Unser Weg

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Trollkind
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Registriert: 13. Mai 2015, 09:34

Unser Weg

Beitrag von Trollkind »

Erstmal Hallo in die Runde!

Ich weiß nicht, wie ich es umschreiben soll, habe schon einiges hier gelesen, was mir Mut macht, aber auch vieles, wo ich uns wiedererkenne und nicht mehr weiter weiss.
Zuerst möchte ich uns vorstellen, ich bin die Frau eines depressiven Mannes mit Angststörungen.
Wir sind schon sehr lange zusammen, beide Anfang 40, haben bereits einen 21 Jährigen Sohn und eine 16 Jährige Tochter. Wir haben früh geheiratet und anfangs habe ich von seinen Problemen kaum bis nichts mitgekriegt.
Dann wollten wir in Urlaub fahren, aber das ging nicht, weil er keine Autobahn fahren konnte.
Es war sehr schlimm, er sass hinter mir und krallte sich in den Fahrersitz, zog ihn nach hinten, schwitze.... Das komplette Angstprogramm.
Meine Eltern, bzw mein Vater halfen uns sehr, sie fuhren einfach mit in den Urlaub, mein Mann fuhr bei meinem Vater mit, zu dem er sehr viel Vertrauen hatte.
Es ging immer irgendwie.
Als unser Sohn geboren wurde, entwickelte ich eine Angststörung.
Aber ich war allein mit meinen Problemen, Internet hatte ich nicht und ich dachte, ich wäre nicht normal. Das kann doch nicht sein, das man Angst hat, umzufallen, obwohl gesund.
Ich ging von Arzt zu Arzt bis ich irgendwann mal eine Psychotherapie machte.
Das hat mir geholfen, aber vor allem hab ich mich selbst in den Hintern getreten. Ich wollte nie wieder in das Dunkel und Elend der Angst. Nie wieder!!
Kurz darauf machte auch mein Mann bei dem gleichen Psychotherapeuten eine Therapie gegen seine Autobahnangst.
Gebracht hat es im Prinzip nicht viel.
Dann brach eine Depression aus ihm raus. Viele Dingen wurden mir klar. Seine Oma hatte ihn groß gezogen, seine Eltern tun ihm nicht gut. Seine Oma starb und er hat sie aufgefunden, alles unverarbeitet.
Er bekam Psychopharmaka, die er heute noch nimmt (Citalopram 20)
Dann starb 2006 mein Vater an Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Das war der zweite Tiefpunkt. Er hatte keinen Halt mehr, mein Vater, der uns allen wichtig war und seine Stütze, war plötzlich weg.
Wieder konnte er wochenlang nicht arbeiten, machte eine neue Therapie, kam zurück ins Leben und es ging weiter.
Seit einem halben Jahr liegen wir wieder im Tal der Tränen.
Vor Weihnachten starb sowohl unser geliebter Hund als auch unser geschätzter und helfender Psychotherapeut.
Mein Mann arbeitet in einer Fabrik und ist dort seit einem Jahr Vorarbeiter und auch mit der Beurteilung der Mitarbeiter betraut.
Auch kurz vor Weihnachten gab es einen Mitarbeiter, der offensichtlich nicht mit meinem Mann klar kommt. Er machte ihn förmlich an, wer er meinte, das er sei. Das alle hinter seinem Rücken reden. Der Mitarbeiter schrieb einen 5 seitigen Brief an die Chefs, wie untragbar mein Mann sei.
Die Chefs und die komplette Abteilung stehen hinter meinem Mann.
Aber das hat ihm das Genick gebrochen.
Seit 6 Wochen kann er nicht mehr arbeiten. Er traut sich kaum aus dem Haus und - das ist das Schlimmste - ich kann nicht mehr.
Die Situation verlangt mir alles ab. Ich gehe seit 2 Jahren wieder arbeiten, auf 450 Euro in einer Praxis und mache nebenher Demenzbetreuung.
Er will, das ich bei ihm bin, will nicht alleine sein, hat Angst, hat kein Vertrauen mehr, Schwindelzustände.
Seit Wochen leidet er unter Rückenschmerzen, aber Untersuchen geht gar nicht.
Unser Arzt hat ihm eine Überweisung zur Psychotherapie gemacht.
Aber er geht nicht, weil er 1.) erst einen Termin in zwei Monaten bekommt und 2.) es ein anderer ist und er dem alten immer noch hinterhertrauert.
Ich will wg. des Schwindel mit ihm zum Ohrenarzt. Seit Wochen versuche ich zu intervenieren.
Nichts.
Und die Zeit läuft uns davon.......
Ich merke, wie mein Geduldsfaden die Konsistenz von Klopapier annimmt.
Kann immer seltener ruhig sein.

