Lohnt sich Ehrlichkeit?

sam1960
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Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von sam1960 »

Ich hätte dazu mal eure Meinung gehört.

Ich bin von meinen Eltern immer zur Ehrlichkeit erzogen worden, und habe diesen Punkt immer sehr ernst genommen.
Nun hatten wir vor ein paar Jahren Klassentreffen.
eigentlich nichts ungewöhnliches.
Aber mir viel dabei auf, dass (fast) alle in Ihrem Beruf und in ihrem leben glücklich waren.
Jeder hatte einen tollen Job, eine gute Position, waren bei den Kollegen gut angesehen, hatten ein gutes Einkommen etc. irgendwie stimmte alles, schon fast zu perfekt. Da kam bei keinem was negatives rüber.

Ich glaube ich war der einzige der jammerte, das er unzufrieden sei. (jammerte ist vielleicht übertrieben), aber ich legte meine Situation ehrlich dar.
Aber all diese Eigenschaften, die mir die anderen Vortrugen, konnte ich nicht vorweisen.
Vielleicht lag es auch nur daran, daß ich der Einzige in der Runde war, der Depressionen hat und deshalb mit seinem Leben unzufrieden.

Nungut, ich habe ein geregeltes Einkommen, ein eigenes Haus, aber ansonsten,... ihr wisst ja.
Ich sprach zwar nicht von meiner Depression, aber von meiner Unzufriedenheit in bestimmten Dingen.

Tage Späte sagte mir ein Bekannter, es wird nirgends wo so gelogen wie beim Sex, beim Geld, und beim beim Klassentreffen. Jeder will gut dastehen, was er aus seinem Leben nach der Schulzeit gemacht hat.
Da fiel es mir wie schuppen von den Augen, und ich Trottel war offensichtlich der einzige der ehrlich war.

So weiß ich z.B über meine Arbeitskollegen, nach dem ich über 20 Jahren dort arbeite, wem ich vertrauen kann, und wer mir das blaue vom Himmel lügt.
Aber die besagten Lügner stehen in der Karriereleiter ganz vorne.
Die Ich-Menschen kommen weiter, nicht die Wir-Menschen. Und zum "wir" gehört nunmal, dass man ehrlich miteinander umgeht.

Lohnt sich Ehrlichkeit in der heutigen Zeit überhaupt noch.
Sicher, man muß sich selbst noch ins Gesicht schauen können, aber die absolute Ehrlichkeit scheint einen in der Gesellschaft eher zu Bremsen als weiterzuhelfen.
Entscheidungen sind schwer, sie können Dich in den Himmel heben oder in die Hölle stürzen lassen.
Sonnenblume14
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Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Sam,

lass dich nicht verunsichern. Ich sehe es genauso: deine Klassenkameraden haben die positiven Seiten ihres Lebens hervorgehoben und die negativen weggelassen. Vielleicht lügen sie sich selber etwas vor, d.h. vielleicht waren sie davon überzeugt, was sie gesagt habne. Die Wahrheit kann viele Gesicher haben.

Du siehst das allein durch deine Krankheit schon etwas negativer als andere. Vielleicht bist du auch kritischer oder musst die Ansprüche anders gewichten. Das hat aber nichts mit Ehrlichkeit zu tun.

Für mich ist Ehrlichkeit in vielen Bereichen unverzichtbar: Innerhalb der Familie und im engsten Freundeskreis. Ich weiß, dass mir dort ebenso begegnet wird. Außerhalb ... im Berufsleben breite ich einfach nicht so viel aus. Klassentreffen würde ich sowieso schon meiden, die Menschen, die mir wichtig waren, zu denen habe ich eh noch Kontakt. Und auf "Meine Frau, meine Kinder, mein Haus, mein Auto" habe ich nicht wirklich Lust. Nicht, weil ich selber nichts vorzuweisen hätte, sondern weil ich diese übertriebene Selbstdarstellung, die gerade bei Klassentreffen herrscht, überhaupt nicht ausstehen kann. Da weiß man doch von vornherein, dass niemand dort zugeben wird, dass ihn das Leben gebeutelt hat und er (unverschuldet) von Hartz IV lebt. Diese menschen trauen sich oft gar nicht erst dorthin.

Ehrlichkeit ist eine der wichtigen Errungenschaften, die oft unterschätzt wird. Nur so kann echtes Vertrauen und echte Wertschätzung entstehen. Das brauche ich im Beruf nicht zwingend, im Privatleben würde ich zugrunde gehen, wenn ich diese Werte nicht hätte.

Auf jeden Fall hast du ein schönes Thema zur Sprache gebracht.

