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Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 25. Jun 2015, 10:13
von Schuldig
Hallo an das Forum.

Ich hoffe, dass ich hier reinpasse und nicht allzu feste auf Füße steige. Ich bin Schuldig - in vielerlei Hinsicht.

Nein, das hier oft thematisierte Schuldgefühl ist nicht mein Problem. Ich kenne es, habe aber irgendwie "umgedreht". Aber fangen wir vorn an:

Ich bin weiblich, Ende 30, ewiger Single mit recht kleinem, aber wunderbaren Freundeskreis und stamme aus dem was Außenstehende gerne als "intakte Mittelstandsfamilie" bezeichnen. Seit Januar 2014 habe ich die Diagnose "erschöpfungsbedingte Depression", seit einigen Wochen bin ich Therapie - und fange schon nach den Probestunden an, meine Therapeutin an den Rand Ihres Wissens zu bringen, weshalb ich hier hoffe, Menschen zu finden, die mit mir und meiner Krankheit umgehen können.

Meine Krankheit zeigte sich durch meine Versetzung in das Sekretariat des Firmenchefs. Durch keinen Urlaub, Unmengen Überstunden und meiner Art, nie zu klagen, sondern nur noch härter zu Arbeiten, bin ich zusammengeklappt.

(...)

Zwischenzeitlich bin ich in einer anderen Abteilung und kann dank Medikamenten mein Leben fast normal führen, drehe aber bei jeder Form von Stress völlig am Rad, um dann in völlig Apathie zu versinken. Meine Unfähigkeit zu schlafen sowie völlig Antriebslosigkeit und die dauernde Müdigkeit wollen nicht vergehen. Genauso, wie meine Konzentrationsfähigkeit völlig für die Katz ist.

Dafür bin ich im Privatleben völlig abgeklärt. Die hier erwähnte einsame Insel, auf der keine Menschen gewünscht sind, habe ich gefunden und bezogen - in meinem Kopf. Die wenigen Menschen, die mir etwas bedeuten, haben noch halbwegs Zugang, der Rest der Menschheit könnte genausogut Bäume sein. Ich gehe drum herum, aber ob sie leiden, lachen oder lieben, ich empfinde nichts. Kein Mitleid, keine Empathie, kein Interesse. Nur Leere in mir - und sie scheint mir zu gefallen. Lieber nichts fühlen als mich mit der Wahnsinn der "Normalen" zu befassen.

Ich hoffe, hier die eine oder andere Brücke zu meiner Menschlichkeit wieder aufbauen zu können.

Gruß

Schuldig


*mit Rücksicht auf andere Forianer wg. möglichem Trigger editiert. A.Blume (Moderation)

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 25. Jun 2015, 10:44
von ndskp01
Hallo Schuldig, herzlich willkommen im Forum.

Erstmal eine Bitte: Bitte sei weniger offen, was Suizidgedanken angeht. Andere Nutzer könnten dadurch getriggert werden und selbst wieder daran denken und womöglich handeln.
Schuldig hat geschrieben:Ich hoffe, hier die eine oder andere Brücke zu meiner Menschlichkeit wieder aufbauen zu können.
Damit bist du hier richtig, die User hier machen es einem leicht, Kontakt aufzunehmen. Oft sind sie sehr nett und hilfsbereit.
Schuldig hat geschrieben:Nein, das hier oft thematisierte Schuldgefühl ist nicht mein Problem. Ich kenne es, habe aber irgendwie "umgedreht".
Das verstehe ich nicht, wie meinst denn du das umgedreht? Andere sind an dir schuldig geworden?

Schuldig hat geschrieben:fange schon nach den Probestunden an, meine Therapeutin an den Rand Ihres Wissens zu bringen
Glaubst du das wirklich? Manchmal will die Therapeutin einen ja auch auf andere gedankliche Spuren führen. Wissen bringt dich bei Depression nur bedingt weiter. Gefühle sind unser Thema.
Aber wenn du konkrete Fragen hast, nur her damit, hier trifft sich gesammelte Erfahrung.

