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Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 24. Aug 2016, 21:21
von AlexB
Hallo zusammen,

ich bin neu hier und habe die letzten Tage schon viel mitgelesen im Forum, gerade im Kaminzimmer hat mir allein das Lesen schon sehr gut getan. Jetzt ist mein Account auch freigeschaltet worden und ich kann mich auch endlich bei euch dafür schon mal bedanken!

Ich bin 28 Jahre alt und männlich. Das besondere von mir? Ich hatte noch nie eine Freundin und wünsche mir nichts sehnlicher als eine Beziehung. Gründe gibt es sicher viele, meine Kindheit war von ständigen Umzügen und Schulwechsel geprägt, sodass ich irgendwann einfach Hemmungen davor hatte, enge Freundschaften einzugehen, weil der Abschied immer so schmerzvoll war. Freunde habe ich derzeit viele, auch einige sehr enge Freunde, die ich schon seit vielen Jahren kenne, und auch Freundinnen, sodass ich zumindest das Gefühl habe, dass ich niemand bin, der grundsätzlich nicht gemocht bin. Hinzu kommt, dass die Beziehung zwischen meinen Eltern nie für mich ein Vorbild war. Jedenfalls stelle ich sie mir deutlich schöner vor.

Vor einigen Wochen habe ich mich in eine Frau verliebt und bin dann auf Ablehnung gestoßen. Ich glaube nicht, dass die Sache an sich so besonders ist, aber sie hat mir die Situation vor Auge geführt, vielleicht der Auslöser. Ich frage mich, warum ich so unfähig bin, eine Partnerin zu finden. Manchmal wache ich nachts auf, fasse mir an den Kopf, schreie gegen die Wand und frage mich, ob ich eigentlich im falschen Film sei. Ich komme mir einfach so hilflos vor. Hinzu kommt die Sehnsucht nach Fürsorge und das Gefühl der Einsamkeit. Ich habe Angst vor Wochenende, Angst davor, wenn ich abends nach der Arbeit oder auch nach dem Feiern heimkomme, oder davor, wenn Freunde mich besuchen und irgendwann wieder gehen. Dann bin ich wieder einsam und alleine in meiner Wohnung. Dann kommt auch dieses Gefühl "Niemand will mich, niemand mag mich." Und ständig gehen mir Fragen durch den Kopf. Bin ich einfach zu dumm? Ist irgendwas mit mir nicht in Ordnung?

Es tut mir ganz gut, diese Zeilen hinzuschreiben. Danke euch für's Durchlesen.

Euer Alex.

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 24. Aug 2016, 21:50
von ndskp01
Lieber Alex,

was erwartest du von einer Beziehung? Wäre auch ein gemeinsames Wohnprojekt interessant?

Ich hatte im Alter von 18 bis 36 regelmäßig feste Beziehung und war trotzdem nicht glücklich.
Ich habe mit diesen Männern Sex gehabt, Ausflüge und Urlaub gemacht, aber nie durfte einer bei mir einziehen. Umgekehrt, zu Besuch sein, ging besser.

In den letzten Jahren bin ich wie du auch alleine. Erst jetzt habe ich jemandem, dem ich meine Gefühle anvertrauen kann: Meine Therapeutin. Das ist wunderbar. Sie ist, wie eine gute Mutter, für mich da, nimmt sich Zeit, hört mir zu, fragt nach meinen Bedürfnissen und nach meinen Stärken. In einer guten Beziehung, bilde ich mir ein, ist das auch so, und auch wechselseitig. Solche Beziehungen hatte ich nie. Ich war 'gemeinsam einsam'.

Du sagst, du hast Freunde. Was heißt das? Kannst du dich den Freunden anvertrauen? Kannst du sie wenn nötig mitten in der Nacht anrufen und um Hilfe bitten? Ich hätte das nie gewagt. Bei niemandem. Auch als Kind zu Hause nicht. Wenn ich krank war, habe ich mir selbst eine Suppe gemacht und mich wieder ins Bett gelegt. Bloß nicht stören.

Keine Ahnung, ob du mit diesem Bericht etwas anfangen kannst. Wie ist es bei dir?

Viele Grüße, Puk

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 24. Aug 2016, 22:11
von AlexB
Hallo Puk,

danke für deine Fragen.

