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Angst vor dem Fallen

Verfasst: 8. Mai 2016, 22:07
von Kiona
Hallo liebe Forumsmitglieder,

ich habe mich hier vor ein paar Wochen angemeldet, als ich mich noch ziemlich schlecht fühlte. Meine ganze Geschichte zu erzählen würde etwas weit führen, aber ich möchte gerne trotzdem versuchen ein bisschen zu schreiben.

Ich bin 29 Jahre alt und mein Leben hat sich in den letzten paar Wochen eigentlich wieder enorm verbessert. Genau sagen, wie lange ich schon Depressionen habe, kann ich nicht, denn ich glaube es hat schon sehr früh begonnen, aber ich konnte es nicht so richtig erkennen. Ich bin mit psychischen Krankheiten aufgewachsen, da sowohl mein Vater (schwere Depressionen) als auch meine Mutter (schwere manische Depressionen) daran erkrankt waren. Da ich sie auch in den tiefsten Tälern und in im Falle meiner Mutter auf den höchsten Bergen miterlebt habe, dachte ich lange Zeit immer, dass ich mich nicht so anstellen solle, dass es bei mir nicht so schlimm sei, da es nicht so schlimm war, wie ich die Stimmungen meiner Eltern wahrgenommen habe.

Später erkrankte meine Mutter an Krebs und ist nach einigen Jahren Kampf gestorben, mein Vater starb ein paar Monate danach. An der Grippe (offiziell), ich sehe es eher so, dass er nicht mehr wollte, dass auch er kämpfte und den Kampf gegen das Leben letztendlich verloren hat.

Seit dem sind schon dreieinhalb Jahre vergangen.

Ich bin nach einem dreijährigem Auslandsaufenthalt, in dem ich beinahe nur gearbeitet habe und immer wieder an meine Grenzen gestoßen bin und diese nicht selten, mich selbst vergessend überschritten habe, vor gut einem Jahr wieder in meine Heimatstadt zurückgekehrt.
Seit dem hatte ich mehrere verschiedene Jobs, da ich eigentlich in der Saisonarbeit tätig bin und deshalb im Winter sehen muss, wie ich über die Runden komme.

Das und der Umstand, dass ich eigentlich weder mit dem Tod meiner Eltern noch mit der Art und Weise, wie ich aufgewachsen bin, irgendwie meinen Frieden finden konnte. Eine beinahe einjährige Suche nach einem Therapeuten (habe einige ausprobiert), eine ewig lange Suche nach einer Wohnung (ich durfte zum Glück bei Freunden im Gästezimmer wohnen) und so weiter und so fort... Hat mich dann schlußendlich immer wieder in meinen Abgrund der Resignation, der Sinnlosigkeit, der Angst vor der Zukunft und Angst vor der Leere etc. fallen lassen.

In den letzten Wochen ist einiges passiert, so dass ich nun doch einen guten Therapeuten, eine Wohnung und einen guten Arbeitsplatz gefunden habe. Zusätzlich besuche ich eine Selbsthilfegruppe. Ich nehme seit ein paar Wochen auch Antidepressiva (mittelschwere depressive Episode) welche ich gut vertrage.
Ich war in guter bis sehr guter Stimmung in den letzten paar Wochen. Hatte viel zu tun, da ich die neue Wohnung bezogen und den Arbeitplatz gewechselt habe. Hatte das Gefühl endlich irgendwo an zu kommen.

Aber da kommt sie wieder. Die Angst vor dem Abgrund. Das langsam aufkeimende Gefühl der Leere. Eigentlich sollte ich zufrieden sein. Habe so viel geschafft in den letzten Wochen. Soviel zum Positiven verändert.
Und doch fange ich wieder an zu grübeln. Im Moment geht es noch aber ich weiß nicht, wie ich diese Grübeleinen abstellen kann und vor allem nicht wo dieses Gefühl herkommt. Ich weiß, dass es vor allem dann kommt, wenn ich leerlauf habe, Freizeit.

Mhm, na ja einige hier kennen das bestimmt. Wie macht ihr das, wenn es euch besser geht? Habt ihr auch Ängste, dass es wieder schlechter gehen könnte. Was macht ihr mit aufkeimenden Gedanken und Gefühlen, von denen ihr wisst, dass sie nicht gut für euch sind?

Ist doch ein ganz schön langer Text geworden.

Liebe Grüße und danke für das Lesen

Re: Angst vor dem Fallen

Verfasst: 8. Mai 2016, 22:36
von Katerle
Hallo Kiona,

da hast du ja auch schon einiges hinter dir...

