Wir Kinder der Kriegskinder

Sonnenblume14
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Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo,

mich lässt dieses Buch seit einigen Tagen nicht wirklich los. Ich habe es gelesen und es hat tief im Inneren einiges losgetreten.

Mir ist bewusst geworden, wie viele Muster von den Eltern übernommen werden. Verhaltensweisen, EInstellungen ... Einerseits kann ich meine Eltern und deren oft sehr konsequente Denkweise jetzt besser verstehen und akzeptieren. Aber es fällt mir schwer, das Thema bei ihnen zu lassen.

Ich erkenne, wie stark diese Muster auf mich abgefärbt haben, obwohl ich diese Einstellung gar nicht teile. Ich möchte viel freier leben, aber die Muster hindern mich. Es fällt schwer, sie abzustreifen.

Das Buch liess mich auch erkennen, wie wenig das Thema Krieg auch in unserer Familie thematisiert wurde. Ich wuchs bei meinen Großeltern auf und weiß doch nichts davon. Gern würde ich in das Thema weiter einsteigen, doch es macht mir gleichzeitig Angst. Angst, zu erkennen, was war? Angst, vorgefasste Meinungen über die eigene Familie revidieren zu müssen? Angst, auch in meinen Eltern und bei mir Gefühle auszulösen, die ich (noch) nicht bewältigen kann?!

Vielleicht findet sich ja jemand, der sich mit diesen Thematiken beschäftigt hat.

LG SOnnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Joerg Peter
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Joerg Peter »

Hallo Sonnenblume, wir in der ehemaligen DDR sind dazu erzogen wurden uns von Kindheit an mit dem Thema zu beschäftigen. Letztendlich ist es auch ein Teil unserer Geschichte. Aber nicht nur der 2. Weltkrieg.
Sondern auch der 1. Weltkrieg und die Kriege davor. Wir können Froh sein, dass wir schon so lange in Frieden leben.
Friedliche Grüße von Joerg Peter
Selea

Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Selea »

Hallo liebe Sonnenblume :) und hallo lieber Joerg Peter :)

Dieses Buch ist sehr klasse. Hab ich auch schon vor Jahren gelesen.
Es gibt einen Einstieg für uns ältere Generation, auch unsere Eltern, die so oft
in ihrer Härte und Schweigsamkeit zur Entstehung der Depression beigetragen haben.......ein wenig besser einordnen zu können.

Ich spreche gar nicht von verstehen oder von verzeihen.

Einfach einordnen. Das tut auch der Seele schon gut.


Es gibt ein weiteres herrlich gutes Buch.
Bettina Alberti: Seelische Trümmer. (geboren in den 50er und 60er Jahren)

Dieses Buch finde ich fast noch besser.

Und dieses Buch war auch sowas wie eine Biblio_Therapie für mich.

Zu beiden Büchern gibt es Threads. Boah.
Kann da vielleicht PUK :) oder Salvatore :) oder unsere Zarra :hello: da mal was hochzaubern?
Ich kriechs nich hin , Oldie :roll: :roll:

Leider haben diese Threads nie so einen Zuspruch gefunden.

Ich finde , wir alle können uns der Erkrankung "Depression" aus verschiedenen Sichtweisen annähern.
Und eine Sichtweise ist ganz sicher auch die Epoche, die Zeit, in die wir hineingeboren worden sind.

Liebe Gedanken für Sonnenblume und Joerg Peter
von
Selea
malu60
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von malu60 »

Hallo Zusammen,
danke für diese Buchtipps.
Mir geht,s immer" mehr" so,dass ich eine andere Sicht auf meine Eltern,
insbesondere Vater geb.22 Russlandgefangener ,zulassen kann.
Beide Eltern sind tot,aber ich will weiter verstehen (mich innerlich auch trösten),diese Zeit hat
viele junge Männer kaputt gemacht und leider somit auch Ihre Kinder ........
Wenn ich Doko,s sehe,bin ich ganz erstaunt,zu welchen Gefühlen ich fähig bin,Verständnis Mitgefühl....Wir wären nie auf einen Nenner gekommen,doch diese Gefühle tun mir gut.
Es ist ja dieses Erbe,der Kälte,was sich sonst immer weiter frisst.......
Ich werd mal sehen,ob es was für mich ist,mal reinlesen..... Schönen Sonntagnachmittag Malu
Leben ist mehr
Zarra
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Zarra »

Liebe Selea, meinst Du die? (u.a.!):

http://www.diskussionsforum-depression. ... ti#p449611
http://www.diskussionsforum-depression. ... ti#p427123
http://www.diskussionsforum-depression. ... ti#p449995
http://www.diskussionsforum-depression. ... ti#p236993
http://www.diskussionsforum-depression. ... el#p229520
http://www.diskussionsforum-depression. ... el#p460638
(Ich habe nicht alles nochmals überprüft - falls was Falsches dabei ist, bitte melden.)