Das alles tut mir leid und weh. Ich seh ihn leiden, aber ich weiß nicht mehr weiter.
Ich habe genug Ausgleiche, gehe singen, töpfern, bin in der Kirche tätig.
Das alles neidet er mir, hat aber gleichzeitig alle seine Fäden gekappt....

Eigentlich wollte ich den Mist einfach nur loswerden. Einfach nur mal schreiben, was mich bedrückt und belastet.

Ich möchte ihm helfen und mus aufpassen, das ich nicht dabei drauf gehe.
Ich liebe ihn und will ihn nicht verletzen, muss aber gleichzeitig so hart sein, das er sich selbst nicht verliert.
Diese Art zu leben ist anstrengend und schwer, belastet uns.

Ich hoffe, das es diese Woche ein wenig aufwärts geht.

Danke für Eurer mitlesen!

Das Trollkind
lucky8
Beiträge: 476
Registriert: 20. Jun 2014, 23:41

Re: Unser Weg

Beitrag von lucky8 »

Liebe Trollkind,
erst mal willkommen im Forum.
Deine Geschichte ist sehr traurig und ich kann gut nachvollziehen, wie du dich fühlst.
Mein Partner will auch nicht alleine sein, denn dann geht es ihm schlecht. Er hat Depression nach einer Psychose. Da er privat versichert ist und keine Therapie bezahlt wird, müssen wir das alleine durchstehen.

Bei dir habe ich leider keinen Rat, außer, dass du dich vielleicht mal an den sozialpsychiatrischen Dienst deiner Heimatstadt wenden kannst. Die könnten evtl. helfen und dir einen Rat geben. Da du ja schon viel für dich tust, kann ich dir leider nichts anderes sagen.
Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und Mut...
liebe Grüße
lucky
Ashara
Beiträge: 10
Registriert: 29. Apr 2015, 08:25

Re: Unser Weg

Beitrag von Ashara »

Hallo erstmal,
auch ich hab hier schon viel gelesen.
Ich möchte uns kurz vorstellen:
Wir sind seit 32 Jahren verheiratet haben vier Kinder von 19-31.
Seit 4 Wochen ist nichts mehr wie es War. Mein Mann leidet an einem Entwicklungstrauma und hat seit einem Flashback in der Nacht jeglichen Lebensmut verloren. AD'S will er nicht mehr nehmen, denn er möchte ganz mit dem Schmerz sein. Er kann ohne Medis nicht schlafen und will auch die nicht mehr nehmen.
Als er Sertralin genommen hat konnte ich wenigsten mit ihm über eine Therapie sprechen. Er glaubt sein Trauma ist so komplex, dass ihm sowieso nichtgeholfen werden kann. Er hat von jeher Angst vor Menschen und wenn er jetzt zu einem Thera geht hat er wieder mit Menschen zu tun. Wenn er nur einen Funken Hoffnung hätte, hätte ich auch genug für uns beide, aber diese Hilflosigkeit macht mich fertig. Ich liebe ihn und kann unsere Vergangenheit nicht einfachst aufgeben. Ich weiß einfach nicht weiter.
Mehrschwein
Beiträge: 89
Registriert: 2. Mai 2015, 09:07

Re: Unser Weg

Beitrag von Mehrschwein »

Hallo!

Willkommen im Forum!

Eure beiden Wege hören sich aufreibend und anstrengend an. Ich wünsche euch viel Kraft.

Ich denke, gerade fällt mir auch nur der sozialpsych. Dienst ein.
Trollkind, evtl. sprich doch nochmal mit dem ùberweisenden Arzt und erkläre die Dringlichkeit. Sonst nochmal persönlich beim Thera drängeln und um eheren Termin bitten. Aber hingehen und wollen muss Dein Mann natürlich schon selbst.

Aus eigener Erfahrung als Angehörige kann ich sagen, dass dieses Gefühl der Hilflosigkeit das Schlimmste war, als Herr M. sich zeitweilig nicht durch Therapeuten oder Medis helfen lassen wollte.
Ihr könnt da einfach nichts machen, ausser zusehen und/oder gehen. Wenn er keine Hilfe will, müsst ihr das respektieren.