Viele Grüße, deine Puk

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 25. Jun 2015, 10:45
von Botus
Hallo Schuldig (interessanter Name) :hello:

vielleicht hilft es Dir als Brücke zur Menschlichkeit, dass heute auch ein großer Teil der Gesunden in ähnliche Richtungen driftet. In verschiedenen Ballungsräumen würdest Du damit als ganz normal (im Sinne von... wie die meisten) durchgehen und gar nicht auffallen. Ich habe keine Ahnung, warum es diesen Trend gibt. Es gibt ja auch den Trend, dass sich diese Krankheit epedemieartig ausbreitet. Über die Gründe will ich hier nicht mutmaßen.

Was mir einfällt, wären Lösungen, die zwischen den Extremen liegen. Zwischen einsamer Single und fester Partnerschaft gibt es ja auch noch Zwischendinge. Zwischen attraktiv (förmig) und unattraktiv (unförmig) übrigens auch. Es gibt ne Menge Leute, die echt nett sind und gar nicht nervig, aber trotzdem alleine rumlaufen. Da könnte man sich doch zusammen tun, ohne irgendwas in andere Richtungen zu denken. Vielleicht wäre sowas ja was für Dich.

Über den Gewinn, der dabei entsteht und über die Dinge, die man dann machen kann, wird anderes egal, wie z.B. das Aussehen. Das eigene Aussehen stufen Frauen ohnehin oft unzutreffend ein. Viele sehen echt gut aus, halten sich aber für unattraktiv. Das ist bei Dir bestimmt auch so. Also weniger kritisch mit sich selbst sein.

Liebe Grüße vom Dobi

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 25. Jun 2015, 10:55
von Schuldig
Danke für den Rat, Puk.

Ich und die Schuld sind schon lange Freunde. Früher hatte ich immer das Gefühl, an allem schuld zu sein - Streit meiner Eltern (ich als Kind Nummer 3 in einem damals noch nicht sehr gut situierten Haushalt war nicht geplant und eigentlich auch nicht gewünscht), wenn etwas nicht klappt, wenn eine Gruppe sich nicht einigen kann, wenn irgendwas nicht gemacht wurde ....

Zwischenzeitlich fühle ich mich schuldig besser. Ich bin dafür verantwortlich, dass sich meine Umgebung nicht auf der "Rosa Wattewolke der endlosen Ahnungslosigkeit" ausruhen kann? Toll, ich bin gerne das Infant Terrible. Ich tanze aus der Reihe? Gut - ich eigne mich nicht als Lemming.

Ich lebe damit, dass man mir die Schuld gibt und trage sie vor mir her wie eine Leuchtreklame. Ich bin Schuldig und stolz darauf. Die Alternative wäre verstecken. Das habe ich 30 Jahr versucht und nicht geschafft. Also dann so.

Hallo Dobermann,

findest Du wirklich, dass meine Ignoranz des anderen "intelligenten Lebens" auf dieser Welt schon fast normal ist? Oh, wie sehr ich mir das wünsche, umgeben von Leuten, die sich um ihren eigenen Kram kümmern und nicht meinen, mir ungefragt sagen zu müssen, was sie denken. Wenn die Weltbevölkerung ihre irrationalen Ausbrüche unter Kontrolle bekäme und ihre graue Masse im Kopf für irgendwas sinnvolles nutzen würde, wäre die Welt ein besserer Ort.

Danke. Du gibst mir Hoffnung - oder weniger Pessimismus.

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 25. Jun 2015, 12:31
von Botus
Hallo Schuldig,

ja, ich meine es so, wie Du es verstanden hast. Du hast berechtigten Anlass zu Hoffnung und die fällt genau in die Richtung, die Du ja auch bereits vermutest. Wenn es mal Irritationen gibt, dann ist das normal. Das wäre somit kein Mangel, sondern eine Eigenschaft. Jungfrau Sternzeichen sind übrigens besonders betroffen. Wenn Du sowas triffst, kannst Du gleich Nummern austauschen...sie rufen ohnehin nicht an...was aber auch nicht nötig ist...weil man sich ja auch so versteht. ;-)

Liebe Grüße vom Dobi

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 25. Jun 2015, 13:00
von Schuldig
Wenn wir über Sternzeichen gehen, wird das eh nichts. Ich bin Wassermann - Einzelgänger und so misstrauisch, dass ich keinem meine Nummer geben würde.