Liebe Sonnenblume,

ich "wühle" da auch gerade wieder herum (nachdem ich wohl das Buch von Alberti schon 2011 (?) las, nachdem ich letzten Frühsommer ziemlich viel konkret recherchierte), lese zu "Transgenerativem" (mehr im Internet als in Büchern, weil ich dazu gar nicht komme, mir noch nicht sicher bin, was da für mich wirklich "lohnend" sein könnte) - ich weiß aber noch nicht, wie ich das insgesamt einordnen werde und vor allem für mich persönlich. Von daher kann ich dazu eigentlich nichts schreiben (bzw. belasse es bei "ungeordneten" Tagebuchüberlegungen). Außerdem glaube ich, daß man da schon sehr differenzieren muß und das Passende finden muß. Bei uns wurde z.B. geredet und im Verhältnis weiß ich wohl eine Menge von den Erfahrungen meiner Eltern (meine Großeltern habe ich nicht mehr kennengelernt). Und es ist auch unwahrscheinlich, daß ich echte "Familiengeheimnisse" entdecke. Es ist eher die Frage, was das für mich bedeutet - mehr auf der psychischen Ebene, jenseits von allem Historischen. Auch die Frage, was z.B. "Heimat" für mich ist oder warum es das so nicht gibt. - Puh, vielleicht das Falsche rausgepickt, keine Ahnung, ... das hat einfach zu vielfältige Aspekte in meinem Kopf.

LG, Zarra

EDIT: ... sogar Namenstippfehler findet man noch Tage später :?: :?: :idea: :roll:
Zuletzt geändert von Zarra am 15. Jan 2015, 13:37, insgesamt 1-mal geändert.
Joerg Peter
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Joerg Peter »

Immer nur Bücher darüber lesen...
Redet doch mal mit Euren Eltern oder auch Großeltern über derartige Erlebnisse. Falls diese Sie hatten. Ich habe in meiner Vergangenheit viel mit Menschen mich unterhalten, welche diese Kriegszeit mit erlebt hatten. Das gab mir einen ganz anderen Einblick in dieser schrecklichen damaligen Kriegszeit. Und glaubt mir, die hatten damals viel schwierigere Probleme im Bombenhagel. Und auch Depressionen und andere psychische Problem. Und keine psychische Medikamente ganz zu schweigen von Ärzten.
Zuletzt geändert von Joerg Peter am 11. Jan 2015, 18:51, insgesamt 1-mal geändert.
Selea

Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Selea »

:hello: Zarra,

ja, diese Threads meinte ich. Merci hierfür.
Zarra
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Zarra »

Hallo Joerg Peter,
Immer nur Bücher darüber lesen...
Ja - und nein. Erstens stirbt so langsam die Generation aus, die das noch bewußt erlebt hat. Zweitens gibt es ja u.U. Schwierigkeiten, mit den Eltern oder Großeltern darüber zu reden - siehe Sonnenblumes Anmerkungen. - Daß man diese Möglichkeiten (reale Kontakte) nutzen sollte, wo es möglich ist, finde ich eigentlich selbstverständlich.

Und außerdem muß man dann nochmals den eigenen "Standpunkt", auch emotionalen Standpunkt dazu finden. Doch vielleicht ist das auch nur mein Problem, WEIL meine Mutter viel erzählt hat (geb. 1926). (Meine letzte Großmutter starb allerdings, als ich zweieinhalb war.)
die hatten damals viel schwierigere Probleme im Bombenhagel
Ja, im ganz konkreten Vergleich stimmt das. - Aber es ist auch genau das, was man mir als Kind und Jugendlichen ständig gesagt hat - meine Gegenwart und meine Problemchen zählten nicht, weil meine Mutter eben sehr "in der Vergangenheit lebte". - ... und da könnte das an das anknüpfen, warum dieses allgemeinere Thema hier in einem Depressionsforum auftaucht.

... ob es hingegen gut oder schlecht ist, daß ich mir aufgrund dieser nahen Erzählungen manches sehr real vorstellen kann, weiß ich nicht.

