Suizidversuche beste Freundin

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Hope87
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Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Hope87 »

Hallo alle zusammen,
ich bin neu hier und weiß nicht sicher, ob es eine gute Idee ist hier zu schreiben. Gerade weiß ich aber nicht mehr, wohin mit all den Gedanken und der Angst.
Meine beste Freundin leidet seit längerer Zeit an einer PTBS. Seit etwa zwei Jahren kommt es regelmäßig zu Suizidversuchen von ihr, die in ihrer Intensität stetig zunehmen. In der Regel bin ich diejenige, die dann vorher von ihr kontaktiert wird und die den RTW ruft. In regelmäßigen Abständen ist sie dann zur Krisenintervention in der Klinik, schafft es aber auch dort immer mal wieder abzuhauen. ...

Sie verfällt immer mal wieder in dissoziative Zustände, wird dann zum „Kleinkind“. Immer mal wieder beschimpft sie mich und es kam auch schon mal dazu, dass sie mich im Krankenhaus oder während wir auf die Polizei warteten körperlich angegriffen hat (beißen, kratzen, schlagen), weil sie dann doch nicht mehr gerettet werden wollte. Ich glaube, das jetzt alles ausführlicher darzustellen, würde den Rahmen hier sprengen.
Nun ja… es war irgendwann soweit, dass ich mich kaum noch getraut habe, mein eigenes Leben zu leben. Dadurch, dass ich ja immer die war, die sie retten musste, musste ich ja gefühlt permanent erreichbar sein. Versteht mich nicht falsch, ich bin ja froh, dass sie mich bis jetzt jedes mal angeschrieben oder angerufen hat und den Schritt nicht endgültig durchgezogen hat, aber trotzdem ist es ziemlich belastend. ... Ich habe dennoch versucht weiter zu machen. Mich mit meinen Freunden getroffen, normal gearbeitet, meinen Hobbies nachgehen (halt immer unter dem Druck, dass es dieses mal ein Fehler hätte sein können). Und natürlich frage ich mich auch, welche Rolle ich in dieser Inszenierung spiele. Und ob ich durch meine Reaktionen vielleicht sogar Verhaltensmuster verstärke. Aber ich kann ja auch nicht zusehen, wie sie sich das Leben nimmt und einfach nicht mehr reagieren.

Nach einer der letzten ihrer Aktionen begann ich aus Eigenschutz den Kontakt zu reduzieren, habe mich irgendwie auch emotional ein wenig gelöst, aber natürlich nicht gänzlich… dafür verbindet uns eine viel zu lange und intensive Freundschaft, die ja nicht immer so schlecht gewesen ist. Es ist nur so, dass über die letzten Jahre hinweg immer weniger von dem Menschen über geblieben ist, der sie mal war (aber das ist wohl das heimtückische an so einer Depression bzw. Krankheit). Wir hatten nichtsdestotrotz zwischendurch immer noch Kontakt. Sie ist nun wieder seit einigen Wochen zur Krisenintervention in der Klinik (nach Suizidversuch). Über dieses Wochenende durfte sie nach Hause. Wir haben uns gestern getroffen. Es war seit langem mal wieder ein bisschen wie früher… Es schien ihr einigermaßen gut zu gehen, wir haben zwischendurch sogar etwas lachen können. (ja, ich weiß… die trügerische Besserung vor dem totalen Zusammenfall… ich hätt’s wissen müssen). Ich brachte sie nach unserem Treffen nach Hause. Ein paar Stunden später bekam ich SMS mit Buchstabensalat. ...

Ich habe das Gefühl selbst in einen Sumpf zu geraten. Eigentlich war ich schon etwas abgestumpft, hab funktioniert, wenn es mal wieder zu solchen Situationen kam, wenig eigene Emotionen zugelassen und versucht mein Leben halbwegs normal weiter zu leben. Seit gestern ist es irgendwie anders… Ich weiß nicht, warum. Ich fühle mich schuldig, weiß nicht mehr recht, was ich denken soll, geschweige denn, wie ich mit der Situation umgehen soll. Ich bin eigentlich ein recht optimistischer Mensch, aber ich fange an, ihre Sichtweise auf ihre Situation zu übernehmen… sie hat so viel an Therapie, Klinik, Wohngruppe, etc. durch…. Wie kann man ihr denn noch helfen? Wie kriege ich den geliebten Menschen, der sie mal war, zurück? Oder habe ich sie irgendwo in den letzten Jahren wirklich komplett an die Krankheit verloren?