Und was mich und die Menschheit angeht, so suche ich noch immer meine spitzen Ohren. Ich mag ja nicht den Verstand eines Mr. Spock haben, aber die menschliche Natur ist mir einfach ein Rätsel.

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 25. Jun 2015, 15:17
von Morbus
Gut damit leben zu können alleine zu sein und nur bedingt Leute an sich ran zu lassen finde ich mittlerweile gar nicht mehr so ungewöhnlich oder als eine Eigenart. In der heutigen Zeit fehlt einem so oft die Zeit um tiefgehende Freundschaften zu haben und zu pflegen oder für andere da zu sein. Auch für andere ist es schwierig und so entsteht immer gleich das Gefühl, das man selber ja für alle immer da ist, aber nie jemand für einen selbst, was dann Frust schafft, der meist nur einem selbst schadet, aber vielleicht auch einfach unangebracht ist.

Ich lese das soooo oft, dass man ja immer für alle da war, aber keiner für einen, wo es einem schlecht ging und da frage ich mich dann schon, ob so ein bisschen Egoismus und Abgeklärtheit nicht helfen würden. Man kann auch hilfreich sein, ohne gleich die Welt aus den Angeln zu heben.
Jeder ist doch seines eigen glückes Schmied und sollte vielleicht im kleineren Rahmen agieren. Ich sehe daran überhaupt nichts falsches.

Für mich, der sich fast vollständig seit Jahren abgeschottet hat und die Ruhe genießen kann, ohne irgendwelche Tragödien, Tratsch und ... mir anhören zu müssen, fühle mich deswegen nicht schlecht. Ich brauche das alles nicht und wenn ich es mal wieder möchte, dann entscheide ich selbst wie sehr ich mich darauf einlassen möchte und wann bei mir Schluss ist.


Ein wichtiger Tipp, den ich dir unbedingt mitgeben möchte, wäre ein Besuch beim Schlaflabor. Du solltest das einfach mal abchecken lassen, ob dein Schlaf in irgendeiner Weise gestört ist. Wenn dabei nichts rauskommt, dann auch gut, aber wenn doch, kann es die ganze Situation eben um einiges verschlechtern, da du eben keine Erholung aus deinem Schlaf holst und Symptome sich verstärken können.
Es ist also immer ratsam, auch körperlich abchecken zu lassen, ob alles richtig funktioniert.
Der Schlaf ist durch die Depression ja sowieso schon gestört, aber wenn dazu noch eine körperliche Fehlfunktion kommt, dann wird das eben schnell sehr kräftezehrend und gefährlich.

Liebe Grüße, Finn

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 25. Jun 2015, 18:40
von Salvatore
Hallo Schuldig,

erstmal willkommen im Forum!

Ich finde, es ist immer die Frage, ob es überhaupt einen Leidensdruck gibt in Bezug auf die "Problematik". Klar, die allgemeine Ansicht ist, dass man eine Partner, Familie und Freunde haben muss, um ein glückliches Leben führen zu können. Wem eins davon fehlt, dem fehlt halt was.
Ich persönlich glaube aber, dass es durchaus Einzelgänger gibt, die mit einem Minimum an sozialen Kontakten glücklich sind und es da dann auch falsch wäre, diejenigen bekehren zu wollen oder den Stempel "krank" aufzudrücken.