LG, Zarra
Zuletzt geändert von Zarra am 11. Jan 2015, 23:43, insgesamt 2-mal geändert.
Sonnenblume14
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Sonnenblume14 »

Joerg Peter hat geschrieben:Immer nur Bücher darüber lesen...
Redet doch mal mit Euren Eltern oder auch Großeltern über derartige Erlebnisse.
Hast du eines dieser Bücher gelesen? Es geht ja nicht zwangsläufig um Erzählungen, sondern um die Bewertung und das Verständnis, dass viele der für uns unverständlichen sichtweisen und Handlungen aus den schrecklichen Erfahrungen dieser Zeit resultieren. (Als Beispiel sei nur einmal die übermäßige Bewertung von Immobilien genannt - hervorgerufen durch das Miterleben der Inflation) Beim Lesen verändert sich die Sichtweise, weil viele Dinge aus psychologischer Sicht erklärt werden.

Natürlich habe ich als Jugendliche mit meinen Großeltern gesprochen. Es gab einsilbige Antworten -womöglich stellt man im Alter von 15, 16 Jahren auch die falschen Fragen. Sie waren im 2. Weltkrieg bereits erwachsen. Ich kann mir den Großvater, bei dem ich aufgewachsen bin und den ich abgöttisch geliebt habe, aber nicht als Soldat vorstellen. Dennoch WAR es so. JETZT hätte ich viele Fragen.
Bleibt die Nachfolgegeneration, auch bereits im Rentenalter. Sie waren Kinder, haben vieles nur emotional wahrgenommen. Natürlich hatten sie andere Sorgen - und genau das ist der Punkt. Es blieb keine Zeit für Ängste und Emotionen. Es ging ums nackte Überleben. Wenn ich jetzt das Thema anspreche, bemerke ich viel Unverarbeitetes. Bilder, Szenen, die beschrieben werden, sind schlicht grausam und furchtbar. Sie konnten nicht verarbeitet werden - die Fähigkeit, Gefühle zu spüren , ihnen nachzugeben und Bedürfnisse zu äußern, all das ist dieser Generation größtenteils verwehrt geblieben. Wie sollten sie dies an uns Kinder (eben Kinder der Kriegskinder) weitergeben? Eine mögliche Erklärung dafür, warum wir diesen Ausgleich zwischen Pflicht und dem eigenen Ich erst mühsam erlernen müssen.

Umso schlimmer übrigens die Haltung einiger gegenüber den Menschen, die JETZT verzweifelt aus Kriegsgebieten hier Hilfe und Frieden suchen.

LG Sonnenblume
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Joerg Peter
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Joerg Peter »

Ja ich habe mehrere Bücher darüber gelesen. Und musste es auch von der Schule aus. Auch habe ich viele Filme und Dokumentationen darüber im Fernsehen gesehen. Auch meine Eltern (Kriegskinder) haben mir viel davon erzählt. Und auch ehemalige alte Arbeitskollegen von mir, die Selber im Krieg waren.

Aber ich finde auch das dieses Thema nicht in einem Depressionsforum rein gehört. Weil diese Vergangenheit letztendlich auch nicht sehr hilfreich für unsere Depressionen sind. Welche im heutigen Jetzt stattfinden.
Mir reicht es schon, wenn ich die jetzigen Nachrichten verfolge. Mit der ganzen Gewalt unter der Menschheit. Was zu Kriegen führt. So etwas dickert mich sehr. Dass ich davon sogar Alpträume bekomme.
Selea

Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Selea »

Guten Morgen lieber Joerg Peter :)

Du schreibst, dass du in der Schule hast Vieles lesen müssen zu den Themen 1. und 2. Weltkrieg.
Ja, das ist reine historische Information und gehört zu den Bildungsplänen.
Auch hast du Dokumentationen gesehen.
Gut finde ich auch, wenn du dich mit Menschen unterhalten hast, die Zeitzeugen waren/sind.

Wie Sonnenblume :) ja richtig bemerkt, sterben die Zeitzeugen allmählich aus.
Aber gesamthistorisch ist es doch wichtig, dass immer wieder "erinnert" wird.

Die hier in dem Thread genannten Bücher (auch bei den von Zarra reingestellten Links) handelt es sich um keine dokumentarischen Bücher, sondern um Bücher, die psychologisch, psychotherapeutisch ein wenig aufarbeiten und einordnen wollen.

Es wird davon gesprochen, dass die Greueltaten des letzten Weltkrieges sozusagen ein Trauma ist. Ein gesellschaftliches Trauma, ____ein transgenerationales Trauma .
Also ein Trauma, über Generationen hinweg eben.

Es kann einen schon sehr beschäftigen, ob der in der Kindheit heißgeliebte Opa,
möglicherweise ein Massenmörder war.
Es kann einen schon beschäftigen, ob der eigenen Vater im Krieg als Soldat andere Menschen hat töten müssen.

Es kann einen sehr beschäfigen, was die Flucht aus unseren Müttern gemacht hat, die Flucht inklusiver Vergewaltigungen etc.

Schließlich sind wir die Nachkommen dieser Menschen.