LG Sonnenblume
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"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
FönX
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Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von FönX »

Hallo Sam,

ich halte sehr viel von Ehrlichkeit. Sie erzeugt Vertrauen, und das brauche nicht nur ich, sondern auch mein Gegenüber. Wer allerdings der Meinung ist, Ehrlichkeit bedeute, dem Gegenüber um die Ohren zu hauen, dass er ihn doof findet, der wird damit nicht weit kommen.

Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, und ich möchte nicht, dass er weiß, es geht mir nicht gut, sage ich: "Ich bin ganz zufrieden.". Damit lasse ich offen, dass da auch noch Luft nach oben ist. Meistens sage ich: "Am liebsten gut!" Das wurde noch nie hinterfragt.

Genauso, wenn mich jemand nach meiner Arbeit fragt. Von der kann ich nicht leben. Das kriegt mein Gegenüber aber nicht zu wissen. Wenn der fragen sollte: "Wie läuft's denn so?", kommt von mir etwa: "Naja, das Einkommen könnte immer gut und gerne doppelt so hoch sein!". Dann sind alle glücklich und freuen sich und lachen. Und ich habe keine Peinlichkeiten ausgeplaudert.

Das ist alles nicht unehrlich, aber auch nicht brutal ehrlich ("Soll ich ehrlich oder höflich sein?")

In die Bredouille komme ich immer, wenn ich irgendwo zum Essen bin, es schmeckt absolut mies, und es kommt die Frage: "Wie hat es dir geschmeckt?" *angstschweiß* Dann bin ich immer dankbar, wenn irgend eine Zutat eine lobenswerte Erwähnung wert ist ("Was mir besonders imponiert hat, waren die Schokostreusel auf dem Dessert"). Da hoffe ich immer, dass damit eine peinliche Diskussion im Keim erstickt ist.
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Katerle
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Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Katerle »

Für mich ist Ehrlichkeit auch sehr wichtig und ich denke schon, dass sich Ehrlichkeit auch in der heutigen Zeit lohnt. Und ich bin auch der Ansicht, dass sich Ehrlichkeit in einer Partnerschaft eher positiv auf die Beziehung auswirkt.

Nun Sam, deine Klassenkameraden haben mehr über postive Dinge in ihrem Leben gesprochen. Aber das heißt ja nicht, dass sie nicht durch gewisse Schwierigkeiten hindurch mussten bei ihrem Weg. Vielleicht ist es ja auch für manche einfacher über positive Sachen zu berichten, als über negatve. Ich kann sowohl über Positives und Negatives reden.

@ Sonnenblume

Ich meide keine Klassentreffen. Im Gegenteil, ich freue mich immer, meine alten Klassenkameraden wiederzusehen, sich zu unterhalten, Spaß zu haben. Und daraus haben sich sogar einige Freundschaften gefestigt bzw. neu entwickelt.

Liebe Grüße
Shehari

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Shehari »

Hallo Sam,
Hallo Alle,

Du sagst für Deinen Eltern war Ehrlichkeit ein sehr wichtige Eigenschaft. Das beneide ich ein wenig, sofern sie Ehrlichkeit selbst (Wo eben Ehrlichkeit notwendig ist) vorgelebt haben.

Ich bin einer Kultur aufgewachsen wo es darum geht die Fassade mit aller Macht aufrechtzuerhalten. Das Individuum hat eine bestimmte Rolle zu erfüllen. Dies wird selten in Frage gestellt. Der Selbstbetrug die dabei entsteht geschieht unbewusst. Wem Ehre, Stolz nicht wichtig ist wird aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Persönliche Freiheiten spielen keine Rolle.

Als ich Mitte d. Neunziger in Deutschland ankam fiel mir auf, dass die Menschen hier (Gut, das klingt jetzt verallgemeinernd) sich selten verstellen. Wenn keine Interesse da ist Jemand kennenlernten dann ist das so. Am Anfang verwechselte ich dies mit Gleichgültigkeit und evtl. Verachtung (Was in einigen Fällen so gewesen sein mag, wegen d. Hautfarbe). Später hatte ich vermehrt das Gefühl, dass Derjenige echte Interesse gezeigt hat wenn es da war.

Ich will meine Heimat nicht ablehnen (Ohne sich mit eine Nation identifizieren zu wollen) aber mir erscheint das Leben hier ehrlicher. Es ist ein persönliches Empfinden weil ich es eben vergleichen kann.