Wenn du darunter leidest, keinen Partner zu haben, könnte man in einer Therapie vielleicht gucken, woran es evtl. hapert. Wenn es dir ohne aber gut gehen würde - warum dann was ändern? Was sollte dann daran falsch sein? Vielleicht hast du ja in dieser Hinsicht was von Mr. Spock, so what? Alle fanden ihn seltsam und trotzdem war er ein geschätztes und wertvolles Crewmitglied. Und obwohl er kein Mensch war, war er nicht unmenschlich.
(Manfred Lütz beschreibt in seinem Buch ("Irre - Wir behandeln die Falschen, das Problem sind die Normalen") den Fall einer Patientin, die immer die Stimme ihrer Grundschullehrerin gehört hat. Sie hat eine psychiatrische Diagnose und Tabletten bekommen und daraufhin war die Stimme weg. Aber... sie war gar nicht glücklich ohne sie. Im Gegenteil, eigentlich ist es ihr mit dieser Stimme im Kopf viel besser gegangen, weil es für sie eine Möglichkeit war, sich in der Welt zu orientieren. Also hat sie die Tabletten mit Segen ihres Arztes wieder abgesetzt und die Stimme kehrte zurück.)
Schuldig hat geschrieben:und fange schon nach den Probestunden an, meine Therapeutin an den Rand Ihres Wissens zu bringen
Darüber bin ich auch gestolpert, was heißt denn das? Ich hatte in meinen ersten Therapiestunden gedacht, es sei sowas wie ein Unterricht über das Leben und der Therapeut mein Lehrer, vielleicht nimmst du es ja auch so wahr. Hat ein bisschen gedauert, bis mir mein Irrtum bewusst wurde. Was ist das denn für eine Therapie (tiefenpsychologisch fundiert, Verhaltenstherapie)?
Kann sein, dass es mit euch einfach nicht passt oder mit der Therapieform oder du musst dich erst noch generell an das Konzept einer Therapie gewöhnen oder es gibt zu durchbrechende Widerstände oder oder oder. Soooo vieles denkbar.

Lg, Salvatore

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 26. Jun 2015, 06:52
von Botus
Salvatore hat geschrieben:
Ich finde, es ist immer die Frage, ob es überhaupt einen Leidensdruck gibt in Bezug auf die "Problematik". Klar, die allgemeine Ansicht ist, dass man eine Partner, Familie und Freunde haben muss, um ein glückliches Leben führen zu können. Wem eins davon fehlt, dem fehlt halt was.
Ich persönlich glaube aber, dass es durchaus Einzelgänger gibt, die mit einem Minimum an sozialen Kontakten glücklich sind und es da dann auch falsch wäre, diejenigen bekehren zu wollen oder den Stempel "krank" aufzudrücken.
Hallo Salvatore,

das finde ich auch. Es sollte dabei nicht unerwähnt bleiben, dass diejenigen, die einen "bekehren" wollen, meist Probleme mit anderen haben.

Das bedeutet dann in der Praxis:

Man trifft sich mit jemandem und verbringt einen schönen Abend in schöner Umgebung, aber der andere redet die ganze Zeit nur über Probleme, die er mit anderen hat.

Mir ist das früher (als ich so wie oben beschrieben lebte) dauernd passiert.

Ich fand das sehr unlogisch. Einerseits predigten sie, man könne nur erfüllt leben, wenn man mit vielen anderen im ständigen Austausch ist. Andererseits haben sie nur über Probleme geredet, die es mit anderen gibt.

Das ist doch ein Widerspruch in sich.

Was ich am häufigsten angetroffen habe, war das Phänomen, dass komplett beendete Vorbeziehungen "weitergelebt" wurden. Ich habe für sowas sehr viel Verständnis und bin auch ein guter Gesprächspartner für Menschen, die so leben.

Aber ich muss auch sagen, dass man dabei auf Dauer die Lust verliert, sich zu verabreden. Ich habe das irgendwann sein gelassen und mich gar nicht mehr verabredet. Das ist auch der Grund, warum ich auch heute keine Lust hätte, jemanden kennen zu lernen.

Liebe Grüße vom Dobi

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 26. Jun 2015, 09:26
von Schuldig
Danke für die vielen Begrüßungen. Mir wird ganz warm ums Herz - ist mir das letzte Mal passiert, als ich mich an einer Pepperoni verschluckt habe (;) Wer es noch nicht gemerkt hat: Ich bin Filmfreak und zitiere daher in einer Tour.

Ich versuche mal, die "Probleme" meiner Therapeutin mit mir zu erklären. Es ist der Fluch meiner Existenz: Ich passe einfach nicht.

Ich habe im Vorübergehen andere Patienten meiner Therapeutin gesehen: Unauffällig in Hintergrundfarben gekleidet, farblose Haare, teilweise schlampiges Erscheinungsbild, ausweichend, mit mangelndem Selbstwertgefühl. Ohne dass ich das jetzt abwertend meine, aber ich bezeichne so was als Mäuse.

