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Depression öffentlich machen?

Verfasst: 10. Mai 2016, 08:58
von Alessa_Depri
Hallo,
ich möchte mich zuerst kurz vorstellen: Ich bin 27 Jahre alt und studiere (leider immer) noch. Die letzten Jahre waren geprägt von einer wachsenden Lethargie, Lustlosigkeit und dem ständigen Grübbeln über Sinn und Unsinn dieses Lebens….und warum gerade ich mich immer so seltsam fühle und das keiner versteht…
Letztes Jahr bekam ich die Diagnose Depressionen (mittelschwere Episode). Das hat mir schon geholfen Einiges zu verstehen. Ich habe eine Gruppentherapie gemacht, wo ich viel Lernen konnte und im Anschluss ein paar Wochen Einzeltherapie. Im Grunde genommen ging es erst mal bergauf. Momentan befinde ich mich in einer Therapiepause und alles stagniert etwas. Aber ich fühle mich nicht mehr so schlecht wie vor 1-2 Jahren, auch wenn es mal wieder sehr schlechte Tage gibt. Tabletten gegen die Depressionen habe ich nie genommen bzw. bekommen.
Ich hadere im Moment mit mir, wie offen ich mit der Diagnose umgehen soll. Bisher habe ich nur meinem Lebenspartner und Niemanden sonst davon erzählt (und mein Therapeut weiß es natürlich:D). Manchmal frage ich mich aber, ob es einfacher wäre es mit Freunden und Familie zu teilen…damit sie einen auch besser verstehen und warum manche Dinge so laufen, wie sie eben laufen. Aber vlt. stößt man dann auf Abneigung oder Mitleid…Vor beidem habe ich Angst.

Wie ist das bei euch? Habt ihr eure Gefühle und Diagnose geteilt und wie offen geht ihr damit vlt. sogar gegenüber eurem Arbeitgeber um?
Über ein paar Erfahrungen von anderen Betroffenen würde ich mich freuen.
Viele Grüße

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 10. Mai 2016, 09:44
von Luna1966
Guten Morgen, Alessa,

ich bekam vor 3 Jahren die Diagnose - Depressionen.
Zuerst wollte ich diese Erkrankung nicht annehmen aber dank Therapie bin ich jetzt soweit, darüber, wenn nötig zu reden. Das heißt z.B. dass ich meiner Personalstelle ein amtsärztliches Gutachten zukommen lassen habe, um meinen Vollzeitjob in Teilzeit abändern und bestimmte Arbeitsaufträge ablehnen zu können.

Mein Lebenspartner weiß, dass ich ein Mensch bin, der mit Stress ganz schlecht zurecht kommt und das akzeptiert er so, wie es ist. Über Krankheit und die Ursache habe ich nicht mit ihm geredet. Wenn ich allerdings merken würde, es wäre eine Belastung für ihn, würde ich es ansprechen.

Meinen erwachsenen Kindern erzähle ich gar nichts. Ich habe Phasen erlebt, in denen ich absolut nichts mehr hinbekommen habe und dabei zusehen musste, wie sehr meine Kinder unter ihrer Hilflosigkeit und Ängsten gelitten haben. Allerdings handhabe ich es auch da so - wer fragt, bekommt eine ehrliche Antwort.

Im Freundeskreis ist es bei mir ein Tabuthema. Ich will mich ein paar Stunden des Tages mit anderen Dingen beschäftigen, Freundschaften genießen, Kraft tanken ...

daher genieße ich es sehr, hier ab und an mal meinen seelischen Balast abladen zu können - bei Menschen, die Verständnis für die Wechselhaftigkeit der Krankheit haben und nicht fragen, warum ich gestern anders war als ich es heute bin. Und die die Dinge nach erlebten Emotionen und nicht nach den wirklichen Situationen beurteilen.

Ich finde es sehr angenehm, hier mal sagen zu dürfen: Alles ist doof ohne als Antwort zu hören: Na, du kannst dich doch gar nicht beklagen, anderen geht es noch schlechter.

Das ist also meine Art, "offen" mit der Depression umzugehen.
Ich glaube, es gibt auch da keinen Richtwert an den man sich festhalten kann. Es zählt wohl nur den Grad an Offeneheit zu finden, mit dem man sich noch wohlfühlt.