Das also was Du Sam in d. Klassentreffen erlebt hast ist nur eine Mini Ebene v. Unehrlichkeit. Wenn eine ganze Gesellschaft auf Unehrlichkeit basiert dann hat das eine ganz andere Dimension. Es ist kein Vorwurf an eine Kultur, es ist wesentlich komplexer weil auch religiöse und politisch-historischer Zusammenhänge betrachtet werden müssen.

Schönen Sonntag
Galaxis
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Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Galaxis »

Ehrlichkeit tut oft weh. Aber ich sage mir immer Ehrlichkeit wehrt am längsten, denn irgendwann kommt die Wahrheit raus und dann ist der Ofen aus. Fremden gegenüber sage ich auch nicht alles, was in meinem Leben nicht gut läuft, da viele denken, Gott sei Dank betrifft es mich nicht.

Früher habe ich auch immer mein Leid anderen Leuten geklagt; aber viele sagen sich dann auch die ist ja nur am Jammern. In der Familie und bei guten Freunden lasse ich aber auch meine Hosen runter, wenn es mir nicht gut geht. Das können aber auch Freunde genauso bei mir tun.
nine73
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Registriert: 1. Jan 2015, 11:45

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von nine73 »

Hallo ihr alle,

ich mag auch mal meine Senf dazugeben...

Die erste Frage, die mir in den Kopf kam, ist teilweise schon beantwortet worden: was ist Ehrlichkeit?
Wer allerdings der Meinung ist, Ehrlichkeit bedeute, dem Gegenüber um die Ohren zu hauen, dass er ihn doof findet, der wird damit nicht weit kommen.
Für mich ist Ehrlichkeit etwas sehr wichtiges- aber ich frag mich eben auch oft, ist Höflichkeit jetzt Unehrlichkeit? Ich hab da leider noch keine wirklich klare Linie...es hat mich sehr verwirrt, dass ich mal von einem Pfarrer gelesen habe, dass Notlügen, um den anderen nicht zu verletzen, was Positives sind...oder eben Dinge, die ich nicht erzähle, weil sie mir unangenehm sind- Unehrlichkeit?

Von diesen Unklarheiten abgesehen, bin ich glaub ich ehrlich und erwarte das auch von anderen- zumindest von für mich wichtigen Menschen...
Allerdings empfinde ich es auch so, dass das nicht unbedingt immer gut für den eigenen Vorteil ist...ich sag von mir selbst immer, dass ich so ehrlich bin, dass es schon manchmal an Blödheit grenzt ;) Einfach, weil ich nicht anders kann- und eigentlich auch nicht anders sein möchte. Mit mir kann man definitiv keine Pferde stehlen- allerhöchstens mal mit hochrotem Kopf kurz ausleihen ;)

Klassentreffen meide ich übrigens auch- erstens, weil ich mir peinlich bin und keine Lust habe, mir irgendwelche Stories auszudenken...und zweitens, weil ich natürlich irgendwie doch den anderen auch immer wieder ihre Geschichten glaube...so einen Fassaden-Wettbewerb find ich blöd :?

Ob sich Ehrlichkeit nun lohnt, lässt sich glaub ich nicht so klar beantworten- ich würde mir auf jeden Fall wünschen, es wäre so...

Das meine Gedanken dazu...Gruß, nine
bibel
Beiträge: 494
Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von bibel »

hallo ihr Lieben,

auf Beerdigungen wird auch nicht immer die Wahrheit gesagt. Als mein Vater vor zehn Jahren
verstorben ist, wollte er das nicht. Und so wurde die Wahrheit gesagt, das er vieles gut in
seinem Leben gemacht hat, aber auch schon viel Unheil angerichtet hat. Und das möchte ich
bei meiner Beerdigung auch mal hören, und nicht nur gelobt werden..............................

Oder wie oft wird bei der Werbung nicht die Wahrheit gesagt, oder wenn du eine Wohung oder
ein Haus kaufen oder mieten möchtest. Ich wäre da mal fast reingefallen, auf diese so
schönen Worte. Und leider sind schon viele Menschen durch Unwahrheit reingefallen.
Oder auf nette Verkaufsleute, die sind ja alle so hübsch, perfekt, schön........................
und manche Sparkasse, Bank ähnelt einem Schloss............einer Villa..........................

Oder wie gehe ich mit mir selbst um, stehe ich zu meiner Wahrheit in der Depression, oder
spiele ich mir selber etwas vor.......................schaue ich meiner Wahrheit nicht ins Auge.

Kann ich einem Menschen die Wahrheit sagen, das er Krebs hat, und nicht mehr lange Zeit
zum Leben.

Ehrlich sein, wahr sein, sich nicht verbiegen lassen.

