Fernbeziehung und Depression - Freund beendet Beziehung

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Marie-Galante
Beiträge: 2
Registriert: 21. Jun 2016, 13:22

Fernbeziehung und Depression - Freund beendet Beziehung

Beitrag von Marie-Galante »

Hallo,

ich schreibe diesen Beitrag in einer sehr traurigen Verfassung. Mein depressiver Freund, mit dem ich seit über drei Jahren zusammen bin, hat gestern am Telefon mit mir Schluss gemacht.
Ich hoffe auf diese Weise einfach verstehen zu können, was passiert ist und bitte um eine Einschätzung durch eine objektive Person, da ich emotional gerade sehr durcheinander bin und nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht.

Mein Freund und ich haben über drei Jahre lang eine Fernbeziehung von Deutschland nach Frankreich geführt. Er ist mein erster Freund und schon seit Jahren depressiv. Nächste Woche ziehe ich in eine andere Stadt, die näher an seinem Wohnort liegt, auch für uns natürlich. Die letzten drei Monate habe ich bei ihm in Frankreich gewohnt, zum Abschluss waren wir zusammen im Urlaub. Da hat seine Familie mir gesagt, er habe ihnen gesagt, er sei sich mit mir sicher. Natürlich hatten wir auch mal Streit, aber es hat gut funktioniert und war harmonisch. Ich war überglücklich, dass wir unsere Beziehung auf diese Weise gestärkt haben. Er hat immer gesagt, dass wir auf diese Art testen können, ob es wirklich funktioniert.

Leider hatte ich von Beginn an große Probleme, mit der Distanz klar zu kommen und habe ihn ständig vermisst und es ihm auch nicht immer leicht gemacht, das weiß ich. Ich weiß aber auch, dass ich ihm eine große Stütze war und immer 110% gegeben habe. Oft blieb das Gewicht auf meinen Schultern, da mein Freund um keinen Preis nach Deutschland ziehen möchte und auch den Deutschunterricht, den er eine Zeit lang genommen hat, aufgegeben hat. Dies hat mich oft gestört, da ich so viel gegeben habe und erwartet habe, dass genauso viel zurück kommt und wenn dies nicht der Fall war, war ich enttäuscht. Das konnte er nicht verstehen. Da ich in meiner Kindheit von meinen Eltern psychisch immer wieder fertig gemacht wurde, habe ich ein großes Problem mit meinem Selbstwertgefühl. Dies hat sich immer wieder so geäußert, dass ich von ihm Bestätigung und Aufmerksamkeit verlangt habe, weshalb es oft zum Streit gekommen ist. Ich weiß dass er der liebste Mensch auf der ganzen Welt ist. Dennoch haben diese zwei großen Krisen es unheimlich schwer gemacht und ich habe dennoch ununterbrochen an mir gearbeitet und mache auch langsam Fortschritte, wie das eben möglich ist, wenn man den Partner, der am Boden zerstört ist und sagt, sein Leben hätte keinen Wert, jeden Tag über die Distanz aufbaut und dann versucht sich selbst nicht zu verlieren.

Mein Freund geht einmal die Woche in eine spezielle Therapie für die Depression und für seine sexuelle Sucht. Seit Jahren versucht er, mit Selbstbefriedigung gute Gefühle herbeizuzaubern, was er selbst als so schlimm ansieht, dass seine Therapeutin ihm aufgetragen hat, alles Internet aus seinen privaten Bereichen zu verbannen. Seit ich wieder in Deutschland bin hat er deshalb kein Smartphone mehr und kein Internet zu hause. Wenn wir uns schreiben wollten, mussten wir auf SmS zurückgreifen. Die Therapeutin hat auch gesagt, dass er wieder Medikamente nehmen muss, da es so schlimm geworden ist. Er hat diesen Samstag einen Termin und soll ein Antidepressivum verschrieben bekommen. Er hat, bevor wir uns kennengelernt haben, schon Medikamente genommen, diese aber dann abgesetzt, als es ihm besser ging.