Und dann ich: Bunte Haare, je nach Laune in Schwarz oder Knallfarben, stapfe mit Kampfstiefeln rein, gehe erst nach einem Blick in den Spiegel (wobei mir die Wirkung auf andere Latte ist, ich will sicher gehen, dass ich mir gefalle). Außerhalb der Arbeit reagiere ich auf doofe Sprüche aggressiv bis gewalttätig (noch eine Baustelle in meinem verqueren Geist).

Anstatt mir einen Partner zu wünschen, vermisse ich eher die Idee einer Partnerschaft. Ich hätte gerne ein Backup, jemanden, der hilft, wenn ich nicht weiterkomme (sei es finanziell oder handwerklich), der mit auf Veranstaltungen geht, damit man da jemanden kennt usw. Aber da ich keine Lust habe, mich mit Spinnern, die an meinem Leben rumnölen, auseinanderzusetzen und mich nicht in der Lage sehe, große Zugeständnisse zu machen, weiß ich, dass ich niemanden finden werde oder ihn schneller rausschmeiße, als er seine Jacke aufhängen kann.

Und da kommt meine Therapeutin wieder ins Spiel, die momentan ins Schleudern gekommen ist, weil ich nicht richtig dem Bild des Depressiven entspreche - oder nur Zeitweise. Ich schalte zwischen depressiv und aggressiv hin und her, und das ohne sichtbare Übergänge. Und damit mache ich sie etwas ratlos.

Ich sagte ja: Ich bin ne Menge, "normal" ist aber nicht dabei.

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 26. Jun 2015, 10:15
von Haferblues
Hallo Schuldig,

schrecklicher Name!!!!

Ich kennn das Problem auch, dass ich nicht so recht in die Schublade "depressiv" rein passe. Deswegen haben mich "Fachleute" oft nicht ernst genommen. Mir erzählt, ich soll halt Sport treiben und mir einen Freund suchen. Der Depressive an sich darf halt wirklich überhaupt nicht auffallen. Und ich hab immer auf mein Aüßeres geachtet. Ich muss ja nicht so beschissen aussehen wie ich mich fühle!!

Du schreibst, du reagierst leicht aggressiv. Aggression ist ja oft die Rückseite der Depression. Der eine neigt zu bühnenreifen Weinkrämpfen (was die "Fachleute" zuverlässig auf den Plan ruft) - der andere reagiert aggressiv als ob er sein Leben verteidigen müsste (was die "Fachleute" scheints irritiert) - und wieder andere erstarren innerlich und reagieren scheinbar garnicht. Mir wurde z. B. öfters Gefühlsarmut und Gleichgültigkeit attestiert. Stimmt garnicht.

Es ist extrem schwierig einen geeigneten Therapeuten zu finden. Mir ist das bis heute nicht wirklich gelungen und ich bin schon Ende 50. Ich habe mich noch nie wirklich gehalten und gestützt gefühlt, so das sich das ganz dunkle Zimmer aufschließen konnte. Trotzdem gehts einigermaßen.

Oft denke ich: ist es wirklich nötig, ALLES aufzudecken??? Reicht es nicht, wenn der Mensch einigermaßen angenehm durchs Leben kommt?? Muss jeder unbedingt ins Strickmuster "normal" passen??

Du liest dich interessant. Wieso willst du auch noch "normal" sein?

viele Grüße
Rifka

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 26. Jun 2015, 10:37
von Schuldig
Hallo Haferblues.

Mein Name ist nicht schrecklich. Er passt aus vielen Gründen. In meinem Kopf spielt immer wieder die Zeile von Rosenstolz "Ich bin ich - das allein ist meine Schuld". Außerdem ist Schuldig eine Figur aus einem Anime, die ich sehr zu schätzen gelernt habe. Sein sehr widersprüchlicher (und zwielichtiger) Charakter lässt viele Deutungen zu und macht ihn perfekt für schreiberische Fingerübungen. Er (oder meine Vorstellung von seinem Charakter) ist fast mein Alter Ego geworden. Die Figur selbst ist alles andere als "Normal", pflegt das auch (vorzugsweise zum Schaden anderer) und fühlt sich dabei klasse. Er ist eine Art "Vorbild" (sein Job mal weg, der ist nichts für mich).

