Wie erkläre ich es?

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Elupeiene
Beiträge: 14
Registriert: 9. Jul 2015, 20:21

Wie erkläre ich es?

Beitrag von Elupeiene »

Ich habe mich jetzt bei verschiedenen Stellen "geoutet".
Zwei enge Kolleginnen wissen Bescheid. Meine beiden engsten Freunde. Ich bekomme von ihnen allen viel Verständnis und meine schlimmsten Alpträume für dieses Outing sind nicht wahr geworden. Ich hatte solche Angst, danach in Watte gepackt zu werden. Aber es hat sic nichts geändert. Sie spaßen normal mit mir rum. Und wenn ich sage "ich schaffe das nicht", dann wird es akzeptiert.

Aber da, wo ist drauf ankommt, läuft es einfach nicht. Mein Mann kapiert es nicht. Ich habe ihm einen Brief geschrieben, weil ich es einfach nocht aussprechen konnte. Ich habe eine Depression und das seit Jahren. Ich hatte es ganz gut im Griff, jetzt habe ich das nicht mehr. So habe ich es ausgedrückt.
Er ist "vom Fach", arbeitet unter anderem mit psychisch kranken Menschen. Doch er trennt vollkommen zwischen Klienten und Freizeit. Dass seine Frau Klient sein könnte, diesen Bogen kriegt er einfach nicht gespannt. Seit Monaten. Ich habe starke Stimmungsschwankungen. Das Antidepressivum hilft mir, nicht ständig sterben zu wollen. Aber die Stimmung schwankt heftig. Ich habe sehr gute Tage, an denen ich mir selbst nichts anmerke. Und ich habe Tage, die mich völlig zerstören. Ich sitze rum und würde gerne weinen, kann es aber nicht, weil ich leer bin. Und er versteht es nicht. Und ich finde keine Worte. Er versteht nicht, dass der Haushalt liegen bleibt. Wir renovieren gerade ein Haus und ich komme zu nichts, weil ich meine ganze Kraft für meine Halbtagsarbeit und unser Kind aufbrauche.
Und er fragt, warum ich nichts gebacken kriege. Völlig verständnislos. Liebevoll. Nicht bösartig.ein bisschen so, als würde er vor einem fliegenden Auto stehen und sich fragen, wieso es denn fliegen kann. Weil Autos doch eigentlich nicht fliegen können. Und seine Frau kann doch gar nicht depressiv sein. Die hat doch gar keinen Grund (hat er tatsächlich mal so formuliert).

Ich kann ihn nicht ändern. Aber gibt es einen Weg, ihn wach zu rütteln?
Tink
Beiträge: 419
Registriert: 6. Jan 2016, 09:54

Re: Wie erkläre ich es?

Beitrag von Tink »

Hi
Schwierige Situation... Im Grunde hätte ich gesagt das es einfach Menschen gibt die psychische Probleme nicht verstehen können..jetzt schreibt du er sei vom Fach.... Psychische Krankheiten ist ein weites Feld... Sind denn auch depressive dabei?
Arbeitet er als Quereinsteiger in dem Bereich? Oder gelernt? Bei ersterem würde ich sagen VL beachtet er nur die arbeitsrichtlinien ohne es wirklich zu verstehen?
Hast du ihn mal direkt gefragt in einer entsprechenden Situation wie er jetzt mit nem Klienten umgehen würde und wieso er es bei dir anders macht?
Ich würde versuchen rauszufinden warum er es bei dir nicht akzeptieren kann. Wenn man die Ursache weis VL kann man dann dran arbeiten. Denn wenn er täglich damit arbeitet ist es ja kein Verständnis Problem. Für mich klingt es eher nach Unfähigkeit es anerkennen zu könne...
Alles gute
Lieben Gruß Tink
Elupeiene
Beiträge: 14
Registriert: 9. Jul 2015, 20:21

Re: Wie erkläre ich es?

Beitrag von Elupeiene »

Er ist Sozialarbeiter. Studiert. Und ja, es sind auch Depressive mit unterschiedlichsten Schweregraden dabei. Er hat nicht die Aufgabe, zu therapieren oder überhaupt irgendwas an der Erkrankung zu bearbeiten. Bei ihm geht es um die Lebensführung, egal welche Grunderkrankung vorhanden ist. Also Hilfe zur Selbsthilfe im Alltag.
Ich habe schon das Gefühl, dass es ihm an Verständnis hapert. Es scheint mir, als würde er es nicht verstehen, aber akzeptieren. Also bei den Klienten.
Bei mir aber nicht anerkennen. Dass ich diese Akzeptanz auch brauche.
Tink
Beiträge: 419
Registriert: 6. Jan 2016, 09:54

Re: Wie erkläre ich es?