Letzte Woche war ich noch bei ihm. Da wir uns zum Schluss jedoch, über die oben beschriebenen Dinge gestritten haben, haben wir den Streit verschleppt, da ich abreisen musste und in der letzten Woche nicht richtig miteinander kommunizieren können, weil wir gegenseitig aufgeladen waren. Es ging ihm unfassbar dreckig und hat jeden Tag nur von sich gegeben, was für ein beschissenes Leben er habe und dass ein Gehirn nicht funktioniert und dass er alles hasse. ich habe ihn tagtäglich aufgebaut. Er hat mir jedes mal geschrieben, weil er wusste, dass ich ihm helfen werde, aber er hat meine liebevollen Nachrichten nicht erwidert. Dies hat so weh getan und das habe ich versucht ihm zu sagen. Er hat dies aber nicht nachvollziehen können und aufgelegt.
Am nächsten Tag, gestern, hat er mich angerufen und gesagt, dass er es einfach nicht mehr kann, weil es ihm so schlecht geht wie lange nicht und er nicht mehr kann und gerade für sich selbst sein muss und nicht einen Partner an seiner Seite haben kann, dessen Bedürfnisse es zu befriedigen gilt. Er habe nicht das Gefühl, dass ich glücklich in der Beziehung sei und er empfinde nur Hass mir gegenüber, könne nur die negativen Dinge sehen und dass wir nicht kompatibel seien, da ich sensibel und emotional bin und nicht gelassen auf die Depression reagieren kann und er wüsse, dass ich mich nicht ändern kann. Er habe vor lauter Wut auf mich seinen Computer kaputt gemacht und ich sei wie ein Feind für ihn und es auch schuld, dass er immer so Herzrasen bekomme. Er müsse vielleicht einfach 5 Jahre single sein um mit sich klarzukommen.
Ich habe versucht ihm klarzumachen, dass er diese Entscheidung nicht rational trifft und es die Depression ist, die aus ihm spricht und dass er sich doch bitte 2 Wochen zurückerinnern soll, als wir noch glücklich und verliebt im Urlaub und zuvor zusammen bei ihm zuhause waren. Ich habe vorgeschlagen, dass ich zu ihm fahre, aber das wollte er nicht, da er sagte er hat dafür nicht den Kopf und er wäre nur aggressiv mir gegenüber.
Da er noch ein Ticket für in zwei Wochen hat, würde er dann kommen, damit wir darüber sprechen können. Ich habe gesagt, dass ich seine Gefühle respektiere und ihn solange in Ruhe lassen werde. Dennoch solle er bitte mit anderen Leuten, auch Gleichgesinnten darüber sprechen und runterkommen.

Das schlimmste war, wie nüchtern und kalt er mit mir gesprochen hat. Es fühlte sich in dem Moment für mich so an, als sei nichts mehr daran zu machen und ich bin mir nicht sicher, ob er sein Versprechen hält und in zwei Wochen kommt. Ich habe ihm gesagt, falls er es nicht tut, würde ich vor seiner Tür stehen, da er mir nicht einfach nach drei Jahren so aus einem Leben streichen kann und es nicht respektvoll ist, dies am Telefon zu machen. Er war wirklich so gemein und so ist er selbst eigentlich gar nicht. Es ist so traurig, weil ich so viel Energie und Liebe in die Beziehung gesteckt habe und er nichts davon zu schätzen scheint, nichts davon sieht, nur die negativen Dinge, die ich gemacht habe.

Ich verstehe, was er meint. Die Umstände sagen, es soll nicht sein. Aber ich liebe ihn und ich weiß, dass er mich liebt. Ich wüsste nicht, wie solche Gefühle innerhalb von zwei Wochen einfach verschwunden sein sollten. Und ich kann es nicht akzeptieren, dass es beendet sein soll, weil er krank ist und wir auch noch diese Distanz haben, die auch erst mal noch die nächsten zwei Jahre bleiben wird. Ich wäre auch bereit, ihm ein paar Monate Distanz zu geben, wenn ihm das hilft. Ich möchte mit dieser Person alt werden und da sein, wenn es ihr nach diesem schrecklichen Tief besser geht.