Die gesellschaftliche und familiäre Stimmung, in der wir in dieser Generation ( wir Ältere) aufgewachsen sind, die hat doch ihre Spuren hinterlassen.
Tiefe Spuren im Seelenleben.

Es geht meines Erachtens nicht darum, sich sachlich irgendwelcher Greueltaten bewusst zu werden. Das hat der Geschichtsunterricht *vielleicht* geleistet.
Sowohl in der Ex-DDR als auch in der BRD.

Es geht um menschliche Bewältigung für alle Familienbeteiligten.
Für mich sind diese Bücher heilsam.
Sehr heilsam.

Joerg Peter. Ich bin ganz bei dir, wenn du schreibst, dass du die ganzen Gewaltgeschichten, die sich täglich ereignen, in den Medien gar nicht mehr
lesen/ nachvollziehen möchtest.

Es gibt Tage, da lese ich auch keine Zeitung, oder sehe keine Nachrichten.
Weil es mir zuviel ist, was da an Negativem auf mich einströmt.

Ich glaube, das geht vielen Menschen so. Nicht nur denjenigen, die mit Depressionen zu tun haben.


Danke für die spannende Diskussion.
Selea
Sonnenblume14
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo,

eigentlich hat Selea mir aus dem Herzen gesprochen. Die Bücher gehören zur Literatur, zur psychologischen Literatur (jedenfalls sind sie in der Stadtbücherei dort eingeordnet) und setzen die Geschehnisse der Weltkriege als bekannt voraus.

Ich habe es etwas anders erlebt als du. Ich kenne Schweigen und Verleugnung als Reaktionen. Ich kenne Begeisterung für Jugendfahrten, die ich gern verstehen würde. Und ich möchte verstehen, weil die Menschen, die viel Schlimmeres mitgemacht haben, mit dem Leben zurechtkommen und ich, "die es ja richtig gut hat, im Wohlstand aufwuchs, nie Hunger litt etc pp" in Depressionen verfalle.
Diese Bücher sind die erste, die mir eine nachvollziehbare Erklärung dafür gegeben haben. Die Depression ist im Jetzt. Ja. Das Verstehen liegt -vielleicht- zum Teil in der Vergangenheit.

Darüberhinaus kann ich so meine Enttäuschung und Wut über manche Entscheidungen meiner Eltern in andere Bahnen lenken. Ich kann die Wertigkeit mancher Dinge verstehen, mit dem strukturierten, rationalen (unemotionalen) Handeln meiner Eltern besser umgehen. Vielleicht irgendwann diese Eigenschaften bei ihnen lassen und selber etwas in meiner Sichtweise ändern. Im Sinne von "materielles anhäufen mag gut sein, aber für MICH ist es kein Lebensziel mehr."

die heutigen Nachrichten zeigen, dass die Menschen nicht daraus lernen. Es ist furchtbar und es ist leider real. Ich verfolge die Nachrichten (das ist bereits beruflich notwendig) und bemühe mich, es nicht an mich heran zu lassen.

Vor einem halben Jahr hätte ich übrigens diese Bücher noch nicht lesen können, es hätte mich weit überfordert. Wir alle hier sind in unterschiedlichen Stadien und gehen unterschiedlich mit den Depressionen um.

LG Sonnenblume
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Frauhamster
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Frauhamster »

Hallo!

Ich kann mich der Meinung überhaupt nicht anschließen, dass dieses Thema nicht in ein Depressionsforum gehört. Bei mir ist es intensives Therapiethema, denn teilweise rühren meine Depressionen daher, dass meine Eltern ihre unverarbeiteten Kriegstraumata an mich weitergegeben haben - unbewusst natürlich. Meine Eltern waren damals kleine Kinder, die jeweils ihren Vater und ihre Heimat verloren haben. Und nie haben sie es verarbeiten können. Es ist doch völlig klar, dass da vieles ungefiltert an die eigenen Kinder weitergegeben wird. Und natürlich bin ich in meiner Generation nicht die einzige, der es so geht.

Unsere Depressionen finden zwar jetzt statt, aber bei vielen von uns (sicher nicht bei allen) haben sie ihren Ursprung doch viel früher. Wo sollen wir denn dann mit der Verarbeitung beginnen, wenn nicht da?

Liebe Grüße von der Hamsterin

Wer das Glück nicht entlang des Weges sieht,
findet es auch nicht am Ende des Weges. (Hartmut Lohmann)
Zarra
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Zarra »

Hallo,

ich kann Sonnenblume und Selea nur zustimmen.

