Meine beste Therapeutin der Welt

Antworten
EinHausAusStein
Beiträge: 19
Registriert: 15. Jan 2015, 23:15

Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von EinHausAusStein »

Hallo ihr Menschen da draußen,

das ist es, was mich gerade beschäftigt. Ich will es aufschreiben, um Klarheit im Kopf zu bekommen. Ich weiß nicht ob es verständlich ist oder überhaupt Sinn ergibt, bitte verzeiht. Ich weiß nicht mal, ob es jemand lesen wird.

Mir geht es nicht gut. Die letzten vier Wochen etwa habe ich es kaum geschafft aufzustehen, um mir die Zähne zu putzen. Ich schäme mich so. Die letzten drei Tage ist mehr Energie da, ich war draußen, einkaufen, an der Hochschule. Ich habe es geschafft im Internet dieses Forum zu finden und bin dabei einen Beitrag zu verfassen.
Ich kenne das bereits. Die "guten" und "schlechten" Phasen wechseln sich nun schon seit Jahren ab.
Bis letztes Jahr Juni war ich bei meiner Psychotherapeutin in Behandlung. Bis dahin gute 2 Jahre (mit Unterbrechungen).
Ich habe es ihr nicht leicht gemacht.

Am Anfang konnte ich gar nicht reden. So voller Scham war ich. So voller Angst. Ohne Vertrauen. Die Mauer um mich herum war so enorm. Dieser Anfang dauerte, oh ich weiß nicht wie lange. Drei Monate? Oder vier? Ich weiß es nicht mehr.
Und sie war so hartnäckig. Und beharrlich. Und unnachgiebig. Und konsequent.
Und sie war so geduldig. Und respektvoll. Und einfühlsam. Und gütig.
Und so ehrlich.
So voller aufrichtigem Verständnis und tiefem Mitgefühl. So voller Wärme.

Oft war ich so wütend auf sie. Manchmal vergingen Tage bis die Wut nachließ.
"Warum gibt sie sich so viel Mühe? Warum nimmt sie sich so viel Zeit? Warum bin ich für sie kein hoffnungsloser Fall? Meint sie das, was sie sagt wirklich ernst? Warum sollte ich ihr trauen? Warum sollte sie anders als die ganzen Ärzte und Psychologen in der Klinik sein? Ich bin kein wertvoller Mensch! Ich kann nichts. Ich mache nur Fehler. Ich bin nur eine Last für alle. Ich denke nur an mich. Ich bin hässlich und abstoßend und schäbig und eher baut der Teufel in der Hölle einen Schneemann, als das alles wieder gut wird."

Oft verhielt ich mich wie ein trotziger Teenager. Sarkastisch und zynisch. Und grausam. Oft versuchte ich sie so zu verletzen. Um ihr zu beweisen, dass ich ihre Hilfe und Aufmerksamkeit nicht verdiene.
"Ich komme doch in der Therapie sowieso nicht voran. Nicht mal das kann ich richtig machen. Dieser Therapieplatz steht einer Person zu, die die Hilfe auch annimmt. Sie verschwenden ihre Zeit. Sie reden nur Bulls***."
Einmal stand ich mitten in der Sitzung auf und ging nach Hause. Ich sprach danach wochenlang nicht mit ihr. Sie schrieb mir einen langen Brief. Ich las ihn und warf ihn weg. Mein schlechtes Gewissen zerfraß mich. Mein Selbsthass wuchs und wuchs.
"Warum stoße ich die Menschen, die mir helfen wollen, weg? Warum muss ich davonlaufen, sobald mir ein Mensch die Hand reicht? Warum tue ich den Menschen weh, die mir wichtig sind? Warum kann ich nicht ehrlich zu mir selbst sein?"

Die Zeit verging. Mir ging es schlechter und schlechter. So schlecht, dass ich dem Tode nahe war. So nahe.

Und sie war da. Und sie rettete mir das Leben.

Sie half mir. Sie half mir, mir selbst zu helfen. Eine Zeit lang schienen die Dinge besser zu werden.
Doch dann konnte ich nicht mehr. Ich hatte das Gefühl, dass sie mir nicht mehr helfen konnte.

