Neu anfangen?

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Inertia
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Neu anfangen?

Beitrag von Inertia »

Hallo zusammen!

Denkt ihr manchmal auch darüber nach, einfach mal neu anzufangen? Ich weiß, die Leute sprechen bei allen möglichen Dingen gleich von einem Neuanfang, aber ich meine "mal so richtig"?

Ich denke seit einiger Zeit gerne darüber nach, wenn es auch mehr Gedankenspiele und Tagträumereien sind als alles andere. Manchmal würde ich gerne alles hinter mir lassen und einfach mal neu anfangen. Oder überhaupt mal anfangen, bisher habe ich ja so gut wie kein Leben. Ich lebe den immer gleichen alten Trott, ich werde das Gefühl nicht los, dass es so gar nicht besser werden kann. Vielleicht werde ich mein Leben nie auf die Reihe kriegen, solange ich nicht einfach mal einen sauberen Schnitt mache und die Karten neu mische.

Eine neue Stadt, ein neuer Job, zum ersten mal alleine wohnen, mich neu erfinden (ja, wenn dann alles auf einmal), ich glaube das würde mir gut tun. Wenn, dann würde ich es so radikal wie nur möglich durchziehen: Ganz woanders hinziehen, vielleicht in eine Großstadt. Und mir einen komplett anderen Job suchen, vielleicht auch nochmal was total Übertriebenes studieren. Und das alles ohne festen Plan. Ich habe schon von Leuten gehört, die gewürfelt oder ausgelost haben, wo sie hinziehen sollen. Oder von Leuten, die wahllos Bewerbungen in alle Großstädte geschrieben und sich für die erste Zusage entschieden haben. Das klingt machmal so verlockend für mich.

Aber gleichzeitig macht es mir auch Angst. Ich bin den Trott gewöhnt, war schon immer ein Landei, Neues mag ich eigentlich überhaupt nicht. Zudem habe ich keinen logischen Grund, neu anzufangen. Eigentlich passt ja alles: Ich wohne nicht weit von meiner Arbeit weg, verdiene nicht mal schlecht, habe beste Aufstiegschancen. Ich könnte mal das Haus meiner Eltern "übernehmen", ich habe sogar Geld, nicht mal zu wenig. Eigentlich kann es nur schlechter werden. Ich habe keinen wirklichen Grund etwas zu ändern, allerdings sehe ich auch keinen Grund, wieso ich alles so lassen sollte.

Mein Leben komplett über den Haufen zu werfen wäre wohl keine sehr gute Idee, hätte erstmal keine Vorteile. Zudem würde ich es wahrscheinlich sowieso nicht schaffen, wäre sicherlich überfordert. Trotzdem reizt mich der Gedanke, alles hinter mir zu lassen. Die Orte und Menschen meines bisherigen Lebens, alle Erlebnisse, alle Geschichten, alles Vergangenheit. "Einmal neu" sozusagen.

Einen so drastischen Schritt werde ich zwar wahrscheinlich nie wagen (ich kenne mich), aber träumen wird man ja noch dürfen. :)

Wie geht es euch mit dem Thema? Ich bin doch sicher nicht der Einzige hier, der gerne über sowas nachdenkt. Vielleicht hat ja der Eine oder Andere von euch schonmal einen mehr oder weniger radikalen Neuanfang gewagt, die Geschichten dazu würden mich wirklich interessieren. Und die anderen dürfen auch gerne ein bisschen mit mir mitträumen.

Also schwärmt mal los!
-Mara-
Beiträge: 117
Registriert: 6. Jan 2016, 04:07

Re: Neu anfangen?

Beitrag von -Mara- »

Hallo Inertia,

wahrscheinlich bin ich die falsche, dir zu antworten. Ich habe "neu angefangen" (oder es versucht), habe neu anfangen müssen, in tiefster Depression - weil das alte weggebrochen war, nicht "aus Spaß an der Freude". Und es war gar nicht lustig, und ging auch gar nicht gut.

Ich bin etwas verwundert, über deine Vorstellungen, aber nunja, jedem fehlt was anderes dachte ich dann beim zweiten Lesen.
Vielleicht ist es für dich ja wirklich das, was du brauchst/bräuchtest, genau das, was dir gut täte? Etwas ganz neues in dein Leben zu bekommen, ganz neue Impulse, vielleicht auch um dich selber aus der Trägheit und Untätigkeit (Inertia) herauszubekommen?
alles hinter mir zu lassen. Die Orte und Menschen meines bisherigen Lebens, alle Erlebnisse, alle Geschichten, alles Vergangenheit. "Einmal neu" sozusagen.
Dich selber nimmst du allerdings immer mit. Das hat Nachteile, aber auch Vorteile. In sich selber zu Ruhen, und in sich selber zu Hause zu sein, ist etwas sehr schönes und wertvolles. Und das "Ich-Gefühl" zu verlieren, oder "hinter sich zurückzulassen", halte ich für keine gute Idee. (Dann schon lieber es verändern, wachsen.)
Deine Geschichten, deine Vergangenheit und deine Erlebnisse nimmst du ebenfalls mit. Du kannst es integrieren, in dein Ich, Erlebnisse können Vergangenheit werden, und sie können die Relevanz für deinen Alltag und dein aktuelles (Er)leben verlieren, aber sie sind ein Teil von dir. Daran ändert auch ein Umzug oder ein anderer Job nichts.
Du kannst dich allerdings verändern, und du kannst andere, neue Impulse in dein Leben bringen.

Mich wundert auch, dass du schreibst: "Neues mag ich eigentlich überhaupt nicht." - Was genau ist es dann, was dich an der Vorstellung von "alles neu" so reizt?
Vielleicht kannst du die Elemente davon identifizieren, und sie in einer weniger radikalen Umsetzungsweise finden?