Sei herzlichst gegrüßt auf dieser Plattform

Luna

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 10. Mai 2016, 10:40
von Alessa_Depri
Hallo Luna,
danke für deine Antwort.
Ich weiß halt auch nicht wie Freunde reagieren würden. Sie würden zwar mehr mein Verhalten verstehen und ich müsste mich nicht fragen stellen, wie :"Warum studierst du so lange?", "Wann wirst du endlich mal fertig?", aber vlt. reagieren sie auch mit Rückzug...oder eben Abneigung weil Einige Menschen Depression ja auch nicht wirklich als Krankheit sehen....wahrscheinlich weil sie die Gefühle auch nicht verstehen können.
Meinem Freund geht es da ja so. Er akzeptiert das und versucht mich zu unterstützen. Aber er versteht es gar nicht. Er kann sich halt einfach nicht vorstellen warum mir mein Leben manchmal sinnlos erscheint. Ist sicher auch schwer für Außenstehende.

Vlt. ist es wirklich einfach sich mit Gleichgesinnten auszutauschen :D

Das mit der Arbeitsstelle würde mich persönlich etwas interessieren. Bist du da auf Ablehung gestoßen bzw. wissen deine Kollegen bescheid?
Ich möchte ja demnächst auch ins Berufsleben einsteigen (ein sehr belastender Punkt, da ich ja nicht unbedingt gleich in Teilzeit anfangen will...) und weiß noch nicht genau wie ich damit umgehen werde.

Viele Grüße
Alessa

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 10. Mai 2016, 12:26
von Luna1966
Meine Kollegen wissen nichts über die Art meiner Erkrankung. Da ich aber aus der "Führungsetage" entsprechend Rückendeckung habe, ist allen klar, dass ich krankheitsbedingt etwas kürzer trete.

Allerdings ist mein Arbeitsumfeld eher etwas unpersönlich so dass auch keine persönlichen Fragen aufkommen.

Ich kann aber bestätigen, dass eine Depressionserkrankung leider oftmals nicht toleriert wird. Wir hatten bei uns in den letzten 5 Jahren1 Kollegen, der auf der Arbeit an einem Herzinfarkt verstarb (36 Jahre alt), 1 Kollege ist mit Herzinfarkt im Büro herausgeholt worden und einen anderen ereilte im Job 2 Schlaganfälle - beide sind jetzt in Vorruhestand. Eine weitere Kollegin ist dauerhadt erkrankt infolge eines Burnouts. Es ist also bekannt, dass unser Job sehr, sehr stressig ist, trotzdem wird die Auszeit der Kollegin unter den Kollegen missbilligend in Kauf genommen - Burnout sieht man ihr eben nicht so an, wie der Schlaganfall mit Beeinträchtigung des Sprachzentrums etc.

Ich würde ein Outing von den jeweiligen Arbeitskollegen abhängig machen. Da spielt meiner Meinung nach auch deine eigene Persönlichkeit rein. Ich hätte keine Lust dazu, mich immer erklären und verteidigen zu müssen. Da muss man schon eine kleine Kämpfernatur sein - ist nicht so meins.

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 10. Mai 2016, 18:56
von WernervonCroy
Das Problem bei Depressionen ist, dass uns kein Arm oder Bein fehlt. Äusserlich nichts zu sehen und körperlich kann man alles machen.
Ich selber gehe offen damit um und versuche es zu erklären, wie man sich fühlt.
In etwa so, als wenn man in einem Glas Honig schwimmen müsste, das hilft meistens.

Mein alter AG konnte mit meiner Diagnose gar nicht umgehen, hat sogar die Eingliederung nach der Reha abgelehnt. Total auf Block gegangen, Gespräch fand nie statt.
Mein neuer AG weiss komplett bescheid. Meine Familie weiss bescheid, ja selbst mein Bänker weiss was los ist. Fällt auf, wenn nur noch Krankengeld kommt;-)
Bisher habe ich keine negativen Erlebnisse damit gehabt.
Mache nur nicht den Fehler, es in die Welt hinaus zu posaunen. Es geht theoretisch nur dich was an und wo es von Vorteil ist, setze es ein.

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 10. Mai 2016, 19:49
von Zarra
Liebe Alessa,

... ich bin 53 ... und ich kann nur meine (!) Erfahrungen und Einschätzungen beschreiben ... - siehe: unter anderen Umständen können andere Verhaltensweisen günstig sein.

Ich würde schon dazu raten, zwischen privat und beruflich/arbeitsmäßig zu trennen.