Die Therapie ging zu Ende. Ich erhielt noch eine Verlängerung von ein paar Stunden. Doch ich wollte nicht. Ich entschied mich das Ganze vorzeitig zu beenden. Schluss. Mit Therapie.
Und Leben.
"Sie wissen, dass sie sich trotzdem jederzeit melden können, falls sie Hilfe brauchen."
"Und sie wissen, dass ich das nicht tun werde."

Und ich habe es nicht getan. Ich bin immer noch am Leben. Ich nehme nicht am Leben teil und ich "lebe" mein Leben nicht.
Ich bin vielmehr dabei es wegzuwerfen.
Aber ich atme. Mein Herz schlägt. Mein Hirn ist aktiv. So gesehen bin ich am Leben.

"Darf es mir besser gehen?" Das ist es, was mich beschäftigt. Ich habe herausgefunden, dass es mir nicht besser gehen darf. Ich habe es nicht verdient, dass es mir besser geht. Es gibt viele Menschen, die es verdient haben, dass es ihnen besser geht. Ich zähle mich nicht dazu. Ich nehme nur einem anderen, nützlichen, wertvollen Menschen den Platz weg.
Wie kann ich dieses Denken nur ändern? Kann ich es überhaupt? Zumindest weiß ich jetzt, dass ich es ändern will. Ich will es ändern.
Aber ohne Sie weiß ich im Moment nicht wie.

Sie hat mich nie aufgegeben. Sie hat mehr für mich gekämpft als ich für mich selbst gekämpft habe. Sie hat mich nie aufgegeben.
Und alles was sie je im Gegenzug verlangt hat ist, dass ich dasselbe tue.

Kein lebender Mensch auf der Welt kennt mich besser als sie. Sie ist der einzige Mensch (abgesehen von meiner Familie), der mich in jeder Hinsicht so behandelt hat, wie jeder Mensch auf dieser Welt es verdient hat behandelt zu werden. Ehrlich. Und gerecht.

Deshalb ist sie meine beste Therapeutin der Welt.
payasa
Beiträge: 421
Registriert: 3. Sep 2014, 22:15

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von payasa »

Boah, mir kommen grad die Tränen liebe Haus. Weil ich genau weiß, was in dir abgeht. Weil auch ich so gegen mich gekämpft habe, gegen Menschen, die mir helfen wollten. Ich hatte einen Therapeuten, der mir alle seine Telefonnummern gab und mich sehr eindringlich bat, bei ihm anzurufen, bevor ich "etwas blödes" tun würde. Ich habe ihn auch provoziert. Dachte, wie lange wird das wohl dauern, bis auch er sieht, wie ich wirklich bin.

Dann dachte ich, sowas von egal. Der wird bezahlt dafür, dass er mir zuhört, mir Empathie vorspielt, so macht, als ob er mich verstehen würde. Und mit der Zeit nahm ich ihm immer wieder kleine Momente ab, dass er mich mag. Dass er sich all die Mühe gibt, weil ich ihm etwas wert war. Da dieser Therapeut von der Diözese war, war ich zeitlich nicht eingeschränkt und ich war fast fünf Jahre bei ihm.

Ich habe auch heute immer noch Phasen, da denke ich, ich bin nicht wert, dass man mich mag und dann kommen Sätze hoch aus meiner Erinnerung und ich beruhige mich langsam wieder.

Gib deiner Therapeutin eine Chance. Wenn es ihr nur ums Geld ginge, dann würde sie ihre Stunden absitzen und fertig. Sie würde dir keinen Brief schreiben, sie würde deinen Platz neu belegen. Für jeden Patienten, der nicht mehr kommt, warten zehn andere auf diesen Platz. Also, wenn nicht für dich, für wen sonst hat sie sich diese Mühe gegeben?

Ich bin hier nicht bekannt als eine, die gerne umarmt oder umarmt wird. Dich Würde ich, wenn ich darf, einmal fest in den Arm nehmen
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
Lappi
Beiträge: 98
Registriert: 21. Dez 2012, 18:25

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von Lappi »

Liebe HausausStein!
Öffne deine Haustür und erlaube dir, deiner Therapeutin die Chance zu geben, dir zu zeigen, dass es sich lohnt für und um dich zu kämpfen!
Wenn du es nicht für dich kannst, mache es für deine Therapeutin!
Lappi
krimi56
Beiträge: 1920
Registriert: 25. Dez 2011, 11:45

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von krimi56 »

Liebe HausausStein,

deine Geschichte bewegt mich zutiefst.
Du hast es verdient zu kämpfen, dass es dir wieder besser geht.