Ich habe in meiner Jugend selbst einen langen Therapieweg mit vielen Schicksalsschlägen und Stolpersteinen hinter mir. An Verständnis und Einfühlungsvermögen mangelt es mir also nicht... und ich bin immer geblieben, obwohl sie manchmal wirklich eklig zu mir ist und mich auch vor Freunden, etc. massiv erniedrigt. Das schreibe ich nur, damit ihr versteht, dass mir wirklich viel an ihr liegt und ich seit langem bereit bin auch vieles zu schlucken und trotzdem für sie da zu sein. Nur stoße ich irgendwie an meine Grenzen.

Es klingt vielleicht hart, aber ich hatte das Gefühl, dass es mir in den letzten Monaten, in denen ich weniger Kontakt zu ihr hatte, besser ging. Trotzdem schaffe ich es nicht, sie komplett loszulassen. Abgesehen davon würden mich die Schuldgefühle auffressen, wenn einer ihrer Versuche wirklich mal erfolgreich wäre. Immerhin bin ich immer noch die, von der sie erwartet, dass ich sie rette…. Und glaubt mir, wenn ich das könnte, ich würde es tun. Aber ich weiß einfach nicht mehr wie…. und der Druck einen Menschen retten zu sollen, der sich momentan scheinbar nicht retten lassen kann, ist immens.

Keine Ahnung, warum ich das geschrieben habe. Ich nehme an, dass ihr auch keinen Rat habt. Aber vielleicht hilft es ja ein wenig einfach nochmal losgeworden zu sein, dort, wo Leute vielleicht ähnliches kennen.
Danke und Grüße,
Hope…


Nachträglich von der Moderation zum Schutz anderer Leser editiert. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Anne Blume
Sonnenblume14
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Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Sonnenblume14 »

Liebe Hope,

warum sollte hier niemand einen Rat haben? Mit einem kann man immer helfen: mit einem neutraleren Blick auf die Dinge.

Erste Frage: hast du Unterstützung / Hilfe im Sinne von psychotherapeutischer Unterstützung / Selbsthilfegruppe?

Du pendelst zwischen Verantwortungebewusstsein, Schuldgefühlen und dem Wunsch, ein eigenes, ich-bestimmtes Leben zu führen hin und her. Aber du kannst keinesfalls die Verantwortung für das Leben anderer übernehmen, nur für dein eigenes. Aus deinen Zeilen spricht, dass du unter sehr viel Druck stehst, denn dir ist vermutlich auch schon der Gedanke gekommen, dass irgendwann der Tag kommt, an dem du nicht mehr rechtzeitig da bist.
Kannst du nicht versuchen, mit einer Therapeutin/Ärztin in Kontakt zu kommen, dass Ihr vllt ein gemeinsames Gespräch führt?

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Hope87
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Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Hope87 »

Liebe Sonnenblume,
vielen Dank für deine Antwort.

Du fragst, ob ich selbst Hilfe/Unterstützung habe. Eine berechtigte Frage. Zum einen bin ich froh darüber, dass ich wirklich tolle Freunde habe, die teilweise Bescheid wissen und auch in solchen Situationen einfach da sind. Aber das will ich natürlich nicht überstrapazieren...
Dann habe ich vor einiger Zeit versucht das ganze mit einem Coach durchzuleuchten (im Grunde genommen ähnlich wie Therapie, nur selbst bezahlt). U.a. auch, weil ich auch beruflich mit Menschen arbeite und für mich da sortieren wollte, wie ich das gut voneinander abgrenzen kann.
In der letzten Zeit war es mir auch schon etwas besser gelungen mich abzugrenzen, das nicht mehr so nah an mich ranzulassen. Wir waren auf Abstand und das hat mir gut getan. Ich glaube, das, was mich jetzt in all der Heftigkeit umhaut, ist die Intensität der Situation. Es ist etwas gänzlich anderes einen Menschen, der bei Bewusstsein ist, ins Krankenhaus/in die Klinik (je nach dem) zu begleiten - auch dann, wenn er ggf. aggressiv wird - (ich glaube, ich hatte da einen ganz guten Umgang mit gefunden) oder ob man einen leblosen Menschen mit zerissener Kleidung, aufgebrochene Tür, etc. dort liegen sieht und in dem Moment nicht sofort weiß, ob man es dieses mal rechtzeitig geschafft hat.