Die Angst vor dem Abgrund habe ich auch.
Wenn bei mir die Ängste wieder aufkommen, dass es wieder schlechter gehen könnte, dann versuche ich mich darauf zu besinnen, was mir helfen könnte, damit es mir wieder besser geht. Und auch Gedanken, was ich schon alles erreicht habe, hilft mir ebenfalls. Also ich besinne mich auf positive Gedanken. Ausserdem baue ich Aktivitäten in meinen Tagesablauf, die mein Wohlbefinden steigern, z. B. einen Spaziergang oder Musikhören, was mir neue Energie geben kann. Oder ich nehme mir jeden Tag bewusst ein bisschen Zeit für mich selbst.

Liebe Grüße
Katerle

Re: Angst vor dem Fallen

Verfasst: 9. Mai 2016, 12:28
von Birko
Hallo kiona

Deine zeilen könnten meine sein. Oh wie gut ich das kenne. Wenn es mir richtig gut geht dann rattert es im Kopf. Ein Freund sagte mal, du hast eine sucht nach problemen.
Stimmt.
Dieses tolle forum half mir da jetzt ein ganzes Stück weiter. Irgendwo gab es den buchtipp

Denken wie ein Buddha

Zuerst dachte ich, damit hab ichs ja so gar nicht. Bin nicht gläubig usw.

Hat mich aber neugierig gemacht.

Das ist so grossartig für mich und hat meine Denke schon verändert. Gerade auf diese Ängste wird so gut eingegangen und erklärt. Ich verstehe das jetzt so gut was da passiert in meinem Kopf, dass es mir wesentlich besser geht. Setze mich allerdings sehr intensiv damit auseinander. Diese angst ist nicht weg aber ich gehe jetzt verständnisvoll damit um

Hab viele deprbücher schon gekauft aber keines hat mich soviel weitergebracht.

Viele grüsse birko

Re: Angst vor dem Fallen

Verfasst: 17. Mai 2016, 07:56
von Kiona
Hallo,

vielen Dank für eure Antworten. Danke Birko, für den Buchtipp, bei Gelegenheit werde ich mal sehen, ob ich das Buch besorgen kann.
Im Moment fällt es mir schwer mich mit dem Thema intensiver Auseinanderzusetzen, weil bei mir dann immer gleich die Ängste wieder aufgewärmt werden. Da ist der wöchentliche Besuch beim Psychologen und das Treffen mit der SHG schon genug Beschäftigung mit dem Thema Gefühle.
Ich habe im Laufe meines Lebens irgendwie gelernt aufkeimende Gefühle zu Ersticken. Was natürlich nicht gut ist, aber irgendwie ist es mein Schutzmechanismus um nicht in ein Loch zu fallen. Ich hoffe in der Therapie auch zu lernen mich mit Gefühlen besser auseinanderzusetzen.

Das größte Problem ist im Moment, dass ich wenn ich tagsüber verdränge träume. Heute ist mal wieder ein Tag der mit Früherwachen und Problemewälzen begann. Dann fällt es besonders schwer nicht den ganzen Tag mit Grübeln zu verbringen.

Aber, ihr habt recht, ich habe so ein paar Sachen, welche ich auch grübelnd beginnen kann und die mich dann aber doch ablenken. Wie zum Beispiel Puzzeln, Häkeln oder irgendwas sinnvolles Basteln. Und Sport. Mich dazu aufzuraffen fällt mir im Moment wieder ein bisschen schwerer, aber wenn ich es geschafft habe, dann fühle ich mich immer besser.

Aber, die Sucht nach Problemen, die kenne ich auch. Es ist irgendwie so, als wäre es für mich einfacher mich mit Problemen zu beschäftigen, als einfach mal zu Leben. Das macht mich wahnsinnig. Immer wenn ich denke, jetzt ist es gut, es läuft, dann ist da die kleine Stimme im Hinterkopf, die ganz leise "aber" flüstert.

Ich hoffe ihr habt die Feiertage gut überstanden.

Liebe Grüße
Kiona

Re: Angst vor dem Fallen

Verfasst: 17. Mai 2016, 08:33
von Katerle
@ Kiona

Danke, habe die Feiertage gut überstanden und du?
Gut, dass es dir gelingt, dich abzulenken. Zur Zeit funktioniert es bei mir mal wieder besser, aber manchmal habe ich auch Phasen, in denen es nicht so gut läuft. Da kann es auch mal vorkommen, dass ich garnichts machen kann.