Ich erwarte gegenseitige Fürsorge, dass ihr alles erzählen kann, was mir gerade durch den Kopf geht, ihr alles anvertrauen kann, mir ihr lachen kann, dass sie für mich wie eine Stütze ist. Und natürlich auch alles umgekehrt. Ich habe mich nicht oft verliebt, aber eigentlich nur, wenn ich mich gut mit ihr verstanden habe. Und irgendwie träume ich auch immer davon, dass sie die Mutter meiner Kinder sind. Ich mag Kinder sehr.

Ich würde sagen, dass ich zwei Freunde habe, die ich nachts anrufen kann, auch wenn ich das (noch) nicht ausprobiert habe. Aber ich bin mir sicher, dass sie mir nicht böse sein werden und mir zuhören werden.

Warum wolltest du denn niemand einziehen lassen? Was hat dir da "gefehlt"? Und wie würdest du ein "gemeinsames Wohnprojekt" beschreiben?

Viele Grüße
Alex

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 24. Aug 2016, 22:21
von ndskp01
Hallo Alex,

ich hatte StudentenWGs, da wohnte man Tür an Tür und sah sich beim gemeinsamen Abendessen und beim Warten vor der gemeinsamen Dusche. Da war ich deutlich weniger einsam.

Tja, was hat gefehlt, dass ich nicht mit den Männern zusammenziehen wollte? Das möchte ich auch wissen. Ich habe mich nicht so sehr hingezogen gefühlt. Liebe, würde ich heute sagen, war nicht vorhanden. Ich wollte auch keine Kinder mit den jeweiligen Partnern.

Mhhh. Gruß, Puk

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 25. Aug 2016, 10:39
von anna54
Hallo Alex
willkommen im Forum.
Ich hab Bedenken,ob eine Partnerin das erfüllen kann,wo du deine Sehnsucht hast.
So schnell findet sich kein Mensch,der genau diese Lücke füllt.
Kannst du besser für dich sorgen,wenn du so viel Erwartungen der Fürsorge an den anderen gibst,ist das nicht ein Überforderung?
Irgendwann kann eine Beziehung das leisten,dass man sich aufgehoben und sicher fühlt.

Sicher suchen wir immer nach dem,was uns fehlt,das ist auch gut,aber am Anfang kann das zu schwer sein.
Kannst du für dich einen besseren Ausgangspunkt finden,könnte dir eine therapeutische Unterstützung helfen,hast du Verlassensängste,die eine Partnerin auffangen soll?
Alles nur meine Überlegungen,nichts muss bei dir so sein.
Hilflosigkeit ist ein Symptom,dass du dir genauer ansehen solltest.
Ich hatte zu Beginn der Depression eine Kollegin,die mich immer aufgefangen hat,wenn sie da war,waren meine Ängste weg----aber auf Dauer hat das nur gezeigt wie krank ich schon war.

Ich wünsche dir,dass du hier viel erfahren kannst,was dich in deiner Situation weiterbringt!
Herzliche Grüße
anna54

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 25. Aug 2016, 20:41
von AlexB
Hallo,

danke Anna und Puk für die sehr aufschlussreichen Infos. Von euch habe ich den Eindruck, dass meine Erwartungen an eine Beziehung wohl zu hoch sind. Ich denke, dass ihr recht habt. Es ist sicherlich alles sehr ideal vorgestellt von mir. Wahrscheinlich ist die perfekte Partnerin wie die Nadel im Heuhaufen, wenn sie überhaupt existiert.

Andererseits hatte ich ja nicht mal eine Partnerin, die ich überhaupt erleben durfte. Und das verunsichert mich zutiefst.

Und ja, ich habe durchaus Verlassensängste. Das fängt teilweise schon damit an, wenn Kollegen (in sehr seltenen Fällen und dann auch immer "unverschuldet") ohne mich zum Mittagessen gehen. Rational ist das sicher nicht, aber es ist irgendwie so bei mir.

Ich kann es mir nicht so recht vorstellen, wie ein Therapeut mir in dieser Situation helfen würde. Psychologen können (leider) auch keine Wunder vollbringen. Wie würde das denn ausschauen?

Ich hatte auch mal über ein Haustier nachgedacht. Habt ihr Erfahrungen damit?