In der Klinik habe ich schon vergeblich versucht mal ein (gemeinsames) Gespräch zu bekommen. Die sagen, dass sie dafür nicht zuständig seien. Es ist auch in Situationen, in denen sie aus der Klinik weggelaufen ist und ich sie am Bahnhof aufgegabelt habe und zurück gebracht habe, jedes mal so, dass ich einfach wieder weggeschickt werde. Da fragt keiner, wie es mir geht, ob ich was brauche oder so. Einmal gab es auch die Situation, dass sie mich anrief und sagte, es ginge ihr sehr schlecht, ob ich sie in die Klinik bringen könne. Das hab ich gemacht. Vor Ort erzählte sie dann, dass sie Tabletten genommen habe. Da hat mich der diensthabende Betreuer derbe angemacht, ob ich denn bescheuert wäre, ich soll sie doch jetzt bitte sofort in die Notaufnahme bringen, das Klimmbimm mit RTW, etc. würde ja jetzt zu lange dauern.

Heute bin ich in die hiesige Insitutsambulanz gefahren und habe angefragt, ob es Angehörigen-Gespräche gäbe. Das wurde verneint. Als sie mich fragte, worum es ginge, hab ich angefangen zu heulen und halt gesagt, was Sache wäre... und da gehört für mich schon viel zu, ich fange normalerweise nicht einfach so vor anderen Leuten an zu heulen. Da wurde mir nur sehr trocken gesagt, dass ich meiner Freundin sagen solle, dass sie mal da hinkommen solle. Auf meine Nachfrage, ob sie mir dann wenigstens andere Anlaufstellen nennen könnten, wurde auch das verneint.

Ob es ein Weg wäre nochmal eine Therapie anzufangen, weiß ich nicht. In der Regel sind die Wartezeiten da ja ziemlich lang und ich muss gestehen, dass ich ziemlich wählerisch bin, was Therapeuten betrifft. Das wäre jedenfalls ein längerer Weg, der nicht von heute auf morgen umzusetzen ist. Selbsthilfegruppen gibt es (soweit ich weiß) in meiner Umgebung nicht. Aber ich werde mich nochmal gezielter umsehen, vielleicht habe ich das ja auch einfach nur übersehen.

Vielen Dank nochmal und viele Grüße,
Hope
cool
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Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von cool »

Hallo Hope,

Du trägst eine große Last. Ich würde das nicht schaffen.

Du musst die vermeintliche Verantwortung dringend abgeben an Leute die das beruflich machen und den nötigen Abstand und Unterstützung haben. (Supervision)

Google mal :

Arche München

oder

Arbeitskreis Leben

oder

Sozialpsychiatrischer Dienst und deine Stadt


Vielleicht gibt es auch bei Dir solche Anlaufstellen.

Viele Grüße Cool
Botus
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Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Botus »

Hallo Hope,

mir fällt beim Lesen spontan der Begriff "Erpressung" ein. Wie Cool schon sagt, sollten sich Profis darum kümmern. Das ist nicht Deine Sache !

Außerdem finde ich das eine echt linke Nummer. Sie nimmt nicht sich, sondern anderen Menschen das Leben.

Liebe Grüße vom Dobi
Sonnenblume14
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Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Sonnenblume14 »

hallo

@Dobi: Das ist wohl leichter gesagt als getan, wenn es sich um eine enge Freundin handelt.