@Ashara: Bezeichnend fand ich dieses "mit dem Schmerz sein" wollen. Schlimm. Aber es ist ja sehr deutlich formuliert.

Ich wünsche euch viel Kraft. Auch für euch selbst.
Trollkind
Beiträge: 10
Registriert: 13. Mai 2015, 09:34

Re: Unser Weg

Beitrag von Trollkind »

Vielen Dank für Eure Worte!!

Es ist alles nicht so einfach. Unser Arzt meinte, das er das Problem mit guten Therapeuten und die Wartezeiten kenne, er war selber bei dem Mann, den er uns empfohlen hat, da wäre im Moment nichts zu drehen.
Gestern ging es meinem Mann so gut, zu gut. Er war von Nachmittag bis Abends wieder ganz der Alte.
Und heute morgen ging das Elend von vorne los...
Ich versuche ihn zu motivieren, das er nicht nur auf seinem Speichereckchen sitzt und rumsimuliert. Erkläre ihm, wie wichtig es ist, strukturierte Abläufe zu haben, um nicht ständig nachzudenken und Körperchecks zu machen.
Das alles weiß er auch, aber wie viele in seiner Situation kann er es nicht umsetzen (bitte nicht falsch verstehen, ich möchte keinen Depressiven in eine Ecke stellen, aber es ist so, oder?)
Gegen Abend wurde es so schlimm, das er sich jetzt selber einweisen lassen will.
Eigentlich sollte ich doch froh sein, das er etwas tun will (wenn auch das für mich der äußerste Schritt war)
Aber jetzt sitze ich hier und weiß nicht, damit umzugehen. Wie erkläre ich das denn Kindern? Seinen Eltern, die sowas ja üüüüberhaupt gar nicht verstehen, wie kann man den Angst haben...? Wie gehen seine Arbeitskollegen damit um? Wir wohnen auf einem kleinen Dorf mit 350 Einwohnern. Peng -> Stigma - Der ist in der Klapse.
Sind wir dafür stark genug???

Gut, morgen kann schon wieder alles anders sein und seine Entscheidungen im Winde verweht.

Auf die Einweisungsentscheidung war ich einfach nicht gefasst...


Hab mir den Text nochmal durchgelesen und eigentlich sollte ich doch auf alle anderen sch....
Helfen tut uns keiner und kann auch keiner!!
Unser kleiner Vater.Mutter.Kind.Familiekosmos ist das wichtigste.

Trotzdem ist und bleibt es ein gesellschaftliches Stigma!! Traurig...
Trollkind
Beiträge: 10
Registriert: 13. Mai 2015, 09:34

Re: Unser Weg

Beitrag von Trollkind »

Viel Zeit ging durchs Land, seit ich hier das letzte Mal geschrieben hab.
Es gibt einige Dinge, die sich gebessert haben und ich schöpfe leise Hoffnung, das es sich weiter bessert.
Er hat sich unserem Hausarzt geöffnet, das hat uns allen gut getan. Er war beim HNO Arzt, der einen massiven Lagerungsschwindel finden konnte, den er aber mitlerweile ganz gut im Griff hat.
Er war mit auf der Verabschiedungsfeier auf der Schule unserer Tochter und das hat gut funktioniert. Wir hatten Besuch von Freunden, die wir lange nicht mehr hier hatten und auch das verlief gut. Hier und da eine Angstattacke, die er aber gut zu verbergen weiß

Jetzt soll er ab nächster Woche nach über 14 Wochen krankschreiben in die Wiedereingliederung.
Ob das gut geht. Er will es, aber auch nicht.
Ich bin mit meinen nerven kurz vorm Kellergeschoss angekommen. Wichtige Termine musste ich wieder absagen, weil er kurz vor knapp nicht da hin wollte, z.B. den MRt Termin im Krankenhaus, auf den wir zwei Monate gewartet haben.
Eine Psychotherapie will er auch nicht anfangen. Gut, soll er´s lassen.
Ich merke, wie meine Kraft nachlässt und ich immer lauter werde. Aber kann man mir das verübeln. Irgendwann ist einfach Schluss mit Geduld und Hilfestellung.

