Feindbilder ...

Cyranoo
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Feindbilder ...

Beitrag von Cyranoo »

Hallo in die Runde,

in der vergangenen Woche war ich auf der Schulfeier meiner Nichte. Vieles, was ich gesehen habe, hat mich angewidert, ich hatte das starke Bedürfnis, einfach nur weg zu sein.

Denn da waren Alpha-Eltern und Alpha-Kinder, also solche, die sich in Szene setzen, die den Ton angeben, die andere kritisch mustern.

Hat mich alles an meine Schulzeit erinnert, als ich in der Ecke stand, gemobbt wurde, kritisch gemustert wurde.

Ich konnte nur denken: Ich hasse diese Menschen, ich hasse Rangordnungen, ich hasse diese Welt.

Habt Ihr auch "Feindbilder", also Personentypen, die euch ein Stück weit in die Depression "geholfen" haben? Würde mich einfach interessieren ...
FönX
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von FönX »

Hallo Cyranoo,

ich finde es wenig hilfreich, die Schuld für seine Depressionen in solchen Personen zu suchen und zu manifestieren. Solche Alphamännchen gibt es sicherlich. Aber was hilft es dir, dich über diese Typen aufzuregen?
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
payasa
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von payasa »

Ich finde das sehr wenig hilfreich, jemandem zu sagen, was nützt es dir, wenn du dich darüber aufregst? Toll, wenn du das nicht machst,FönX, das ist mit Sicherheit gesünder, aber in Cyranoo gibt es eben diese Gefühle. Was kann ihr/ihm helfen, sie nicht zu haben? Welche Techniken gäbe es? Das wäre hilfreich! Ich persönlich würde mich sofort mies fühlen mit dieser Aussage.
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
Haferblues
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Haferblues »

Hallo Cyranoo,

erstmal: gratuliere, dass du überhaupt aus dem Haus gegangen bist. Deine Nichte hat sich bestimmt gefreut.

Ich kenn solche Situationen auch. Es überschwemmt einen geradezu die alte Erinnerung. ABER: diese alten Sachen sind vorbei. Du hast überlebt - also über diese Alpha-Tiere letztlich triumphiert. Wer weiß ob einer von denen ähnliche Scheiße überstanden hätte.

Ich finde den Gedanken von Fönx nicht so verkehrt. Was bringt es DIR, deine Energie in Hass auf solche Leute zu verschwenden??? Hass ist eine starke Energie, die dich aber an deine Hassobjekte fesselt. Und das "hilft" dir letztlich immer weiter rein in die Depression. Die Hassobjekte selber haben nix von dieser Energie. Auf die hast du keinen Einfluss.

Du kannst aber dein eigenes Denken und Fühlen ein Stück weit selbst steuern. Genau wie du denen durch deinen Hass im Grunde nix antun kannst, so können die dir heute durch ihr Getue auch nicht mehr wirklich schaden. Es sei denn, DU lässt das zu.

Ich finde solche besch..... Anlässe immer eine gute Gelegenheit, über das eigene Verhalten und Denken zu reflektieren. Manchmal kommen da erstaunliche Erkenntnisse raus. Manchmal leider auch nicht.

Ich hoffe, wir können hier weiter an deinen Gedankengängen teilnehmen. Ich finde, du bist ein sehr interessanter Mensch.

Grüße
Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
Brummi59
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Brummi59 »