Bist du in einer Depression? Oder bist du da gut wieder herausgekommen, und suchst nun nach neuen Perspektiven und Lebensinhalten?

Hast du schon mal eine größere Reise gemacht? Nicht-Katalog-Veranstaltungen, sondern Eintauchen in eine andere Kultur, ein andere Art zu Leben?
Oder mal 4 Wochen im Zelt gelebt, vielleicht im Wald, ohne Auto/Transport, "ganz ohne" alles bekannte/vertraute was den bisherigen Alltag füllt?

Ein neuer Job und Umzug in eine andere Stadt/Großstadt muss ja übrigens auch nicht bedeuten, dass du alle Verbindungen mit deinem Herkunftsort komplett abschneiden musst, und auch z. B. eine spätere Rückkehr (Haus?) ist doch denkbar? - Es geht, wenn ich dich richtig verstanden habe, ja um Impulse, Veränderung und Neues, JETZT, nicht zwangsläufig "auf immer und ewig" immer weiter und wieder-neu. (Und im Neuen dann "angekommen", und verändert, "gewachsen", ist wahrscheinlich auch der Blick auf den alten (Herkunfts-)Ort zumindest irgendwann dann ... auch verändert. Kann sich dann jedenfalls irgendwann im Laufe der Zeit auch verändern, und zwar in einer Art, wie es sich beim immer-nur-da-bleiben wohl nicht kann.)
Vielleicht gibt es ja einzelnes, was du tatsächlich umsetzen könntest, mit einer offenen Neugier für anderes-als-das-bisherige, auch ohne dass in deiner Vorstellung dazugehören müsste zu versuchen, alle deine bisherige Geschichte und Erlebnisse loszuwerden?

Ich wünsche dir, dass du gute Impulse und Ideen findest, bekommst, bestimmt gibt es auch noch andere die Träume und Visionen von Neuem und Noch-nicht-bekanntem haben.

LG
Mara
Botus
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Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Neu anfangen?

Beitrag von Botus »

Hallo,

wenn Du ne Freundin von mir wärst, würde ich Dir dazu raten, über eine Kombination nachzudenken. Nach Deinen Schilderungen besteht kein Grund, alles über den Haufen zu schmeissen. Wohl aber besteht ein dringender Bedarf nach einem Reset / Relaunch Deines Lebens. Man kann beides kombinieren. Es ist möglich, ländlich zu leben und zugleich großstadtorientiert zu sein. Dann hat man das Beste aus beiden Welten.

Das machen heute viele. Wenn Du in bestimmte Gegenden fährst, in denen es früher aufgrund von Entvölkerung Häuser für Kleingeld gab, kannst Du sehen, wie dort die Grundstückpreise anziehen, denn der Zahnwalt und seine Kumpels möchten raus aus dem Irrenhaus Großstadt. Sie wollen ein schönes Leben. Dafür ist das Land genau richtig. Aber sie werden keine kompletten Landeier. Sie melden sich nicht im Schützenverein an, sondern der enge Bezug zur Großstadt bleibt unverändert bestehen.

Vielleicht gibt es die Möglichkeit, dass Du das jeweils Beste aus beiden Welten miteinander kombinieren kannst.

Liebe Grüße vom Dobi
Tink
Beiträge: 419
Registriert: 6. Jan 2016, 09:54

Re: Neu anfangen?

Beitrag von Tink »

Hi
Gott ich versteht dich soooo gut.
Allerdings definiere ich es nicht als Neuanfang sondern als ausbrechen sich befreien., wie du hab ich n gutes leben. Zwei wundervolle Kinder n tollen Mann n Haus n guten job und tolle Tiere. Und dennoch will ich manchmal einfach weg ausbrechen etwas anderes. Meisten wenn mir alles zu viel ist, die Verantwortung mir die Luft raubt aber wie du weis ich es kann nur schlechter werden.
Ich Versuch Dann kleine "Ausbrüche" die keinen verletzen oder ahnliches... Ich weiß jetzt nicht viel über deine sonstige Situation... Versuch doch mal was "spannendes" im kleinen. Fahr n we oder Woche weg ohne plan wohin. Probiert mal komplett andere Klamotten an Versuch mal n sp AS nnendes hobby. Wie raffting oder so was..
Zumindest ist das das was ich dann versuche. Aber ich versteht dich und deinen Wunsch sooo gut
Gruß Tink
Zarra
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Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Neu anfangen?

Beitrag von Zarra »

Hallo Inertia,

ich habe mal nachgeblättert, wie alt Du eigentlich bist. ...: jung!! - Ja, es macht für mich einen Unterschied, ob Deine Zeilen jemand mit 45 oder mit Anfang 20 schreibt. Denn mit Anfang 20: Ist das nicht eher ein normales Bedürfnis?!? Du schreibst nichts, wie es hinsichtlich eigenen Familienwünschen bei Dir aussieht und ich weiß natürlich auch nicht, wieviel Du in Deiner Jugend unternommen hast; doch wenn es da keine oder wenig Möglichkeiten gab, finde ich solche Bedürfnisse sehr normal. - Andererseits wollte zumindest ich irgendwann auch irgendwelche "Sicherheiten", ein gewissen "Ankommen", damit sich da auch Bleibenderes entwickeln kann. Doch davor ein bißchen was gesehen zu haben, möchte ich nicht missen.

Dann ist natürlich die Frage, wieviel man dafür aufgibt und auf was man sich einläßt. Und das kannst nur Du entscheiden.

LG, Zarra
Nina345
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von Nina345 »

Huhuu,

getreu "in jedem Anfang steckt ein Zauber inne" kann ich deine Wünsche natürlich verstehen und ich bin da auch so gestrickt.