Im beruflichen Bereich hat die Diagnose maximal bei akuten Anlässen etwas verloren oder wenn man mit Kollegen befreundet ist (und auch dann sollte man nochmals hinschauen). "Es interessiert sonst einfach nicht." Doch ich wäre da sehr vorsichtig, gerade in den Anfängen eines Berufslebens. Klar kannst Du auf Verständnis stoßen. Die meisten Arbeitgeber ziehen aber verständlicherweise dauerverläßliche und unproblematische Mitarbeiter vor. Depressive Mitarbeiter können das auch sein, doch gerade wenn es keinen akuten bzw. allein akuten Anlaß für eine Depression gibt, sondern man eher von einer Art Veranlagung ausgehen muß, ist das eben leider keineswegs bei allen der Fall, weil die Krankheit dann halt schon auch zu Fehlzeiten u.ä. führen kann. Mit Offenheit nachlegen kann man fast immer, was mal gesagt ist, ist gesagt.

Und ich sehe einen großen Unterschied zwischen dem Schweigen darüber oder nichts Genaues erzählen und ggf. Lügen, wenn man gefragt wird. Ich würde nur in seltenen Fällen zu Lügen raten, aber fast immer zu "Bedecktheit" und möglichst neutralen und "oberflächlichen" Antworten. Ausreichend informieren (bei einer Krankschreibung interessiert viel mehr die voraussichtliche Dauer als was Du wirklich hast), aber nicht zu viel Privates preisgeben.

Wenn es Teilzeitstellen gibt und Du die möchtest, mußt Du das ja nicht begründen. Bzw. könnte es ja viele weitere Gründe geben, mehr Zeit für ... (Freizeit; weitere Fortbildung; alte Oma; ...; üppiger Garten; ...). Ich würde das vermutlich "vage" halten - "weil mir das so lieber ist" -, im Zweifelsfall in einem Bewerbungsgespräch aber sicher eher lügen als "kränkliche Angeschlagenheit" o.ä. sagen. ;-)

Privat ist es anders. - Bei mir ist es so, daß wohl im Laufe der - langen! - Zeit so ziemlich alle irgendwie davon erfahren haben; wobei es sich bei den meisten auf "psychosomatisch", "psychisch" oder "depressiv" und "(Psycho-)Therapie", "Reha" beschränkt, also wirklich die äußeren Fakten, oft weil ich einfach nicht lügen wollte, wenn ich zu einem Termin mußte. Für mich hat sich dadurch schon etwas entspannt; vermutlich weil für mich "Geheimhaltung" Kraft kostet. Und ja, manche sind schon auf Distanz gegangen (eher wenn ich zuviel von meinen Gefühlen erzählt habe). Und ich habe vor inzwischen wohl auch schon wieder eher zwei Jahren unabhängig voneinander zwei entfernteren Bekannten von einer Freizeitaktivität davon erzählt - mich hat deren Unwissenheit erschreckt, und ich mußte ihre - gut gemeinten! - Ratschläge an mich aushalten, die aber eher daneben waren (meine Erklärungen kamen nicht an oder wären von den Situationen her darüber hinaus gewesen; in diesen Fällen ist das Erzählt-Haben aber einfach folgenlos, weil wir uns selten sehen, ich damals auch nur Abwesenheit erklären wollte, ich mich ja auch nicht anders verhalte als vorher - und sie auch nicht.

Warum weiß es Deine Familie gar nicht? Oder enge Freunde?

Liebe Grüße, Zarra

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 10. Mai 2016, 22:47
von Alessa_Depri
Hallo, danke für die vielen Antworten.
Ich habe es halt meinem Freund erzählt, als ich einen Therapieplatz bekam. Da wollte ich eben auch nicht heimlich tun und ihm Ausreden für meine Termine erfinden....am Ende denkt er noch, dass ich ihn betrüge :D
Auslöser für die Hilfesuche bei einem Therapeuten war aber eine...sagen wir mal Krise in der Familie, mit der ich nicht klar kam und mein Hausarzt unterstütze meinen Wunsch, mal mit einem psychologen zu reden. Das dort dann die Diagnose Depression rauskommt, war uns glaube beiden nicht klar, hat mir aber wie gesagt geholfen vieles zu verstehen.
Jedenfalls wussten von der Krise auch nur 2 Freunde und diese haben mich schon versucht zu unterstützen. Aber irgendwie habe/hatte ich das Gefühl, dass sie auf Distanz gegangen sind. Weil es ihnen zu viel wurde und sie selber damit nicht umgehen konnte.
Wenn ich ihnen nun von meiner Depression erzähle, habe ich Angst dass es wieder so ist.
Und wie WernervonCroy schon schreibt, man sieht eine Depression ja nicht. Und leider erkennen es viele auch nicht als richtige Krankheit an und unterstellen einem dann, das man das nur als Vorwand nimmt um Faul zu sein.
Klar, vlt. will man Freunde die so denken dann eh nicht mehr in seinem Freundekreis haben.