Ich gebe zu, ich möchte gerne ehrlich, wahr und echt sein, aber ich schaffe es nicht immer.
Allen Menschen sage ich nicht mehr, das ich unter der Depri leide, da habe ich schon soviel
Negatives erleben müssen. Ja, ich habe Angst immer die Wahrheit zu sagen, damit ich
nicht die Zuwendung von anderen Menschen verliere, damit ich niemanden verletze,
enttäusche. Vielleicht gehören Ehrlichkeit und Liebe zusammen, wie ich die Wahrheit sage,
brutal, oder mit Verständnis für den anderen Menschen. Kann der Mensch die Wahrheit
ertragen, oder im Moment nicht.

Oft möchte ich auch nicht hören, wie depri gerade mein Leben ist, wie ich dicker werde, meine
Haare dünner usw............

Grundsätzlich finde ich Ehrlichkeit schon besser, auch wenn es heute nicht mehr so cool ist,
ehrlich zu sein. Aber da muss ich auch noch viel lernen......
Wenn ich depri bin gehe ich auch nicht gerne raus, ziehe mich eher zurück.....................
dann muss ich auch nichts vormachen, vorspielen, da habe ich nicht die besten Erfahrungen.
Und ich habe da auch schon gelogen, mir geht es gerade nicht gut, annstatt zu sagen, ja
ich leide unter meiner Depression, um mich auch selbst zu schützen.

liebe Grüße,

thomas
Zuletzt geändert von bibel am 1. Feb 2015, 21:20, insgesamt 2-mal geändert.
Cynthia
Beiträge: 445
Registriert: 29. Dez 2014, 17:04

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Cynthia »

Ich denke man muß unterscheiden wann man ehrlich sein möchte und sich das auch erlauben kann. Das erfordert Erfahrung und Menschenkenntnis. Ich gehe grundsätzlich nicht zu Klassentreffen, weil ich weiß wie diese Leute damals drauf waren und ich das nicht vergessen habe.
payasa
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Registriert: 3. Sep 2014, 22:15

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von payasa »

Nicht die Wahrheit sagen heißt ja nicht gleich lügen... d.h. wenn mich einer fragt, wie geht es dir, sage ich eigentlich immer, danke und dir? Erzähl mal von dir... Die meisten Leute mögen eh viel lieber von sich selbst erzählen und so fällt es meist gar nicht auf, wenn ich nicht so viel von mir erzähle.

Im Laufe der Zeit habe ich mich aber eh von so ziemlich allem zurückgezogen und spreche meist nur noch mit Menschen, die mich verstehen, denen ich nicht sagen muss, dass es mir gut geht. Die mir Zeit geben, von mir zu sprechen, die mir zuhören.

Klassentreffen sind dafür bekannt, dass da gelogen wird, dass sich die Balgen biegen, deshalb würde ich mich davon fern halten.
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
Katerle
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Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Katerle »

@ Cynthia

Klar, wenn man solche Erfahrungen gemacht hat mit der Klasse, was nicht so toll ist, dann ist es auch verständlich, nicht zu Klassentreffen zu gehen. Ich habe halt nur gute Erfahrungen gemacht mit meiner Klasse und dafür bin ich auch dankbar und von daher gehe ich auch gerne hin.

@ payasa

Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, sage ich meistens, ich mache das Beste draus.

LG
Sonnenblume14
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Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Sonnenblume14 »

Ehrlich oder höflich? Das finde ich sehr wichtig. Ich glaube, Ehrlichkeit DARF aufhören, wenn sie den anderen verletzt und man durch eine höfliche Antwort nichts kaputt macht. Es hängt auch ein wenig davon ab, wie gut ich den Gesprächspartner kenne.

Beim Geschäftsessen zu sagen, dass die Dame des Hauses ein supergeschmackloses Kleid trägt, wäre vielleicht ehrlich (allerdings auch nur in meinen Augen), aber nicht wirklich höflich. Ehrlichkeit wäre hier verletzend. Einer guten Freundin würde ich hingegen sagen,w enn ich das Kleid geschmacklos finde. Kurz: Freundschaft muss Ehrlichkeit in allen Formen aushalten können. Meine Meinungsäußerung würde an der Freundschaft an sich auch nichts ändern (im Gegenteil, sie würde sogar wertgeschätzt) - im Falle des Geschäftsessens könnte sie mich den Job kosten.

Das einfache Beispiel zeigt schon, wie schwierig der Balanceakt ist. Mit Ehrlichkeit nicht zu verletzen, das ist ganz schön schwierig.