Hallo Cyranoo,

grundsätzlich finde ich es gut über Gefühle zu reden/ schreiben.
Allerdings kann es hier im Forum auch zu Streit führen, weil sich Jemand, auf den eine Beschreibung paßt, angegriffen fühlen könnte.
Während meiner Traumatherapie bin ich über die Stationen Angst, Unterlegenheit, Verfolgung, Schuld, Selbstzweifel auch beim Hass gelandet. Ja, ich hasse meine Peiniger von damals abgrundtief.
Ich versuche dann immer Gegenzuhalten. Was habe ich was Die nicht haben. Was war damals anders als Heute. Damit kann ich meinen Hass ganz gut abdämpfen und komm wenigstens zur Verachtung. Ich ziehe sie in meinem Kopf ins Lächerliche.
Als Selbständiger hatte ich einige Kunden, die vor Eitelkeit bald geplatzt sind. Denen konnte ich nie in die Augen sehen. Ich habe dann auf die Stirn geschaut. Der Gegenüber weiß das nicht und glaubt an Deine Selbstsicherheit. Die Hände waren im Rücken verschränkt und mit dem Mittelfinger hab ich mir die Wirbelsäule gekratzt :oops:
Hass ist zu anstrengend. Denk mal zurück an die Schulfeier. Wie verkrampft hast Du da gesessen. Wieviel Kraft hast Du verschwendet, nur um diese Personen zu beobachten. Dabei haben die garantiert Eigenschaften oder Kleidungsstücke (z.B.), die Dich zum Lächeln hätten bringen können.
Liebe Grüße
Dieter

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JanetWeiss
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von JanetWeiss »

Cyranoo,

oh, das kenn ich!!! Ich schreibe jetzt nicht, was ich in der Vergangenheit mit solchen Menschen in Gedanken gemacht habe, es war nicht nett.
Mittlerweile schaffe ich es, meine Gedanken abzulenken, mir zu überlegen, was könnte bei denen "nicht stimmen". Das geht gut über Äußerlichkeiten (Pickel, Speckbauch, Bluse sitzt nicht, Schweißfüße quellen aus den Sandalen etc.) oder so etwas wie er/sie bekleckert sich, stolpert, tritt in Hundescheiße oder so. Wenn es jemand ist, mit dem ich mich leider länger befassen muss, kann ich mir auch ein Szenario ausdenken, in dem er/sie grandios scheitert. Das ist auch nicht nett, aber die freundlichere Variante als die vorherige. Niemand ist perfekt...Vor allem, was sind es für Leute, die ein Theater aufführen, damit alle denken, sie wären die Supereltern?? Wenn sie es wirklich wären, müssten sie das nicht tun. Dann wüssten sie es und vor allem ihre Kinder wüssten es auch. Und was mit denen passiert, die von Kleinauf auf Perfektion getrimmt werden...
Ich hoffe, man versteht einigermaßen, was ich meine.
Brummi, deinen Mittelfinger an der Wirbelsäule finde ich sehr gut!!!! :lol:

Habt einen guten Tag
Janet
J a n e t

Ever tried...Ever failed...No matter...Try again...Fail again...Fail better. Samuel Beckett
Cyranoo
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Cyranoo »

Liebe Forumsgenossen,

ich danke euch für eure Antworten.

Ich denke, ich hätte besser erklären müssen, warum mich das eingangs geschilderte Ereignis so beschäftigt (hat).

Meine Kindheitserfahrungen sind lange vergangen, das ist richtig. Aber das bedrückende Gefühl in der vergangenen Woche war so überwältigend, dass ich gemerkt habe, dass das Erlebte für mich hochaktuell ist.

Hochaktuell deshalb, weil ich (wieder) gemerkt habe, dass manche Menschen eine subtile Form sozialer Kontrolle ausüben, der man sich nur schwer entziehen kann (indem man z.B. in eine Nische ausweicht und auf Entfaltung verzichtet) und deshalb, weil meine Nichte - das war zumindest mein Eindruck - ähnlich isoliert ist wie ich es damals war.

Besonders weh hat es getan, zu sehen, dass sie sich eine halbe Stunde an ein Wurstbrötchen geklammert hat, anstatt mit den anderen zu spielen, weil niemand mit ihr spielen wollte. Ich wollte in dem Moment einfach nur weg, dorthin, wo es niemanden gibt, keinen Menschen, keine Kontakte, keine Hoffnungen und keine Enttäuschungen, einfach nur wieder mit mir allein und dann fiel mir auf, dass ich es ja jetzt zwanzig Jahre so gemacht habe. Vor allem, um diesen Sozialkontrolleuren aus dem Weg zu gehen.

