Gehen lassen können...

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MaritaT
Beiträge: 110
Registriert: 10. Aug 2013, 17:04

Gehen lassen können...

Beitrag von MaritaT »

Ihr Lieben,
vielleicht könnt Ihr mir ja helfen. Allerdings besteht Triggergefahr, es geht um das Thema Tod, passive und aktive Sterbehilfe und um die Fähigkeit gehen lassen zu können. Es geht allerdings nicht um Suizid etc..Bitte lest nicht weiter, wenn Ihr damit Probleme habt.
Wenn ich heute nicht gemerkt hätte wie schwer mir das alles fällt, gäbe es diesen Foreneintrag nicht.
Heute begann der Tag eigentlich freundlich, ich schreibe für eine Zeitschrift in einem Verein der sich für Tiere einsetzt und der Artikel war ansich lustig. Dann kam ein Anruf und unser sehr altes Lieblingstier(über 70 Jahre alt), das ich gerade erwähnte in einem lustigen Zusammenhang, war verstorben. Ich werde jetzt schon zu langatmig, so verwirrt bin ich. Ich kürze mal ab. Dieses Tier verstarb ohne mein Zutun, es war sehr alt und auch sehr groß, es musste einiges organisiert werden. Ich hab nur noch geheult. Ok, das ist ja auch menschlich.

Aber wieder einmal stürzte alles auf mich ein. Das wir unsere Katze neulich einschläfern lassen mussten, eine aktive Sterbehilfe und die Gedanken an die passive bei meinem Bruder und meinem Vater, denen niemand mehr helfen konnte und bei denen ich zu entscheiden hatte, wie es mit ihnen weitergeht.
Immer wieder stelle ich mir die Frage, wer bin ich denn, dass ich über das Leben oder Sterben anderer Menschen entscheiden muss. Ich kann das nicht. Und nun macht mich sogar der Tod eines Tieres, bei dem ich nichts entscheiden musste, so fertig.
Schon allein die Worte, na dann mussten sie nicht weiter leiden und das ist doch gut so, empfinde ich als schlimm. Ich habe niemanden darum gebeten an der Entscheidung, ob er mit seiner Krankheit länger leben möchte oder nicht, aktiv mitzuwirken. Für mich ist das eine extrem hohe Belastung. Aber Ärzte verlangen das knallhart und genaugenommen die Angehörigen auch. Jeder setzt doch vorraus, dass es im Ernstfall irgendjemanden gibt, der dafür sorgt, dass das Leiden nicht verlängert wird.
Ich kann doch nicht die Einzige sein, die mit solchen Dingen Probleme hat. Vielleicht gibt es ja auch Literatur, die Ihr empfehlen könnt dazu.
Ich hoffe jetzt nicht gegen die Forenregeln verstoßen zu haben, der Text fällt mir ohnehin sehr schwer, aber wenn doch, dann darf das natürlich gelöscht werden.

lg Marita
Die beste Zeit einen Baum zu pflanzen war vor 20 Jahren. Die nächstbeste Zeit ist: Jetzt.
afrikanische Weisheit
Haferblues
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Registriert: 21. Okt 2012, 12:50

Re: Gehen lassen können...

Beitrag von Haferblues »

Hallo Marita,

da sprichtst du ein schwieriges Thema an. Ich finde, zwischen Tier und Mensch muss hier ein Unterschied gemacht werden. Für Tiere sind wir verantwortlich, dass sie nicht unnötig leiden müssen. Ein Tier kann über diese Dinge nicht selbst nachdenken. Es ist abhängig davon, dass wir eine gute Entscheidung treffen. Ich bin auch immer sehr traurig, wenn ich eins meiner Haustiere einschläfern lassen muss. Ich tröste mich dann mit dem Gedanken, dass ich alles so gut gemacht habe wie ich konnte.

Beim Menschen ist das viel schwieriger. Da ist es ein Vorteil, wenn wir im Angehörigenkreis rechtzeitig über diese Dinge sprechen. Eine Patientenverfügung schreiben. Leider wollen viele Menschen mit dem Thema Krankheit und Tod nix zu tun haben. Ich hab für mich entschieden, dass ich für niemand diese Entscheidung treffen werde. Meine Familie hab ich damit (unter anderem) vergrault, dass ich sage: wenn ich mich im Ernstfall kümmern soll, dann müssen wir beizeiten etwas absprechen. Ich mache im Ernstfall genau das was abgesprochen ist. Im Zweifel gar nix.