Willkommen im Club des Nicht-Standart. Wie kam man eigentlich bei Dir auf die Depression, wenn Du (wie ich) nicht dem üblichen Bild entsprichst? Bei mir hat schon mal ein Kinderpsychater rumgedoktort und mich als "eigenartig, aber nicht krank" abgestempelt. Es hat über 20 Jahre gedauert, bis auffiel, dass hier einiges nicht läuft. Ich musste vorher ganz zusammenbrechen und zum ersten mal seit meiner Teenagerzeit in Tränen ausbrechen, damit IRGENDJEMAND bemerkte, dass ich am Ende war.

Und glaube mir: Normalität ist nicht mein Wunsch, mein Ziel noch etwas, was erstrebenswert ist. Bei allen "Normalen", die ich mir je genauer angesehen habe, sehe ich Unzufriedenheit, Angst, Unsicherheit und Schmerz in den Augen. Das macht mir mehr Angst als jede Einsamkeit.

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 26. Jun 2015, 11:13
von Botus
Die Menschen sind ja bekanntlich verschieden.

Wenn man die diversen neuzeitlichen Erscheinungen dazu addiert (Starker Trend in Richtung Individualisierung / Zunehmender Trend zu Kinderlosigkeit und Alleinleben / Zunehmender Trend als Erwachsene bei den Eltern zu wohnen / usw. ) muss es zwangsläufig auch zu ganz neuen Problemstellungen kommen, die sich u.a. natürlich auch in den Köpfen abspielen.

Ich würde sagen, das ist zwangsläufig bei den diversen neuen Trends.

Dazu kommt noch, dass das eigene Selbstbewusstsein heute nicht mehr an irgendwelche Eigenschaften oder Ergebnisse gekoppelt ist. Man kann es es auch "einfach so" haben. Dadurch können sich auch Kollisionen ergeben, z.B. mit anderen, oder einfach nur mit der Realität.

Ich glaube, dass ein wenig Distanz zu diesen ganzen Dingen das beste Navi ist, um in dem heutigen Durcheinander auf seinem Weg zu bleiben.

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 26. Jun 2015, 12:45
von Nico Niedermeier
Hallo von der Moderation,
das hört sich ja nicht unbedingt nach einer Depression an....? Vielmehr könnte man an eine emotional-instabile Störung denken...oder? Auf die Idee ist doch bestimmt schon jemand gekommen...
Beste Grüße
Die Moderation

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 26. Jun 2015, 13:28
von Schuldig
Grüße an die Moderation.

Nein, darauf ist noch keiner gekommen. Aus Antriebslosigkeit + Schlafstörung + Pessimismus mit selbstzerstörerischen Tendenzen schloss man auf Depressionen. Meine anderen Baustellen wollte keiner wissen. Meine Therapeutin wittert langsam, dass da noch einiges mehr im Argen ist (gerade prüft sie "Depressionen in Verbindung mit ungeförderter Hochbegabung bei Erwachsenen").

Die ist aber auch die Erste, die nachfragte, ob vor meinem Zusammenbruch mein Leben innerhalb akzeptabler Parameter lief.

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 26. Jun 2015, 14:29
von Morbus
Das was die Moderation da angemerkt hat, sehe ich als großes Problem heutzutage. Die Depression wird immer als erstes festgestellt, da diese scheinbar doch recht leicht einzuordnen ist und dann wird sich völlig auf diese versteift.
Bei mir war es erstmal genau das selbe. Die Depression wurde erkannt und ich bekam auch gleich einen Therapieplatz, wobei ich ganz anders auf diese Situation reagiert habe als die anderen und instabil wurde. Dadurch wurde dann zwar auch die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung erkannt, aber ich musste natürlich erstmal in einen gesicherteren Rahmen, da es so nicht mehr weiter ging.
Erst dann wurde genauer geschaut, was so alles bei mir los ist und das Krankheitsbild wurde sehr viel größer und komplexer.
Die Depression ist bisher aber das einzige, was gesichert diagnostiziert ist, auch wenn die anderen schon mit auf der Diagnose stehen, sind diese noch sehr komplex und konnten nicht ganz eingeordnet werden. Das heißt dann so viel wie kombinierte Persönlichkeitsstörung. Bei der PTBS ist durch die verschiedenen Traumata genau das Selbe zum Problem geworden, man erkennt zwar mittlerweile diese Krankheit, kann sie aber scheinbar nicht weit genug einordnen um die richtigen Behandlungsmaßnahmen dafür gewährleisten zu können.