Naja und meine Familie weiß es eben nicht wegen der Krise. Da fand ich es besser nicht noch mehr Staub aufzuwirbeln, gerade weil alle dann einen Zusammenhang darin sehen. Der besteht aber nicht. Symptome hatte ich definitiv schon vorher, es war mir nur nicht klar.

Ich denke dem Arbeitgeber muss man es vlt. wirklich nicht gleich auf die Nase binden. Ich hab ja in letzter Zeit schon die Erfahrungen machen dürfen, dass psychische Diagnosen generell schlecht ankommen in den meisten Gebieten...Siehe Berufsunfähigkeitsversicherung und Co. Ist zwar schade, dass es so gehandhabt wird aber naja.

Ich hadere halt nur wirklich bei engeren Freunden. Eigentlich habe ich eben das Gefühl sie zu belügen (auch wenn man es nicht wirklich lügen nennen kann). Und wie fängt man so ein Gespräch überhaupt an?

Viele Grüße und danke für eure zahlreichen Antworten
Alessa

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 12. Mai 2016, 12:18
von Nina345
Hej!

Ich bin jetzt 28 und seit 2 Monaten mit meinem Master fertig. Ich habe meine depression erst ziemlich spät öffentlich gemacht. Hab es in erster Linie gemacht weil alle immer sagen, dass das gut für ihren genesungsverlauf war. Ich fand es schon hilfreich um mich nicht andauernd erklären zu müssen warum ich nicht komme. Hab aber gleichzeitig gebeten mich weiter einzuladen.

Auf die nerven gingen mir die guten Ratschläge und diejenigen die es banalisieren wollten.

Insgesamt ist mein "Outing" neutral für mich. Wichtig War es für mich authentisch zu sein und seltener gute Laune vorzuspielen. Ob ich es jetzt unbedingt als Depression oder "mir geht es nicht so gut" hätte offenbaren können wäre in meinem Fall glaub egal gewesen.

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 13. Mai 2016, 10:11
von Tink
Hallo
Ich kann mich der Meinung nur anschließen,das es hierfür keinen Masterplan gibt. Meine Familie hat es notgedrungen WG Suizidversuch in Jugendtagen mitbekommen. Bei freunden schau ich sehr genau hin wem ich es erzähl. Allein das wissen hat schon zu freundschaftsbruch geführt... Andere, meist jene die selbst ein wenig unsicher u empathisch sind, verstehen es sehr gut.
Bei Arbeitgeber würde ich es mir wirklich sehr sehr genau Überlegen.. Bei mir weiß er es nicht. Da wurde ich es nur sagen wenn erforderlich.
Gruß Tink

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 13. Mai 2016, 14:46
von Zarra
Hallo Alessa,

Du wirst Dir notgedrungen überlegen müssen, was Du Dir davon (dem offeneren Umgang) erwartest. Verständnis? Rücksicht? Nicht-Lügen? ...?

Bei mir war es so, daß ich es am ehesten da angesprochen habe, wenn ich definitiv hätte lügen müssen oder mir Ausweichen einfach zu blöd war oder zu unangebracht erschien (bei nahen Kontakten z.B.). D.h. aber nicht, daß ich immer "Psychotherapietermin" gesagt habe, wenn das der Grund für ein Nicht-Können war - oft dennoch nur "Termin", manchmal auch halb-fälschlich "Arzttermin". Ich glaube, es ist ganz gut, sich zu überlegen, wie offen andere bei einer "prekären" körperlichen Krankheit wären und was die dann sagen würden. Und auch, welchen "Sinn" es in dem jeweiligen Kontext macht.

Vielleicht "authentischer" zu wirken, wenn man das Vorhandensein von Depression und daß man versucht, durch Psychotherapie etwas positiv zu verändern, erzählt, ist das eine. Das finde ich sehr realistisch.