Außerdem merke ich immer mehr, daß die Anregungen, Anstöße durch Bücher o.a. gut sind (weil man sonst vielleicht gar nicht darauf käme), daß aber vermutlich jede/r selbst schauen muß, was für sie/ihn inwieweit und wie zutrifft. Dinge können sich da auch schnell sehr unterscheiden, obwohl sie oberflächlich ähnlich aussehen. Ich sah, was der vierjährige Altersunterschied (und eine andere Umgebung?) in bezug auf die Wahrnehmung des Krieges bei meinen Eltern ausmachte (meine Mutter war die ältere). Nur als kleines Beispiel.

Ich habe auch lange gesagt, daß doch zig Menschen betroffen sind ... und ja nicht alle von denen oder gar deren Nachkommen von Depression oder anderweitig von psychischer Krankheit betroffen sind. Und wenn es sich nicht um die krassesten Traumata handelt ... Das stimmt ja auch. Aber es KANN ein Puzzleteil sein. Kinder von echten KriegsKINDERN wissen vermutlich wenig, wenn die Großeltern nichts erzählt haben oder nicht mehr da waren. Historische Geschichte ist das eine. Das ist aber nicht sinnlich. Oder selten.

Alles, was mir von meiner Mutter direkt oder vor allem indirekt vermittelt wurde, habe ich ja als normal erlebt - da war dann eher das Erstaunen groß, daß Gleichaltrige mit viel jüngeren Eltern übriggebliebenes Essen ohne mit der Wimper zu zucken wegwarfen (sicher nicht alle und das ist auch nicht zu verallgemeinern; aber ich fand z.B. auch immer eher Nachvollziehbares bei um ein paar Jahre Älteren - deren Eltern vermutlich eher das Alter meiner Eltern hatten). Oder wenn heute jemand anders das Wort "traumatisiert" (im mittleren Sinne) für die eigene Mutter verwendet. Und ich weiß durch meine eigenen Reaktion auf manches, daß ich nicht so "unbelastet" reagiere, wie ich es aufgrund meiner faktischen Lebensumstände "müßte"; - auch wenn es übertrieben klingt: manches fühlt sich zumindest teilweise so an, als ob ich das Erzählte meiner Mutter miterlebt hätte, nicht nur auf der Vorstellungsebene, sondern auch "körperlich".

Und manche Bereiche waren meinem Erleben und meiner Erinnung nach gesellschaftlich eher "tabu" - ich bin in einer Siedlung mit fast nur Heimatvertriebenen aufgewachsen. Das wurde damals aber kaum thematisiert, jedenfalls nicht in einer für Jugendliche konstruktiven Weise. Es wollten ja auch alle dazugehören; und es war ja innerhalb eh bunt gewürfelt aus allen möglichen Ländern, was es nicht einfacher machte, sondern vielleicht sogar auch manche Abschottung verständlicher erscheinen läßt, die ich nicht nachvollziehen konnte. Und inzwischen finde ich schon, daß das zumindest einen Teil meines Fremdheitsgefühles erklärt, auch erklärt, warum ich eigentlich erst mindestens erwachsen werden mußte, um halbwegs sagen zu können: "Ich bin ...". Vorher stimmte nichts.

"Sinnlichkeit": Ich kannte die Erzählungen meiner Mutter. Die waren früher sicher auch mit Zeitangaben. Doch da war ich wahrscheinlich zu jung. Als ich im vergangenen Jahr nochmals per Zufall in einem amtlichen Dokument die ganzen Stationen und die Länge (! - ich glaube, fast zwei Jahre, bevor überhaupt ein neuer Ort etc. ...) der Ungewißheit (!) am Ende des Krieges in einem prägenden Alter (ca. 18-20) so deutlich vor mir sah ... und ich mit meinem Aufbruchswillen zu jener Zeit vergleichen konnte, bekam das einfach nochmals eine andere Dimension.

... puh, und ich merke, wie ich mich mit den Formulierungen bei diesem Thema schwer tue - vermutlich weil da in mir einiges noch rumort und gärt und sich erst noch sortieren muß.

Zarra
Frauhamster
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Frauhamster »

Joerg Peter hat geschrieben:Immer nur Bücher darüber lesen...
Redet doch mal mit Euren Eltern oder auch Großeltern über derartige Erlebnisse.
Wenn das überhaupt noch möglich ist, dann ist auch das mit Vorsicht zu genießen. Meine Mutter hat ihr gesamtes Kriegstrauma sauber abgespalten und erinnert sich so gut wie gar nicht. Und da bin ich seeeeeeehr vorsichtig mit gezielten Fragen. Ich möchte da nichts hoch holen, was meine Mutter nachher gar nicht verarbeiten kann. Etwas weiß ich von meiner Großmutter, aber damals war ich noch zu klein für gezielte Fragen. Von meinem Vater weiß ich gar nichts, und da kann ich niemanden mehr fragen.