Deswegen ist eine normale Behandlung, wenn das Krankheitsbild doch etwas anders scheint oft nicht hilfreich und verbessernd auf die Situation sondern genau umgekehrt.

Ich selbst passe auch nicht in das Bild eines Depressiven, zu Teilen natürlich schon aber zu weiten Teilen machen sich die anderen Krankheitsbilder bemerkbar. Das ist bei einem guten Arzt/Psychologen auch kein sonderliches Problem, der kann das einordnen wie man reagiert, aber wenn man auf jemanden trifft, der z.B. nur die Depression sieht und man dann so eigen reagiert, kommt dieser schnell zu falschen Schlüssen und die ganze Situation kann sich extrem verschlechtern.

Mich hat ein Stationsarzt der Depressionsstation z.B. noch über ein Jahr später gleich beim spontanen Gespräch erkannt und wusste genau wer ich war, da ich grinsen musste. Da wird einem dann auch sehr schnell klar, dass man anders ist als die normalen Depressiven. Das Grinsen nicht kontrollieren zu können hört sich zwar erstmals nicht sehr schlimm an, aber es ist schon sehr eigenartig wenn man das bei den unangenehmsten Situationen tut und verstärkt dann auch das eigene Unbehagen und deutet eben darauf hin, dass es sich nicht nur um eine Depression handeln kann.

Oftmals sieht man mich aber auch als viel zu bilanzziehend und kalkulierend an, was dann so kalt und gefühlslos rüberkommt, dass die Leute Panik bekommen. Und das eigentliche Problem ist dabei eben immer, dass als erstes nur die Depression gesehen und alles nur auf diese bezogen
wird. "Ein Depressiver der völlig ruhig und kalt auf eine Situation reagiert, die sonst alle anderen zum heulen bringt, der muss mit dem Leben abgeschlossenen haben.."

Es ist also sehr wichtig, den richtigen Therapeuten oder Arzt/Psychologen zu finden damit auch andere Erkrankungen gefunden/ mit einbezogen werden können um auf das richtige Bild zu kommen und die richtige Behandlung starten zu können.

Wenn du nicht ins Bild passt, und dies auch selber bemerkst solltest du das vielleicht ansprechen. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht, da auch ein Arzt nicht auf alles gleich die richtige Frage hat um so etwas genauer einordnen zu können. Die Standardfragen die immer wieder gestellt werden helfen da nur bestimmt weiter, lenken aber oft auch einfach von der Problematik ab.

Liebe Grüße, Finn

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 27. Jun 2015, 00:19
von ndskp01
Hallo Schuldig,

Ich antworte lieber hier als in dem Thread, in dem AnnaK sich vorgestellt hat, denn dort soll es ja um sie gehen und nicht um dich.

Ich war von dem ersten Satz deines Postings dort verletzt. Ich bin nicht "seelisch beschädigt". Ich habe eine Disthymie und soziale Ängste. Deswegen habe ich mich in professionelle Behandlung gegeben und dabei gelernt, wie ich mich verhalten kann, wenn ich möchte, dass diese Ängste geringer werden. Viele von meinen Erfahrungen erleben auch andere Menschen, und ich versuche, meinen erlernten Umgang damit an andere Betroffene weiterzugeben. Das funktioniert oft gut.

Viele Foristen wissen viel über die Depression, oft mehr als mancher Psychiater oder Therapeut. Deswegen können Sie hier auch kompetent antworten.

Viele Grüße, deine Puk

Re: Vorstellung: Das bin ich.

Verfasst: 27. Jun 2015, 08:12
von Nico Niedermeier
Vielleicht ist es wirklich besser wir schließen diesen Thread.....