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bin ich übertherapiert ?

Verfasst: 21. Dez 2015, 12:54
von MissesHolmes
hallo,

ich leide seit über 20 Jahren an Depressinen, die mal mehr und mal weniger schwere Schübe haben.

momentan hab ich wieder eine Phase in der so gar nichts geht und ich auch mit einigen äußerlichen Problemen zu kämpfen habe. meine Hausärztin sagte ich solle eine neue Therapie machen. ich seh momentan aber keinen Sinn in sowas. warum ? weil ich schon 13 Therapeuten hatte, meine letzte Therapie wurde von 1,5 Jahren von dem Therapeuten beendet da er der Meinung war dass ich keine Depressionen habe. sah ich aber anders, das Problem war nur dass er immer nur das hier und jetzt besprechen wollte. er fragte zB immer wie es meinem Bruder geht, was ich bei dem schönen Wetter machte und sowas. ich wollte aber in all meinen Therapien IMMER nur das besprechen was mich bewegt und was mich meiner meinung nach auch krank gemacht hat, nämlich meine Kindheit. ich hab in meiner Kindheit schwere Trauma erlitten , unter anderem durch Verlust meiner Bezugspersonen und in meiner Jugend wurde ich einmal Opfer einer Gewalttat was mich bis heute noch beschäftigt. aber nie ging ein Therapeut darauf ein, sondern meist hörte ich nur dass die Kindheit nicht immer für alles verantwortlich gemacht werden kann.
ein besonders schlauer Therapeut hat sogar mal zu mir gesagt dass ich durch die Verluste meiner Bezugspersonen nicht traumatisiert sein kann WEIL auch Menschen im Krieg ihre Leute verlieren und die seindann auch nicht alle traumatisiert.

und jetzt soll ich eine neue Therapie beginnen, mich wieder dahinsetzen, mir das Gesabbel (sorry für den Ausdruck aber ich persönlich empfinde das so) anhören während das, was mich wirklich beschäftigt, aussen vor bleibt ?

wer hat ähnliche Erfahrungen oder Erlebnisse gemacht oder hat andere Ansichten zum Thema neue Therapie ?

Re: bin ich übertherapiert ?

Verfasst: 21. Dez 2015, 13:28
von BadewanneVollGeld
Was für eine Therapie hast du denn gemacht? Ich mache eine analytische Psychotherapie und mein Therapeut würde gerne mit mir über meine Kindheit reden, leider hab ich so ein schlechtes Gedächtnis und weiß kaum noch etwas...

VG
BadewanneVollGeld

Re: bin ich übertherapiert ?

Verfasst: 21. Dez 2015, 13:46
von MissesHolmes
ich hab bisher immer nur Verhaltentherapien gemacht, anderes zahlt die Kasse offenbar nicht. wollte mal eine tiefenpsychiologische Therapie machen, aber da betrug die Wartezeit über zwei Jahre und die Kasse hat sich da auch quer gestellt.

Re: bin ich übertherapiert ?

Verfasst: 21. Dez 2015, 16:32
von Salvatore
Hallo Misses Holmes,

die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland übernehmen grundsätzlich die Kosten für die drei Richtlinienverfahren Kognitive Verhaltenstherapie (KVT), Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TfP) und Psychoanalyse (PA), jeweils bei Psychologischen oder Ärztlichen Psychotherapeuten mit Kassenzulassung.
Wenn du schon mehrfach festgestellt hast, dass Verhaltenstherapie nichts für dich ist, fände ich persönlich es unsinnig, es nochmals mit einem Verhaltenstherapeuten zu versuchen. In der KVT wird in der Tat auf das Hier und Jetzt bzw. in die Zukunft geschaut und nicht so sehr in die Vergangenheit; das liegt nicht am Therapeuten, so ist eben diese Therapieform (Wassergymnastik findet nun mal im Wasser statt, wenn man das nicht möchte, ist das vollkommen ok, nur ist man dann da falsch). Bei TfP und PA geht der Blick sehr stark in die Vergangenheit.

Liegt die letzte Therapie weniger als zwei Jahre zurück, geht die Bewilligung durch die Krankenkasse über ein Gutachterverfahren. Das bedeutet, dass man als Patient zum einen einen Dringlichkeitsnachweis durch einen Arzt (am besten Facharzt) und einen Konsiliarbericht (Nachweis, dass aus medizinischer Sicht nichts gegen eine Psychotherapie spricht) vorlegen muss. Zum anderen muss der zukünftige Therapeut einen ausführlichen Bericht schreiben, der dem Gutachter des MDK übermittelt wird. Dieser entscheidet dann, ob die Kosten übernommen werden. Ggf. muss man Widerspruch einlegen.

Sind die Wartezeiten auf einen Therapieplatz bei kassenzugelassenen Therapeuten "unzumutbar" lang (über 3-6 Monate, kommt auf die KK an, ggf. dort erkundigen), kann man über ein Kostenerstattungsverfahren bei der KK beantragen, dass diese eine Therapie bei einem Psychotherapeuten OHNE Kassenzulassung (aber MIT Approbation, also keine Heilpraktiker) bezahlt. Auch hierfür brauchst du eine Dringlichkeitsberscheinigung, einen Konsiliarbericht sowie einen Nachweis darüber, dass du dich um einen Therapieplatz bemüht hast (in der Regel ruft man dazu bei fünf Therapeuten an, lässt sich telefonisch bestätigen, dass im nächsten halben Jahr kein Platz frei ist, notiert sich das und teilt diese Informationen der KK mit).
Näheres zu diesem Verfahren erfährst du hier: http://www.lpk-rlp.de/cms/fileadmin/pdf ... attung.pdf
Hier müssen auch die probatorischen Sitzungen ("Probesitzungen") VORAB von der KK genehmigt werden.


Wie das mit privaten Krankenversicherungen ist, weiß ich nicht. Da kommt es sicher im Einzelfall darauf an, was genau vereinbart wurde.

Alles Gute für dich,
Salvatore

Re: bin ich übertherapiert ?

Verfasst: 22. Dez 2015, 13:31
von MissesHolmes
hallo Salvatore,

danke für Deinen wirklich hilfreichen Beitrag.

den Text habe ich mir abgespeichert,
wenn die Feiertage vorrüber sind werde ich mich dran setzen.
ich vermute dass diese Tiefenpsychiologie am ehesten das ist was ich brauche.

danke Dir nochmal !

Re: bin ich übertherapiert ?

Verfasst: 28. Dez 2015, 09:39
von Elupeiene
Verhaltenstherapie kann gut helfen, im Hier und Jetzt Muster zu durchbrechen, die zum Absturz führen.
Wenn aber tiefsitzende Probleme vorliegen, finde ich Tiefenpsychologie sinnvoller. Ich bin mehr durch Zufall gleich zu Beginn bei einer tiefenpsychologisch arbeitenden Therapeutin gelandet und sehr dankbar dafür.

Die Wartezeiten variieren, bei mir waren es tatsächlich nur 6 Wochen. Wobei ich riesen Glück gehabt habe. Zwei Jahre Wartezeit kann natürlich sein. Aber du verlierst nichts, wenn du dich auf verschiedene Wartelisten setzen lässt. Ob du auf der Liste stehst und zunächst mal wenig passiert, oder ob du nicht auf der Liste stehst und nichts passiert....es ändert sich zunächst mal gar nichts.

Nur Mut! Es lohnt sich wirklich.

Re: bin ich übertherapiert ?

Verfasst: 28. Dez 2015, 19:25
von MissesHolmes
danke Elupeiene !