann, dass andere ganz stark damit zu tun hatten.
Für mich ist das Verstehen von Zusammenhängen wichtig und das hält mich aufrecht, denn das
kann ich ein bisschen steuern, meine überfallartig schlechten Emotionen aber so gut wie gar nicht.

Ich bin da bei Bittchen gerade in ihrem Satz "Außer, ,dass ich viele Jahre das Überleben gelernt habe."
Ja, so geht es mir auch.

Bitte, was kann man über sich lernen durch Depressionen? Also wenn ich das lese, denke ich an zwei Dinge. Als Depressiver stellt man sich diese Frage nicht und als zweites, als Depressiver stellt man sich diese Frage nicht, ausser, man hat diese Krankheit überwunden.

Christiane
Kenny
Beiträge: 324
Registriert: 3. Sep 2017, 16:37

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Kenny »

Liebe Gertrud,

danke für Deine Rückmeldung. Meine Fantasie spielt öfter mal, aber ich war in den letzten Wochen nur selten im Forum, habe gerade einfach viel um die Ohren. Frührentnerin eben...
Ich werde bestimmt nicht aufhören, die schönen Dinge des täglichen Lebens wahrzunehmen. Ohne positive Lebenseinstellung und etwas Humor hätte ich es nicht bis hierhin geschafft.

Du bist offensichtlich eine sehr begabte und differenzierte Persönlichkeit. Aktuell finde ich es sehr schade. dass ich nicht morgen nach München fahren und an diesem geplanten Treffen teilnehmen kann. Ich würde Dich sehr gerne persönlich kennen lernen. Bin aber leider zu weit weg.


Für alle, die in Ihrer depressiven Erkrankung eine Chance zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung sehen, habe ich jetzt noch eine richtig gute Nachricht:
Ihr könnt meine Depression mit dazu haben. Ich schenke sie Euch!
Sie ist schon sehr alt und ordentlich groß gewachsen. So habt Ihr genügend Substanz,um weiterhin kontinuierlich an Euch zu arbeiten und positive therapeutische Entwicklungsschritte zu vollziehen.
Viel Spass damit!


L.G. Kenny
Michael-T
Beiträge: 71
Registriert: 16. Feb 2018, 15:11

Re: Was habt ihr über euch durch eure Depression gelernt?

Beitrag von Michael-T »

Kann man aus der Depression überhaupt etwas lernen, ich habe durch meine Depressionen alles verlernt!

Gruß Michael
Antworten