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frustriert über Psychiater

Verfasst: 2. Okt 2015, 14:14
von duck
Hallo zusammen,

zur Zeit bin ich mal wieder sehr frustriert über meinen Arzt. Eigentlich weiß ich schon was ich machen SOLLTE, nur die Umsetzumg fällt mir noch sehr schwer.

Eigentlich ist mein Psychiater ein sehr netter und verständnisvoller Mensch. Vorhin habe ich mal ein bisschen im Netz geschaut, er hat überwiegend sehr gute Bewertungen. Viele schätzen an ihm, dass er sich viel Zeit für seine Patienten nimmt. Leider merke ich davon nur etwas, wenn ich trotz Termin mal wieder 2 h im Warteraum verbringe. Ich fühle mich eher schnell abgefertigt. Mein letzter Termin hatte nur so 5 min gedauert, obwohl ich das Gefühl hatte, dringend Hilfe und Unterstützung zu brauchen.

Ich bin eher schüchtern und rede nicht so viel (schreiben kann ich aber wohl Romane :D ). Wenn ich mein Anliegen vorgebracht habe, fehlt mir Feedback. Es kommen kaum Rückfragen. Es wird dann die Dosis der Medis rauf oder runtergesetzt oder kurz gesagt, wir machen das jetzt so und so, dann bin ich auch schon wieder raus. Hmm, was erwarte ich denn eigentlich anderes?

Ich laufe jetzt seit etwa 2 Jahren mit meiner Depression rum. Seit Ende 2013/Anfang 2014 mache ich eine Analyse, seit Sommer 2014 bin ich bei diesem Psychiater (davor HA). Und ich habe das Gefühl, es hat sich kaum etwas getan. Anfang des Jahres ging es mir relativ gut und ich habe ihn gefragt, welche Möglichkeiten der Unterstützung es für mich geben würde, wenn ich wieder ins Berufsleben zurück kehren will. Meine Forschungsstelle an der Uni war ausgelaufen, ich müsste mich also auf dem Markt nach einem neuen Job mit neuen Aufgaben umsehen und mich bewerben. Davor habe ich natürlich ordentlich Muffensausen. Aber er zuckte nur mit den Schultern und meinte da gäbe es nichts. Noch nicht einmal einen Hinweis auf Jobcoaching, Bewerbungstraining oder sowas.

Kurz darauf ist mein Opa gestorben und es ging mir wieder etwas schlechter. Als dann der Brief vom MDK kam und mir mitteilte, dass ich nach Aktenlage wieder arbeitsfähig wäre, war ich erstmal sehr wütend. Nach Aktenlage! Hmpf! Mein Psychiater redete mir gut zu und meinte, dass WIR da Widerspruch einlegen sollten. OK!

Der MDK-Termin war gar nicht so schlecht. Von der SPDi-Mitarbeiterin habe ich ein paar nützliche Tipps zu Anlaufstellen wie z.B. Frau und Beruf oder Raupe und Schmetterling sowie eine Liste mit Selbsthilfegruppen bekommen. Außerdem war sie erstaunt, dass ich noch keine Reha gemacht habe.
Bei meinem nächsten Termin bei meinem Psychiater berichtete ich ihm davon und plötzlich meinte er, ich solle doch eine berufliche Reha machen.

Ok, Anfang Juni habe ich dann die Unterlagen eingereicht und nach einigem Hin und Her bekam ich jetzt: eine Absage! Inzwischen bin ich ausgesteuert und der medizinische Dienst der Agentur für Arbeit ist der Meinung, dass ich sehr stark in meiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sei (weniger als 3 h pro Tag :o ) und dass ich somit nicht die Vorraussetzungen für eine berufliche Reha habe. Eine medizinische Reha wäre vorrangig. Also wieder hin zum Arzt: 5-min-Termin, ja eine medizinische Reha ist jetzt sinnvoll.

Meine Mutter meinte, er hätte mich und meinen Fall voll gegen die Wand gefahren. Und so fühle ich mich auch. Wieso kommt er erst jetzt mit der medizinischen Reha und nicht schon viel früher? Hätte er nicht wissen müssen, dass die berufliche abgelehnt wird? Andere hier im Forum berichten immer wieder von Klinikaufenhalten relativ am Anfang ihrer Therapie. Auf meinen Krankenscheinen stand immer F32.2 (schwere depressive Episode), hätte da nicht schon längst irgendwas eingeleitet werden müssen? Auf Hinweise zu irgendwelchen Maßnahmen geht er scheinbar erst ein, wenn ich sie vorbringe. Von ihm kommt scheinbar nichts. Aber was, wenn mir die Orientierung fehlt und ich nicht weiß, was ich will?

Ich bin jetzt seit 2 Jahren raus aus der Arbeit und es wird wohl noch eine Weile länger dauern. Ich laufe jetzt voll auf eine EU-Rente zu ( :evil: ). Ich habe das Gefühl, es wurde sehr viel Zeit verschwendet. Auch von mir. Im Moment habe ich das Gefühl, es geht mir schlechter denn je und mein Vertrauen zu meinem Arzt ist dabei auch noch verschwunden.