Liebe Grüße von der Hamsterin

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JanetWeiss
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von JanetWeiss »

Hallo,
ich möchte nur mal kurz einwerfen, dass ich eure Diskussion hier superinteressant finde, und meiner Mutter (geb. 1952) die Bode-Bücher zum Geburtstag schenken werde. Da es ihren Eltern (geb. 1928 und 1929) schlechter geht, kommt bei ihr gerade vieles aus ihrer Kindheit/Jugend hoch, und ich hoffe, dass die Bücher ihr vielleicht helfen, wenigstens ein bisschen zu verstehen, warum sich meine Großeltern so und so verhalten haben.
Meine Großeltern haben nämlich nur meiner Schwester und mir aus der Zeit berichtet, mit ihren eigenen Kindern haben sie nie darüber gesprochen - so war es wohl häufig.

Habt alle einen schönen Abend
J a n e t

Ever tried...Ever failed...No matter...Try again...Fail again...Fail better. Samuel Beckett
Zarra
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Zarra »

Hallo Janet,

darf ich neugierig fragen, wie das war, als Deine Großeltern erzählten? Machten sie es "gern"? Oder eher "widerwillig"? Euch beiden zusammen, oder auch einzeln? Weil Ihr nachfragtet? Oder weil es einen Anlaß gab? Oder ...?

LG, Zarra
JanetWeiss
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von JanetWeiss »

Liebe Zarra,

meine Schwester und ich waren da maximal im Grundschulalter. Ich weiß auch gar nicht mehr, wie es angefangen hat, jedenfalls haben wir vor allem meinen Opa nahezu begeistert immer wieder (z.B. bei Spaziergängen) aufgefordert, "vom Krieg" zu erzählen. Das schloss natürlich auch Erzählungen von der Zeit davor ein. Für uns waren seine Geschichten glaube ich auch besonders spannend, da er aus Ostpreußen stammt, und das dann wie eine "Welt, die es nicht (mehr) gab", war. Er hat alles immer sehr positiv dargestellt, auch die Fronteinsätze und die Kriegsgefangenschaft usw. Es war immer ein bisschen wie Märchenstunde.
Meine Oma hingegen hat uns zwar auch vieles erzählt, besonders vom BdM, aber als sie mal von einem Bombenangriff berichtete, da habe ich schon gemerkt, dass das für sie nicht so einfach war.
Manchmal war es wohl auch so, dass meine Mutter uns ermunterte, weiter zu fragen, damit sie auch mal etwas erfährt.
Meine anderen beiden Großeltern (geb. 1919 und 1920) haben von sich aus nichts erzählt. Irgendwann, da war ich aber schon viel älter, evtl. sogar schon um die 20, forderte meine Oma mich dazu auf zu fragen, aber das habe ich dann so gut wie nie getan, was ich jetzt sehr bereue.

Hab einen schönen Abend
J a n e t

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Joerg Peter
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Joerg Peter »

Genau, jetzt bereut man es. Man bereut nur dass, was man nicht gemacht hat.
Zarra
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Zarra »

Danke, Janet!

Joerg Peter, sorry, aber ich frage mich, was der Kommentar soll. Schlechtes Gewissen - gegenüber wem? - erzeugen? Die Großeltern irgendetwas doch eher Unbestimmtes nicht zu fragen, stellt meines Erachtens kein Verbrechen dar. - Und vielleicht sind "wir" zu vorsichtig. Doch ich glaube durchaus, daß es auch sein kann, daß man bereut, etwas getan zu haben, gefragt zu haben. - Außerdem läßt sich eh nie alles erfahren. Und was die Erinnerung im Laufe der Zeit mit dem Erlebten gemacht hat, ist - unabhängig von halbbewußten und bewußten Umformungen und Auslassungen - auch noch mal etwas anderes. Von daher sind das eh alles nur Bruchstücke. Bruchstücke, die vielleicht zum Verständnis helfen können. Bruchstücke, die aber auch verstören können und die u.U. verkraftet sein wollen - von beiden Seiten.