@Hope: Die Institutsambulanz ist sehr wohl für dich zuständig. Ich bin gelinde gesagt entsetzt, dass sie dich haben gehen lassen, wenn du so neben dir standest. Gerade weil die Wartezeiten bei Therapeuten so lang sind, sind Institutsambulanzen ein guter und schneller Weg zur Hilfe. Allerdings läuft die Behandlung (zumindest bei mir) nur über eine Überweisung von einem praktischen Arzt - aber wenn du die hast, müsstest du eigentlich auch einen Termin bekommen.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

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katyfel
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Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von katyfel »

Dobermann; ich weiß nicht, was so ein Kommentar soll, finde ihn aber unglaublich respektlos...

Hope: Coach finde ich eine ganz gute Übergangslösung, aber letztendlich brauchst du m.E. (und deines ja offensichtlich auch) "richtige" professionelle Hilfe. Wenn das mit der Institutsambulanz so (entschuldige die Wortwahl...) unter aller Sau läuft, sind vielleicht andere Beratungsstellen (gibt sie normalerweise städtisch oder kirchlich, je nachdem, was dir näher liegt...) der momentan bessere Weg? Viellecht auch nur als Übergangslösung bis zu von Sonnenbllume erwähnter Überweisung, oder eben als sinnvolle Unterstützung für dich... für diesen schweren Moment und vielleicht für die nächste Zeit.
Sonst würde ich erstmal empfehlen, den Hausarzt zu kontaktieren- evtl. für konkrete Hilfe, vor allem aber, weil die häufig gut vernetzt sind und dir deshalb nochmal die Anlaufstätten sagen können sollte, die du in der IA nicht bekommen hast.

Alles Gute- dir UND deiner Freundin/ ehemaligen Freundin/...

Sinfonia
Botus
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Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Botus »

katyfel hat geschrieben:Dobermann; ich weiß nicht, was so ein Kommentar soll, finde ihn aber unglaublich respektlos...
Hallo Sinfonia,

so ist das aber nicht. Das Gegenteil ist bei mir der Fall.

Ich habe höchsten Respekt vor dem, was Hope da alles unternimmt und stillschweigend erträgt. Nach den Schilderungen im Ursprungsbreitrag gibt es in weiten Teilen bei Hope tatsächlich kein Leben mehr. Es geht da auch nicht nur um die Suizidversuche. Hope beschreibt hier auch massive Erniedrigungen in Gegenwart Dritter.

Auch habe ich höchsten Respekt vor den anderen Beteiligten, wie etwa Einsatz- oder Pflegekräften, die vielfach für ein nur geringes Gehalt unglaublichen Einsatz zeigen, extreme Belastungen in Kauf nehmen und diese Belastungen auch oft mit nach Hause nehmen, wo die Partner oder sonstigen Angehörigen das dann mit verarbeiten müssen.

Die Menschen stehen in meinen Augen alle auf der selben Stufe, somit gebührt auch allen gleichermaßen Respekt und Mitgefühl. Respekt ist keine eingetragene Marke, die nur Bestimmten gebührt und anderen nicht.

Liebe Grüße vom Dobi
Selea

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Selea »

:hello: Guten Morgen miteinander :)

Hope :) dein eröffneter Thread ist sehr sehr schwer.
Ich hab es kaum ausgehalten zu lesen.

Diese permanenten Suizidversuche deiner Freundin.
Das hält doch kein Mensch aus. Selbst der bärenstärkste Nicht. Nein.

Ich habe fast gehofft, die Mods schließen diesen Thread.

Und jetzt wird hier angefangen, auf Dobi :) rumzuhacken.
Dobi hat nur relativ direkt und ungeschnörkelt gesagt, dass er diese Suzizidversuche mit parallelem Anruf bei der Freundin als einen Erpressungsversuch empfindet.
Komischerweise hatte ich auch ein ähnliches Gefühl.

Was passiert da, dauernd will man sich das Leben nehmen, und ruft dann doch die beste Freundin an.
Hilferufe, mit denen aber jeder Außenstehende überfordert ist. Hilferufe in schwerster Depression oder anderweitiger psychischen Erkrankung.

Können da mal die Moderatoren was dazu sagen????