Lappi's Worten kann ich mich nur anschließen.
Kämpfe für deine Therapeutin, die dich nicht aufgibt. Die den Menschen sieht der in dir steckt.
Und natürlich für dich und deine Familie.

Solche Therapeuten wie deine sind Edelsteine. Ich darf auch auf so einen Edelstein bauen.

Alles Gute wünscht dir
krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
Katerle
Beiträge: 11296
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von Katerle »

Hallo HausausStein,

deine Zeilen haben mich soeben auch zu Tränen gerührt. Genauso hatte ich mich damals auch gefühlt, voller Angst, Scham, ohne Vertrauen und einer Mauer um mich herum..., wertlos...

Gib deiner Therapeutin eine erneute Chance, dir zu helfen. Lass es zu, dass sie dir hilft... Sie scheint ein wunderbarer Mensch zu sein...

Ich bin auch sehr dankbar, einen solchen Menschen an meiner Seite zu haben..., der mich nie aufgegeben hat...

Wünsche dir Hoffnung und Zuversicht.

Katerle
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von Zarra »

Hallo EinHausAusStein,
Zumindest weiß ich jetzt, dass ich es ändern will. Ich will es ändern.
Aber ohne Sie weiß ich im Moment nicht wie.
Die am nächsten liegende Schlußfolgerung liegt auf der Hand: Über Deinen Schatten springen, einen notwendigen Schritt weitergehen - und Dich bei ihr melden.
Ich wünsche Dir Mut und ein bißchen Zuversicht.
LG, Zarra
Lyra
Beiträge: 70
Registriert: 10. Nov 2014, 00:35

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von Lyra »

Hallo EinHausAusStein,

ich finde mich auch etwas in deinen Worten wieder. Zwar stoße ich meine Helfer nicht absichtlich zurück, aber ich bin oft auch überfordert damit, dass sie mir helfen wollen. Und das sie mich mögen könnten, erscheint mir absurd; ich bin es doch nicht wert, dass man mir hilft, es mir besser geht oder mich gar jemand mag! Und trotzdem versuche ich immer wieder mich darauf einzulassen. Ich habe einen guten Therapeuten, vergleichbar mit dem was du erlebt hast, ist bei mir aber eher mein Hausarzt. Ich habe seine Handynummer und soll ihn jederzeit anrufen wenn ich ihn brauche, darf ihm Mails schicken, wenn ich nicht sprechen kann und soll so oft wie ich es brauche zu ihm in die Sprechstunde kommen. Meistens habe ich einen Termin pro Woche, so ca 30 bis 60 Minuten und so langsam, nach Jahren, kann ich wirklich annehmen, dass er einfach da ist und ich mich darauf auch verlassen kann, egal wie es mir geht und dass er mich nicht einfach aufgeben wird. Aber das zu verstehen ist ein schwerer Weg!

Manchmal ist man vielleicht auch trotz allem eigentlichen Wollens gar nicht so richtig bereit, so etwas anzunehmen. Das soll kein Vorwurf in Richtung "am Scheitern einer Therapie ist der Patient schuld" sein, überhaupt nicht. Die innere Bereitschaft, solche neuen Erfahrungen anzunehmen und aufzunehmen ist für mich sogar eher etwas, worauf man selbst bewusst nur wenig Einfluss hat; ich halte diese Entwicklung für einen unterbewussten Vorgang und vielleicht warst du einfach noch nicht so weit. Du weißt jetzt, wo du es wieder probieren möchtest aber schon, wo du dich hinwenden kannst - und das ist ganz viel Wert! Also, trau dich und ruf deine Therapeutin an. Und vielleicht wirst du jetzt ja merken, dass ganz langsam etwas in Bewegung kommt :)

Liebe Grüße,
Lyra
Lupine_84
Beiträge: 678
Registriert: 2. Mai 2014, 18:49

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von Lupine_84 »

Hallo EinHausAusStein,

auch ich war sehr ergriffen von deinen Worten.
So eine Therapeutin ist ja wirklich ein Geschenk. Du lobst sie ja auch nicht ohne Grund, was steht dir gerade so sehr im Weg, dich bei ihr zu melden?