Ich bin schwach, ich bin feige. Sonst würde ich meiner Nichte helfen, ihr beistehen, ihr Mut und Freude vermitteln. Mut, sich auch zu zeigen, auf sich aufmerksam zu machen, Kontakte zu suchen. Stattdessen ducke ich mich weg, will nie wieder etwas mit diesem Thema zu tun haben. Weil ich es selbst nicht kann. Anschluss finden.

Es war vielleicht falsch, von Hass zu schreiben. Aber ich wollte auch einmal ehrlich sein. Ich habe viele Jahre die Schuld immer bei mir gesucht und alles und jeden entschuldigt, aber das bringt mich auch nicht weiter. Ich weiß, dass diese (und alle anderen Menschen) keinen Hass verdienen und dass es meine Unzulänglichkeit ist, die den Hass auslöst, aber gerade deshalb war es für mich wichtig, diesen Hass zu erkennen.

Schließlich ist es mir erst seit ein paar Wochen wieder möglich, überhaupt etwas zu fühlen, nachdem ich immer wieder lange Phasen habe, in denen ich innerlich kalt und tot bin.

Ich habe vor einigen Wochen eine ehrenamtliche Tätigkeit übernommen, einen ersten Termin für eine neue ambulante Therapie hatte ich auch und so gerät doch ein bisschen etwas in Bewegung. Da wirft dieses beklemmende Gefühl (ich muss weg, ich halte es hier nicht aus, nie wieder gehe ich in so eine Situation) für mich schon die Frage auf, ob überhaupt irgendetwas noch einen Sinn macht.

Wenn man das Gefühl hat, an allem im Leben zu scheitern, sogar an dem bloßen Zusammensein mit anderen und eigentlich immer das Gefühl hatte, nicht in diese Welt zu passen. Ich denke, ich muss mir einfach eine Nische suchen. Meine Nische, in der mein Leben ein bisschen lebenswerter sein kann.

Den Hinweis, dass bei solchen "Alphatieren" längst nicht alles in Ordnung ist, finde ich richtig und wichtig. Ein Kind, dass von klein auf auf Leistung getrimmt wird, ist sicher auch nicht nur glücklich. Erfolgreich ja, aber nicht unbedingt glücklich. Von daher entschuldige ich mich bei all denen, die vielleicht selbst Opfer strenger Eltern sind, mir ging es um meine Wahrnehmung und ich weiß, dass sie sehr subjektiv und sehr krank ist.

Mich hat eben nur beklemmt, wie manche ganz selbstverständlich die besten Tische einnehmen, die anderen kritisch mustern und bestimmen, wer dazu gehört und wer nicht.

Vergesst das Thema am besten wieder, es war keine gute Idee, das öffentlich zu machen.

Danke nochmal für alle Antworten. Ich habe alles sehr aufmerksam gelesen.
Brummi59
Beiträge: 979
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Brummi59 »

Hallo Cyranoo,

es war sehr wohl eine gute Idee. Letztendlich hast Du Tips für solche Situationen bekommen.
Auch ich bin ein Außenseiter, Einzelgänger und denke mitunter das ich sogar eine Sozialphobie habe. Deswegen war der harte Job als Fernfahrer mir wie auf den Bauch geschneidert. Ich hätte in einem "normalen" Beruf locker das Doppelte verdienen können aber dann hätte ich mich solchen "Übermenschen" unterordnen müssen. Dieses Fahrradsystem liegt mir einfach nicht.
Und kommt es doch einmal zu Situationen wo es mich graut, dann helfen mir meine antrainierten Strategien.
Liebe Grüße
Dieter

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Botus
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Botus »

Wie wäre es, wenn Du ab und zu mal die Umgebung wechselst ?