LG Sonnenblume

N.S. @Sheharis Beitrag fand ich sehr spannend, weil er eine ganz andere Sichtweise zeigte. Kulturell geprägt - anders.
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Jamba
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Registriert: 5. Dez 2014, 21:44

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Jamba »

Guten Morgen,

Ich finde das Thema auch sehr interessant, zumal ich letztes Jahr viel über das Thema erkannt habe.

Ich bin auch ein ehrlicher Mensch, ich sage die Dinge, die mich beschäftigen. Leider musste ich erkennen, dass zuviel Ehrlichkeit auch nicht gut ist. Ich habe zu viel von meiner Krankheit geredet undhabe zu spät gemerkt, dass einige Leute deshalb ein wenig auf Distanz zu mir gegangen sind, aus Selbstschutz oder auch Unsicherheit. Meine beste Freundin ist Borderlinerin und hat Abstand genommen, weil es sie zu sehr runtergezogen hat. Zum Glück hat sie mir alles gesagt, nachdem ich es nicht selbst gemerkt habe. Sie sprach mich direkt darauf an, obwohl sie Gefahr lief, dass unsere Freundschaft sich dadurch verändert.

Vor allem die Bekannten und Kollegen gehen auf Abstand, weil sie nicht damit umgehen konnten. Und schnell hat man den Stempel aufgedrückt. Also muss man hier für die Menschen auch Gespür zeigen und sich in andere reinversetzen.

Ein Ventil brauchte ich trotzdem, und das war der Grund, mich hier anzumelden. Seitdem geht es mir viel, viel besser und die Menschen um mich herum gehen lockerer auf mich zu. Eine bipolare Störung (wie in meinem Fall, gilt aber genauso für Depressionen) ist nichts, was ein Außenstehender versteht. Es ist nur verständlich, wenn man sich davon abgrenzt.

Will damit sagen, Ehrlichkeit kann auch nach hinten losgehen. Manchmal ist es besser, nicht zu ehrlich zu sein.

Einen schönen Tag wünscht euch die Jamba :)
Nach Regen kommt Sonne. Grün ist die Hoffnung.
krimi56
Beiträge: 1919
Registriert: 25. Dez 2011, 11:45

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von krimi56 »

Guten Morgen!

Ehrlichkeit ist für mich eine ganz wichtige Sache.

Ein Spruch in meiner Kindheit war immer "Lügen haben kurze Beine".
Und wie peinlich ist es ja dann auch, wenn heraus kommt, dass man an seiner Fassade geschönt hat.
Wobei nicht jeder wissen muss wie es mir wirklich geht. Da gehört schon eine Vertrauensbasis zu. Und da wo es wirklich angebracht ist.

Was mich oft verunsichert hat war, dass niemand zugab oder auch nicht zugibt mit seinen eigenen Kindern Probleme zu haben. Alles lief immer glatt - Schule, Ausbildung, guter Beruf. Keine sonstigen Probleme.
Das hat mich oft runter gezogen, weil ich dann dachte "Warum läuft es bei uns nicht gut? Haben nur meine Kinder Probleme?" Es verunsichert mich immer noch.

Wenn mir aber jemand erzählen möchte "mein Haus, mein Auto, mein Pferd etc.", dann trifft mich das nicht. Denn gerade die haben meist damit mehr Probleme als ihnen lieb ist.

Allen einen guten Tag wünscht
krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
qwertzuiop

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von qwertzuiop »

@sam1960

nein. es gibt nur wenige menschen, die das zu schätzen wissen.
Botus
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Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Botus »

Hallo Sam,

ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Betreffenden schon ehrlich reden, aber nur, wenn man sich mit ihnen 1:1 in einer vertraulichen und freundschaftlichen Atmosphäre unterhält. Dann reden sie sich alle ihr Leid von der Seele und werden dabei vielfach sogar deutlicher als ich mir das wünsche. Die Ehe ein riesengroßer Fehler..., sowas in der Art höre ich oft. Aber wenn sie in einer anderen Situation sind, mehrere Männer anwesend sind oder ihre Frau dabei ist, läuft ein "Programm" in ihnen ab, dass sie zu völlig anderen Menschen werden lässt. Dann reden und verhalten sie sich gegenteilig, wie ausgewechselt. Ich denke, man muss das so hinnehmen. Ich rege mich nicht mehr darüber auf.

Ich selbst habe keinen Grund, meine Sachen anders darzustellen als sie sind, weil ich von vielen als Konkurrent wahrgenommen werde. Somit laufen Dialoge in jedem Fall auf das selbe hinaus. Wenn ich oben wäre, würde Angeben oder Protzen oder die unverdiente Erlangung des Oberwassers bemängelt werden. Wenn ich unten wäre, würde es heißen, ich sei ein Verlierer.