Klar ist es immer schlimm, ein geliebtes Wesen gehen zu lassen. Aber leider bleibt uns nix anderes übrig. Jedes Lebewesen muss irgendwann gehen.

viele Grüße
Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
MaritaT
Beiträge: 110
Registriert: 10. Aug 2013, 17:04

Re: Gehen lassen können...

Beitrag von MaritaT »

Liebe Rifka, danke für Deine ehrliche Antwort. Ich find Dich ziemlich mutig, wenn Du sagst, im Zweifel nur das was abgesprochen ist. Selbst das ist doch dann schwer. Mit meinem Mann habe ich z.B. solch eine Absprache, aber im Ernstfall steht man ja doch allein da.
Tiere und Menschen kann man natürlich eigentlich nicht auf eine Stufe stellen, aber dennoch empfinde ich es als sehr schwer auch für Tiere solch eine Entscheidung zu treffen. Wobei ich heute Fotos gemacht habe, das Tier ist der Liebling der Region und es sah so friedlich aus auf seinem letzten Weg. Naja, fast letzter Weg, es wird präpariert und kommt in ein Museum.
Ich weiß nicht wie ich es anstellen kann einen normalen Umgang mit dem Tod zu erlernen. Ja ok, ich habe nun einmal meine ganze Herkunftsfamilie verloren, aber es muß doch möglich sein,damit normal umgehen zu lernen. Wie Du schon sagst, zum Leben gehört der Tod mit dazu. Eine gleichaltrige Freundin von mir war in ihrem ganzem Leben noch nie auf einer Beerdigung, sie weiß garnicht wovon ich rede.
Naja, vielleicht geht es mir morgen besser, ich muss es einfach lernen.
Lg Marita
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afrikanische Weisheit
Sonnenblume14
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Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Gehen lassen können...

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Marita,

ich kann dich absolut verstehen und bin froh, dass ich eine solch schwere Entscheidung zumindest einem Menschen gegenüber noch nicht treffen musste. Ich weiß, ich käme unter Umständen in einen Gewisssenskonflikt. Man muss "nur" den Willen eines anderen ausführen/lassen. Aber was, wenn wir unterschiedliche Auffassungen von "Lebensqualität" haben - mir das Leben viel wertvoller erscheint? Ich rede jetzt nicht von egoistischen Motiven, den geliebten Verwandten noch bei mir behalten zu wollen, sondern darüber, dass der Begriff "unerträgliches Leid" einen gewissen Definitionsspielraum hat. ich habe mich geweigert, in eine Patientenverfügung meiner Eltern eingesetzt zu werden - ich gehe nicht konform mit ihnen, überhaupt nicht. Ich habe zu meinen Eltern gesagt: "ihr seid erlöst - ich muss mit der Entscheidung weiterleben. Unter gewissen Umständen könnte ich das vermutlich nicht". Stehle ich mich aus der verantwortung als Tochter? Ich weiß es nicht.

Zu denTieren - hier möchte ich Rifka widersprechen. Haben wir Menschen wirklich das Recht, uns als "übergeordnet" zu bezeichnen? Weil wir denken können, weil wir Empfindungen äußern können? Ist es richtig, ein Tier einzuschläfern? Meiner meinung sind da Zweifel berechtigt. Ich habe die Entscheidung pro Einschläfern zweimal treffen müssen. Ob es richtig war, weiß ich bis heute nicht. Human? Aus unserer Sicht, ja. Aber richtig?

Ich glaube, erlernen kann man keinen Umgang mit dem Tod. Es sind elementare Erfahrungen, die uns prägen und ein Teil von uns werden.

LG sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Katerle
Beiträge: 11259
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Gehen lassen können...

Beitrag von Katerle »

@ Marita

Das ist ein sehr schwieriges Thema.

Ich wünsche mir mal, in Würde sterben zu dürfen. Damit meine ich nicht, später mal einsam nur an medizinischen Apparaten zu hängen, sondern ich wünsche mir jemanden an meiner Seite, der mir eines Tages den Wunsch erfüllt, mein Leiden unerträglich macht, in Würde zu sterben.
Für mich ist es eine Beruhigung, zu wissen, aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, wenn es unerträglich ist.

