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Umgang mit depressiver Mutter

Verfasst: 8. Mai 2016, 10:27
von Finna
Hallo,

meine Mutter ist seit 4 Wochen in der Klinik wegen einer schweren Depression mit Unruhe und Ängsten. Am Anfang hat sie Tavor bekommen, da sie überhaupt nicht mehr schlafen konnte. Mittlerweile bekommt sie sehr viele Tabletten, aber ich habe das Gefühl, dass es immer schlechter wird, statt besser zu werden. Sie nimmt jetzt 150 mg Sertralin, 30 mg Mirtazapin und noch ein Beruhigungsmittel, dessen Namen ich grade nicht weiß. Am Anfang ging sie noch von sich aus mal raus in die Natur und meinte, dass sie dort Kraft schöpfen kann. Die Ärzte wollen, dass sie übers Wochenende heim geht. Letztes Wochenende war sie zu Hause, was ich schon fast unverantwortlich fand. Sie ist total durcheinander. Alles ist extrem verlangsamt und sie schafft es nicht einfache Arbeitsschritte zu bewältigen z.B. in der Küche. Nach dem Aufenthalt zu Hause hat sie nur noch gezittert und war total erschöpft. Sie sagt, dass sie alles so "anrührt", was früher schön war. Ich kenne diese Gefühle gut aus Phasen, wo es mir schlecht ging. In der Musiktherapie singen sie Frühlingslieder was sie kaum erträgt. Außerdem reageiert sie extrem auf Lautstärke und muss dann den raum verlassen. Sie sagt, dass sie nichts ertragen kann. <sie sagt, dass sie auch nicht weiß was mit ihrem Kopf los ist.

Ich habe einfach das Gefühl, dass es die falschen Tabletten sind, aber ich bin kein Arzt. Außerdem ist die Station wo sie ist auch nicht toll, da die Stimmung insgesamt wohl sehr gedrückt ist. Es sind dort alle Akutfälle untergebracht, vom Suchtkranken über Demenz usw.

Mich belastet das alles sehr. Ich telefoniere sehr oft mit ihr, da ich das Gefühl habe, dass ihr das etwas hilft. Da sie mich schützen möchte, lehnt sie Besuch ab. Ich würde mich außerhalb mit ihr Treffen, da mich der Besuch auf der Station zu sehr mitnimmt. Ich war selber schon mal dort, wo es mir sehr schlecht ging. Ich habe immer das Gefühl, dass ich was tun muss. Als ich sie letzes Wochenende gesehen hat, war das aber für mich fast eine Überforderung, obwohl ich stark geblieben bin.

Für mich stellt sich einfach die Frage: Was kann ich tun, damit es mir nicht den Boden unter den Füßen weg zieht? Bin grade selber unsicher, ob ich es aushalte, wenn ich sie besuchen gehe? Sie meint, dass sie nach meinem Besuch total aufgewühlt ist. Ich bin mir daher auch unsicher, ob es gut ist, wenn wir uns sehen. Wie kann ich sie trotzdem unterstützen?

Ich habe mich auch schon nach einer anderen Klinik erkundigt, wo sie früher schon mal war und wo sie sich gut aufgehoben gefühlt hat. Dort könnte sie eventuell noch mal hin (psychosomatische Station). Bedingung ist aber, dass sie dort anruft. Sie meint, aber dass es ihr für diese Station zu schlecht geht. Ich habe das Gefühl, dass sie keinen Ortswechsel erträgt. Mich würde es eher beruhigen, wenn ich wüßte, dass sie dort gut aufgehoben ist. Sie sagt, dass sie es im Moment auch nicht schaftt an Therapien teilzunehmen.

Vielleicht habt ihr auch schon Erfahrungen gemacht, wenn ein Angehöriger depressiv ist. Ich bin einfach interessiert, wie ihr damit umgeht. Ist alles nicht so einfach im Moment und schwer auszuhalten.

Liebe Grüße und danke.

Finna

Re: Umgang mit depressiver Mutter

Verfasst: 8. Mai 2016, 12:18
von mime
Hallo Finna,

es tut mir leid, das mit deiner Mutter, und dass dich das so mitnimmt.

Aus eigener Erfahrung kann ich leider nichts beitragen, nur soviel: Das verlangsamte Agieren deiner Mutter, das nicht Umgehenkönnen mit Reizen (ihr ist es oft zu laut), die Nichtteilnahme an Therapien kann durchaus mit der Schwere ihrer Depressionserkrankung zusammenhängen.

Die Medikamentenkombination deiner Mutter (Sertralin und Mirtazapin) kenne ich aus eigener Erfahrung (allerdings etwas geringer dosiert und ich hatte auch kein Beruhigungsmittel zusätzlich). Sie ist also nicht unüblich. Es kann zwar sein, dass sie für deine Mutter nicht das richtige ist, aber das kann sich auch erst nach einigen Wochen der Einnahme herausstellen, was hilfreich ist für deine Mutter.