Beitrag von Tink »

Lol
Da musste ich jetzt erstmal griensen, denn wie es klingt hab ich den selben job wie er.... Ich kann es auch gut verstehen... Im Beruf muss man es anerkennen . Person da abholen wo sie steht etc... Wenn es Fortschritte gibt schön, wenn nicht naja ist halt so...
Im privaten ist das anders... Da will man den Fortschritt. Ves betrifft einen direkt und (meistens) ist zumindest bei mir so bleibt die Pädagogik vor der Tür denn man muss das ja alles auf Arbeit beachten. Zu Hause kann man dann Mensch sein...wie reagiert er denn wenn du es versucht zu erklären? Ich Versuch immer vergleiche aufzustellen.. Wie mein Selbstbild in so Momenten ist wie ich mich da sehe. Die meisten verstehen dann immer was ich mein...
Machst du ne Therapie? Wenn es so gar nicht klappt find ich die Möglichkeit es ggf mit Therapeut gemeinsam zu erklären ganz hilfreich.
Gruß Tink
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Wie erkläre ich es?

Beitrag von Zarra »

Hallo Elupeiene,

ich nehme mal an, daß Du ähnliches in Deinen Brief geschrieben hast wie in Dein Posting hier. Wie hat er denn darauf reagiert?

Mir fielen spontan noch die beiden "Comics" vom schwarzen Hund ein (eins für Betroffene, eins für Angehörige). Kennt Ihr die? (Ich müßte auch über die Suchfunktion suchen oder googeln; ursprünglich englisch, mindestens eines gab es neben dem guten alten Buch auch auf Deutsch bei Youtube.)

Ich glaube, daß es komischerweise oft Menschen, die in "nahen" Berufen arbeiten und beruflich einen gewissen Kontakt haben, schwerfällt, das dann ebenfalls im Privaten zu erleben und darauf zu reagieren. Kam mir zumindest auch schon so vor.

LG, Zarra
Katerle
Beiträge: 11375
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Wie erkläre ich es?

Beitrag von Katerle »

@ Elupeiene,

das ist wirklich schwierig bei euch. Manche Männner können damit absolut nicht umgehen, wenn es die Partnerin betrifft, wollen es nicht wahrhaben, dass es so ist. Könnte euch evtl. ein Therapeut behilflich sein?

Als ich z. B. letztens mal wieder ne Panikattacke hatte, fühlte ich mich mal wieder nicht ernstgenommen. Er meinte, dass er doch nichts sehen würde. Mir gehts manchmal schmerzmäßig auch nicht so gut, nur solange er nichts sieht... Erst wenn ich liege, dann glaubt er es. Wahrscheinlich muss ich mich erst ins Bett legen...

Wenn mir z. B. jemand erzählt, ihm gehts nicht gut, dann nehme ich das ernst. Nur gut, dass deiner nicht bösartig ist, sowas gibt es ja auch...

Alles Gute für dich.
Katerle
Luna1966
Beiträge: 784
Registriert: 15. Dez 2015, 09:38

Re: Wie erkläre ich es?

Beitrag von Luna1966 »

@ Elupeiene,

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade Angehörige an unserer Erkrankung verzweifeln können. Sie zeigt sich ja aufgrund von "Unverarbeitetem" und oft fragen sich Angehörige:

Habe ich schuld?
Hätte ich es verhindern können?

Ich habe daher meinen erwachsenen Kindern immer wieder gesagt, dass sie an meiner Erkrankung nichts hätten ändern können und dass sie nicht die Auslöser seien. Trotz aufklärender Gespräche muss ich sie auch heute noch, Jahre später immer mal wieder daran erinnern, dass ich gelernt habe, selber gut für mich zu sorgen, wenn ich mal Stresssituationen erlebe. Sie müssen sich nicht sorgen, ich brauche dann eben nur etwas mehr Ruhe.

Dein Mann hat zudem noch "Fachkenntnisse". Weiß, wohin solche Erkrankungen führen können. Das Kopfkarusell dreht sich bei ihm wohl ganz besonders.
Ich denke, es werden mehr als ein paar Gespräche nötig sein, bis ihr auf einem Nenner seid. Verliere nicht die Geduld, der Weg, etwas akzeptieren zu können ist manchmal etwas länger, gerade wenn man als Angehöriger selber betroffen ist.

Außerdem - Hut ab zum Hausbau. Ich habe auch eins gebaut (mit 3 kleinen Kindern) und weiß daher, wie absolut kräftezerrend sowas ist. Das können hier auch einige andere bestätigen. Gönn dir ruhig ein bisschen mehr Ruhe.

Es grüßt

Luna
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