Viele Grüße
Alex

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 25. Aug 2016, 21:50
von ndskp01
Lieber Alex,

in der tiefenpsychologischen Therapie findest du durch Gespräche heraus, welche Hintergründe es für dein Problem gibt. Dieses Verlassenheitsgefühl, das kommt wohl aus der Kindheit, da ist die Angst und die Verletzung entstanden. Indem du mit dem Therapeuten darüber redest, was damals war und wie du als Kind gefühlt hast, wird nicht nur die Ursache für dein heutiges Gefühl klarer, sondern du kannst auch besser unterscheiden, was heute passiert. Du kannst deine aktuellen Gefühle von den vergangenen Verletzungen unterscheiden lernen. Du wirst realistischer.

Ich habe es mir auch nicht vorstellen können, aber das funktioniert bei einer guten Therapeutin/en tatsächlich. Es ist eine Erleichterung, über die eigenen verdrängten Gefühle und Verletzungen zu reden.

Vielleicht probierst du es einfach?
Viele Grüße, deine Puk

Ich habe auch übertriebene Erwartungen. Ich träume von dem perfekten Partner. Den gibt es nicht, und deswegen habe ich gar keinen. ...

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 26. Aug 2016, 20:57
von AlexB
Ich war bis vor etwa zwei Jahren in der Psychotherapie und dort wurde eigentich genau das gemacht. Ob es gut gemacht war oder nicht, kann ich nicht beurteilen, da mir der Vergleich mit anderen Therapeuten fehlt. Ich versuche tatsächlich auch schon seit einiger Zeit, selber darüber nachzudenken, wie ich so geworden bin, wie ich bin. Ich empfinde das dadurch etwas als Erleichterung, weil ich dann manchmal der Satz mir durch den Kopf geht: "Hey, du bist ganz in Ordnung, so wie du bist!" Ansonsten mache ich mir selber Vorwürfe, Dinge falsch gemacht zu haben oder einfach verbockt zu haben. Manchmal schreibe ich mir auch Dinge auf, die ich als Kind erlebt habe, die durchaus manche Eigenschaften von mir heute erklären können. Vieles wird mir klarer, weil ich mir mein Verhalten und meine Gedankengänge erklären kann.

Aber trotzdem allem ist mir nicht klar, wie all das mir dabei hilft, eine Partnerin zu finden. Daher kommt sicherlich auch das Gefühl von Hilflosigkeit. Oder ist das vielleicht einfach die falsche Zielsetzung?

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 26. Aug 2016, 21:59
von Inertia
Ich glaube du versteifst dich einfach viel zu sehr auf dieses eine Ziel. Viele Leute haben keinen Partner und hätten gern einen, aber nur wenige steigern sich da dann gleich so rein.

Du darfst doch nicht dein ganzes Glück und Selbstwertgefühl nur von dieser einen Sache abhängig machen. Es gibt doch noch andere Dinge im Leben (hoffentlich), und wer weiß ob eine Freundin überhaupt die Lösung deiner Probleme wäre. Hat Puk ja auch schon geschrieben.
Vielleicht liegt der Hund ja auch wo anders begraben?

Man ist nicht gleich ein Verlierer, nur weil man noch nie eine Freundin hatte. Das wird einem oft so vermittelt, ich weiß. Aber es ist nicht wahr.

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 26. Aug 2016, 22:14
von M1971
Hallo Alex, ich denke Du überschätzt das Thema Partnerschaft. Man sollte das Lebensglück niemals von einer Beziehung abhängig machen. Ein guter Psychologe zeigt Dir den Weg auch ohne Partnerschaft absolut zufrieden zu sein. Eine Beziehung ist kein Heilmittel.
Gruß
M

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 26. Aug 2016, 22:24
von Katerle
Hallo Alex,

hatte auch Angst vor der Einsamkeit, bis ich erkannte, mich mit mir allein wohlzufühlen...

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 26. Aug 2016, 22:43
von Morbus
Meistens erschafft man durch einen zu starken Wunsch nach etwas genau das Gegenteil. Besonders in der Partnerschaft kann das ein wahres Gift für eine/die Beziehung werden.
Wenn die potentielle Partnerin deinen Hoffnungen nicht gerecht werden kann oder wenn du zu bedürftig wirst. Eine Partnerin kann ein Leben nicht einfach zum Guten wenden, auch wenn man noch so sehr daran glauben mag.