Zarra
Joerg Peter
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Joerg Peter »

Hallo Zarra, und dabei ist das Alles auch schon so lange her. Nach dem Krieg waren Sie nur Alle froh, dass es endlich vorbei ist. Da hieß es nur: "Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zu gewandt". :)
Letztendlich waren Sie froh, dass jeder in Frieden wieder seine Arbeit nach gehen konnte. :idea: Und Arbeit lenkt in der Regel auch ab. So war es auch bei meinen damaligen Kollegen. Manche waren zwar auch mehr oder weniger etwas traumatisiert. Aber deswegen waren Sie auch nicht unbedingt Depressiv. ;)
Verstehe die Thematisierung dieses Themas hier aus bereits oben genannten Gründen auch nicht. :?:
------Wer keine Probleme hat, der macht sich eben welche...----- :roll:

Mit Depressionen heutiger Zeit wie hier in diesem Forum behandelt wird, hat das jedenfalls wenig zu tun. :(
Der 2. Weltkrieg ist am 8. Mai bereits seit 70 Jahren zu Ende. :D
Dies wollte ich am Ende nur noch einmal erwähnen. Denn es kann ja auch sein, das es in Deutschland mit dem Kriegsende noch nicht überall so angekommen ist. :idea: ;)
Damit ist aber auch für mich das Thema hier jetzt abgeschlossen. :!: Sonst verrennt man sich hier noch total für nichts und wieder nichts. :oops: Sollte mich jetzt hier jemand falsch verstanden haben, dann möchte ich mich schon jetzt dafür entschuldigen. :idea:
Liebe Grüße von Joerg Peter :hello:
Amy1680
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Amy1680 »

***
Zuletzt geändert von Amy1680 am 30. Mär 2016, 17:16, insgesamt 1-mal geändert.
Sonnenblume14
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo,

@Jörg Peter: Da machst du es dir etwas zu einfach. Sicherlich ist nicht der Krieg die Ursache aller heutiger Depressionen, aber die Eltern/Großeltern haben durch ihre Traumatisierung Verhaltensweisen und Muster entwickelt, die wir übernommen haben. Für die waren die Traumata so extrem, dass etwas anderes gar nicht möglich war. Du hast schon recht: die haben gearbeitet, etwas geschaffen und alles andere abgespalten. Bei einigen bricht es jetzt hervor, wo sie im Alter zur Ruhe kommen. Man kann das natürlich nicht verallgemeinern.
Bei unserer Generation (die Kinder der Kriegskinder) funktionieren diese sachlichen Verhaltensweisen aber nicht mehr - wir erleben vage Gefühle, dass etwas nicht stimmt, können die nicht zuordnen, weil UNS die Informationen dazu fehlen. Gleichzeitig gibt es einen Konflikt, denn man weiss verstandesmäßig, dass man von den Eltern geliebt wird, viele waren aber nicht in der Lage, diese Gefühle zu leben und zu zeigen.
Es kann ein Grund für heutige Probleme sein - man sollte das nicht hochspielen, aber wer verstehen möchte, kann hier natürlich mal nachfragen.

Es geht auch nicht um Schuldzuweisungen oder ähnliches, es geht um Verstehen. Und in meinem Fall auch um Überlegungen, wie man aktuell den Menschen (jungen Kriegsflüchtlingen) helfen kann.


@Frau Hamster: Genau das befürchte ich auch. Dass ich mit nachfragen Wunden schaffe und verletze. Daher bin ich sehr vorsichtig. Allerdings erzählt meine Mutter (Jahrgang 1937) jetzt öfter von den Kriegsjahren, von Ängsten. Und das ist heftig, selbst für mich.

Erzählungen: Ich habe das genauso erlebt, wie hie r beschrieben wurde. Die Erlebnisse werden überwiegend positiv dargestellt. Meine Großeltern sind lange tot. Von meinem Großvater weiß ich nur, dass er die Bevölkerung als Besatzer mit Brot versorgt hat - die leute haben ihn sogar später wieder ausfindig gemacht und besucht - an diesen Besuch erinnere ich mich noch gut. Aber damuss ja noch mehr gewesen sein ... Meine Großmutter hat Fragen nach der Judenverfolgung vehement bestritten "wir haben nichts gewußt" ... auch das kann nur ein Teil der Wahrheit sein. Fragen kann ich sie nicht mehr, meine anderen Großeltern habe ich bewusst nicht erlebt, Großvater und Onkel sind in Stalingrad gefallen. Auch dazu gibt es keine Erzählungen, mein Vater redet nicht darüber.
Meine Mutter hat das Buch von Sabine Bode gelesen. Aber Rückschlüsse auf Handlungsweisen oder gar auf Erziehungsmuster bei mir kann und mag sie offenbar nicht ziehen.

LG Sonnenblume
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Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Zarra »

Liebe Amy,

das ist in Analogie genau das, was "verrückt" macht (erst mal als "Beunruhigung", noch nicht erst mal als Wegöffner für psychische Krankheit). Denn Ausgeschlossenwerden - wie grausam! - und Nicht-Wissen eröffnen der Fantasie Tür und Tor, ... und ich befürchte, daß diese oft schlimmer als die Wirklichkeit sein kann; vor allem kann man sich mit einer Wirklichkeit als Wirklichkeit auseinandersetzen, da ist dann was "Greifbares", solange es nur eine potentielle Potentiell-Möglichkeit ist, verpufft da jede "Angriffsfläche" auch ganz schnell wieder.