Ich versuch meinem Gehirn gerade mit einfachen Veränderungen dieses "neu" zu stimulieren. Anstatt Kaffee nun Tee, fahre nun einen anderen Weg zur Uni, trage meine Haare ein bisschen anders, hab die Wohnung ein bisschen umgestaltet,...- hilft manchmal und manchmal nicht. Aber wenigstens fühle ich mich nicht mehr ganz so hoffnungslos. So nachdem Motto ich tu und änder ja was.

Vielleicht hilft dir das anfangen, vielleicht nicht. "Zauber des Neuen" vs. "everywhere you go, you always take the weather with you"

Ich wünsch dir ganz viel Kraft!
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szegfue75
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von szegfue75 »

Hallo,
auch ich mit 40 träume noch von einem Neuanfang. Aber ich sehe auch, dass es nicht so einfach ist wie mit Mitte 20. Prinzipiell denke ich aber, das man auch noch mit 50 sein Leben neu umkrempeln kann. Sei es wohnraumtechnisch oder jobmäßig. Man muss nur wissen was man will. Und da scheitert es bei mir.
Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte ich einfach eine Ausbildung als Arzthelferin machen, denke ich seit gestern. Jeden Tag was Neues. Vor einiger Zeit war es noch die Ausbildung zur Yogalehrerin.. Es ist nicht leicht. Aber vielleicht ja doch, wenn man sich ganz sicher ist.
LG,
Szegfue
"Glücklichsein ist eine Angelegenheit rein persönlicher Anpassung an ihre Umgebung."
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Botus
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von Botus »

Szegfue, das ist doch nichts Schlechtes. Für mich klingt das erfreulich. Du stehst allem Neuem und selbst einschneidenden Veränderungen sehr offen gegenüber. Du möchtest nicht in alten ausgetretenen Pfaden latschen. Das klingt in meinen Ohren wie Musik und keineswegs düster. Wieso denkst Du, das sei was Schlechtes ? Wenn jemand so drauf ist, denke ich *wow* und nicht *ohgottogott*. Ändere doch mal Deinen Blickwinkel. ;-)
szegfue75
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von szegfue75 »

Danke, Dobi, du machst Mut :) Ja, ich fürchte irgendwie die ganze Zeit, das meine Tiefs und dieses ständige kränkeln das Ergebnis meiner aktuellen Lebenssituation sind. Irgendwie scheint es meine Lebensaufgabe zu sein, rauszufinden, was mir wirklich gefällt. Alles andere scheint mich krank zu machen. Aber wie finde ich das raus?
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Katerle
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von Katerle »

Neu anzufangen ist kein einfacher Schritt und auch mit Ängsten verbunden. Als ich mir damals eine kleine, neue W. zulegte in Stadtnähe, hatte ich auch ein unsicheres Gefühl. Deshalb nahm ich mir einen Zettel und schrieb mir meine Vor- und Nachteile auf, was mir half bei meiner Entscheidung. Meine Kinder waren nicht begeistert, aber ich verstand sie dabei auch und versuchte ihnen was klarzumachen. Anfangs waren sie auch enttäuscht von mir, aber später akzeptierten sie meine Entscheidung und huete bin ich froh, das wir weiterhin einen guten Kontakt zueinander haben, denn das würde ich nicht verkraften, wenn es anders wäre.
Jedenfalls hatte ich Angst eine falsche Entscheidung zu treffen, bis ich erkannte: Keine Entscheidung kann auch eine falsche Entscheidung sein. Und seitdem hat sich auch einiges verbessert, mein P. geht zum Beispiel viel liebevoller mit mir um, wenn wir zusammen sind. Also hatte es auch sein Gutes, diese Veränderung zu wagen, obwohl ich auch lange gebraucht hatte, diesen Schritt zu tun.

Liebe Grüße
Katerle
Botus
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von Botus »

szegfue75 hat geschrieben:Danke, Dobi, du machst Mut :) Ja, ich fürchte irgendwie die ganze Zeit, das meine Tiefs und dieses ständige kränkeln das Ergebnis meiner aktuellen Lebenssituation sind. Irgendwie scheint es meine Lebensaufgabe zu sein, rauszufinden, was mir wirklich gefällt. Alles andere scheint mich krank zu machen. Aber wie finde ich das raus?
Alles, was mir wirklich gefällt (meine Leidenschaften sozusagen), ist mir begegnet. Ich habe das nicht gesucht. Ich bin da gegen gelaufen. Suchen bringt nichts. Deshalb halte Dich in Bewegung. Um den Rest (Deine Persönlichkeitsbildung) musst Du Dich nicht mehr kümmern. Du bist fertig gestellt und das Ergebnis ist gut geworden.

Ich bin derzeit nicht in Bewegung. Das hat seinen Grund. Ich mach` Pause und erhol` mich erstmal. Das heißt bei mir, dass ich nur zwischen zuhause und der Arbeit pendle. Arbeiten, Erholen, alles ein bißchen genießen, Schlafen. Sonst mache ich nix. Ein lang gehegter Wunsch.

Der Unterschied zu früher ist riesengroß. Wenn man sich nicht bewegt, ist es tatsächlich so wie Leerlauf. Ich kann das somit gut nachfühlen. Ich habe selten so wenig Anreize aus dem Leben heraus erhalten wie zur Zeit.