Die einzigen Leute von früher, mit denen ich mich heute ganz toll und ehrlich unterhalten kann, sind diejenigen, die ihre Ziele auch erreicht haben (welche auch immer das sein mögen) und deshalb keinen Grund haben, jeden anderen Mann als Konkurrenten oder die Ergebnisse anderer Männer als Gefahr für sich (oder als willkommene Gelegenheit zur Selbsterhebung) zu sehen. Leider sind nur wenige frei von solchen Zwängen.

Witzigerweise erlebe ich das selbe auch beruflich. Ich verstehe mich super mit Kunden und sogar mit Konkurrenten, sofern sie gemäß ihrer eigenen Zielsetzungen erfolgreich sind. Sie erzählen mir offen, was bei ihnen nicht so gut läuft oder was sie falsch gemacht haben. Sie reden "frei". Kunden oder Konkurrenten, bei denen es nicht wie gewünscht läuft, erzählen hingegen unentwegt Märchen, wie super sie alles machen und wie doof andere sind, dass man sich für ihre erbärmlichen Versuche der Selbsterhebung regelrecht fremdschämen muss.

Liebe Grüße vom Dobi
bibel
Beiträge: 494
Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von bibel »

hallo ihr Lieben,

meine Depri immer ehrlich anzunehmen ist auch nicht immer einfach. Je höher mein Idealbild
von mir selbst ist, um so mehr tun mir meine Depris weh. Oder wenn wir eine schwere Kind-
heit hatten, manchmal musste man da die Augen verschließen um zu überleben.

Gerade heut in unserer Medienwelt sind wir bemüht, unsere Fassade aufrechtzuerhalten........
und oft ist es schwer zu erkennen, ist ertwas echt, ,oder Fassade, Schein......................
Ich habe nicht immer so die Kraft, eine gute Fassade von mir aufrechtzuerhalten, immer Angst
zu haben, das meine Fassade Risse bekommt. Da muss ich tapfer sein, wenn ich versage,
wenn ich schwach bin, zu mir stehen.
Oder was verbirgt sich hinter mancher Freundlichkeit zu uns, ist es echt, Fassade, übermalt...

Hier im Forum, wo wir alle an der Depri zu leiden haben, fällt es mir viel leichter, offen über
meine Depri und meine Schwächen zu reden, bzw. zu schreiben.......


viele liebe Grüße,

thomas
sam1960
Beiträge: 135
Registriert: 10. Okt 2014, 11:48

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von sam1960 »

Cynthia hat geschrieben: Ich gehe grundsätzlich nicht zu Klassentreffen, weil ich weiß wie diese Leute damals drauf waren und ich das nicht vergessen habe.
Ich denke Menschen ändern sich. Wir waren damals noch (fast) Kinder, die eine ganz andere Lebenseinstellung und noch keine Lebenserfahrung hatten.
Man kann den Schüler von damals nicht mit dem Erwachsenen von heute vergleichen.
So kann der Prügelknabe von damals heute ein angesehener Geschäftsmann, ein guter Handwerker etc. sein und mit beiden Beinen im Leben stehen und der Klassenprimus von damals auf die schiefe Bahn geraten sein.
Die jenigen, mit denen ich mich gut verstanden habe, würde ich gerne wiedersehen, und die anderen, mit denen ich „nicht so gut klar kam“ haben, nach all den Jahren, eine zweite Chance verdient.

Wenn sich dann allerdings herausstellt, dass sich der überwiegende Teil zum Nachteil verändert hat, dann sind Klassentreffen natürlich zukünftig für mich gestorben.
Entscheidungen sind schwer, sie können Dich in den Himmel heben oder in die Hölle stürzen lassen.
sam1960
Beiträge: 135
Registriert: 10. Okt 2014, 11:48

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von sam1960 »

Dobermann hat geschrieben: Witzigerweise erlebe ich das selbe auch beruflich. Ich verstehe mich super mit Kunden und sogar mit Konkurrenten, sofern sie gemäß ihrer eigenen Zielsetzungen erfolgreich sind.
Ein Beruf, in dem ich mit Kunden zu tun habe, wär schon garnichts für mich.
Ich bin kein Typ, der immer Freundlich sein kann, eine Fassade aufbaut. Nur um den Kunden nicht zu vergraulen. Ein Mensch hat auch mal das Recht schlecht gelaunt zu sein,, denn wir sind schließlich alle nur Menschen. Und mich permanent verstellen, und des Geschäfts wegen, ist nicht mein Ding.