Ich verordne mir alle 14 Tage am WE eine Tour von ca. 1200 km, bei der ich Ware an Kunden ausliefere und ihnen dabei noch zusätzliches verkaufe. Ich muss das nicht machen. Ich mache es nur aus Spaß und weil ich hier weg möchte. Dann fahre ich Samstags morgens um 6 Uhr los und komme so spät wie möglich wieder. Wenn man weg ist von dem ganzen Scheiß, der einen unglücklich macht, geht es einem gleich viel besser. Die fremde Umgebung wirkt schön und anregend, die dortigen Menschen wirken nett und das zusätzlich eingenommene Geld wirkt auch bereichernd.

Vielleicht gibt es ja auch in Deinem Leben eine Möglichkeit, ab und zu die Tasche zu packen, Abstand zu gewinnen und dabei sogar noch etwas Sinnvolles zu machen. Bei mir funktioniert es wunderbar. Ich bin schon Freitags happy, wenn ich mein Auto für die Tour putze und mit Ware belade.
Haferblues
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Haferblues »

Hallo Cyranoo,

ich finde es gut, dass du dieses Thema aufgebracht hast. Und ich finde auch nicht, dass deine Hassgefühle unberechtigt oder krank sind. Gefühle sind halt nu mal da. Die Frage ist ja nur: was machst du jetzt mit dieser Energie?

Du hast Mitgefühl mit deiner Nichte. Du willst nicht, dass sie dasselbe durchmacht wie du das musstest. Du bist wütend auf Leute, die ein Kind ausgrenzen und denen es scheißegal ist was sie damit anrichten. Das klingt für mich nach ziemlich gesunder Reaktion.

Ich kann solche Leute auch nicht leiden. Mir geht da auch der Hut hoch. Wäre schön, wenn man deiner Nichte irgendwie helfen könnte. Vielleicht fällt dir ja was ein. Energie hast du ja scheints.

Ich finde es toll, dass sich bei dir was bewegt. Du musst halt bisschen Geduld mit dir selber haben. Sei nicht so arg streng mit dir.


Hallo Dobermann,

schön von dir zu lesen. Ich hab mich schon gefragt wo du abgeblieben bist.

viele Grüße
Rifka
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Danny Keye
krimi56
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von krimi56 »

Hallo Cyranoo,
Habt Ihr auch "Feindbilder", also Personentypen, die euch ein Stück weit in die Depression "geholfen" haben? Würde mich einfach interessieren ...
Durch das Wegbrechen sozialer Kontakte, Freundschaften aufgrund meiner körperlichen Krankheiten bin ich in die Depression gekommen.
Aber diese Personen oder den Typ solcher Personen als Feindbilder zu betrachten - so weit möchte ich nicht gehen.

Es waren einzelne Personen die dazu beigetragen haben mich in die Depression zu bringen. Ich habe mit ihnen keinen Kontakt mehr, betrachte sie jedoch nicht als meine Feinde. Ebenso geht es mir mit Personen die dem Typ der ehemaligen Freunde entsprechen würden.

Baue ich Feindbilder in mir auf, dann verbaue ich mir auch den Weg neue Kontakte zu knüpfen, aus denen widerum neue Freundschaften entstehen können.

Ich schade mir nur.

LG krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
Botus
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Botus »

Guten morgen Ihr Lieben,

bei einer Körperverletzung (z.B. Faustschlag) reagiert unser Körper immer gleich, egal wer zuschlagen hat. Bei einer Verletzung der Seele (z.B. Mobbing) reagiert unsere Seele immer gleich, egal wer gemobbt hat. Körper und Seele unterscheiden nicht, ob die Verletzung von einer Person/Gruppe ausging, die in der Gesellschaft moralisch niedrig eingestuft wird oder moralisch hoch angesehen ist.

Insofern kann es passieren, dass ein Mensch unter anderen Menschen leidet, ohne dass ihm Beistand, Verständnis, Hilfe gewährt wird, denn die die Kreise, die ihn peinigen, gelten als moralisch über jeden Zweifel erhaben.