Wenn man die haben will, muss man sich bewegen. Ich meine das nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich.
szegfue75
Beiträge: 494
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von szegfue75 »

Hallo Dobi,
danke für das Mut machen. Ja, das man nicht nach Liebe oder Leidenschaften suchen sollte, habe ich schon oft gehört. Aber wieso gelingt es mir nicht? Ich drehe mich im Kreis und falle immer wieder in die selbe Pfütze. Es gibt natürlich Phasen, die sind nicht so tief wie jetzt oder nicht so langandauernd. Da habe ich vielleicht einen Partner. Aber da diese Unzufriedenheit ständig mehr oder weniger present ist, zerrinnt mein Gück auf anderer Ebene immer wieder. Und der Kreis beginnt von vorne.
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Nina345
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von Nina345 »

Manchmal frage ich mich, ob Depression wirklich eine Krankheit ist (sorry Leute) oder aber wirklich eine schwarze Dame die uns wirklich unsanft sagt "STOP SO NICHT! KEINEN SCHRITT WEITER" Also das wirklich und real etwas enorm was gegen unsere Überzeugung und Bedürfnisse geht. Wenn das so ist MUSS man ja quasi was ändern. Die Frage ist in dem Fall was. Beruf, Freunde, Wohnort, eine erfolgreiche Trauer-, Drama- und Vergangenheitsbewältigung? Oftmals vielleicht "einfach" nur die Einstellung.
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StrassenAusZucker
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von StrassenAusZucker »

Hallo,

ich hab schon ein paarmal einen solchen Neuanfang in einer anderen Stadt gemacht. Wobei mich eigentlich nie äußere Einflüsse wirklich zwangen, sondern es war immer mein eigener innerer Antrieb. Man könnte auch sagen, eine Flucht vor einem selbst. Am Anfang, das erste Jahr, vielleicht auch die ersten 2 Jahre wirkte sich das auch positiv aus. Es gibt halt viel zu entdecken... Aber danach holte mich bislang immer das, vor dem ich geflohen bin. Also die Depression, so vermute ich. Durch und über die ich zwar unendlich oft gegrübelt, aber nie wirklich auseinandergesetzt oder sie zu bekämpfen versucht habe (ob ich das tun sollte, da kann mir dieses Forum hoffentlich bei helfen).

In der Situation, in der du bist, würde ich mir einen radikalen Schritt gut überlegen, da du ja offensichtlich einiges aufgeben würdest. Zumindest, wenn du nicht hauptsächlich äußere Einflüsse für deine Situation verantwortlich machst. Vielleicht gibt es auch eine Zwischenlösung, z.B. eine Wohnung in einer anderen Stadt, die du am Wochenende verwendest. Vielleicht sogar für Homeoffice-Tage, wenn bei der Arbeit möglich.

Alles Gute
Nina345
Beiträge: 280
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von Nina345 »

Die Idee von Straßenzucker find ich persönlich mega!!! Auch mir hat so ein Neuanfang langfristig nie was gebracht. Kurzfristig aber eigentlich immer. Und wenn du auch so "funktionierst" wie Straßenzuckers Idee vermutlich eine ziemlich gute Lösung. Du hättest die Stabilität aus deinem "alten" Leben, aber auch die vielen neuen Eindrücke und Erlebnisse aus deinem neuen Part-time Leben. Dadurch, dass du auch nicht allzuviel Zeit dort verbringst würdest du gar nicht oder zumindest nicht so schnell zu dem Punkt kommen rauszufinden, dass es sich nicht wirklich was ändert. Oder aber du findest raus, dass du wirklich einen Neuanfang brauchst und kannst es durchziehen.
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Inertia
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von Inertia »

Vielen Dank für eure Antworten! Manch eine hat mich wirklich zum nachdenken gebracht, ich glaube ich kann gar nicht auf jeden Punkt eingehen, der mir ins Auge gesprungen ist. Aber ich versuche mal, das Wichtigste abzudecken.

Ihr habt schon vieles genannt, was auf mich sehr stark zutrifft. Vielleicht soll es kein Neuanfang werden, sondern ein Reset. Oder ein Ausbrechen. Vielleicht auch eine Flucht vor mir selbst. Und vielleicht spielt auch mein Alter eine gewisse Rolle. Vielleicht ist es nur der typisch-jugendliche Freiheitsdrang, der nun bei mir auch endlich mal zuschlägt, nachdem ich mein Leben lang brav und langweilig gelebt habe.

Aber egal was es ist oder wie ich es nenne, irgendetwas muss geschehen. Dobi, du hast einen sehr treffenden Absatz geschrieben:
Dobermann hat geschrieben:Ich bin derzeit nicht in Bewegung. Das hat seinen Grund. Ich mach` Pause und erhol` mich erstmal. Das heißt bei mir, dass ich nur zwischen zuhause und der Arbeit pendle. Arbeiten, Erholen, alles ein bißchen genießen, Schlafen. Sonst mache ich nix. Ein lang gehegter Wunsch.

Der Unterschied zu früher ist riesengroß. Wenn man sich nicht bewegt, ist es tatsächlich so wie Leerlauf. Ich kann das somit gut nachfühlen. Ich habe selten so wenig Anreize aus dem Leben heraus erhalten wie zur Zeit.
Genau so lebe ich eigentlich schon immer. Leerlauf, das ist genau das richtige Wort für mein Leben. Ich mache außer arbeiten, essen und schlafen auch so gut wie nichts. Dass ich mal aus dem Haus gehe, und sei es nur ins Kino oder gar auf irgendeine Veranstaltung, das kommt nur extrem selten vor. Das letzte Mal habe ich vor ungefähr einem Jahr freiwillig am Wochenende das Haus verlassen. Mit einem anderen Menschen getroffen habe ich mich das letzte mal vor ich glaube fünf Jahren. Aber so bin ich einfach. Ich habe weder Freunde, noch besonders ausgeprägte Hobbys (ich kämpfe darum), noch einen langfristigen Plan, irgendwelche Wünsche oder Träume, die ich verwirklichen könnte. Ich existiere einfach nur so vor mich hin. Mein Leben lang war ich ein zurückhaltender, schüchternen Landjunge, der immer irgendwie Angst hatte vor der großen, weiten Welt. Und ich habe alles abgelehnt, was irgendwie neu oder aufregend war. Ich habe immer auf alles Spannende verzichtet, dafür gab es glaube ich verschiedene Gründe.