Und, in der Tat, ein Mensch, natürlich ein immer zu respektierender Mensch, der so schwer psychisch erkrankt ist, dass er sich dauernd das Leben nehmen will___________________gehört in die HÄNDE von Fachleuten. Und nirgendwo anders hin.

Jeden relativ stabilen Menschen im Umfeld überfordert so etwas ungemein.
Und es ist krankmachend.
Ja, und es zerstört auch das Leben im Umfeld.

Das klingt hart, und empathielos, aber so IST es doch.

Es kann mir doch keiner sagen______also hört damit auf, Dobi rundzumachen.
Er sagt Dinge direkt. Ohne Schnörkel. Das klingt lieblos, mag es aber gar nicht sein.


Und für dich, liebe Threaderöffnerin.
Rette auch deine Haut. Pass auf dich auf. Du hast auch den Päckchen vom Leben abgekriegt, wie du geschrieben hast.

Gib die Verantwortung an Fachpersonal ab. Das darfst du, das darf jeder.
Gibt es Angehörige deiner Freundin, die du informieren kannst, Eltern, Geschwister etc.
und denen übergibst du dann die Verantwortung.

Das darf nicht sein, dass du kaputt gehst.


Soweit meine direkten Gedanken.

Danke fürs Lesen.
Selea
sabse33
Beiträge: 553
Registriert: 13. Feb 2015, 10:25

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von sabse33 »

Hallo

Ich kann mich Selea nur anschließen...

Dobi, hat eine ungewohnte Perspektive für die meisten von uns, aber dennoch trifft er meist den Nagel auf den Kopf.... Ich lese seine postings sehr gerne und hab des öfteren schon ein AHA-Erlebnis gehabt...

LG
"Ich bin wie Unkraut - ungewollt und unkaputtbar"
Anne Blume
Moderator
Beiträge: 1667
Registriert: 7. Dez 2006, 13:25

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Anne Blume »

Hallo Hope,

die Forianer haben es schon vielfach geschrieben: diese Verantwortung sollten Sie nicht alleine tragen.
Ich würde Ihnen auch nochmal empfehlen, sich an den zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst zu wenden. Dort erfahren Sie ggf. weitere Anlaufstellen bei Ihnen vor Ort.

Ihr Eingangsposting musste ich stellenweise editieren. Dafür bitte ich Sie um Verständnis.

Viele Grüße
Anne Blume
Hope87
Beiträge: 5
Registriert: 27. Sep 2015, 11:37

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Hope87 »

Hallo alle zusammen,
erst einmal möchte ich mich für eure Anteilnahme bedanken und mich gleichzeitig auch entschuldigen. Ich habe mich schon sehr bemüht nicht zu konkret zu schildern und es war nicht meine Absicht andere hier zu belasten oder zu triggern. Tut mir also leid, dass mir das offensichtlich nicht so gut gelungen ist. Insofern auch danke für das nachträgliche Editieren.

Ich empfinde deine Beiträge nicht als respektlos, Dobi. Du schreibst im Grunde genommen etwas, was ich selbst schon häufig gedacht habe... neben all der Hilflosigkeit und dem großen Wunsch danach, dass es meiner Freundin wieder besser geht, ist natürlich auch oft schon Wut in mir aufgekommen. Ich bin ja nicht naiv und weiß, dass sie sich mir gegenüber sehr unfair verhält und dass auch nicht immer alles mit ihrer Erkrankung entschuldbar ist. Erpressung trifft es ja eigentlich recht gut in gewisser Weise. Das Problem ist schlicht und einfach, dass der Preis ziemlich hoch wäre. In etwas besseren Phasen habe ich sie damit auch schon konfrontiert, es ist nicht so, dass ich sie in Watte packe. Das ganze zieht sich nun auch schon über mehrere Jahre hin, nur ist es in den letzten 2 Jahren einfach sehr extrem geworden. Trotz alle dem kann ich (oder vielleicht trifft "will ich" es besser) den Kontakt zu ihr nicht komplett abbrechen. Ich weiß nicht, ob das verständlich ist... Ich hab sie halt lieb. Alles das, was sie ausmacht, wenn diese verdammte Krankheit sie endlich wieder freigeben würde.