Wichtig ist für mich auch zu wissen, dass es nach schlechten Phasen wieder aufwärts gehen kann.

LG Katerle

Re: Angst vor dem Fallen

Verfasst: 17. Mai 2016, 14:52
von Daniel1986
Hallo miteinander!
Zuerst einmal möchte ich mich für die Buchempfehlung bedanken. Ich werde mir dieses kaufen.
Ich lese hier immer mal wieder von Selbsthilfegruppen. Sind diese aber in schlechten Phasen nicht eher kontraproduktiv? Schließlich wird man ja gerade dort direkt mit seiner Krankheit konfrontiert. Wenn ich selbst in einem Tief hänge, dann hilft es mir, wenn ich mich mit Menschen ablenken kann, die "gesund" sind. Beispielsweise mit meiner Mountainbikegruppe.
Wenn sich bei mir eine schlechte Phase ankündigt, dann kämpfe ich nicht zu sehr dagegen an, denn das hilft mir nicht. Ich versuche weitestgehend meine Linie zu halten und aktiv zu bleiben. Immer den Gedanken im Kopf, dass diese Phase vorbei geht. Denn dies war bislang noch immer so. Der Himmel lichtet sich wieder, mal eher, mal etwas später.
So habe ich auch meine Panikattacken in den Griff bekommen. Über ein Jahr lang hatte ich mindestens zweimal die Woche Angst zu ersticken, ausgelöst durch einen Druck auf der Brust und eingeschnürte Kehle. Dann habe ich es irgendwann geschafft mir zu sagen, dass Panik unangebracht ist, denn schließlich bin ich hundert Mal nicht erstickt, obwohl ich dachte, dass es passiert.
So versuche ich es auch mit den Tiefs zu halten. Und wenn es doch mal wieder sehr schlimm ist, dann suche ich Halt bei meiner Freundin und weine.

Re: Angst vor dem Fallen

Verfasst: 17. Mai 2016, 18:26
von Katerle
Naja Daniel,

gut, dass du deine Panikattacken in den Griff bekommen hast.

und dass du Halt findest bei deiner Freundin und da auch weinen kannst, wenn es sehr schlimm ist. Nur die Möglichkeit hat nicht jeder und da ist eine Selbsthilfegruppe auch angebracht, Halt zu finden oder mal zu weinen.
Ich bin z. B. in einer Gruppe, in der ich mich wohl fühle. Dort sind alles Betroffene und wir tauschen uns untereinander aus, lenken uns ab durch Beschäftigung, geben Hilfestellung usw. Unternehmen auch mal was zusammen.

LG

Re: Angst vor dem Fallen

Verfasst: 17. Mai 2016, 21:51
von Daniel1986
Danke für die Erläuterung. Ich habe bislang unter einer Selbsthilfegruppe immer einen Kreis verstanden, in dem man seine aktuelle Lage erläutert und jeder darauf eingehen kann. Also ein "Probleme wälzen" und demnach ein ständig daran erinnert werden, dass es einem selbst ja eigentlich schlecht geht.
Aber gemeinsame Unternehmungen um sich auch mal abzulenken hatte ich nicht auf dem Schirm.

Re: Angst vor dem Fallen

Verfasst: 18. Mai 2016, 05:07
von WernervonCroy
Moin Moin und danke für deine Erlebnisse.
Da steckt sicher noch viel mehr, dass du nicht erzählt hast.

Ich habe gesagt bekommen, man solle die Stimmung nicht wie eine Linie sehen. Es ist keine Linie. Bei allen ein auf und ab.
Die Kunst ist es nun zu merken, wenn geht es mir "schlechter" und was kann ich tun, damit es ir wieder besser geht.

Das ist allerdings bei jedem so verschieden.....ich zum Beispiel fahre viel Rennrad, wenn es mir mies geht.
Sportliche Betätigung im "Tal" an sich ist immer gut!
Sport lenkt ab.

Entspannungstechniken sind auch sehr wichtig. Einfach um "loslassen" zu können. Auch hier gibt es zig Möglichkeiten.
Ganz bewusst entspannen kann man lernen. Ich kenne und mache seit 1998 progressive Muskelentspannung und mir hilft die gut. Allerdings hatte ich mir bisher wenig Zeit zum entspannen genommen.

Was noch hilft sind strukturierte Tagesabläufe.

Mir geht es immer mies, wenn ich einfach so in den Tag leben kann. Ich brauche einen Tagesplan und wenn es nur in meinem Kopf ist.

Ich hoffe ich konnte dir ein wenig helfen.

Gruss Franky