Gerade bin ich einfach nur durcheinander vor lauter Gefühlen. Ich trage noch diese kleine Hoffnung in mir, dass er in den zwei Wochen, vielleicht auch mit Hilfe des Medikaments und wenn er erstmal durchatmet, sieht, was wir haben. Aber es kann natürlich auch gut sein, dass er dies nicht realisiert und ich bin gerade total machtlos und einfach nur zu tiefst enttäuscht.

In den letzten Wochen habe ich mich viel in Foren rum getrieben, um herauszufinden, wie ich unterstützen kann und da habe ich oft gelesen, dass der depressive Partner schließlich
Schluss macht. Dabei habe ich mir noch gedacht, was für ein Glück ich habe, dass es meinem Freund noch nicht so schlecht geht...

Was kann ich nun tun? Ich möchte ihm erst mal ein paar Tage Freiraum geben und ihm vielleicht dann schreiben, dass ich hoffe, dass es ihm besser geht und dass ich ihn vermisse.
Ich bitte um Hilfe.
Catrina
Beiträge: 91
Registriert: 2. Apr 2016, 09:32

Re: Fernbeziehung und Depression - Freund beendet Beziehung

Beitrag von Catrina »

Liebe Marie,

Erst einmal fühle dich verstanden hier!

Du hast hier sicher schon gesehen, dass viele von uns mit ähnlichen Problemen und Sorgen zu kämpfen haben.

Mach dich nicht klein! Wenn du so schrecklich wärst, wie du dich hier schilderst und wie er dich zum Schluss jetzt dargestellt hat, hätte er sich nicht in dich verliebt, nicht jahrelang mit dir eine Beziehung geführt.

Du bist richtig und gut, mit all deinen guten und weniger guten Eigenschaften!

Und gib dir die Zeit ohne ihn, du wirst merken, dass du durchatmen neu lernen wirst, auch ohne ihn.

Das nur auf die Schnelle vom Handy.

Kopf hoch!!!

Liebe Grüße
Marie-Galante
Beiträge: 2
Registriert: 21. Jun 2016, 13:22

Re: Fernbeziehung und Depression - Freund beendet Beziehung

Beitrag von Marie-Galante »

Vielen Dank für diese ersten aufbauenden Worte, Catrina. Kann mir bitte noch jemand hier einen ausführlicheren Rat geben? Ich wäre euch unglaublich dankbar.
Galaxis
Beiträge: 246
Registriert: 20. Nov 2014, 22:49

Re: Fernbeziehung und Depression - Freund beendet Beziehung

Beitrag von Galaxis »

Liebe Marie-Galante,

in einer Depression ist man nicht, wie man sonst ist. Man versteht sich zum Teil selbst nicht und ist oft zu Leuten, die es gut meinen aggressiv! Er kann durch seine Krankheit sich nicht auf Dich einlassen. Er kommt im Moment mit sich selbst nicht zurecht! Dass er so aggressiv Dir gegenüber ist hat einfach damit zu tun, dass ihm alles zu viel ist. In einer akuten Depression ist einem alles zu viel - schon sich zu duschen oder sonstige ganz banale Dinge, die im Alltag normal sind, zu belastend.

Lass ihn in Ruhe, Du bist für ihn nicht verantwortlich. Je mehr Du ihn kontaktierst um so mehr wird er sich von Dir zurückziehen.

Es ist denke ich nicht einfach. Aber in einer Beziehung ist es meistens so, dass der eine immer mehr gibt wie der andere! Konzentrier Dich auf Dich und mache Dinge, die Dir gefallen!

Viele Grüße Galaxis
Zuckerrübe
Beiträge: 24
Registriert: 2. Mai 2016, 10:53

Re: Fernbeziehung und Depression - Freund beendet Beziehung

Beitrag von Zuckerrübe »

Liebe Marie,

dein Beitrag könnte zu Teilen von mir sein.
Er berührt mich total!

Dieses Suchen nach Bestätigung von "ihm" und nach Anerkennung durch ihn - das, wie du selber schon erkannt hast, von dem doch viel zu schlechten Selbstwertgefühl abhängt. Habe ich auch inzwischen erkannt.

Und dieses Gefühl von: Hey, was passiert hier? Das kann doch nicht wahr sein? Das KANN einfach gerade nicht passieren!