Zum einen habe ich es nie so wirklich geschafft, mich für etwas dauerhaft zu interessieren. Es sind ziemlich genau dieselben Probleme, wie szegfue75 sie beschrieben hat. Vielleicht sollten wir uns zusammentun. ;)

Zum anderen hatte ich immer irgendwie Angst davor, etwas "Besonderes" oder "Großes" anzugehen. Ich weiß nicht genau warum, aber all die Dinge die andere Leute meines Alters immer gereizt haben, haben mir nur Angst gemacht oder mich einfach komplett kalt gelassen.

Zusammenfassend kann ich sagen, ich habe einfach nie meinen Platz auf der Welt gefunden, habe nie irgendwo reingepasst. Und ehrlich gesagt habe ich mich vor zwei, drei Jahren schon weitestgehend damit abgefunden, dass ich eben einfach so bin und es wohl nie werde ändern können. Ich bin einfach so - ein Langweiler, ein Stubenhocker, ein Landei, und nicht gerade der gefühlvollste Mensch der Welt. Ich will nicht so sein, aber ich bin es eben. Also habe ich versucht, es zu akzeptieren und mich damit abzufinden. Die letzten paar Jahre hat das auch recht gut geklappt.

Aber vor einiger Zeit ist mir etwas klargeworden, und ich bin richtig erschrocken über so viel Selbsterkenntnis: Ich habe mein Leben lang darauf gewartet, dass mein Leben beginnt. Ich habe mich geistig immer darauf vorbereitet, zu leben. Habe immer gedacht, irgendwann werde ich auch ein normales, halbwegs interessantes Leben führen, mit anderen Menschen, Unternehmungen, Freud, Leid, alles was eben dazugehört. "Ein Leben haben" eben.

Und plötzlich habe ich gemerkt: Ich lebe ja schon! Ehrlich, ich bin erschrocken als mir dieser Gedanke kam.

Ich kann nicht ewig weiter warten, irgendwann muss ich mit dem Leben anfangen. Sonst verliere ich nur noch mehr Zeit. Natürlich, ich bin noch jung, viele Leute würden wohl sagen ich habe mein Leben noch vor mir. Aber trotzdem, ich werde auch nicht jünger. Die letzen Jahre sind wie im Flug vergangen, Wochen fühlen sich an wie Tage. Und das, obwohl ich mich täglich langweile. Ich erlebe einfach nichts, habe keinerlei Input, mache nichts, was nicht unbedingt nötig ist.

Jetzt könnte man natürlich sagen: "Na dann mach doch einfach was". Nur leider ist das nicht so einfach. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich mich in meiner aktuellen Situation und meine Umfeld nicht so entwickeln und verändern kann, wie ich das gerne hätte. Alles erinnert mich an den Alltag oder an das, was ich nicht sein möchte. Zu viele Menschen kennen mich, es ist nicht einfach, neue Leute kennenzulernen oder mich neu zu erfinden. Überall wo ich hinkomme, habe ich bereits den Ruf, ein Langweiler zu sein. Meine Kollegen hauen bei Feierabend Sätze raus wie "na, legst du dich jetzt wieder in deinen Sarg?", weil sie wissen, dass ich kein Privatleben habe. Es ist nicht mal böse gemeint, sie denken einfach es würde mir nichts ausmachen, kein Leben zu haben. Selbst meine Mutter weiß, dass ich ein Langweiler bin und mich für nichts interessiere. All diese Menschen in meiner Umgebung halten mich irgendwie zurück, zumindest fühlt es sich so an. Selbst wenn ich mich ändern wollte, wäre das sehr schwierig, weil mir mein Ruf vorauseilt. Ich habe zwar nichts gegen meine Mitmenschen, aber sie erinnern mich ständig daran, dass ich nicht in ihre Welt passe.

Auch mein Wohnort ist sicherlich nicht förderlich für meine Situation. Ich wohne so ländlich, dass sich das manch einer von euch wahrscheinlich nicht einmal vorstellen kann. Es ist schwierig, hier neu anzufangen oder sich einfach mal "in anderen Kreisen zu bewegen". Denn es gibt nur einen Kreis. Und der bewegt sich zwischen Schützenverein, Stockschützenverein, katholischer Landjugend und freiwilliger Feuerwehr. Sonst gibt es hier nicht viel. Natürlich gibt es irgendwo ein paar kleine Diskos und in 35 Kilometern Entfernung auch ein annehmbares Kino, aber was soll das denn bitte? Wie soll man hier denn so leben, wie man möchte? Wie soll man sich ausprobieren, wenn es keine Alternativen gibt? Die anderen Leute in meinem Alter scheint es seltsamerweise aber nicht besonders zu stören. Die fühlen sich wohl dabei, sich jedes Wochenende in Kneipen oder auf Volksfesten zuzuschütten bis es nicht mehr geht, zwischen Feuerwehrfest, Schützenfest, Starkbierfest, Weinfest und Fahnenweihen hin und her zu pendeln, und dann irgendwann mal zu heiraten, ein Haus zu bauen und eine Familie zu gründen.

Das ist alles, was ich sehe, wenn ich mir die Leute so anschaue. Mag sein, dass es selbst in meiner Gegend andere Kreise gibt, aber dann sehe ich sie nicht.

Das Thema ländliche Gegend und Depressionen ist nebenbei bemerkt wirklich auch mal einen Thread wert, wäre interessant was es da so für Zusammenhänge gibt.

Jedenfalls habe ich das Gefühl, ich muss raus aus diesem Leben. Ich muss alles hinter mir lassen, die Menschen, die Gegend und nebenbei auch noch den Job. Einfach, um mal was anderes zu haben. Ich will morgen aufwachen, und ein komplett anders Leben führen. Ich weiß nicht ob es was bringt, aber einen Versuch ist es wert, denke ich.