Was glaubst du würde sie als erste Maßnahme tun? Etwas, was dich ängstigt?
Oder würde sie einfach nur *da sein*. Und wenn die Zeit da ist mit dir nach den nächsten Schritten suchen?

Deine Therapeutin nimmt dich ernst, zu jeder Zeit!
Nimm du dich auch ernst, zur Not nur 3 Minuten -und in dieser Zeit rufst du sie an!

Alles Gute wünscht dir
Lupine
"Glück hängt nicht von äußeren Dingen ab, sondern von der Art, wie wir sie sehen" - Leo N. Tolstoj -
Brummi59
Beiträge: 979
Registriert: 15. Aug 2014, 23:13

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von Brummi59 »

Hallo HausausStein,

Du erinnerst mich an einen Therapeuten, dem ich vertrauen konnte. Dieser Therapeut sagte mal zu mir einen sehr wichtigen Satz, der auch auf Dich zutreffen könnte:
"Sie haben sich mit einer großen festen Mauer umgeben. Ab und an nehmen sie einen Stein aus dieser Mauer, rufen um Hilfe und stecken den Stein ganz schnell wieder in die Mauer."

Leider arbeitet dieser Therapeut in einer ziemlich weit entfernten Klinik. Was würde ich für geben, ihn hier in meiner Nähe zu haben.
Du hast die Möglichkeit. Nimm einen Stein (öffne ein Fenster) aus Deiner Mauer und lass durch diese kleine Öffnung, Dir helfen, Dein Haus aufzuräumen.
Liebe Grüße
Dieter

---------------------------------------------------------------------------------
Du könntest dich den ganzen Tag ärgern - du bist aber nicht dazu verpflichtet!
*Arthur Lassen*
EinHausAusStein
Beiträge: 19
Registriert: 15. Jan 2015, 23:15

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von EinHausAusStein »

Hallo ihr Lieben,
vielen Dank für eure lieben Worte und die guten Wünsche, die ich sogleich an euch zurücksende. Sie gehen mir sehr nahe. Das ist das erste Mal, dass ich mich auf derartige Weise mitgeteilt habe. Ich bin so blockiert. Gestern hat sich diese Blockade mal für ein paar Stunden gelöst. Mir gelingt es meine Gedanken und Gefühle rauszulassen und schon werden sie von euch aufgefangen und wertgesschätzt. Das rührt mich so sehr.

Liebe payasa,
es tut gut zu wissen, dass es da draußen jemanden gibt, der versteht. Deine Worte bringen sehr gut auf den Punkt, was gerade in mir vorgeht. Kämpfst du immer noch gegen die Menschen, die dir helfen wollen? Falls nicht, wie hast du es geschafft, das zu überwinden?

@Lappi und @ krimi56:
Vielen Dank für die ermutigenden Worte. Du hast recht krimi, Edelstein ist ein wahrlich schöner Vergleich. Gut, dass es mehr als einen Edelstein da draußen gibt. Und wie wundervoll, dass es für dich jemanden gibt, der da ist. Wenn man fühlt, dass ein anderer Mensch für einen da ist . . . das kann so ein intensives Gefühl sein, nicht wahr?

Lieber katerle,
"Sie scheint ein wunderbarer Mensch zu sein..." schreibst du. Ganz richtig. Sie ist ein wunderbarer Mensch. Es ist meine Hoffnung, dass, als der Mensch erfunden wurde, das Ziel war, ihn genau so zu gestalten, wie sie es ist. Es freut mich, dass du auch einen solchen Menschen gefunden hast. Oder, dass dieser dich gefunden hat. Es scheint einige von ihnen da draußen zu geben. Aber oft sie sind nicht so leicht zu finden. Hoffentlich sterben sie nicht aus. Hoffentlich wachsen gerade neue wunderbare Menschen heran.

Ich denke du, Lyra, hast recht wenn du davon sprichst, dass man bereit sein muss. Mich frustriert es nur immer und immer wieder, dass das Zeit braucht. Ich habe das Gefühl alles und jeder überholt mich und ich komme einfach nicht vom Fleck.