Sie ist in ein Helfernetz eingebunden, bestehend aus ambulanter Betreuung, Anbindung an die psychiatrische Krisenintervention und ambulanter Therapie. Das war im Prinzip das erste, was ich mit ihr in Angriff genommen habe, eben weil ich die Verantwortung alleine gar nicht tragen kann und will. Es sind also ausreichend Fachleute dran... Schwierig ist, dass das System recht lückenhaft ist. Wäre sie jünger, gäbe es wahrscheinlich einen passenderen Betreuungsrahmen. Aber sie muss nun natürlich mit dem Arbeiten, was ihr angeboten werden kann und ich vertraue darauf, dass die Fachleute wissen, was sie tun. Meistens jedenfalls...

Familie hat sie nicht bzw. sind die mitverantwortlich für etwaige Traumatisierungen. Ich bin sozusagen ihre engste Bezugsperson, neben ihrem Verlobten, der aber noch überforderter ist als ich es bin.

Ich habe über Umwege für morgen eine Art Erstgespräch bei einer Therapeutin bekommen. Darüber bin ich sehr dankbar und hoffe, dass sich dort nochmal eine Möglichkeit ergeben wird. Gott sei Dank habe ich gerade Urlaub, sodass ich wenigstens da den Kopf frei habe.

Im Moment fühle ich mich unglaublich schwach und es gibt Augenblicke, in denen ich mich selbst nicht mehr wieder erkenne. Das mag ich nicht. Ich will nicht ständig gereizt sein, will mein Lachen nicht verlieren. Ich glaube, dass ich ziemlich gut kämpfen kann - nicht nur für mich - und dass ich mir in meinem Leben oft genug bewiesen habe, dass ich wieder aufstehen kann. Und ich will auch jetzt MEIN Leben wieder lieben. Ich hoffe, dass ich mich nicht selbst verliere...

Ich danke euch und hoffe, dass es in Ordnung ist, ab und an hier zu schreiben.
Viele Grüße,
Hope...
Botus
Beiträge: 2096
Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Botus »

Hallo Hope,

ich finde, dass Sinfonia schon richtig liegt, denn mein Posting war dahin gehend respektlos, dass es genau genommen ja nicht Deine Freundin ist, die das macht, sondern diejenigen, die sie belastet haben.

Aber auch die sind garantiert nicht so geboren worden. Ich nehme an, dass auch die Eltern Deiner Freundin ursprünglich einmal ganz süße Babies waren. Das gilt sicher auch für deren Eltern.

Es ist richtig, das so zu sehen, aber auf der anderen Seite wäre es doch auch eine Sackgasse für uns alle, die ja in der Gegenwart leben und alle, die noch nach uns kommen werden. Und um die geht es ja auch, obwohl die noch gar nicht da sind.

Wenn wir einen Schnitt machen wollen, weil wir es müssen, dann wäre das nur im Heute möglich. Du beschäftigst Dich mit Hilfen und Lösungen und stehst somit dafür. Hilfe und Lösungen sind Hoffnung.

Diese einzige Hoffnung stirbt aber, je mehr Du als Außenstehender zu einem Bestandteil der dortigen Verantwortskette wirst und entsprechend belastet bist. Wenn Du eines Tages nicht mehr Du bist, wäre zugleich auch die Hoffnung verschwunden.

Du kannst löschen und bergen, insofern wärst Du es, die aus meiner Sicht zuerst aus diesem brennenden Haus gerettet werden müsste. Das wäre nicht egoistisch, sondern zum Vorteil der anderen. Insofern müsstest Du in dem Moment, wo Du auf eigenen Beinen aus dem Haus raus gehst, kein schlechtes Gewissen haben, dass Du Deiner Verantwortung nicht nachkommst, denn Du gehst ja nicht für Dich raus, sondern weil Du den anderen mehr nützt, wenn Du draußen bist. Du beteiligst Dich ja sogleich wieder an Rettungsmaßnahmen, selbst wenn Deine eigene Jacke noch brennt.