Seit ich diesen Thread eröffnet habe denke ich ernsthaft darüber nach, es einfach zu machen. Kündigen, umziehen, gerne auch ein bisschen weiter weg. Und vielleicht ein Studium beginnen. Einfach, weil ich dadurch in Kontakt mit gleichaltrigen komme und es mir vielleicht etwas bringt. Ich habe zwar Angst vor so krassen Veränderungen, aber was habe ich denn zu verlieren. Vor allem habe ich Angst davor, dass es mir nichts bringt und ich dann dieselben Probleme woanders habe. Wie -Mara- schon geschrieben hat, mich selbst werde ich immer mitnehmen. Das macht mir Angst. Ich habe schon oft versucht, irgendwo dazuzugehören, habe mich schon oft neu erfunden (im Kleinen Maßstab), doch bin immer gescheitert. Egal was ich versucht habe, ich habe NIE irgendwo reingepasst. Also wieso sollte es diesmal anders werden? Es wäre wahrscheinlich nur ein weiterer Versuch von vielen. Und dass ich mich in einer halbwegs größeren Stadt wohl fühlen würde, glaube ich ehrlich gesagt auch nicht. Schließlich kann ich ja nicht gut mit Menschen umgehen und werde schnell man panisch, wenn zu viele da sind. Da reichen mir manchmal schon die umliegenden Kleinstädte. Aber wenn es mir gelingen würde mich da einzuleben, stünde mir ein komplett anderes, neues Leben offen, es wäre fast so, als würde ich neu geboren.

Um ehrlich zu sein sehe ich so einen Neuanfang als letzte Chance. Denn es gibt genau zwei Möglichkeiten, wie das ausgehen kann: Entweder ich schaffe es mich zu ändern und endlich ein Leben zu haben. Oder ich scheitere kläglich und habe somit die Bestätigung, dass es wirklich kein Leben für mich gibt, und keinen Platz auf der Welt, auf dem ich mich wohlfühle. Und dann bliebe mir nur noch Plan B, und den darf man hier nicht schreiben.

Aber wieso gleich so radikal? Viele von euch haben den Gedanken in den Raum gestellt, über eine Kombination oder viele kleine Änderungen nachzudenken. Prinzipiell ist das ja auch keine schlechte Idee, ich denke noch darüber nach. Aber ich habe das Gefühl, dass das für mich nicht klappen würde. Ich kann es nicht genauer beschreiben, aber dieses Gefühl ist einfach da.
Ich fühle mich von allem eingeschränkt, was mich umgibt. Von der Arbeit, den Menschen und der Gegend. Alles ist Alltag, alles ist öde und reizlos. Eine kleine Änderung wäre wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Außerdem kenne ich mich viel zu gut. Ich bin ein Feigling, ich ändere mich nicht einfach so. Ich muss mich ins kalte Wasser schmeißen, ich muss eines Tages aufwachen und alles muss anders sein. So dass ich im ersten Moment erschrecke und sage "was habe ich getan?". Dann muss ich meinen Arsch hochkriegen, ich muss mich ändern, was bliebe mir denn auch anderes übrig. Ich würde nochmal von vorne beginnen und da würde sich schon zeigen, ob ich beim zweiten Versuch auch wieder versage.

Ich darf kein noch so kleines Fädchen mehr haben, dass mich noch mit meinem bisherigen Leben verbindet. Ich würde nur wieder "rückfällig" werden, mich da hin zurückflüchten wo es einfacher ist, und wieder nichts von der Änderung mitnehmen. Entweder ganz oder gar nicht, ein radikaler schnitt. Zack, neues Leben. So muss es laufen, sonst wird das nichts. Wie gesagt, ich kann nicht einmal vernünftig beschreiben, wieso ich so denke. Es ist wie eine Gegenprobe: Wenn alles anders ist, ich aber immer noch die selben Probleme habe, liegt es an mir. Wenn nicht, war ich bisher nur zur falschen Zeit am falschen Ort.

Nein, es wäre kein Neuanfang. Es wäre ein letzter großer Versuch, auf die Beine und somit ins Leben zu kommen. Eine Schocktherapie sozusagen.

Aber wie ich im ersten Beitrag schon geschrieben habe weiß ich nicht, ob ich diesen radikalen Schritt jemals gehen werde. Wahrscheinlich nicht, ich würde es dann ja doch wieder nicht durchziehen. Ich würde mich am Ende wohl doch nicht trauen, hätte nicht den Mut.

Aber seit einigen Tagen denke ich ernsthaft darüber nach, schon das überrascht mich. Wer weiß, vielleicht mache is es ja wirklich.
Nina345
Beiträge: 280
Registriert: 25. Jan 2016, 16:02

Re: Neu anfangen?

Beitrag von Nina345 »

Allein das Nachdenken darüber scheint dir gutzutun. Erstell doch einfach einfach mal nen konkreten Plan!

Alles Liebe :hello:
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szegfue75
Beiträge: 494
Registriert: 17. Mai 2006, 22:17

Re: Neu anfangen?

Beitrag von szegfue75 »