Das selbe gilt auch, wenn Unglück aus unseren Rahmenbedingungen resultiert. Ein Mensch, der alleine glücklich ist, hat es in unserer Gesellschaft schwer. Eine mächtige und gut organisierte Lobby predigt rund um die Uhr, dass Alleinsein gleichbedeutend mit Unglück sei, mit Chaos, mit schlechter Ernährung, ungesund, frühem Ableben und Ähnlichem. Es wird die Vorschrift gepredigt, dass ein lebenswertes Leben nur gewährleistet sei, wenn man möglichst keine Sekunde allein ist, laufend die Nähe anderer sucht, sich laufend mit anderen austauscht, laufend mit anderen auspendelt.

Viele Menschen, die glücklich sind oder sein könnten, werden durch diese Lebensvorschrift in Situationen getrieben, in denen sie leiden (entweder, weil sie niemanden finden oder weil sie jemanden gefunden haben und nun jeden Tag einen Verlust an Lebensfreude, Nachteile, Kummer, Streß, Ärger, Streit zu beklagen haben).

Wenn man glücklich sein möchte, sollte man sich von der Macht der Lobbyisten befreien, die tagein-tagaus versuchen, dem Rest der Menschheit ihre Lebensphilosophie, ihr Selbstbild und ihr Lebensmodell aufzuzwingen. Idealerweise sollte auch die Glotze aus bleiben, denn die Serien- und Spielfilmindustrie schlägt in die gleiche Kerbe. Hier heisst es, dass nur der lebt, der jemanden hat, der unentwegt mit anderen kommuniziert und sich unentwegt mit anderen auspendelt.

Mir haben diese Vorschriften den Wahnsinn gebracht und verschiedene Autoimmunerkrankungen, nachdem ich ihnen folgte. Das einzige, was mir Linderung bringt, ist Abstand zu dem, was diese Vorschriften besagen. Das ist leichter gesagt als getan, denn die Lobby, die einem diese Vorschriften aufzwingt, ist mächtig und sie ist allgegenwärtig. Wenn ich in einigen Jahren wieder glücklich bin, muss ich dieses Glück innerlich leben. Denn die Außenwelt wird es mir absprechen. Sie sagt, dass entgegen ihrer Vorschriften kein Glück möglich sei.

Manchmal muss man gegen den Strom schwimmen, um bei seinem Glück anzukommen. Ich möchte Cyranoo und anderen gerne auf diesem Wege Mut zusprechen.

Liebe Grüße vom Dobi
payasa
Beiträge: 421
Registriert: 3. Sep 2014, 22:15

Re: Feindbilder ...

Beitrag von payasa »

Cyranoo,

ich weiß nicht, wie weit weg du von deiner Nichte wohnst - wie dein Verhältnis ist... meine Kinder waren auch am Anfang nicht so in die Gemeinschaft aufgenommen, weil wir von Belgien kamen, nicht von Anfang an im Kindergarten und in der Grundschule... Dann habe ich einfach alle die Kinder eingeladen, die am meisten auffielen und siehe da, es waren jetzt keine großartigen Freundschaften, aber die Kriegereien hatten aufgehört. Vielleicht wäre das für dich eine Idee? Kinder sind Kinder, auch die von Snobs und Hochwohlgeborenen... die wollen spielen und Spaß haben. So lernst du diese Kinder ein wenig kennen und deine Nichte kann sich vielleicht mit dem einen oder anderen etwas anfreunden.

Nur so ne Idee....

Und noch etwas: Vielleicht schaffst du es sogar, mit dieser Aktion dein inneres Kind friedlicher zu stimmen?? Du hast geschrieben, wie deine Nichte da stand, sich an ihr Wurstbrötchen geklammert hat, nicht mit den anderen spielen wollte... das liest sich ganz stark nach kleiner Cyranoo an - ging es dir genau so??
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Feindbilder ...