Deine Worte, Brummi, regen mich ganz besonders zum nachdenken an. Dieser Satz, den du zitierst, genau das ist es. Ganz genau das. Und was du geschrieben hast, ist so clever. Das werde ich so schnell nicht vergessen können.

Liebe Lupine,
ich glaube es gibt mehere Dinge, die mich daran hindern, sie zu kontaktieren. Zu erst einmal meine Hemmungen, um Hilfe zu bitten. Das war schon immer so. Selbst meine Eltern, die wundervoll waren und zu denen ich Vertrauen hatte, konnte ich nur schwer um Hilfe bitten. Da ist etwas in mir, das sagt: "Du musst das alleine schaffen. Stell dich nicht so an . . ."
Aber dann kommt noch etwas anderes dazu. Ich weiß es hört sich albern an, aber ich möchte sie nicht . . . belasten? Ist das das Wort, das ich suche? Ich weiß es nicht. Was ist, wenn sich sich inzwischen damit abgefunden hat, dass sie mir nicht helfen kann? Wenn sie einen Haken hinter die Sache gemacht hat, einfach um nach vorne zu blicken und ihre Kräfte auf die anderen Menschen, die sie aufsuchen, zu konzentrieren. Da kommt wieder ins Spiel, dass ich denke, dass ich ihre Hilfe nicht verdient habe. Das kann ich nicht abschütteln. Und gleichzeitig weiß ich, dass sie mir tatsächlich helfen will. Und das ich ihr in gewisser Weise "helfe", wenn ich mir helfen lasse.
Schließlich habe ich einfach ein schlechtes Gewissen aufgrund meines Verhaltens und der Art und Weise, wie ich sie behandelt habe. Mein Verhalten ihr gegenüber ist für mich ein weiterer Beweis dafür, dass ich kein guter Mensch bin und keine Hilfe verdiene. Und ich habe einfach auch Angst davor, zurückgewiesen zu werden. Ich denke Zarra hat recht: Es geht darum, über meinen Schatten zu springen.
Und dann vielleicht noch: Ich bin mir nicht sicher, ob ich, eben weil es mir im Moment so schlecht geht, sie als Therapeutin oder als Menschen vermisse. Wisst ihr was ich meine?

Es fällt mir so schwer zu glauben, dass es Menschen auf der Welt gibt, denen tatsächlich etwas an mir liegt. Ich verschwende so viel Zeit und Energie, um Gründe zu finden, warum das nicht wahr sein kann. Anstatt es einfach zu akzeptieren. Warum kann ich mir nicht eingestehen, dass ich es wert bin? Warum kann ich mir keine Chance geben? Ich tue Menschen mit diesem Denken und meinem daraus folgendem Handeln (oder Nicht-Handeln) mehr weh, als wenn ich . . . einfach . . . So viele kleine Stimmen in mir, die zusammen so laut sind, dass ich nicht hören kann, was sich hinter ihnen verbirgt.
timmie2002
Beiträge: 1706
Registriert: 2. Nov 2012, 13:32

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von timmie2002 »

guten morgen einhausausstein,

ich habe deinen thread von beginn an mitgelesen und er geht mir sehr unter die haut.

zuallererst: wenn du eine so wunderbare thera hattest, dann tue alles dafür, bei ihr wieder eine therapie aufnehmen zu können. lass die inneren stimmen reden, soviel sie wollen. frage nciht danach, ob du es verdienst. rufe sie an!!! tu es einfach. auch ohne gedanken daran, was dabei rauskommt. denke daran: wer nicht kämpft, hat schon verloren. ( ein spruch meines ehemaligen therapeuten) sag dir einfach, dass du es wenigstens probieren willst.

du hast so viele gedanken und gefühle, die dein innerstes ausmachen, mitgeteilt, dass es mir schwer fällt anzuknüpfen. ich nehme mal dein letztes posting:

"Es fällt mir so schwer zu glauben, dass es Menschen auf der Welt gibt, denen tatsächlich etwas an mir liegt. Ich verschwende so viel Zeit und Energie, um Gründe zu finden, warum das nicht wahr sein kann. Anstatt es einfach zu akzeptieren. Warum kann ich mir nicht eingestehen, dass ich es wert bin? Warum kann ich mir keine Chance geben? Ich tue Menschen mit diesem Denken und meinem daraus folgendem Handeln (oder Nicht-Handeln) mehr weh, als wenn ich . . . einfach . . . So viele kleine Stimmen in mir, die zusammen so laut sind, dass ich nicht hören kann, was sich hinter ihnen verbirgt."

diese und ähnliche äußerungen zeigen mir ganz klar, dass die ursachen deiner erkrankung in der kindheit liegen müssen und auch du wohl daraus ein äußerst geringes selbstwertgefühl und wahrscheinlich sogar persönlichkeitsstörungen (ein schreckliches wort) entwickelt hast. das ist im grunde eine erste antwort auf deine warums.

die damit verbundenen denk- und verhaltensmuster sitzen so tief in deinem unterbewusstsein, dass du dich trotz rationaler erkenntnis nicht dagegen wehren kannst. du kannst nicht einmal richtig annehmen, wenn dir mitmenschen sagen, wie wertvoll du bist und wie sehr sie dich lieben.

was hast du als kind erfahren und erlebt? eher nicht, dass man- deine eltern- dich um deiner selbst willen geliebt haben, dir anerkennung und lob schenkten. herzliche und liebevolle umarmungen, drücken und streicheln dürften kaum zu deinem kindlichen erlebensbereich gehört haben.

und wahrscheinlich hat niemand in deinem umfeld wahrgenommen, dass du leidest. trost konntest du auch nicht erleben, denn du hast glelernt, deinen inneren schmerz zu unterdrücken und zu verbergen.

war das so oder ähnlich bei dir?

ich könnte noch einiges mehr beschreiben, was du eventuell bei dir wieder entdecken kannst. wenn dann konkrete geschehnisse noch hinzukommen, erübrigt sich da nicht die frage des warums?

wenn du über kindliche schicksale liest, hörst oder einen film siehst, die parallelen zu deinem aufweisen, wie ist dann deine reaktion: traurigkeit? aber auch empörung und wut? das drängende bedürfnis, dem leidenden kleinen wesen helfen zu wollen? ohnmacht, es nicht zu können?

es ist so irre, dass wir anderen menschen gegenüber die empathie aufbringen können, die wir uns selber nicht geben können.

du hast nicht gelernt, dich selbst zu lieben. das ist des pudels kern. ein solches psychisches defizit lässt sich nicht so einfach beseitigen. es wird wohl auch immer bleiben. du kannst aber lernen, dich der selbstliebe zumindest anzunähern. ja, das ist ein langer mühevoller prozess. er kostet kraft, arbeit, selbstüberwindung, mut, immerwährendes üben. und es bedarf professioneller unterstützung.

so komme ich zurück auf den anfang:

rufe deine weltbeste therapeutin an!!!

glg final
Katerle
Beiträge: 11296
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von Katerle »

Liebe Ein HausausStein,

wenn ich nochmal darüber nachdenke, war ich schon einigen so wunderbaren Menschen begegnet während meiner ganzen Laufbahn bis jetzt und ich denke und hoffe auch nicht, dass solche Menschen aussterben. Sie wird es immer geben :) Das gibt Hoffnung!

Herzliche Grüße
FönX
Beiträge: 3373
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von FönX »

Um sie zu finden, muss man sich drauf einlassen, jedem eine zweite oder gar dritte Chance zu geben. Wenn jemand das bei uns macht, sind wir ja auch dankbar.
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
payasa
Beiträge: 421
Registriert: 3. Sep 2014, 22:15

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von payasa »

Liebe HausAusStein,

die Frage, ob ich heute immer noch gegen Menschen ankämpfe, die mir helfen wollen muss ich mit einem klaren Jain beantworten.... Ich tu mir sehr schwer damit, Hilfe anzunehmen und ich glaube, ich bin nicht sehr menschenkompatibel, deshalb lebe ich ziemlich zurückgezogen mit meinem Hund - der mich zwingt, wenigstens ab und an nach draußen zu gehen.