Hallo Inertia,
ich habe deinen letzten Beitrag noch mal gelesen und der hat mich sehr berührt. Wie alt bist du nochmal? Weißt du, ich war nicht immer so zögerlich wie jetzt. Ich habe schon viel durch gemacht. Lustigerweise habe ich in den schlimmsten Krisen meines Lebens eine krasse Änderung vorgenommen. Aber wenn man es genau nimmt, haben die Änderungen schon vor der Krise ihren Anfang genommen. In der Krise habe ich mich dann aber nicht mehr davon abbringen lassen die Änderung durchzuziehen.
Meine Kindheit war nicht leicht. Ich komme aus einer Familie, die seitdem ich bewußt denken kann, in der Krise steckt. Und sie tut es immer noch. Ich vermute, das meine Mutter co-abhängig ist und mein Vater schwer depressiv. Einen Bruder habe ich auch. Ich habe mit ca. 12 Jahren eine Essstörung entwickelt und ich wollte nur weg von zu Hause sobald ich 18 war. Aus meinem Bruder ist bis heute leider nichts geworden. Er hat weder die Schule abgeschlossen, noch eine Ausbildung absolviert. In der Pubertät hat er Drogen konsumiert und wahrscheinlich schon früh eine Psychose erlitten, die nie behandelt wurde. Meine Eltern waren hilflos. Er hat sich komplett zurück gezogen, kein Kontakt zur Außenwelt. Und das ist auch heute noch so. Mit diesen Fakten zu leben ist schrecklich für mich. Ich habe mit meiner Familie Kontakt, aber alles ist schwierig und wenn ich sie besuche, dann nur für 2 oder 3 Tage.
Aber nun zurück zu meinen Änderungen im Leben... Ich machte ein Ausbildung, die mir kein Spaß machte. Diese Ausbildung beendete ich erfolgreich, hatte dann meine eigene Wohnung. Nachdem ich die Ausbildung beendet hatte, wollte ich mein Fachabitur auf einem berufsbegleitenden Kolleg nachholen. In der Zwischenzeit hatte ich meinen damaligen Freund kennengelernt, mit dem ich 4 Jahre zusammen war. Leider war unsere Beziehung alles andere als gut. Ich musste die Schule kurz vor dem Abschluss abbrechen. Ich war jung und hatte einfach nichts mehr im Griff. Nach monatelangem Jobben, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen. Startet ich einen weiteren Versuch, das Fachabitur nachzuholen. Und zwar neben dem Arbeiten. Mein Ziel war es, danach zu studieren. Kurz vor dem Abschluss ging diese schwierige Beziehung zu Ende. Es war eine furchtbare Trennung, die mich nervlich sehr viel Kraft gekostet hat. Ich möchte sogar behaupten, dass ich einen Schock erlitten hatte und ich sehr lange Zeit ohne Beziehung war. Mit diesem Mann habe ich überhaupt keinen Kontakt mehr. Im späteren Leben sollte sich aber zeigen, dass meine Beziehungen alle schwer waren. Vielleicht nicht so schwer wie diese erste richtige lange, aber sie waren nicht gesund.
Frage mich nicht wie, aber ich schaffte es erfolgreich ein Abi zu machen. Zwar kein richtiges, aber ich konnte immerhin damit an die Fachhoschule gehen. Und das tat ich dann auch. Die Entscheidung für ein Studium war nicht einfach. Ich wußte einfach nicht, was ich studieren sollte. Welche Richtung. Ich entschied mich für ein "vernünftiges" Studium in meiner Heimatstadt. Ein Umzug in eine neue Umgebung hätte ich nicht gepackt. Vor dem Studium an sich hatte ich schon sehr große Angst. Und dann ging es auch schon los. Meine Eltern waren übrigens nicht begeistert. Durch die Ausbildung und die paar Jahre arbeiten, konnte ich sogar elternunabhängiges Bafög beantragen. Puh. Das erste Semester war der Horror, trotzdem schaffte ich bis ein oder 2 Prüfung alles was erforderlich war. Das übertraf meine Vorstellungen. Das ganze Grundstudium war sehr anstrengend. Ich hatte ständig Angst zu versagen. Aber ich war auch immer wieder sehr stolz. Und ich war begeistert von den Profs, die soviel wußten. Ich glaube, ich machte das Studium nur für mein Ego. Während des Studiums nutzte ich das Praxissemester, um in eine andere Stadt zu gehen. Zuerst wollte ich ins Ausland, aber das klappte nicht. Also ging ich in die Großstadt und verliebte mich in sie. Als das Studium zu Ende war, suchte ich eine Stelle in dieser neuen lieb gewonnen Stadt. Leider klappte das nicht auf Anhieb. Da ich manchmal kreativ bin und auch mal unkonventionelle Wege gehe, bewarb ich mich für einen ollen Callcenterjob. Und siehe da, ich wurde genommen. Jetzt hieß es eine Wohnung zu finden. Und auch da war ich wieder kreativ. Ich hatte noch einen Nebenjob in einem großen Kaufhaus. Da ich auch samstags arbeiten musste, hatte ich unter der Woche einen Tag frei. An diesem freien Tag vereinbarte ich die Besichtigungstermine in der Großstadt und fuhr nach der Arbeit mit dem Nachtzug dorthin, um an meinem freien Tag völlig gerädert mir eine Wohnung anzusehen. Aber ich war so euphorisch, dass das alles nicht wichtig war :) Nachmittags fuhr ich mit der Mitfahrgelegenheit wieder zurück und hatte so innerhalb von 24 Std. 1.400 km zurück gelegt. Am nächsten Tag ging ich wieder arbeiten.
Ich machte das 3 mal oder so. Dann fand ich eine Wohnung mit Ofenheizung und einen netten Nachbarn, denn der Vormieter, der mir die Wohnung überlassen hatte, zog in die gegenüberliegende Wohnung. Er schrieb gerade seine Diplomarbeit. Ich glaube, ich arbeitete bis Freitag in meiner Heimatstadt und fuhr samstags 700 km in die neue Stadt. Es kam dann noch ein kleines Unglück, denn der Vormieter konnte nicht rechtzeitig ausziehen. Aber er war sehr sehr nett und ließ mich trotzdem in seine Wohnung einziehen. In der Zwischenzeit hatte er bei Freunden übernachtet. Also Sonntag ausschlafen und montags zum neuen Job. Total verrückt. Aber ich war immer noch sehr euphorisch. Und ich lernte dort jemanden kennen, in den ich mich verliebte. Wir hatten eine kurze Romanze, weil er sich doch nicht bereit gefühlt hatte für eine Beziehung und darauf folgte eine hefige Depression. Mittlerweile hatte ich ein bezahltes Praktikum gefunden in einem Bereich, wo ich mein Studium einbringen konnte. Der Callcenterjob gehörte der Vergangenheit an. Tja, und nun sind 10 Jahre vergangen seit diesem Umzug und ich stehe wieder am Anfang.
Ich möchte dir Mut machen, etwas Neues auszuprobieren. Auch wenn ich wieder am Anfang stehe und das alles was ich geändert habe null und nichtig erscheint. Ich bereue es nicht. Vielleicht hätte man es besser machen können. Aber nun ist es so.
Liebe Grüße,
Szegfue
"Glücklichsein ist eine Angelegenheit rein persönlicher Anpassung an ihre Umgebung."
Zitat aus Cluny Brown auf Freiersfüßen
Katerle
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Re: Neu anfangen?