Was einen Klinikwechsel angeht: Vielleicht wäre er besser, doch wie du schon schriebst: es ist vielleicht noch zu früh für einen Wechsel.

Hättest du ggf. die Möglichkeit mal mit einem der behandelten Ärzte zu sprechen? Ich meine, in normalen Krankenhäusern ist es doch auch üblich, dass man als Angehörige über den Behandlungsverlauf informiert werden kann. Vielleicht ist das in dieser Klinik auch möglich, dann wüsstest du zumindest, wie die Ärzte die Situation deiner Mutter einschätzen.

Es ist in der Tat nicht leicht, wenn viele unterschiedliche Akutfälle (Demenz, Suchterkrankungen usw.) zusammentreffen, das kann auch zusätzlich belastend sein, denke ich (ich habe selbst keine Erfahrung damit). Doch vielleicht ist es für später mal eine Option in die andere Klinik bzw. auf die psychosomatische Station zu wechseln, wenn deine Mutter stabil genug dafür ist.

Allerdings schreibst du, dass es dir selbst schon einmal sehr schlecht ging und du in dieser Klinik warst und dich die Situation sehr mitnimmt. Da weiß ich leider keinen Rat, außer: schau auch, was DIR gut tut. Ich glaube, dass du deine Mutter auch unterstützen kannst, indem du erst einmal für deine eigene Stabilität sorgst. Gibt es in der Klinik (oder anderswo) auch Angebote für Angehörige? Was könntest du für DICH tun, damit es DIR erst einmal besser oder gut geht? Ich glaube, dass du dann erst eine Stütze für deine Mutter sein kannst.

Wie geht es denn DIR nach dem Besuch deiner Mutter? Du schreibst zwar, dass es sie aufwühlt, und du unsicher bist, ob es deiner Mutter hilft, aber wie es DIR dabei geht (außer dass du beim Besuch stark geblieben bist), nicht so ohne Weiteres.

Ich bin zwar auch Angehörige einer depressiven Betroffenen (doch sie verweigert sich jeglicher Behandlung, deswegen kann ich dir leider nichts aus eigener Erfahrung berichten, außer, dass ich gelernt habe, mich ein Stück weit abzugrenzen). Denn: man kann als Außenstehender manchmal nichts anderes tun, als zu schauen, dass man selbst nicht auch noch krank wird durch solche Situationen.

Wie schaut es denn generell mit der Besuchsregelung in der Klinik aus? Wäre vielleicht zunächst erst einmal ein Briefkontakt mit deiner Mutter möglich? Ich habe keine Ahnung, ob das gut wäre, ich denke mir nur: ihr wärt dadurch in Kontakt - also euch in gewisser Weise nah - und doch hättet ihr ein bisschen Abstand voneinander, weil ihr euch nicht sehen müsst. Du müsstest dir das Belastende Bild der Klinik nicht antun, und deine Mutter wäre vielleicht auch nicht so aufgewühlt - keine Ahnung, das ist nur ein Mitdenken, oder eine Ideensuche für eure Situation.

Vielleicht sind Wochenendbesuche zu Hause zunächst nicht das Richtige, wenn sie euch beiden nicht gut tun.

Ihr könntet euch aber (vielleicht auch erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn deine Mutter ein bisschen stabiler ist) mal zu einem Spaziergang verabreden, wenn das klinikseits möglich ist. Dann wärt ihr zusammen, aber nicht in der Klink; dann gäbe es vielleicht etwas in der Natur zu entdecken (Blumen, grünende Bäume, keine Ahnung) und müsstet nicht gemeinsam über die zugegebenermaßen schwierige Situation grübeln usw. - vielleicht könnte euch das ein bisschen ablenken. Das kann manchmal schon guttun, und sei es nur für ein paar Minuten oder Stunden.

Wie gesagt, vielleicht schaust du mal, ob es für Angehörige von Depressionserkrankten in deiner Nähe Angebote gibt. Wichtig ist, dass du auch für dich Stabilisierendes findest.

Ich wünsche dir und deiner Mutter alles Gute und Lösungswege aus der jetzigen Situation im Laufe der Zeit.

Liebe Grüße
Mime

Re: Umgang mit depressiver Mutter

Verfasst: 8. Mai 2016, 13:15
von Katerle
Hallo Finna,

tut mir leid und ich

kann verstehen, dass du dir große Sorgen machst um deine Mutter. Meine Mutter war damals selbst betroffen und mich hatte das auch sehr mitgenommen, wenn sie in der Klinik war. Und auch ich war/bin selbst betroffen und weiß auch aus eigener Erfahrung, wie schwer das auch für die eigenen Kinder ist, wenn ein Elternteil erkrankt ist.