Ich möchte noch Danke an Selea und Sabse sagen. Ich finde es ganz toll, dass Ihr darauf hingewiesen habt, dass es meinerseits gar nicht respektlos gemeint war. Für mich ist das sehr bedeutend, weil ich ja ziemlich schnell in`s Grübeln und Zweifeln gerate, selbst wenn ich mir einer Sache oder eines Gefühls zuvor noch sicher war.

Liebe Grüße vom Dobi
Hope87
Beiträge: 5
Registriert: 27. Sep 2015, 11:37

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Hope87 »

Lieber Dobi,
aus dieser Sicht habe ich deine Postings gar nicht gelesen. Klar, jeder Mensch kommt "unschuldig" zur Welt und häufig sind wir - ja, wie soll man das nennen? - "Produkte" unserer Umwelt. Wahrscheinlich gibt es ein besseres Wort dafür, aber es fällt mir gerade nicht ein. Dennoch trifft ein Mensch immer noch Entscheidungen, auch wenn sie manchmal schwer sind. Aus dieser Perspektive heraus war da wirklich nix respektloses dran. Eher im Gegenteil... Neben all dem Mitgefühl und dem Mitleid und dem Suchen nach Entschuldigungen, die ihr Verhalten rechtfertigen, spüre ich häufig Wut und da gibt es hin und wieder auch den Gedanken "Du Arschloch, warum machst du das mit mir?" Und da ich mich selbst nur allzuoft für genau diese Gedanken verurteile, tut es doch gut, zu lesen, dass andere auch diese Sichtweise "bestätigen".

Dein Bild mit dem brennenden Haus ist sehr eindrücklich. Vielleicht war der Termin heute bei der Therapeutin ein erster Schritt... Sie war jedenfalls sehr verständnisvoll und wird mich weitervermitteln an einen Kollegen, der viel Erfahrung mit Traumatisierungen und Sekundärtraumatisierung hat. Vielleicht öffnet sich da nochmal eine Tür. Gut wäre es auf jeden Fall.

Viele Grüße,
Hope...
Christiane1
Beiträge: 583
Registriert: 19. Dez 2013, 09:10

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Christiane1 »

Hallo Hope,

wenn ich das sagen darf, ich finde es überhaupt nicht schlimm solche Gedanken zu haben. Schlimmer wäre für dich das nicht äussern zu dürfen
aufgrund von Schuldgefühlen, aber man spürt bei dir sehr deutlich deine
Sorge um deine Freundin und die Beigaben wie Wut oder Angst.
Also ich finde das komplett verständlich wie du das erlebst. Für mich gerade auch, was mir selber sehr hilft meine Situation besser einzuordnen.

Dobi, mit der brennenden Jacke noch einen anderen Menschen zu retten ist das Freundlichste und Liebevollste, das ich seit langem gelesen oder gehört habe. Also mir geht deine Brandschilderung gerade unter die Haut.

Ich möchte mich eben einklinken, weil mir etwas auf der Seele liegt und ich eure Einschätzungen schon aus den Antworten für Hope entnommen habe. Hope, ich hoffe das ist okay für dich, es soll aber nicht von deinem Thema ablenken, eher sehe ich eine Gemeinsamkeit.

Meine ältere Schwester und ich sind vor sechs Jahren böse auseinandergegangen, nun sehen wir uns zufällig öfter wieder und sie nimmt den Faden auf als wäre nichts passiert. Ich habe fast gekotzt beim Kaffeetrinken neulich, als sie gemütlich von ihrem Selbstmordversuch erzählte im letzen Jahr mit Fixierung und späterer Lithiumeinstellung und dass man ja nie weiss, ob es nicht noch einmal passiert.

Damit nahm sie mir jede Möglichkeit meine Wut von damals auszudrücken und Dinge mal endgültig zu klären, nein, ich darf das nicht.
Ich fühle mich schwach dadurch und bin gleichzeitig sehr sauer.