Schwieriger finde ich den Punkt "Verständnis". Jeder von uns erhofft sich das; oder?!! Damit ist es aber ganz schwierig, weil Nicht-Betroffene das wirklich nur sehr, sehr schlecht nachvollziehen können. (... und auch unter Betroffenen kann es gravierende Unterschiede geben. - Ich habe von einem Mitpatientin schon einen saublöden Kommentar zu Aufstehproblemen bekommen! ... weil er das hingekriegt hat, warum auch immer.)

LG, Zarra

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 13. Mai 2016, 18:31
von Katerle
Bin eher für einen offenen Umgang mit einer solchen Diagnose. Aber hatte damals negative Erfahrungen gemacht in der Hinsicht, weil auch gewisse Vorurteile vorhanden waren bei einigen.(Arbeit, Umfeld). Da hat mans echt schwer, wenn man sich öffnet. Ich überlege genau, wem ich über meine Krankheit was erzählen kann in meiner Umgebung. Habe allerdings auch positive Erfahrungen machen können. Anfangs fühlte ich mich sehr allein mit meiner Erkrankung, aber ist schon besser geworden in der Beziehung.

LG

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 14. Mai 2016, 08:15
von ullkich
Hallo,
Ich geben ein mal ein kleines Bespiel.
Meine depressive Frau, ein Paar Freunde und ich sitzen gemütlich zusammen und unterhalten uns. Nach einer halben Stunde fehlt meiner Frau die Konzentration sie hört nur noch Stimmengewirr. Sie steht auf und geht.


Die Reaktionen. Was ist denn mit deiner Frau geht es ihr nicht gut? Und ich wüste nicht was ich sagen darf/kann.Für alle keine schöne Situation.

Gleiche Situation nachdem wir es erzählt haben.
Einige schauen auf und finden es schade oder fragen nach wie es ihr und mir geht.

Freunde bleiben bei dir - brauchst die anderen wirklich?
Wenn man sich geöffnet hat wird man feststellen wie viele Betroffenen es in seinem Umfeld gibt weil sie sich dann auch öffnen mögen.
Ich wünsche dir den Mut und die Kraft dich zu öffnen.

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 17. Mai 2016, 08:28
von Kiona
Also ich habe damit folgende Erfahrungen gemacht.
Meine Eltern waren beide Depressiv (bzw. manisch - Depressiv) und irgendwann waren auch beide deshalb in Rente. Als meine Eltern zum ersten Mal stationär gegangen sind, da war ich noch ein Kind.
Wir wohnten auf einem Dorf und damals war der Umgang mit Depressionen im "normalen Umfeld" noch weniger "Akzeptiert" als heute (so empfinde ich das zumindest).
Die Folge war, dass wir es verschwiegen und es im Laufe der Jahre zu einem "Familiengeheimnis" wurde. Ich persönlich denke, dass dieser tabuisierende Umgang bei mir zu meinem heutigen Gesundheitszustand einen großen Beitrag geleistet hat. Denn ich habe als Kind schon angefangen zu lügen, bzw. zu verschweigen, wie es mir geht, denn ich konnte es ja schlecht erklären.

Na ja und deswegen versuche ich halt so offen wie möglich damit umzugehen. Meine besten Freunde wissen, wie ich aufgewachsen bin und da wir schon sehr lange befreundet sind, gehören sie auch zu den Menschen, welchen ich regelmäßig nicht die Wahrheit gesagt habe. Ich muss sagen, dass ich sehr froh war, als ich ihnen dann doch einmal davon erzählt habe und sie wirklich sehr positiv darauf reagierten. Es ist für sie glaube ich kein großer Unterschied, also ihr Bild von mir hat sich nicht verändert (da hatte ich am meisten Angst vor).
Aber ich würde da versuchen auf mein Gefühl zu vertrauen. Ich gehe damit jetzt nicht hausieren, aber ich versuche auch nicht mehr zu lügen, denn das hat mich im Endeffekt zusätzlich sehr belastet.

Auf der Arbeit, würde ich allerdings auch vermeiden von meinen psychischen Problemen zu erzählen. Es geht den Arbeitgeber einfach nichts an. Wir haben nicht umsonst Persönlichkeitsrechte, welche uns in diesem Punkt sogar gesetzlich erlauben, bei diesen Angaben zu lügen. (Habe das noch extra nachgeschlagen, weil einer meiner Arbeitsverträge eine Klausel hatte, in welcher man Angaben zu Gesundheitszustand und Therapie machen sollte).