Beitrag von kormoran »

hallo cyranoo, hallo alle,

ich streiche um den thread wie die katze um den heißen brei ... ich danke dir für das thema. naja, obwohl ich, sobald ich drüber nachdenke, wieder ziemlich nahe an gefühle und schmerzen und ängste komme, von denen ich dank glücklicher äußerer umstände zur zeit viel abstand habe. solange ich noch konkret mittendrin war, habe ich zwar immer mehr übung darin bekommen, es einfach sein zu lassen und an mir abrinnen zu lassen - aber drunter hat es natürlich immer, immer geschädigt.

ja, es stimmt. hass und wut und rachegefühle usw., und auch die gedankenmuster, mit denen man versucht, die verhältnisse umzudrehen (denen glücklichen erfolgreichen geht es doch eigentlich gar nicht gut, alles nur fassade bla, bla) binden einen nur fester an diese leute. das bringt also mal gar nix.

gut, also lasse ich los, lass die leute leute sein. nehme gelassen hin, dass die gesellschaft eben so läuft und dass es doch mit mir an und für sich nichts zu tun hat. diese sozialen spielmuster haben zu tun mit dem ego dieser anderen leute (sozialkontrollore, wie du sie nennst, die, die völlig selbstverständlich den besten tisch einnehmen und auf die anderen herunterschauen, sich über die anderen mokieren); haben zu tun mit der gruppensituation, wo jedes ego sich möglichst weit oben ansiedeln will und damit, dass das ausschließen und heruntermachen der anderen ein super gruppen-kitt ist.
ich kann inzwischen auch gut sein lassen, was da an maßstäben angelegt wird. mein maßstab ist der einklang mit meinem eigenen leben. vielleicht spürt man ja, auch wenn man noch so sehr ins machtspiel verstrickt ist, doch ein wenig von dieser inneren kraft, wenn ich einfach bei mir bleibe.

bleibt aber noch ein ganz wesentlicher punkt, den ich nur schwer mit mir alleine ausmachen kann: es ist nun einmal ein grundbedürfnis des menschen, angenommen, respektiert zu sein, und auch irgendwo dazuzugehören (zugehörigkeit zur eigenen familie oder einem kleinen freundeskreis oder auf etwas anderer ebene zum beispiel auch zu der mannschaft, mit der man in der arbeit zusammengespannt ist).

diese leute schaffen es, dir, mir, deutlich und für die außenwelt auch nochmal schön sichtbar zu machen: du gehörst nicht dazu. du gehörst nirgendwo dazu (so ging es mir lang, immer wieder, und nur dran zu denken macht mir druck im brustkorb).
wenn man wenigstens irgend eine andere zugehörigkeit dagegenhalten kann, auch wenn die nicht die anerkennung der alpha-ebene findet, dann hat man ja was in der hand. die bewertung, welche gruppe besser ist, bleibt ja mir überlassen.

aber ich war immer wieder in der lage, dass ich da stand und über mir der große leuchtende schriftzug: die gehört nirgendwo dazu, die wird von allen abgelehnt, die will niemand dabei haben. die hat also nichts an sich, was man gerne in seiner umgebung haben will. für niemanden.

das ist dann eine harte lebenslange übung, bei sich zu bleiben, sich selbst hartnäckig anzunehmen. wie gesagt, zur zeit habe ich mit wenig menschen zu tun und wo doch, so mit welchen, die dieses spiel echt nicht brauchen.

das war jetzt überhaupt nicht hilfreich, sondern erst einmal nur ein 'so gehts mir auch'-beitrag. sorry.

liebe grüße
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
Selea

Re: Feindbilder ...

Beitrag von Selea »

Guten Tag. :)

Liebe kormoranin.

Dein Beitrag hat mich so berührt, weil ich auch um diesen Thread ein wenig herumgeschlichen bin, so dass ich mich jetzt hier einbringen möchte.
Danke hierfür, kormoranin :) selbstredend auch ein Danke an den/die THREADERÖFFNERIN

Der Mensch braucht den Menschen

Das ist definitiv so . Immer und überall.
Und trotzdem ist das Menschlein ;) ein einzigartiges Individuum und darf das auch leben.

Irgendwie denke ich gerade an Martin Luther und an die Reformation.
Was war der geächtet und hat trotzdem was auf den Weg gebracht.......