Natürlich verstehe ich sie "Bitte tue mir nichts", aber das hatte ich sowieso nie vor. Ich hätte nur gern die Möglichkeit gehabt nach so vielen Jahren meine Verletzung mal auszudrücken, doch mir ist jeder Wind aus den Segeln genommen worden und ich möchte nicht verantwortlich sein für einen weiteren Selbstmordversuch ihrerseits, wenn ich mit Härte
heraushauen würde, was mir wehgetan hatte. Was richtig wäre, aber ich möchte dieser Frau niemals wehtun, sie ist meine grosse Schwester und
ich bn loyal bis zum Abwinken und ausserdem selber krank.

Das ist ziemlich kurios gerade, weil ich defintiv weiss nicht schuld zu sein an ihren seelischen Leiden, aber dennoch so etwas wie Verantwortung spüre und es beschäftigt mich. Ich war mal selber mehrfach so drauf wie deine Freundin und man kann das als Aussenstehende/r einfach nicht nachvollziehen was da los ist im Kopf.

Damit komme ich zum Eigentlichen, Hope, und das ist das schwerste für mich selber, was passiert da eigentlich bei uns in der Birne.
Völlig egal für Aussenstehende, ihr erlebt aber massiv mit viel Leid was mit euren Lieben passiert.

Deshalb ganz offen und nun mal ohne Gedöns von mir, es gibt zwei Möglichkeiten für dich.

Schaffe deine Freundin erneut in die Klinik, in der Geschlossenen wird sie
beobachtet und versorgt, du kannst nichts mehr für sie machen als sie ab und zu zu besuchen. Oder setze sie angebunden am Halsband am Rastplatz aus.

Ich wünsche dir, dass du keine Schuldgefühle hast, du hast alles getan was dir möglich war.

Lieber Gruss
Christiane
Hope87
Beiträge: 5
Registriert: 27. Sep 2015, 11:37

Re: Suizidversuche beste Freundin

Beitrag von Hope87 »

Liebe Christiane,
entschuldige, dass ich mich erst jetzt melde. Die Arbeit hat wieder angefangen und damit bin ich auch zeitlich wieder eingespannter.

Deine Situation kann ich sehr gut nachvollziehen und auch die Wut darüber, dass deine Schwester dir die Möglichkeit genommen hat, über alte Verletzungen zu sprechen. Das Gefühl, einen Dominostein umzustoßen, wenn man die eigenen Bedürfnisse ernst nimmt, kenne ich nur allzugut. Das macht ohnmächtig, hilflos, bringt einen in gewisser Weise selbst in eine Art Starre. Für mich persönlich einer der unerträglichsten Zustände, die es im Leben auszuhalten gibt.

In gewisser Weise - und es hat lange gedauert bis mir das bewusst geworden ist - ist so ein Suizidversuch auch immer ein aggressiver Akt... nicht nur gegen sich selbst, sondern eben auch gegen das Umfeld. Aus der Perspektive finde ich wird Wut und Ärger irgendwie legitimer.

Vielleicht war ihr in dem Moment auch die Tragweite, die ihr Erzählen für dich hatte, gar nicht bewusst. Das ist dann natürlich schwierig. Ich weiß nicht, wie stabil sie generell ist und wie eure Beziehung im allgemeinen ist, aber manchmal kann es gut tun - wenn es allen einigermaßen okay geht - so etwas auf der "Meta-Ebene" zu besprechen. Ich vermute, dass es nicht die Absicht deiner Schwester ist, dir durch ihre Aussage eine solche Last aufzuerlegen. Ebenso schätze ich, dass es auch meine Freundin nicht beabsichtigt mich diesem Druck auszusetzen.

Ich hatte in meinem Leben selbst auch schon mal sehr klare Suizidabsichten, kann also schon auch nachvollziehen, was da so im Kopf abgeht. Bei mir war es allerdings immer so, dass ich niemanden daran beteiligt hätte. Aber na ja....

Ich habe nächste Woche ein Erstgespräch bei einem Therapeuten, der wohl auch Kapazitäten frei hätte. Bin sehr gespannt.

Meine Freundin ist inzwischen aus der geschlossenen wieder entlassen worden. Mal sehen, wie lange das gut gehen wird...

Dir wünsche ich viel Kraft, um auch nach deinen Bedürfnissen ein klärendes Gespräch führen zu können, ohne die Last dieser Verantwortung.

Liebe Grüße,
Hope...
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