Umgekehrt toleriere und verstehe ich auch, wenn Verkäufer mal nicht so gut drauf sind. Dann renn ich nicht gleich zum Geschäftsführer und beschwere mich über die Unhöflichkeit, sondern zeige Empathie. Ich rede dann offen mit meinem gegenüber und gebe ihm zu verstehen, dass ich Verständnis für seine „Missstimmung habe. Ein Freundliches Lächeln oder höfliches Wort hat noch niemand geschadet. und das wirkt sich in der Regel auch positiv auf meinen Gegenüber aus.
Entscheidungen sind schwer, sie können Dich in den Himmel heben oder in die Hölle stürzen lassen.
Botus
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Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Botus »

Hallo Sam,

glücklicherweise habe ich es diesbezüglich gut getroffen, meine Kunden sind wie ich. Wir teilen die selbe Leidenschaft. Es gibt auch unangenehme Leute, aber die sind glücklicherweise selten und ich muss nicht jeden nehmen. Ich berate sie einfach woanders hin und dann ist wieder Ruhe.

Liebe Grüße vom Tom
bibel
Beiträge: 494
Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von bibel »

hallo lieber Sam,
hallo ihr Lieben

ich war jahrelang mit Kunden in Kontakt. Das ist nicht immer einfach, eine Firma nach außen
hin darzustellen, ohne dem Kunden etwas vorzugaukeln.......
Rücke ich mich selbst immer ins gute Licht, oder kann ich meine Schwächen zugeben, ohne
sie zu beschönigen?

Es hat auch etwas mit Angst zu tun, wenn wir Dinge anders darstellen als sie sind...........
Die Angst, Anerkennung und Zuwendung zu verlieren, seine Beliebtheit einzubüßen.....

Also mein Forumsname Bibel wollte ich hier nie so reinstellen, habe es mit dem Benutzernamen
verwechselt, und mancher wird jetzt Bibel lesen und sich denken, muss der hier so fromm
tun........

Aber jetzt ist es so, und ich muss auch dazu stehen............


liebe Grüße,

thomas
Silent Pain
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Registriert: 22. Jan 2015, 04:08

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Silent Pain »

Verzeiht mir meine Fehler beim schreiben aber ich bin Legastheniker.


Hmm. Hab lange überlegt ob ich dazu was schreibe..

Ich bin der Meinung und so wurde ich erzogen das viel zu oft gelogen wird und oft viel zu viel. Es fängt damit an das man sein gegenüber nicht Brüskieren will. Was aber wenn er/sie nur einmal eine ehrliche Antwort erhalten will aber alle sagen das selbe? Immer und immer wieder, nur um sein gegenüber nicht zu verletzen, wie soll jemand der immer das Gleiche aus allen Mündern hört objektiv sich selbst bewerten können, wenn nicht zumindest unter 100 Menschen 1 ist der sagt „Nein!“?

Es heißt „Ehrlichkeit währt am Längsten.“ und genau so halte ich es, entweder ich sage ganz offen und ehrlich ohne Schönheitskorrekturen und ohne Rücksichtnahme was ich denke oder ich schweige. Ich bin also Brutal ehrlich.[Zugegeben ich schweige oft] Unter meinen Bekannten gibt es daher eine Regel „Wenn man nicht wissen will was ich denke, Fragt man besser nicht.“

Kann man Ehrlich und höflich sein? Nein. Manchmal ist die Wahrheit schmerzhaft aber manchmal ist es alles was der andere zu hören wünscht oder aber das ein zigste was er/sie Verdient. Bringt das Probleme mit sich, ja weil alle mittlerweile daran gewöhnt sind ständig belogen zu werden und mit der Wahrheit nicht mehr umzugehen wissen. Man hat weder viele freunde, noch ein leichtes leben wenn man diesen weg wirklich beschreitet, man eckt oft an. Dennoch habe ich nichts verpasst wenn Menschen mich auf Grund dessen meiden oder damit nicht wissen umzugehen, sondern sie haben etwas verpasst das sie mich nicht kennen gelernt haben.

Ps. Wenn ich an meine Schulzeit denke, nur wenn eine Giutine auf dem Abendprogramm stände, würde ich auf einem Klassentreffen erscheinen. [Wo wir wieder bei Ehrlichkeit währen. ;-)]

Liebe Grüße
Silent Pain
Botus
Beiträge: 2096
Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Botus »

Wenn ich anderen etwas vorspielen müsste, hieße das ja, dass andere für mich persönlich total wichtig sind. Das selbe gilt auch, wenn ich mit anderen streiten müsste. Das selbe gilt auch, wenn ich ständig zu anderen rüber schauen würde, mich oft über andere ärgern würde.