Wir Menschen brauchen alle Rückhalt, eine kleine Gruppe, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in einer Beziehung, mit Freunden......ohne jeglichen Rückhalt wird es eng. Weht der eisige Wind des Lebens ins Gesicht.

Trotzdem stolz die eigene Individualität zu Markte tragen. :roll:

Geht das überhaupt???

Und damit bin ich halt beim Thema Depression, das uns alle hier verbindet.

Es ist ja quasi das Symptom der Depression sich überall ungeliebt, nicht angenommen zu fühlen.
Das durfte ich jetzt wieder ein paar Tage in einem unerwarteten Tief so empfinden.
Wie schnell das geht, mit diesem Einsamkeitsgefühl, sich draußen fühlen, sich vergleichen, sich unzulänglich fühlen......

Ja, auch sogenannte Alphatiere haben ihre Grenzen.
Der Mensch ist begrenzt. Jeder und Jede.
Nicht nur die mit Depressionen.

Ich finde es gut, sich das immer wieder klar zu machen.

Jaaaa, und ich finde auch, viel Menschen leben sehr fassadisär____bzw. sehr in Normen verhaftet, was zu sein hat, wie ein glückliches Leben zu sein hätte, nach einem angeblichen Normenkodex dieser Gesellschaft.

Mein Alter___bin 60____und meine Lebenserfahrung____trotz der Depressionen_____haben mich gelehrt:

Alles hat 2 Seiten im Leben.
Keiner hat den Stein des Weisen dauerhaft gefunden.
Keiner ist von Krisen verschont.
Es sind nur immer andere Krisen.


Auch für mich ist es ein dauerhaftes Ringen um mein seelisches Gleichgewicht.
Einbrüche bleiben.

Für den, die Threaderöffnerin_mir kommt es so vor, als habe die Situation mit deiner kleinen Nichte dich getriggert. Also an dein eigenes kindliches Leid erinnert.
Das darf doch sein. Solche Gefühle und Gedanken.

Heute als Erwachsene können wir uns auch den besten Tisch setzen bei einem Fest, oder uns in Pose werfen auf einem Fest, egal, was dahintersteckt. *lach*

Erwachsene Verhaltensweisen sind soooo . Auch Depressive dürfen mehr Schein als Sein hinkriegen. *lach*

Die Ideen, wie du deine kleine Nichte unterstützen könntest, die finde ich gut hier in dem Thread.

Es wird immer, zu allen Zeiten___Menschen geben, die es sehr schwer gehabt haben, die es sehr schwer haben.

Kindern und Jugendlichen können wir vielleicht manchmal ein Vorbild sein. Vielleicht und auch nur manchmal.

Also, nur Mut.


Ganz herzliche Grüße
Selea
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Feindbilder ...

Beitrag von Zarra »

Hallo,

@Cyranoo
Cyranoo hat geschrieben:es war keine gute Idee, das öffentlich zu machen.
Doch, es war eine gute Idee - Du siehst es an den, wenn auch unterschiedlichen, Reaktionen, die oft aber auch wieder zusammenpassen.

Meines Erachtens muß man sehr unterscheiden zwischen:
1. dem, was "wir" als Ausgrenzung WAHRNEHMEN (aufgrund depressiver Gedanken- und Gefühlsmuster), und
2. Ausgrenzung, die real stattfindet - die gibt es auch, und aus meiner (!) Wahrnehmung heraus hat Cyranoo mehr die beschrieben.
Doch auch innerhalb 2. "sollte" oder kann man nochmals hinschauen: Wo kann ich durch mein eigenes Verhalten dazu beitragen, daß ich nicht außen stehe und stehenbleibe (also der Nichte helfen, nicht weiter an ihrem Wurstbrötchen rumzukauen, sondern auf die anderen zuzugehen und sich einzumischen - ich weiß, daß das nicht immer funktioniert (!!); aber in anderen Fällen kann es auch funktionieren und dann ist das sehr hilfreich).
Und die echte Ausgrenzung, bei der man - fast - nichts tun kann, ist härter. Und da weiß ich auch nichts ...
Cyranoo hat geschrieben:Mich hat eben nur beklemmt, wie manche ganz selbstverständlich die besten Tische einnehmen, die anderen kritisch mustern und bestimmen, wer dazu gehört und wer nicht.
Das ist auch beklemmend!
Und es braucht, bräuchte eine Menge Kraft, um dann "hinzustehen" und zu vermitteln: So nicht!

