Psychoanalyse

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osa
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Psychoanalyse

Beitrag von osa »

Für mich ist die Psychoanalyse ein zweischneidiges Schwert. Was fängt man an mit all dem Zeug, was da hochgespült wird? Ich denke, man soll sowas nur in krankheitsfreien Zeiten beginnen- das sage ich aus eigener Erfahrung.
DepriXX
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von DepriXX »

ich denke, dass kann dir mit allen therapien passieren...?!
--

liebe grüße

.::. DepriXX .::.



tomroerich
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von tomroerich »

Hallo Osa,

Was fängt man an mit all dem Zeug, was da hochgespült wird? Bedenkenswert.

Andererseits, was fängt das Zeug da an, wenn es nicht hochgespült wird?

Thomas
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igel
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von igel »

Das ist mein Thema....

Osa,

Krankheitsfreie Zeit - meinst Du völlig frei von allen Symptomen? Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Kann nicht das durchleben/erinnern in der Analyse auch befreien? Ich bin da ja gerade im Konflikt. Mein Allgmeinarzt sagt, er empfiehlt mir - damit ich meine Angsstörung und Depri in den Griff bekomme - eine Analyse. Meine Therapeutin sagt, ich würde mich zu sehr schützen im Moment, das sei nicht Mittel der Wahl. Der eine sagt Hü, der andere sagt Hott (na ja kenne ich ja von zu Hause)

Welche Erfahrung hast Du denn?

Thomas,

Deine Sicht würde mich natürlich auch interessieren...
igel
tomroerich
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von tomroerich »

Liebe Alle,

zum Können eines Analytikers gehört es auch, behutsam zu sein und nicht um jeden Preis im Keller rumzuwühlen. Während meiner Analyse kam das auch vor, dass ich mit äußerst drastischen Träumen in die Stunde kam und dann eher gebremst wurde. Später, als ich stabiler war, habe ich die Träume wieder aufgegriffen und konnte dann besser damit umgehen.
Aber es muss auch klar sein, dass es ohne das Durchleben von Schmerz und Trauer nicht geht denn was da verschüttet ist, ist ja Schmerz und Trauer. Manchmal kann es vorkommen, dass eine Überschwemmung droht auch wenn der Thera vorsichtig ist. Aber das Risiko muss eingegangen werden- es heißt ja nicht gleich, dass man in die "Klapse" muss. Wenn so etwas bei mir vorkam (1x), legte meine Therapeutin Extra-Stunden ein. Das ist natürlich schon sehr wichtig, dass man nicht alleine gelassen wird in einer angespannten Situation.

Liebe Igel,

eine Analyse ist als Mittel zur möglichst raschen Bekämpfung von Depr. und Angsstörungen nicht sehr gut geeignet. Andere Therapien sind da effektiver (VT). Langsfristig aber ist die Analyse die umfassendste Form von Therapie, weil sie als Ziel nur hat, den Menschen in dir zu wecken, der du bist. Es wird nicht nach Effektivität gefragt, ob du wieder fit und leistungsfähig bist oder symptomfrei, sondern man geht davon aus, dass sich das auf natürliche Weise einstellt, wenn du gesund bist im Sinne von "du selbst sein".
Analyse erfordert ein hohes Maß an Offenheit, Bereitschaft zum Fantasieren und Bereitschaft, dich inneren Vorgängen zu überlassen. Wenn du dich momentan sehr stark schützt, ist das wirklich hinderlich. Andererseits könnte ein guter analyt. Thera diesen Widerstand auch mit dir überwinden, denn Widerstand ist sowieso immer da und muss stückweise überwunden werden.

Noch ein Gedicht von Eugen Roth zum Thema, der es wie kaum ein anderer verstand, in humorigen Sätzen mitten ins Schwarze zu treffen:

PSYCHOANALYSE

Ein kluger Seelen-Wurzelgraber
Weiß viel ans Licht zu bringen - aber
Vergeßt dabei das Eine nicht:
Die Wurzeln sterben ab im Licht

Gruß an euch alle

Thomas
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karfunkel
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von karfunkel »

Hallo alle!