Liebe Grüße
Haferblues
Beiträge: 1005
Registriert: 21. Okt 2012, 12:50

Re: Gehen lassen können...

Beitrag von Haferblues »

Guten Morgen,

@Sonnenblume, ich denke nicht, dass Menschen den Tieren automatisch übergeordnet sind. Ich denke aber, dass wir für unsere Haustiere am Ende verantwortlich entscheiden müssen, weil sie es selbst nicht könne. Das ist natürlich immer wieder schwer, den richtigen Zeitpunkt zu finden.

@Marita, was ist "normal" in Verbindung mit dem Tod?? Ein geliebtes Wesen zu verlieren ist doch immer eine Ausnahmesituation. Das wühlt einen doch immer auf.

@Katerle, genau das mein ich! Wenn man am Ende einen Menschen auf seiner Seite haben will, der einen hilft den eigenen Willen zu erfüllen, dann muss man beizeiten darüber sprechen. Nicht denn Kopf in den Sand stecken und so tun, als ginge einen Alter, Krankheit und Tod garnix an. Das ist ja auch für die Angehörigen beruhigend, wenn sie im Ernstfall nicht lang rätseln müssen was Muttern/Vatern evtl. wollen könnte.

Über die aktive Sterbehilfe hab ich mir noch keine abschließende Meinung gebildet. Ich kenne Leute, die gern hätten, dass ein Arzt sie am Ende erlöst - ohne dass sie sich vorher mit dem Thema beschäftigen müssen. Die Vorstellung, selbst jemand ins Jenseits befördern zu sollen, ist mir unheimlich. Für mich selbst wünsche ich, dass mir ein langes Siechen erspart bleibt.

Gruß Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
MaritaT
Beiträge: 110
Registriert: 10. Aug 2013, 17:04

Re: Gehen lassen können...

Beitrag von MaritaT »

Ihr Lieben,
danke, dass Ihr dieses schwierige Thema mit mir teilt. Es fällt bestimmt schwer.
Tja, was versteht man unter normaler Trauer, ich kann das schwer in Worte fassen. Es gibt in meiner Familie, also mit den Kindern und meinen Mann ein ungeschriebenes Gesetz, wir gehen nie im Streit ausserhaus. Das hat sich entwickelt als wir zu schnell und zu oft mit diesem Thema konfrontiert wurden.Es wird also täglich zumindest mit der Möglichkeit gerechnet sich nicht mehr wiedersehen zu können. Das halte ich aber für normal, ein Verhalten zum eigenen Schutz.. Aber vielleicht ist es das auch nicht.

Ich glaube, ich kann eher erklären was ich für nicht normal halte, sondern vielleicht der Depression geschuldet. Bei der aktiven Sterbehilfe entscheidet der Betroffene ja selbst was sein Wunsch ist. Bei der passiven, die ja bedeutet keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr durchzuführen, also weder neue Maschinen anzuschliessen, noch Wiederbelebung etc. zu versuchen, da kann der Patient im Regelfall nicht mehr mitentscheiden.Zumindest war das bei uns so, verallgemeinern kann man das wahrscheinlich auch
nicht.
Jedenfalls musste ich aktiv sagen, was ich für sie entschieden habe. Und das ist wahrscheinlich mein Problem. Ich fühle mich schuldig und das obwohl ich weiß, dass beide es so gewollt hätten.Und sobald wieder irgendjemand aus meinem Umkreis verstirbt, kommen diese Schuldgefühle in mir hoch, ganz egal ob sie berechtigt sind oder nicht. Das Gedankenkarussel startet und ich kann es mit meinem Verstand nicht stoppen. ich glaube ein nicht depressiver Mensch kann das besser, es ist nur die Frage, wie er das macht.
Heute geht es mir schon etwas besser, vielleicht hilft ja allein schon das darüber reden können etwas.

Ganz ganz lieben Dank, Ihr habt mir schon sehr weitergeholfen
Gruß Marita
Die beste Zeit einen Baum zu pflanzen war vor 20 Jahren. Die nächstbeste Zeit ist: Jetzt.
afrikanische Weisheit
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