Viele Grüße,
duck

PS. Mein Analytiker hält sich leider mit Meinungen zu Reha, Klinikaufenthalt, Medikamenten etc. immer sehr zurück.

Re: frustriert über Psychiater

Verfasst: 8. Okt 2015, 11:50
von Mohnblümchen
Liebe duck,

wie wäre es für dich, dein Empfinden zunächst dort anzusprechen? Ich habe oftmals die Erfahrung gemacht, dass es für beide Seiten sehr hilfreich sein kann, wenn man als Patient schildert, wie man sich in diesem Arztgespräch fühlt und was man sich wünscht - auch, wenn soetwas absolut nicht leicht ist (zumindest nicht für mich ;-) ).

Vielleicht hilft es dir auch, wenn du dir selbst konkret aufschreibst, was du von ihm erwartest? Eventuell kann sich einiges davon in einem Gespräch mit ihm klären oder du merkst, dass deine Fragen gar nicht zu einem Psychiater gehören - unter Umständen sind sie bei einem Therapeuten, einer speziellen Beratungsstelle oder in einer Selbsthilfegruppe am besten aufgehoben?! (Hast du von den Beratungsstellen, die sich hinter den links befinden, denn schon Gebrauch gemacht? Ich finde, das klingt sehr interessant :-) )

Natürlich kannst du dir auch jederzeit einen neuen Psychiater suchen, wenn du das Gefühl hast, dort nicht gut aufgehoben zu sein. Es ist letztendlich egal, ob er gute Bewertungen im Internet hat und ob andere mit ihm zufrieden sind - was zählt ist, wie es dir mit ihm geht.

Liebe Grüße
M.

Re: frustriert über Psychiater

Verfasst: 16. Okt 2015, 19:59
von John4155
Hallo Duck,

ich kann Deinen Frust gut verstehen.

Meine Erfahrung war das sich Psychiater oder Therapeuten mit dem Sozialrecht schlecht auskennen.

Falls Du weniger als 16 Jahre Rentenbeiträge bezahlt hast, wäre die Krankenkasse der Ansprechpartner für die berufliche- bzw. medizinische Reha. Ansonsten die Rentenversicherung.

Vermutlich wirst Du erst nur zur medizinischen Reha geschickt. Danach kannst Du auf eine berufliche Reha hoffen. Wichtig zu wissen ist, das die Kostenträger in der Regel erst einmal alles ablehnen. Deshalb musst Du dann Widerspruch einlegen. Am Besten unter Zuhilfenahme einer Beratung. Sei es der VdK oder andere Organisationen, oder eines auf Sozialrecht spezialisierten Rechtsanwalts. Dein Psychiater kann Dir auch ein entsprechendes Attest bauen. Ich hatte damals ohne Hilfe Widerspruch eingelegt und war erfolgreich. Kannte mich allerdings schon aus.

Also nicht ins Boxhorn jagen lassen!

LG

Re: frustriert über Psychiater

Verfasst: 18. Okt 2015, 22:44
von Zarra
Hallo duck,

Dein Beitrag geistert schon eine lange Weile in meinem Kopf herum, doch es war immer auch viel anderes, und an eigene unangenehme Erfahrungen mag man ja auch nicht so gerne erinnert werden, zumal ich momentan mit meinen "Behandlern" relativ zufrieden bin, mich teils aber vielleicht auch arrangiert habe.

Aus eigenen Erfahrungen und Rumhören: Die "schnelle Abfertigung" erscheint mir leider normal. Und "lange Storys" wird sich mein Psychiater auch nicht anhören. Nachfragen (außer allgemein zum Befinden und ggf. zu Medikamenten) auch eher nicht.

Du bist ja nicht auf den Kopf gefallen. - Und "Jobcoaching, Bewerbungstraining" ist ja nichts "Krankheitsspezfisches", das wird sich u.U. auch jemand überlegen, der nicht von Krankheit betroffen ist. - Eigeninitiative ist leider trotz all dem bei der Krankheit Depression dem Entgegenstehenden gefragt: Es IST einfach so. Das ist die reale Ausgangslage, auch wenn wir uns vermutlich alle leicht etwas anders wünschen würden.

Die Haltung zu ambulant - Klinik ist unterschiedlich, und die Wirkung kann auch von Person zu Person anders sein. Ein Klinikaufenthalt kann sehr hilfreich sein, ist aber eben auch kein Garant für eine Genesung. Und von der Möglichkeit eines Klinikaufenthaltes wirst Du ja auch nicht erst von wenigen Wochen erfahren haben.

Daß sich Dein Analytiker zu Reha, Klinik, Medikamenten u.ä. sehr zurückhält (... oder noch negativer), ist - leider - auch üblich. Wenn auch nicht hilfreich.

Ich kann leider nur bestätigen, daß man sich umhören muß und dann selbst (!) entscheiden muß, was einem vielleicht helfen könnte. Mein Psychiater hat nie eine Unterschrift verweigert, wenn ich mit einer passenden Idee kam. Das ist sicher zu wenig, aber ...

Liebe Grüße, Zarra