Umgang mit depressiver Tochter

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Rosenfan
Beiträge: 144
Registriert: 3. Jun 2015, 19:52

Umgang mit depressiver Tochter

Beitrag von Rosenfan »

Hallo,

wie ich schon in einem anderen Thread geschrieben habe, befindet sich meine Tochter nun in einer Klinik, worüber ich sehr erleichtert bin.

Worüber ich mir aber noch Gedanken mache, ist, wie gehe ich mit meiner Tochter in dieser Situation um? Rufe ich sie regelmäßig an? Es ist sehr schwierig mit ihr zu telefonieren. Sie ist immer sehr schweigsam am Telefon und ich habe dann das Gefühl, ich erzähle nur immer und eigentlich interessiert es sie nicht. Also die Gespräche sind dann sehr zähflüssig und ich weiß da auch schon gar nicht mehr, was ich überhaupt erzählen soll. Also, es ist so, daß sie so schweigsam ist, dass ich manchmal nachfragen muß, ob sie noch dran ist.
Sicher ist das ein Symtom der Depression.
Aber ich möchte doch dadurch, daß ich mich melde, ihr zeigen, daß ich an sie denke.

Ich kann sie ja auch nicht einfach mal besuchen fahren, da wir 900 km voneinander entfernt wohnen.
Also, ich weiß nie, ob sie auf Nachricht von mir wartet oder ob sie lieber ihre Ruhe haben möchte.

Mein Mann meinte, ich solle sie in Ruhe lassen und wenn ihr wieder nach Reden ist, wird sie sich schon melden.
Vielleicht sttimmt das, einmal hat sie sich von selber gemeldet, wollte mal "Hallo" sagen und da klang sie ganz locker. Bei anderen Anrufen von mir dann aber lief das Gespräch wieder nur ganz zähflüssig.

Ich bin ganz verunsichert, wie ich mich richtig verhalte.


LG
Rosenfan
lucky8
Beiträge: 476
Registriert: 20. Jun 2014, 23:41

Re: Umgang mit depressiver Tochter

Beitrag von lucky8 »

Liebe Rosenfan,
als mein Partner in der Klinik war, habe ich ihn so oft als möglich besucht. Manchmal bin ich schon nach fünf Minuten wieder gegangen. Im Nachhinein hat er mir gesagt, er hätte lieber seine Ruhe gehabt, meine Besuche waren eine Belastung für ihn.
Ich denke, wenn du ab und zu mal bei deiner Tochter anrufst, weiß sie auch, dass du dich kümmerst und an sie denkst. Dann hast du auch mehr zu erzählen. Natürlich ist jeder Mensch anders, aber ich glaube, in der Klinik brauchen sie Ruhe, es sei denn, sie sagen, man soll kommen oder anrufen.
Keine Ahnung, ob dir meine Antwort hilft, aber ich hoffe, doch.
Liebe Grüße
lucky
duck
Beiträge: 44
Registriert: 15. Apr 2015, 17:38

Re: Umgang mit depressiver Tochter

Beitrag von duck »

Hallo Rosenfan,

wie oft Du Deine Tochter anrufst und ob es ihr vielleicht zuviel ist solltest Du sie einfach einmal fragen.

Ich bin auch immer recht schweigsam am Telefon, wenn meine Mutter mich anruft. Meistens redet sie nur, hauptsächlich irgendein Klatsch und Tratsch von der Arbeit, was die Kollegen machen, was sie mit Kunden erlebt hat, was meine Oma in ihrem Dorf neues weiß, was sie am Wochenende mit ihrem Lebensgefährten vorhat, was sie vielleicht einfach nur in der Zeitung gelesen hat, das Wetter... eben leichte Kost.
Ich bin für die Anrufe eigentlich sehr dankbar. Sie erwartet nicht, dass ich viel von mir erzähle (das ist immer schwierig), aber ich habe das Gefühl sie denkt an mich und lässt mich ein wenig an ihrem Leben teilhaben. Vor allem habe ich aber das Gefühl dabei nicht unter Druck gesetzt zu werden. Klar fragt sie ab und zu einmal wie es läuft, aber wenn ich nur mit "hmm" antworte reicht es ihr erstmal. Von mir aus melde ich mich eigentlich nie, ich habe da irgentwie Hemmungen.

Aber jeder Mensch ist anders. Also frag sie einfach wieviel Kontakt sie zur Zeit oder auch nach der Klinik gerne hätte. Vermittel ihr das Gefühl immer für sie da zu sein und sie nicht zu bedrängen. Vielleicht könnt ihr auch Telefonzeiten ausmachen. Sowas wie 1x die Woche am Wochenende. Dann kann sie sich auch darauf einrichten.

Viele Grüße,
duck
Mehrschwein
Beiträge: 89
Registriert: 2. Mai 2015, 09:07

Re: Umgang mit depressiver Tochter

Beitrag von Mehrschwein »

Hallo Rosenfan,

aus meiner Sicht und Erfahrung würde ich auch sagen: frage und sage so viel wie möglich.

Ich finde es toll, dass du hier nachfragst, dich erkundigst, dir Gedanken machst. Sage ihr das doch auch. Vielleicht nicht im Detail, dass du hier jetzt schreibst. Aber dass du dir diese Gedanken machst. Mir würde das viel bedeuten.