danke für diesen Thread , danke Thomas für Deine Antwort oben (was fängt das zeug da an, wenn es nicht hochgespült wird?) ich lag quasi unterm Tepich vor Lachen.
Recht hast Du.
Ich stecke auch gerade mitten in einer Analyse, kömpfe noch damit mich mit dem Liegen endgültig anzufreunden (is manchmal echt komisch wenn man geht und seine Thera dann irgendwie erst richtig sieht...), frage mich auch des öfteren ob ich dafür nicht vielleicht besser einen "stabileren" zeitpunkt abgewartet hätte- aber: wann ist der? wie lange kann man überhaupt warten auf Stabilität? Und: Das eine bedingt ja das andere. Wenn ich warte, bis es mir besser geht, brauch ich es vermutlich gar nicht mehr. Da es ja aber nicht besser WIRD- ran an den Speck. Das meine ich nicht so oberflächlich, wie es vielleicht klingt.
Denn am wahren Speck, sind wir noch gar nicht dran. Ich weiss jetzt wohl, dass da ne ganze Menge verschüttet ist und hab auch schon die eine und andre heikle Phase durchlebt, nur weil ich den Speck von weitem gesehen habe.
Bis wir auf ihn zugehen, ihn beschnuppern, betasten, sezieren können- das wird noch dauern denke ich- aber nicht umsonst dauert eine Analyse ihre Zeit.
Meine Angst dabei ist immer ein bißchen, dass es mir danach nicht wirklich besser geht- ich zwar viel mehr weiss und mich selbst vielleicht wenigstens ein bißchen gefunden habe- aber die Symptome bleiben.
Aber ich denke, da gibt es kein Patentrezept, das ist bei jedem anders- und so können wir alle auf unsere Art und Weise nur ausprobieren, kämpfen und hoffen.
Ich finde es ebenfalls sehr sehr wichtig, in den "Speck-Situationen" nicht alleine gelassen zu werden. Aber ich denke bei einem guten thera wird das nicht passieren.

Das Gedicht is wunderbar !

Liebe Grüsse, funkel
igel
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von igel »

Hallo Sandra,

das ist natürlich heftig. Aber Du bist doch mehr an der Kern gekommen! Ich meine, die Bulimie ist das unter der Depri liegende und die gilt es, zu "bearbeiten". Sicher war sie auch nie ganz weg. Sie lässt sich ja nicht nur am Kotzen festmachen. Bei Esstörungen ist der Widerstand gegen eine Behandlung auch sehr gross. Was ist Dir wichtiger? Das Dein aktuelles Verhalten normalisiert wird oder dass Du Klarheit über die Ursachen hast?

Schönen Sonntag,
igel
igel
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von igel »

Hallo Thomas,

es geht ja eben nicht um die rasche Bekämpfung! Genau das meinte mein Arzt nämlich auch. Es reicht nicht, ein paar Angstübungen zu machen (VT). Na ja, ich werde erstmal meine Therapie weitermachen und alles weiter dort auch zum Thema machen. Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass mehr ans Licht will und ich bilde mir auch ein, dass ich vielleicht besser mit dem klarkommen würde, was noch kommt als mit dieser Situation der Unklarheit. Vielleicht ist es gut, wenn die Wurzeln absterben?

Hattest Du auch Erinnerungslücken? Hast Du Dich jetzt "ganz"?

Ich muss mal wieder geduldiger sein.

Liebe Grüsse,
igel
igel
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von igel »

Hallo Funkel,

das ist ein gutes Bild, mit dem Speck!

Dein Posting macht mir irgendwie Mut....danke.
igel
karfunkel
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von karfunkel »

Das ehrt mich sehr!! ((O:
tomroerich
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von tomroerich »

Liebe Igel,

nun war Eugen Roth sicher nicht der Fachmann sondern hat instinktiv ein Unbehagen formuliert, das damals der Analyse gegenüber einfach bestand und ja auch heute noch besteht. Meine Thera sagte auch einmal zu mir 'Man kann sich nicht ewig analysieren und in sich forschen'. Schließlich würde man darüber ja dann das Leben verpassen. Der Prozess, den eine Analyse auslöst, würde ich als Integrationsprozess sehen. Der Kranke ist seelisch fragmentiert, sein Inneres in Einzelteile gespalten, die je für sich ein Eigenleben führen. Man schaut sich die Fragmente an und ordnet sie neu, so dass sie wieder Teil des Ganzen werden. Man holt sie ans Licht des Bewusstseins, (be)achtet sie und gibt ihnen einen Platz- jetzt müssen sie kein Eigenleben mehr führen und können auch wieder in die Dunkelheit zurücksinken.

Du hattest mich ja noch was gefragt...
Erinnerungslücken hatte ich viele, ja. Manche wurden durch geradezu wunderbare "Zufälle" gestopft. Z.B. durch eine Frau, die während meiner Analyse hier anrief und sich als mein früheres Kindermädchen zu erkennen gab (aus eigenem Antrieb, wie sie sagte!!). Sie gab mir die Informationen, die ich brauchte, um meine Ahnungen in Gewissheiten zu verwandeln. Die ganz frühen Jahre vor dem 4. Lebensjahr sind sonst kaum zu erinneren.

Ganzsein ist ein transzendenter Begriff, der sich näherer Beschreibung entzieht- niemand kann eine konkrete Beschreibung davon liefern. Aber mancher hat eine Ahnung davon, was es sein könnte.
Ich bin ganzer geworden, das auf jeden Fall. Fundamentale Risse in der Seele konnten sich langsam schließen und die Seele wurde so weit heil, dass sie sich weiterentwickeln konnte, der Stillstand hörte auf. Aber der Prozess zum Ganzsein ist noch im vollen Gang. Nur ist es jetzt ein schöner, spannender und lustvoller Prozess, eine Entdeckungsreise und nicht mehr das schmerzvolle Abheilen alter Wunden.