Allerdings bin ich wieder in Therapie, weil ich so leide, weil ich "eigentlich" so nicht leben möchte. Dieser Stress, wenn ich auf Menschen treffe, ich schwitze, wenn ich im Supermarkt an der Kasse stehen muss, vorne jemand, hinten jemand - ich möchte ein normales Leben führen. Und ich WILL!!! Und ich werde an mir arbeiten und ich hoffe sehr, dass ich noch ein paar glückliche Jahre haben werde.

Und du willst auch, liebe Haus, deshalb hast du dich hier angemeldet, deshalb suchst du - auf welche Weise auch immer - Hilfe. Und ich hoffe sehr, dass du sie findest.
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von jolanda »

Hallo,

auch mich hat dein Text sehr berührt.
Bitte verzeiht, ich habe die Antworten teils nur überflogen. Vielleicht sage ich etwas, was andere auch schon gesagt haben.

Du bist ein genauso wertvoller Mensch, wie alle anderen auch. Das weiß wahrscheinlich auch ein Teil deines Verstandes, aber du fühlst anders.

Ich fühle auch oft so. Es ist total irrational. Ich spreche allen Lebewesen dieser Erde gleichermaßen ein Existenzrecht zu, das allein darauf beruht, dass es diese Lebewesen gibt. Gelichzeitig spreche ich mir selbst - die ich ja eigentlich auch dazu gehöre - dieses universelle Existenzrecht ab.
Es ist wirklich ein harter Kampf dagegen an zu gehen.
Ich hoffe, dass du ihn irgendwann gewinnst.

Deine Therapeutin schein für dich gut zu sein. Ist es nicht egal, ob du sie als Mensch oder/und als Therapeutin vermisst? Ihr Angebot steht, dass du dich melden kannst.
Ih drücke dir die Daumen, dass du es schaffst, denn sie kann dir bei diesem Kampf helfen.

LG, jolanda


------------------------------------------------------------------------

Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von jolanda »

P.S.

um allen Mut zu machen, die noch auf der suche nach Therapeuten sind. Es gibt mehr davon. Meine ist auch so :))


------------------------------------------------------------------------

Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
saneu1955
Beiträge: 2433
Registriert: 6. Jul 2014, 19:18

Re: Meine beste Therapeutin der Welt

Beitrag von saneu1955 »

Hallo EinHausAusStein:

auch ich kann dir nur sagen, melde dich bei deiner Therapeutin, sie hat dich nicht aufgegeben. Wenn sie dich so unterstützt hat, dann hat die Chemie zwischen euch beiden gestimmt, dann war auch das Gefühl von ihr da, dich unterstützen zu können.

Ich habe sehr ähnliches erlebt. Hatte schon viele Therapien hinter mir, nichts hat geholfen und ich wollte eigentlich nicht mehr. Dann wurde mir von meiner Neurologin eine Psychotherapeutin vorgeschlagen, ich solle es doch noch einmal versuchen. Und das war für mich die beste Entscheidung meines Lebens. Bis dahin habe ich immer mit dem Kopf entschieden, hier war es so, dass ich das erste mal auf meinen Bauch gehört habe, der mir sagte, das ist deine letzte Chance, der Kopf wiederum sagte mir, hau ab, da kommt etwas auf dich zu.
Ich habe es trotzdem gewagt und ich kann dir sagen, auch ich habe meine Therapeutin nicht geschont, im Gegenteil. Wenn ich heute daran zurück denke, schäme ich mich auch dafür.
Aber!!!! sie stand hinter mir, wie ein Fels in der Brandung. Und sie hat auch am Anfang gesagt, dass dies auch für sie eine Herausforderung wird, sie erahnte was auf uns zukam.
Ich habe bei ihr eine Psychoanalyse gemacht, habe alle Stunden genutzt. Dann war plötzlich Schluß und ich musste allein zurecht kommen. Das war eine harte Zeit.
Nach ca. 6 Jahren habe ich mich wieder an sie gewandt, da ich allein es nicht schaffe. Ja und nun mache ich wieder Therapie bei ihr auf einem völlig anderen Niveau.
Es wäre völlig absurd gewesen, woanders hinzugehen. Solche Therapeuten gibt es nicht so oft.

Ich möchte dich ermutigen, diesen Schritt zu gehen.

LG Saneu1955
Antworten