In der Familie haben wir erlebt, dass es manche Menschen gibt, leider auch sehr nahe stehende, die schlicht und einfach nicht mit Krankheit umgehen können. Das ist so schade. Aber man muss es akzeptieren, von beiden Seiten.
Doch finde ich, dass das mindeste ist, es zu versuchen, die Sorgen, Ängste, Nöte oder einfach die vorhandenen Gefühle in Worte zu packen. Wenn man es nun nicht schafft, aus welchen Gründen auch immer, einem sehr nahe stehenden Menschen in einer solch aufreibenden Zeit nicht besuchen zu gehen oder wenigstens regelmäßig (vielleicht einmal die Woche) anzurufen, dann kann man das doch als "gesunder" Mensch von "draußen" in Worte fassen. Eine Karte schreiben, z.B.
Wenn sie dann "nein" sagt, kannst du ja immernoch Abstand lassen. Dennoch, ich als Mutter, würde trotzdem in spätestens einer Woche mal wieder leise anfragen.

So habe ich es mit Herrn M. erlebt: Die erste Zeit in der geschlossenen Abteilung war er sehr, sehr froh, dass ich täglich vorbeikam. Telefonieren ging nur schlecht. Wir mussten uns beide erst an die Situation gewöhnen. Beide hatten wir große Ängste. Er fühlte sich seiner Freiheit beraubt. Der Kontrast war noch so groß: er drinnen, ich draußen. Ich selbst war auch sehr aufgerieben.
Das ist bei euch ja, denke ich, etwas anders, entspannter.

Kontakt hatten wir jeden Tag. Manchmal auch einfach eine Sms mit "schlaf gut" oder "wie hast du geschlafen?", "was gab es bei euch zu essen?". Später wurde es besser. Zwischenzeitlich war es aber auch mal schlechter.
Ich denke, das ist von so vielen Faktoren abhängig. Wie geht es ihr? Wie geht es dir? Was macht sie gerade für eine Phase durch. Was ist sie überhaupt für ein Typ.

Herr M. sagt heute, dass es ihm immer wichtig war, hintergründig zu wissen, dass da draußen noch ein Leben ist. Das war ein Grund weiterzumachen für ihn. Sich den Ängsten zu stellen. Ich glaube, manche Tage hat er einfach nur abgesessen und da war es auch schön für ihn simple Erzählungen aus unserem Alltag zu hören: was wir gemacht haben, gegessen haben, was wir noch machen etc.

Was ich als wichtig empfunden habe und rückblickend unterstreichen würde: nimm es nicht persönlich oder als persönliche Abfuhr. Du wirst sie sicherlich an Tagen erwischen, da sagt sie einfach gar nichts oder klingt total schlecht.
Mich hat das auch extrem runtergezogen und ich habe mich total hilflos gefühlt (und es kam die ersten Monate leider fast täglich vor).

Sag ihr vielleicht, so oft es geht, dass du stolz auf sie bist, dass sie so stark ist, dass sie Hilfe annimmt, in die Klinik geht und all das durchmacht.

Alles Gute!
Rosenfan
Beiträge: 144
Registriert: 3. Jun 2015, 19:52

Re: Umgang mit depressiver Tochter

Beitrag von Rosenfan »

@Duck - ganz ähnlich wie bei uns. Höre meist auch hmmm... Aber auch ohne die Erkrankung ist meine Tochter nie besonders redsam am Telefon gewesen.
Es ist sehr schwierig, so mit jemandem zu telefonieren, das dauert nicht lang und dann kommt das Schweigen, wenn nur einer was erzählt.
Aber ich danke für deine Erklärung, evtl. ist es ja auch bei ihr so, daß sie zumindest doch dankbar ist, von mir zu hören, egal, was ich erzähle.

@Lucky, ja deine Antwort hat mir auch geholfen. Ich kann es mir gut vorstellen, daß die Patienten in der Klinik ihre Ruhe brauchen.

@Mehrschwein, mein Fehler ist, ich mag nicht so viel fragen, einfach, weil ich sie nicht nerven möchte.
Ich habe mir nun auch vorgenommen, mich wenigstens einmal pro Woche zu melden und wenn es nur Grüße sind und daß ich an sie denke. Werde erstmal mit SMS anfangen. Dann sehe ich ja, ob sie antwortet und ich kann dann frage, ob ihr das Recht ist, wenn ich mich melde oder ob ich warten soll, bis sie wieder das Bedürfnis hat, mit mir zu reden.

Eine schöne Idee, wie du schreibst, wenigstens eine SMS mit "schlaf gut" usw. Das zeigt, daß man an die Person in der Klinik denkt.
Danke, daß du mir noch mal aus der Sicht von Herrn M. berichtest. So kann ich es gut nachvollziehen, daß es doch gut ist, wenn die Patienten in der Klinik vom Alltag "draußen" nicht ganz ausgeschlossen sind.
Perönlich nehme ich es nicht, wenn meine Tochter nicht viel erzählen mag. Ich kenne es ja schon immer so, sie war als Kind schon sehr verschlossen.

Daß ich stolz auf sie bin, daß sie den Schritt in die Klinik endlich gewagt hat, habe ich ihr schon gesagt. Sie ist auch froh, daß sie es endlich gewagt hat, diesen Schritt zu gehen.

Vielen Dank für eure Antworten, sie haben mir alle sehr geholfen. Wünsch euch allen ein schönes Wochenende.

LG
Rosenfan
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