Ich hoffe, das es klappt mit dem Wiedereingliedern, wir fangen ganz klein an, 2 Stunden täglich.
Drückt uns die Daumen!!
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Unser Weg

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Trollkind,

darf ich dir einen Rat geben? Nach den Dingen, die du schriebst, empfinde ich es noch als zu früh mit der Wiedereingliederung. Ich hatte im letzten Jahr (glücklicherweise) immer Menschen, die mich in diesem Drang gestoppt haben. die Frage ist oft, ob es die Hoffnung auf Normalität ist oder ob man tatsächlich schon wieder die Fitness hat. Die wiedereingliederung ist eine Hilfe, aber sieist auch ein hartes Stück Arbeit. Denn danach muss man wieder funktionieren. Man kann sie abbrechen,klar, aber was macht das mit der Psyche?

Nach deiner Beschreibung würde ich eher zu einer Reha/Klinik tendieren. Sowohl in seinem als auch in deinem Fall. Um Stabilität zu erlangen und auch, um Hintergrundwissen und Hilfestellung für das nächste Tief zu erhalten. Nach einer Klinikzeit ist man dem nicht mehr ausgeliefert, nicht mehr ganz so hilflos. Und durch die Mitpatienten erfährt man, dass man nicht allein ist. Das tut enorm gut.

Bezüglich des Therapeuten war ich in einer ähnlichen Situation. Ich wurde über viele Jahre von einer Therapeutin betreut, zu der ich enormes Vertrauen hatte. Als ich letztes Jahr in die Depression stürzte, kam "kein Anschluss unter dieser Nummer" und die Therapeutenkammer teilte mir mit, dass sie die Praxis aufgegeben hat. Es ist sehr schwer, sich aufzuraffen, um sich jemandem neuen anzuvertrauen - der fängt ja ganz von vorne an. Aber in diesem Jahr habe ich (auch durch die Klnikzeit) mit mehreren Therapeuten zusammen gearbeitet - oft mit Überwindung, aber alle haben mir gut getan. Die Wartezeit ist blöd, aber die Möglichkeiten, die eine Reha/Klinik bietet, sind wirklich gut.

lG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Trollkind
Beiträge: 10
Registriert: 13. Mai 2015, 09:34

Re: Unser Weg

Beitrag von Trollkind »

Liebe Sonnenblume,

Dein Wort in Gottes Ohr!! Wegen mir muss er noch nicht arbeiten gehen, aber er will, fühlt sich verpflichtet, möchte (auch der Tatsache wegen, das seine Eltern ihm tierisch auf den S... gehen) wieder raus.
Mehr als raten kann ich nicht.

Er möchte noch keinem neuen Therapeuten seine Sorgen anvertrauen. Er will nicht alles von vorne haben, weiß aber, das es entweder keinen Therapeuten gibt oder einen mit komplettem Seelenstrip.
Wie gesagt, ich zwinge ihn zu nichts, rate oft und viel und er nimmt einiges an, aber eben nicht alles.

Abwarten, ob alles so kommt oder bis Montag alles wieder anders ist.....
Trollkind
Beiträge: 10
Registriert: 13. Mai 2015, 09:34

Re: Unser Weg

Beitrag von Trollkind »

So viel Zeit ist wieder verstrichen, gute Zeit. Bis zum Januar vorigen Jahres.
Seitdem geht mein Mann nicht mehr arbeiten. Sein Chef, nennen wir ihn mal C. Ist die karriereleiter hoch gefallen und mein Mann hat einen neuen Vorgesetzten, F. Mit dem klappt es überhaupt nicht mehr, die komplette Firma wurde verkauft, 40 Mann entlassen. C. hatte immer t ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Mann, seit der Beförderung zeigt er sein wahres Gesicht u einen fiesen Charakter. Mein Mann war jetzt ein Jahr krank geschrieben, sein Team hat regelmässigen Kontakt zu ihm gehalten, sie wertschätzen ihn sehr. Seine Chefs hingegen haben sich nicht einmal gemeldet. Aussage von C. Ich bin kein freizeitpsychologe.... sehr traurig alles. Jetzt läuft die Wiedereingliederung. Bis vorige Woche war alles gut, jetzt sind wir bei 6 Std und nichts geht mehr..... Er denkt ans hinschmeissen, wir haben seit 10 jahren ein kleingewerbe angemeldet, das könnte er übernehmen, nebenher auf 450€ bei einem örtlichen Betrieb arbeiten, ich könnte auf 850€ hoch. Aber er sitzt halt noch im Krankengeld. Und bisher waren unsere Versuche, das es einen auflösungsvertrag seitens der Firma gibt, fruchtlos. Sein Therapeut rät dazu, durch zu halten. Alles wieder schwierig, belastend, traurig.....
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