Lieber Gruß von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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igel
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von igel »

Lieber Thomas,

Deinen Zufall mit dem Kindermädchen habe ich an anderer Stelle schon gelesen. Das ist doch irgendwie wunderbar. Meine Sandkastenfreundin hat sich gemeldet. Nach 15 Jahren oder so. Wir wollten uns eigentlich morgen zum Frühstück treffen, aber ich habe abgesagt. Ich habe Angst. Ich habe Angst, weil es irgendwie auch Vergangenheit bedeutet. Die kommt zu nah. Andererseits will ich mich aus stellen. Wir haben schon oft telefoniert und sie hat Erinnerungen, die ich nicht habe. Sie weiß noch so viel.

Hattest Du auch Angst damals, mit Deinem Kindermädchen zu sprechen?

Das grenzt schon an ein Wunder. Ausgerechnet jetzt, wo ich auf der Suche nach mir bin, meldet sie sich. Und nicht genug. Auch ein weiteres Nachbarmädchen hat sie wiedergetroffen. Und überhaupt - da kommen auf einmal Menschen (wieder) in Dein Leben, die Dir soviel geben. Die Dir vielleicht helfen können, ganz zu werden.

Du hast beschrieben, dass es Dir Selbstvertrauen zurückgegeben hat. Die Hoffnung habe ich nämlich auch.

Mein Wunsch, den Dingen (weiter) auf den Grund zu gehen, ist grösser denn je. Da lasse ich mich auch von den Gegnern der Analyse nicht beirren! Und auch nicht von der Angst.

Danke Dir nochmals dafür, dass Du Deine Erfahrungen so mitteilst.
igel
igel
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von igel »

Und ja, ich fühle mich wieder zerrissen. Das, was mir bisher bewusst wurde, scheint es nicht zu sein. Was ist da bloss passiert? Ich habe Teile einfach gelöscht. Das ist unheimlich.
igel
igel
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von igel »

Und wenn ich mich der Angst stelle, warum sage ich dann das Treffen ab? Hmmm..
igel
tomroerich
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Re: Psychoanalyse

Beitrag von tomroerich »

Liebe Igel,

ich hatte kaum Angst vor Enthüllungen damals. Meine größte Angst war eine andere, dass ich nämlich diese Frau nicht würdigen konnte, trotzdem sie, indem sie in einer wichtigen Zeit die Mutterrolle übernahm, mein Leben so positiv beeinflusst haben muss. Was ich ihr womöglich verdanke, kann ich nicht ermessen. Aber ich hatte keine Erinnerung an sie und habe es heute noch nicht. Ich glaube, darüber war sie sehr enttäuscht.
Solche Begegnungen scheinen durch unsere Gedanken möglich zu werden- erklären kann das niemand aber ich bin mir sicher, dass es so ist. Irgendwie nimmt die Welt immer die Formen an, die wir ihr in Gedanken geben und auf eine geheimnisvolle Art hängen wohl alle Ereignisse und Dinge miteinander zusammen.
Du hast den Termin abgesagt, weil du dich schützen willst. Dann warte einfach ab, bis du das zulassen kannst. Step by Step.

Hast du das Gefühl, dass es in deinem Leben ein dunkles Geheimnis gibt? Hatte ich auch und es stimmte. Das muss nicht das Geheimnis eines vergessenen Ereignisses sein, es kann sein, dass du die Bedeutung der bewussten Eeignisse noch nicht verstehst, das Puzzle passt noch nicht.

Lieben Gruß

Thomas
Betroffene für Betroffene

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Re: Psychoanalyse

Beitrag von igel »

Lieber Thomas,

ja, step by step....meine alte Freundin sagte auch, das sei völlig ok. Sie würde auch nur solange und soviel erzählen, wie es mir gut tut. Sie erzählte mal, dass mein Vater mich so oft verdroschen hat, sie hatte auch Angst vor ihm. Ich habe nur eine Szene vor Augen. Mehr weiss ich nicht.

Ich hatte von Anfang an (seit dem Zusammenbruch) das Gefühl, dass es ein dunkles Geheimnis gibt. Ich weiss nicht, ob Du im anderen Thread von Albert gelesen hast (Traumata - wohin damit?). Das war letzte Woche sehr schockierend bei meinem Arzt und ich bin durcheinander. Diesen Verdacht hatte ich jedenfalls das erste Mal in der Klinik vor 2 Jahren auch schon und seit dem ist er immer mal wieder da. Mein Psychiater meinte heute sinngemäss, das sei Quatsch, niemand könne das sagen. Nur anders herum kann er auch nicht einfach sagen, es ist Quatsch! Ging es Dir denn besser damit, um "Dein" Geheimnis zu wissen? Er meint auch, für eine Analyse bin ich nicht stabil genug. Die solle man möglichst ohne Medikamente machen.

Das Puzzle passt wirklich nicht. Und diese Situation im Moment macht mich ganz kirre. Jeder sagt etwas anderes und ich stehe im Dunkeln.

Liebe Grüsse,
igel
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