All` diese persönlichen Gefühle in Bezug auf Mitmenschen sind nur möglich, wenn man sich persönlich sehr wichtig nimmt und auch seine Mitmenschen als etwas sehr Persönliches wahrnimmt.

Ich denke, dass ein Fehler ist, davon auszugehen, dass alle Menschen so drauf sind. Die Menschen sind nicht alle gleich, sondern vielmehr sehr verschieden.

Ein Beispiel:

Wenn Herr A den Herrn B in einem fetten SUV vorfahren sieht, glaubt Herr A sofort, dass Herr B dies nur allein tut, um ihn zu beeindrucken. Das wäre so ein klassischer Denkfehler.

Herr A glaubt, er sei so wichtig, dass andere ihn beeindrucken wollen. In Wahrheit hat Herr B den Herrn A aber nicht mal bemerkt.

Herr A hat seine negativen Gefühle gegenüber Herrn B somit völlig grundlos. Der Irrglaube von Herrn A, die ganze Welt drehe sich um ihn, hat ihm sozusagen einen Streich gespielt.

Wenn ich einen Menschen völlig neu kennen lerne, kann ich voraus sagen, ob es unangenehm werden wird oder nicht. Für eine sichere Prognose muss ich nur heraus finden, wie wichtig sich der andere im persönlichen Bereich sieht. Wenn er sich in diesem Bereich als "übergeordnet" sieht, weiß ich, dass es früher oder später in unangenehme Richtungen laufen wird.
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo,

wenn Ehrlichkeit höflich sein soll, beginnt oft Diplomatie ;)

Ist es denn wichtig, wie andere mich sehen? Ich stelle das einfach mal in den Raum. Denn normalerweise müsste das Selbst-WERT-gefühl ausreichen. Man lebt seine eigenen Werte - gerade zB der Klamottenbereich ist da ein gutes Beispiel. In Kleidung, in der ICH mich wohlfühle, weil ich mich damit identifizieren kann, fühle ich mich anders als in einem Style, der mir von außen aufgezwungen wird. Gut, manchmal geht es nicht ohne Kompromisse.

Die Wahrnehmung, die Dobermann anspricht, ist da auch eine ganz wichtige Sache - zumal sie bei Depressiven oft nicht optimal funktioniert. Stellt euch mal folgende Situation vor : Der Chef geht auf dem Flur an euch vorüber, schaut grimmig aus der Wäsche und grüßt nicht. Die Bewertung kann jetzt völlig unterschiedlich sein. a) Gedankenkreisel: "Was habe ich falsch gemacht?" b) Ich bin es nicht wert gegrüsst zu werden c) ach, der ist sicher nur in Gedanken versunken d) boah, 'nen Clown hat der nicht grad gefrühstückt e)wer hat DEN denn geärgert.
A), b) ergibt negative Gefühle, c) vermutlich relativ neutral, die Einstellungen d) und e) könnten aus einer negativen Situation sogar positive Gefühle hervorrufen.

Und das zeigt: die Bewertung kann zu völlig falschen Schlußfolgerungen führen, sobald nicht alle Fakten bekannt sind. Mit Depressionen ist man fast zwangsläufig in diesen Bereichen von a) und b) gefangen. Mit etwas Training und Analyse, sobald sich so ein Gedankenkreisel in Gang setzt, kommt man da aber langsam raus. Das dauert, weil es ja ein eingefahrenes Denkmuster ist und das Gehirn eine faule Socke, das gern auf Bekanntes zurückgreift. Aber man kann umtrainieren.

Ich hatte übrigens gestern eine ähnliche Situation. Ich kam in die Firma und mein Chef maulte mir ein guten Morgen entgegen. Später erzählte mir eine Kollegin von einer Auseinandersetzung, die völlig unabhängig von meinem Arbeitsbereich war, aber einen Grund für die einsilbige Begrüßung darstellte.

War etwas off topic, aber ich denke, das fällt alles mehr oder weniger in den Bereich,d ass man sehr viel Wert auf (positive) Bewertung anderer legt und sich damit selber ein Bein stellt. Denn die Bewertung ist ja - wie das Thema Höflichkeit zeigt - noch nicht einmal zwangsläufig ehrlich.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Botus
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Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Lohnt sich Ehrlichkeit?

Beitrag von Botus »

Hallo Sonnenblume,

ich finde, dass Du das sehr gut beschrieben hast.

Liebe Grüße vom Dobi :hello:
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