Gab es in Deinen Therapien oder Beratungen nie Angehörigengespräche oder Gespräche gemeinsam mit Angehörigen bzw. vor allem: könnte es zukünftig solche eine Möglichkeit geben?! Denn in Deinem Fall geht es ja vermutlich nicht darum, daß Du aus dritter Hand etwas erfährst, sondern daß Deine Mutter (Deine Eltern?) Dich ernst nehmen und mit Dir reden. Ich könnte mir gut vorstellen, daß dies vielleicht aus einer Angst heraus und weil man Dich schonen wollte, entstand; und vielleicht braucht es da das Ansprechen von außen, daß Deine Mutter erkennt, daß dies nicht (mehr) angebracht ist. Ich wünsche Dir sehr, daß sich dies ändern läßt, wenn vermutlich auch nur schrittweise und langsam.

LG, Zarra
Selea

Re: Wir Kinder der Kriegskinder

Beitrag von Selea »

Hallo miteinander :)

Joerg Peter :) , klar, es steht dir frei, mit diesem Thema umzugehen, wie du möchtest.
Du musst nirgendwo mitdiskutieren, wenn du meinst, es betrifft dich nicht.

Vielleicht betrifft es dich wirklich nicht, oder noch nicht oder vielleicht irgendwann mal viel später taucht das Thema noch einmal auf.

@all :)
In den Systemischen Therapien, also bei Familienaufstellungen, die ja auch oft in den Kliniken gemacht werden, ist das Verständnis von uns Menschen schon so, dass wir uns in Systemen bewegen. Am Arbeitsplatz, in der FAmilie u.s.w.
Und bei der FAmilie gehören halt auch Eltern und Großeltern, eigene Kinder, andere Verwandte dazu.

Und je nachdem, wie nah ein Elternteil am Kriegsgeschehen war, also wie direkt ein Trauma oder Traumata erlebt wurde/wurden, das prägt möglicherweise auch den Umgang damit.
Je näher dran, umso grausamer und schlimmer.

Wenn ich z.B.nur von einem Autounfall höre, der hier um die Ecke passiert ist, und ich kenn den Nachbarn kaum, der tödlich verunglückt ist, lässt sich schnell wieder Distanz aufbauen. Iss ja auch gesund so.
Wenn ich aber den Autounfall als Augenzeuge miterlebt habe, das Sterben des Nachbarn, dann braucht das Verarbeiten viel länger.

Mittlerweile sind ja die Kriegstraumata sogar in die Ausbildung für Altenpflege
integriert worden. Weil grade dann im Alter, wenn körperliche und geistige Kräfte nachlassen, oft die Verdrängung nicht mehr gut funktioniert, und solche Traumata bei den Hochbetagten wieder qualvoll auftauchen.
Z.B. kann sich dann oft eine im Krieg vergewaltigte Frau, nicht von fremden Menschen im Genitalbereich waschen lassen........und wie man dann damit als Altenpflegerin umgehen kann etc.

Das weiß ich so genau von einer ehemaligen Nachbarin in meinem ehemaligen Stadtteil, die die mittlerweile sehr anspruchsvolle Ausbildung in Altenpflege gemacht hat. Die hat mir die Pläne etc. etc. gezeigt.

Dadurch, dass meine Mutter ein stolzes Alter erreicht hat, sie ist im 94._____
hat sie mir wieder und wieder Vieles erzählt. Das ich dann mit Erwachsenenaugen betrachten konnte.
Ich bin die Stätten abgefahren, wo sie mit ihrer Mutter als Kriegsflüchtling gestrandet ist, ich habe mit den Kindern der Bauersfamilie, wo sie untergekommen ist, einen Zeitungsartikel mit Bildern verfasst, der dort sogar in der Örtlichen Zeitung veröffentlicht wurde.
"Wie aus Flucht Freundschaft wurde".

Sogar mit meinem älteren Bruder bin ich diesbezüglich gut ins Gespräch gekommen, nachdem er auch das Buch "Seelische Trümmer" gelesen hat.
Wir in dieser Generation haben nämlich schon ganz spezifische Ängste und Verhaltensweisen, die einfach mit unseren Kriegseltern zu tun haben.

Für mich hat es auch etwas Beruhigendes, dass ich sehr wohl Teil eines Ganzen bin.
Und dass es bei Gott vielen Menschen so ergangen ist wie mir.

Dies ist meine Meinung. Und niemand muss die teilen.
Man darf sich aus jedem Thread auch wieder herausziehen.

Danke für die vielen interessanten Beiträge.


Eure Selea
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