Ging mir genauso: nach vier Jahren des Aufs und Abs bekam ich eine SMS. Dass er nur noch freundschaftlich empfindet. Wir sind auch noch Kollegen! Hölle!
Ich weiss es auch nicht - es wäre zu banal ,das alles auf die Depression zu schieben, ODER?

Sind die Gefühle wirklich weg?
Zumindest ist dein Freund reflektiert genug, um dir zu sagen, dass du zum Feind mutierst, wenn du dich ihm zu sehr näherst.
Und das ist ja der Mist.

Ich weiss nicht, im Moment kannst du wahrscheinlich, wie ich auch, nur Tag für Tag da durch. Ich weiss einfach nicht, was richtig ist! Bin selber total verwirrt und traurig.

LG Zuckerrübe
Gerbera
Beiträge: 619
Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Fernbeziehung und Depression - Freund beendet Beziehung

Beitrag von Gerbera »

Hallo Zuckerrübe, hallo Marie,

es ist NICHT zu banal, das alles auf die Depression zu schieben - sage ich, eine ehemalige Betroffene.

Die Depression verändert einen Menschen sehr. Wer keine Energie mehr hat, gar keine, für nichts, hat auch keine für eine Beziehung. In der Depression durchläuft man in der Regel verschiedene Phasen, Aufs und Abs, und an den Tiefpunkten ist vielen Depressiven alles zu viel, auch und vorallem Nähe.

Ich gebe Euch recht, manche depressiven Menschen reagieren aggressiv, abweisend, verletzend. Das ist ihnen selbst nicht bewusst. Mir zumindest ging es so. Mir tut heute vieles leid, aber damals fand ich mich völlig normal und habe überhaupt nicht verstanden, warum andere ein Problem (mit mir) hatten.

Im Forum schreiben sehr viele von Depressionen, die Jahrzehnte dauern. Die gibt es offensichtlich. Aber es gibt auch andere Fälle, Menschen, die wieder gesund geworden sind, die ihre Depression überwunden haben. Der Kranke hat oft keine Hoffnung auf Heilung mehr. Verliert wenigstens Ihr sie nicht, liebe Angehörige, denn die Mehrzahl der Depressiven findet Heilung oder zumindest Linderung der Beschwerden.

Nachdem ich keinen Eurer depressiven Partner kenne, kann ich natürlich nichts dazu sagen, wo sie stehen und wie ernst ihre Aussagen zu nehmen sind. Aber ich kann Euch sagen, dass Depressive ihre Umwelt anders wahrnehmen als Ihr, negativer, freudloser, dunkler. Das ist krankheitsbedingt und hat nichts mit Euch zu tun. Versucht bitte, nicht alles gleich persönlich zu nehmen. Schwierig, ich weiß. Eine akute Depression ist auch nicht der beste Zeitpunkt, um an einem kranken Partner zu zweifeln.

Trotzdem hat natürlich jeder Mensch Grenzen, auch Ihr, und wenn die erreicht sind, dürft Ihr nicht nur die Konsequenzen ziehen, sondern Ihr müsst es, und zwar in beider Interesse. also Eurem als auch dem Eures Partners. Es ist keinem geholfen, wenn Ihr zusammenklappt, psychisch oder physisch.

Manche Therapeuten bieten übrigens Angehörigengespräche an, auch als Einzelgespräch. Vielleicht solltet Ihr Euch da mal schlau machen. Ich könnte mir vorstellen, dass es hilfreich ist, von einem Fachmann zu hören, was beim Kranken abläuft und warum.

Viele Grüße + alles Gute für Euch,
Gerbera
Catrina
Beiträge: 91
Registriert: 2. Apr 2016, 09:32

Re: Fernbeziehung und Depression - Freund beendet Beziehung

Beitrag von Catrina »

Danke, liebe Gerbera.

Worte, die Mut und Hoffnung machen.

Und die uns Angehörigen, die hier auch immer wieder lesen mussten, wir seien schön doof, mieses Verhalten auf die Erkrankung zu schieben, wir würden das nur aus Selbstschutz tun, um nicht erkennen zu müssen, dass unsere Partner einfach mies mit uns umgingen und wir es eben zulassen.

Daher erneut danke.
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