Ich würde dir auch empfehlen, mal mit dem Klinikarzt zu sprechen, was die Medikamente betrifft und auch die Wochenenden zu Hause. Und auch darüber reden, ob eine psychosomatische Klinik im Anschluss an den Klinikaufenthalt angebracht wäre, wenn das deiner Mutter damals gutgetan hatte. Doch dazu ist es erforderlich stabiler zu sein, das kannst du mit dem Arzt dort alles besprechen.

Falls deine Mutter es schafft, im Klinikgelände spazieren zu gehen, könntet ihr euch ja dort treffen, so hatte ich es gemacht. Aber sie hatten mich auch schon auf Station besucht und wir umarmten uns. Tränen flossen dabei auch. Meine Tochter meinte auch mal zu mir, dass es sie belastet hatte, als ich in der Klinik war, was ich voll und ganz nachvollziehen kann. Anfangs machte ich mir Vorwürfe, weil ich ja eigentlich keine Belastung für meine Kinder sein wollte/möchte.

Vielleicht kannst du deine Mutter zu Hause in der Küche auch ein wenig unterstützen, wenn du merkst, es strengt sie zu sehr an. Bei mir geht auch nicht mehr alles so schnell von der Hand wie früher und ich achte auch darauf, dass ich mich nicht mehr überfordere.

Alles Gute für dich und deine Mutter bei eurem Weg!

Liebe Grüße
Katerle

Re: Umgang mit depressiver Mutter

Verfasst: 8. Mai 2016, 21:37
von Finna
Hallo,

erst mal vielen Dank Mime und Katerle für eure ausführliche Antwort. Ich bin heute ganz spontan hingefahren, nachdem ich davor mit meiner Mutter telefoniert hatte. Sie war sich wieder sehr unsicher, ob es gut ist, wenn wir uns sehen. Ich habe dann gesagt, dass wir ins Cafe gehen können und ich auch nur kurz bleibe (1,5 Stunden). Ich hatte dieses Mal ein besseres Gefühl, da ich wußte, dass ich sie nicht alleine zu Hause lassen muss. So wie es letzes Wochenende war. Außerdem war die Zeit begrenzt und wir haben uns noch das Städtchen angeschaut. Sie hat sich schon sehr gefreut, auch wenn sie es nicht zeigen kann. Es ging mir also dieses Mal nicht schlecht anch dem Besuch. Letze Woche musste ich schauen, dass ich selber gut auf mich aufpasse.

Leider brauche ich für einen Weg über 1 Stunde. Meine Therapeutin meint auch, dass ich mit den Ärzten sprechen soll. Das ist ein Schritt den ich mir (im Moment) noch nicht zutraue. Ich möchte einfach nicht in diese Klinik, wo ich extrem schlechte Erinnerungen habe. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich von den Ärtzen Dinge erfahre, die ich lieber gar nicht wissen möchte.Ist wohl so eine Art Eigenschutz. Manchmal fühle ich mich von meiner Therapeutin auch etwas gedrängt dazu.Mein Thema ist im Moment auch mich abzugrenzen und wenn ich mit den Ärzten rede, dann habe ich das Gefühl, dass irgendwie die Rollen Mutter und Tochter vertauscht sind. Das ist mir im Moment zu nah und zu intensiv. Zum Glück habe ich noch eine andere Verwandte die sich auch um sie kümmert. Im Moment die Verwandte im Urlaub. ich bin froh, wenn sie wieder da ist.


Liebe Grüße,

Finna

Re: Umgang mit depressiver Mutter

Verfasst: 8. Mai 2016, 22:17
von Katerle
@ Finna

Ist ja nicht verkehrt, wenn du diesmal ein besseres Gefühl hattest.

Als ich damals in der Klinik war, war es so geregelt, dass man zur Visite fragen konnte wegen Stadtausgang. Ansonsten war dort ein Cafe` im Klinikgelände. Finde ne 1,5 Stunde ist schon lang.

Dann warte doch, bis die Verwandte wieder aus dem Urlaub da ist und ihr geht gemeinsam in die Klinik, um mit dem Arzt zu sprechen, wenn du dich erstmal alleine nicht traust.

LG

Re: Umgang mit depressiver Mutter

Verfasst: 8. Mai 2016, 22:39
von Finna
Bin dann erst mal im Urlaub. Dann hab ich auch genügend Abstand, was vielleicht ganz gut ist. Hoffe, dass es bald etwas aufwärts geht.

Re: Umgang mit depressiver Mutter

Verfasst: 8. Mai 2016, 22:52
von Katerle
Ein wenig Abstand tut dir bestimmt mal ganz gut, durch Urlaub. Dann gute Erholung. Hoffe ich auch für euch.