Beitrag von Katerle »

@ Inertia

Du bist kein Feigling! Manche schaffen´s halt eher, eine Veränderung herbeizuführen als andere, weil das auch von verschiedenen Faktoren abhängt.

Ich hatte z. B. damals auch mit meiner Entscheidung gehadert, weil ich Angst hatte, das Falsche zu tun und auch Angst vor dem Neuen hatte, was auf mich zukommen würde. Heute weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war. Ich dachte, wenn ich es nicht ausprobiere, dann werde ich es wohl nie erfahren. Ich machte mir einen Plan, den ich schrittweise umsetzte.

Wünsche dir auch ganz viel Mut zur Veränderung.

LG Katerle
Bittchen65
Beiträge: 1853
Registriert: 16. Jul 2015, 11:38

Re: Neu anfangen?

Beitrag von Bittchen65 »

Lieber Internia,

so ganz intensiv konnte ich deinen Bericht nicht lesen,ich habe so lange keine Konzentration und dann strengt es mich sehr an.
Trotzdem habe ich daraus gelesen,wie unzufrieden du bist.
Eine Veränderung ist oft schwer,aber wer Nichts riskiert ,kann auch Nichts gewinnen.
Nur sich selber nimmt man immer mit. Wenn man in einem Dorf zurück gezogen lebt,wird man in der Großstadt nicht der große Kracher.Willst du ja wohl auch nicht.
Erschreckend für mich ist,wie du über dich selber sprichst.
Du hast nur negative Worte für deine Person.
Immer wieder schreibst du Langweiler, das baut dich nicht gerade auf.
Was ist ein Langweiler ? Da hat jeder eine andere Sichtweise.
Langeweile kann auch depressiv machen.
Vielleicht solltest du in dem kleineren Kreis mehr unternehmen und dann kannst immer noch entscheiden ,wo du leben willst.

Viele Grüße Bittchen
Zwiebelchen
Beiträge: 601
Registriert: 16. Jan 2016, 09:09

Re: Neu anfangen?

Beitrag von Zwiebelchen »

Hallo Inertia,

ich denke die Ziele/Wünsche/Träume müssen auch realistisch sein.

In meinem Umfeld gibt es Menschen, die denken, wenn sie endlich DEN TRAUMJOB haben/wegziehen in ihre Traumstadt usw., seien ihre psychischen Probleme gelöst.

Klar gibt es Umgebungen und Situationen, die eine Depression auslösen oder aufrecht erhalten können, aber dieses generelle "woanders ist besser, weil hier ist alles doof" spricht für mich eher nach einer Depression, die man über etwas lösen möchte, was gar nicht die Ursache ist, um sich nicht seiner Depression und seinen Gefühlen stellen zu müssen. Wenn am neuen Ort dann bald alles genauso doof ist, liegt es an der Depression/eigenen Denk- und Verhaltensweisen.

Zumindest bei mir war es so. Früher dachte ich auch immer das Außen sei das Problem. Als ich endlich zu Hause ausziehen konnte (ich hatte keine schlimme Kindheit wie andere hier, kein Trauma o Ä.), dachte ich auch "jetzt wird alles gut!" Im Endeffekt nahm ich meine Depression aber trotzdem mit. ;) Jedes Mal, egal was ich änderte. Ist ja auch logisch. Trotzdem habe ich Jahre gebraucht das zu verstehen. Und ich muss sagen, alleine dadurch das nicht mehr zu denken, gehts mir besser. Es ist einfach auch ehrlicher.

Wenn man Probleme hat Freunde zu finden, ist das auch an einem anderen Ort nicht einfacher.
Wenn man die "falschen" Probleme angeht und sich dafür abrackert, hat man am Ende nichts gewonnen.

... Nur meine Erfahrung.

Inertia, ich finde es auch schlimm wie du über dich denkst oder schreibst. Warst/Bist du in Therapie?
Wenn man sich so wenig mag, das über eine andere Umgebung äußerlich zu lösen, kann ich mir nicht vorstellen

Du willst ein neuer/anderer Mensch sein, endlich ein Leben haben. Das ist aus der Depression heraus verständlich.
Ich habe mir früher auch immer gewünscht irgendjemand anders zu sein. Bloß nicht ich! Weil ich mich ja hasste!

Bloß alles alte abbrechen und vergessen... die Vergangenheit und deine Erfahrungen nimmst du ja mit.

Wenn dir diese Vorstellung hilft, kannst du sie aber evtl. gut als Imagination nutzen.

Stelle dir einfach vor, wie deine Arbeit, deine Wohnung, deine Freunde grob aussehen würden bzw. was du machen würdest. Und wie gut du dich dabei fühlst. Wenn es klappt hast du danach ein besseres Gefühl, weil du an etwas Schönes gedacht hast.

Ich habe nie in der Hinsicht geträumt, und egal was genau, so innere Bilder können ja helfen und ich will jetzt versuchen mehr an schöne Situationen zu denken, was ich gerne machen würde, auch wenn ich gerade nicht kann.

Ich wünsche dir weiterhin einen guten Austausch hier!
Viele Grüße,
Zwiebelchen
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