Liebe Grüße

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 2. Jun 2016, 12:37
von P_Bishop
Hallo Alessa,

es wurde schon viel zu diesem Thema geschrieben, aber ich möchte auch noch meinen Senf dazu geben :D.

Ich bin mittlerweile seit etwas mehr als einem Jahr in Behandlung. Unter depressiven Symptomen leide ich aber schon seit ca. 7 Jahren.

Meine Partnerin weiß seit Angang an darüber bescheid. Sie ist die Person, von der ich das größte Verständnis erfahre. Ich kann mich von ihrer Seite immer auf Rückendeckung verlassen.

Anders sieht das z.B. mit meinen Verwandten aus. Meine Mutter, mein Vater und meine Schwester wissen zwar, dass ich in Behandlung bin, können damit aber schlecht umgehen. Ich bekomme oft Anrufe und werde gefragt, wann ich denn "wieder gesund sei". Gerade mein Vater kann diese Erkrankung überhaupt nicht verstehen.

Nach bzw. während meines ersten "Zusammenbruchs" vor einem Jahr habe ich offen mit meinem Arbeitgeber über meine Problematik gesprochen. Ich wurde von meiner Chefin dann in ein handliches Format zusammengefaltet (Zitat: "Jetzt weiß ich auch, warum Ihnen alles scheißegal ist, reißen Sie sich mal zusammen! Anderen Leuten geht es schlechter!").
Mir wurde dann gekündigt.
So schlimm diese Erfahrung auch für mich war, das war der Tritt den ich brauchte, um mir endlich Hilfe zu suchen.

Ich habe es geschafft, mir, mit sehr viel Mühe, wieder einen kleinen Freundeskreis aufzubauen. Es wissen alle, dass ich momentan nicht arbeite, aber nicht, warum.
Ich weiß auch, dass es sie interessieren würde, werde darüber aber nicht sprechen, bis jemand konkret danach fragt.
Warum?
Ich habe Angst, dass sie es nicht verstehen.


Vielleicht kann man anderen die Erkrankung "nahe bringen", indem man versucht, das Ganze mit anderen Worten zu erklären, nach dem Motto: "Hast du dir schon mal ein Bein gebrochen? Nein? Aber du kannst dir vorstellen, dass das schmerzhaft ist und lange braucht um abzuheilen. Auch muss man nach der ersten, intensiven Behandlung erstmal langsam wieder damit anfangen, das Bein zu belasten, da es sonst zu weiteren Schwierigkeiten kommen kann. Auch, wenn der Knochen wieder vollständig verheilt ist, kann es trotzdem sein, dass das Bein ab und an mal Zicken macht." - Ich finde, dass sich das mit der Depression ähnlich verhält, nur dass man die Erkrankung eben nicht "sieht" ... ist aber bestimmt bei jedem unterschiedlich.

Meiner Meinung nach sollte man damit offen umgehen können, da die Depression ja nun nicht direkt selten ist. Nur in der Praxis sieht das dann meist anders aus, da viele es einfach nicht nachvollziehen können und man schnell auf Unverständnis oder sogar Ablehnung treffen kann.
Liegt vielleicht daran, dass psychische Erkrankungen oft noch ein Tabuthema sind und von manchen als Schwäche interpretiert oder depressive gar als gefährlich hingestellt werden (ist mir auch schon passiert). Vielleicht hat man aber auch Glück und man trifft auf ein aufgeklärtes Gegenüber, welches sein Wissen über psychische Erkrankungen nicht aus Schweigen der Lämmer hat! :D

Grüße,

P_Bishop

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 2. Jun 2016, 12:57
von Lampi656
Unverständnis
Leider quatscht meine Frau zuviel rum, so dass es jetzt leider die Runde machte.
Direkte negative Reaktionen habe ich noch nicht bemerkt.

Re: Depression öffentlich machen?

Verfasst: 2. Jun 2016, 14:05
von Akai
Das ist etwas was mir große Probleme zu bereitet nur meine Familie und mein Therapeut wissen bescheid. Ich kann es meinem Arbeitgeber nicht sagen obwohl ich oft Fehler auf der Arbeit machen weil ich Konzentrationsprobleme habe. Mein Chef würde das nicht verstehen und der Kollege auch nicht.

Manchmal möchte ich es einfach hinausschreien aber dann weis ich es interessiert so oder so keinen. Außerdem möchte ich kein Mitleid haben...

LG Euer Akai