Zum einen strahlt man eine Bedürftigkeit aus welche nicht sehr anziehend auf andere ist. Der starke Wunsch erschwert es zusätzlich eine Partnerin zu finden und schafft eben genau das Gegenteil. Meistens findet man eine Partnerin wenn man es nicht erwartet und eigentlich nicht darauf abgesehen hat.
Wenn man seine eigenen Probleme mit sich in den Griff bekommt und man einigermaßen im reinen ist, strahlt man etwas ganz anderes auf seine Mitmenschen aus.
Eine Partnerin ist keine Lösung auf diese Probleme, sie bringt auch keine Lösungen mit sich. Nur man selbst hat es in der Hand zu diesem Menschen zu werden. Zu einem Menschen der nicht hilflos ist und auch mit sich alleine leben und zurechtkommen kann.
So sind jedenfalls meine Erfahrungen.

Schaffe dir selbst das Glück welches du dir erhoffst zu erreichen, aber nicht auf dem Umweg über jemand anderem und vielen offenen Fragen und Baustellen. Selbst wenn du nun eine Partnerin findest und diese sogar einige Lücken schließen könnte, so würde womöglich alles in sich zusammenbrechen sobald diese Person wieder aus deinem Leben tritt und du stehst wieder am Anfang oder noch weiter zurück als zuvor.

Liebe Grüße, Finn

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 27. Aug 2016, 14:38
von AlexB
Danke für die hilfreichen Antworten. Ich habe bisher auch ab und zu mal versucht, das Thema auszublenden, worauf es mir dann immer deutlich besser ging. Aber irgendwie war da immer das Gefühl, dass ich so das "Problem", sofern es überhaupt eines ist (aus euren Antworten entnehme ich eher ein Nein), ja auch irgendwie nicht lösen kann. Aber vielleicht ist das doch der richtige Ansatz.

Natürlich habe ich über die Jahre auch gelernt, alleine zu funktionieren und ab und zu auch alleine glücklich zu sein, mich einfach auf die schönen Dinge im Leben zu konzentrieren. Ich sollte mich mehr darauf besinnen.

Muss sagen, dass es mir nach euren Antworten deutlich besser geht oder mich zumindest sehr beruhigt fühle. Danke euch allen!

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 29. Aug 2016, 13:55
von Katerle
Hallo Alex,

denke nicht das du unfähig bist eine Partnerin zu finden. Du hast ganz einfach in der Beziehung noch kein Glück gehabt. Und dann gibt es ja auch Fälle, wo Einsamkeit in der Beziehung vorhanden ist. (gut, das ist ein anderes Thema).

Probiere es doch mal damit, dich ins Cafe´ zu setzen oder allein essen zu gehen, z. B. Ich habe mich z. B. einer Gruppe angeschlossen, um mich nicht mehr so einsam zu fühlen. Oder tust du schon was in der Richtung?

Alles Gute für dich,
Katerle

Re: Einsamkeit, vielleicht auch Hilfslosigkeit

Verfasst: 19. Okt 2016, 14:51
von Wölckchen
Hallo Alex,
in deinem Post erkenne ich mich zum Teil auch wieder. Meine erste Beziehung hatte ich mit 24. Jetzt bin ich 27. Mir ging es auch total oft so das ich mich wahnsinnig einsam gefühlt hab und total nach Nähe, Fürsorge und Liebe gesucht hab oder immer noch Suche. Trotz ich gerade in einer Beziehung lebe hab ich das Gefühl das mir mein Partner das alles nicht geben kann. Immer hab ich das Gefühl nicht gut genug zu sein und wenn ich mir seine Ex-Freundinnen anschaue gehts mir richtig schlecht weil ich mich dagegen total minderwertig und hässlich fühle.
Du bist nicht alleine mit dem Gefühl!!!
Und ich bin mir sicher das du auch jmd finden wirst. Zur Zeit versuche ich auch mich mit mir selbst anzufreunden und mich selbst lieben zu lernen. Denke das wird ein langer Weg.
Was mir ab und an mal hilft wenn ich zu mir sage du bist mit den Gefühlen nicht alleine anderen geht es auch so