LG, Zarra
Amy1680
Beiträge: 75
Registriert: 1. Jan 2009, 02:08

Re: Feindbilder ...

Beitrag von Amy1680 »

***
Zuletzt geändert von Amy1680 am 30. Mär 2016, 15:42, insgesamt 1-mal geändert.
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Feindbilder ...

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Cyranoo,

nein, Menschen, die von kleinauf auf Leistung getrimmt werden, sind nicht zwangsläufig glücklich. Ich gehöre zu denen, bei denen stets extrem darauf geachtet wurde und schulische und berufliche Leistungsfähigkeit das Allerwichtigste war. Ausruhen, Spielen, erst wenn die Hausaufgaben fertig waren.
Mit 22 steckte ich in der ersten heftigen Depression, die als Magersucht diagnostiziert und folglich auch falsch behandelt wurde. Ich falle noch immer wieder in die alten Muster, gehe in die Leistungsschiene und vernachlässige die Achtsamkeit. Mit dem Erfolg,dass die Depression wieder zuschlägt. Irgendwann habe ich es hoffentlich gelernt ...

Deine Nichte ... hmmm, ich sehe das so: Sie ist ein anderer Mensch als du, sie geht anders damit um. Man bezieht sehr leicht das (vermeintliche) Leid der Kinder auf sich selber. Und da man selber negative Gefühle hatte/hat, projeziert man das auf das Kind. Das MUSS aber gar nicht so sein. Klar, die Zeichen sprechen dafür, aber hast du vielleicht auch intensiv nach Hinweisen gesucht? Klarheit bringt dir höchstens ein Gespräch mit deiner Nichte - Hilfestellung, an wen sie sich wenden kann. Gerade die Eltern sind da nicht zwangsläufig der richtige Ansprechpartner, es ist oft gut, wenn sie eine außenstehende, relativ neutrale Person haben oder eben auch wissen, dass es andere (öffentliche ) Stellen gibt, die helfen können. Aber wie gesagt, Deine Wahrnehmung muss nicht zwangsläufig den Gefühlen deiner Nichte entsprechen.

Hassbilder ... da gebe ich meinen Vorschreibern Recht. Verändern lässt sich nichts, die Menschen werden so bleiben wie sie sind. Orientiere dich an denen, die Deinem Ideal entsprechen. Warm -und offenherzige Menschen. Die gibt es nämlich auch und aus diesem Zusammensein lässt sich viel Positives ziehen. Gerade weil sie in schlimmen Lebensphasen an Deiner Seite bleiben.

Gruss
Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Cyranoo
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Cyranoo »

Liebe Leute,

über eine Woche habe ich nicht geschrieben, ich brauchte Abstand von dem Thema. Außerdem gibt es durch die Depression bedingt immer wieder viele Tage, an denen ich keinen klaren Gedanken formulieren kann. Den Abstand habe ich nun, denn mein "Leben" geht wieder seinen gewohnten Trott und ich muss die alten "Feinde" nicht mehr sehen.

Ich habe viele zum Teil bewegende Antworten bekommen, für die ich sehr dankbar bin. Die Antworten sind mir jetzt, beim zweiten Lesen, nicht weniger wichtig und so möchte ich versuchen, jedem eine Antwort zu geben.

Vielleicht vorab noch eine allgemeine Anmerkung. Denn mit dem Abstand (und also wieder ohne Gefühle) sehe ich alles wieder etwas objektiver. Und ich frage mich vor allem, warum mir diese "Feindbilder" (heute würde ich vielleicht freundlicher von "Spielverderbern" sprechen ...) immer so viel wichtiger sind/waren als mögliche "Freundbilder"? Warum ist mein Blick so verengt, dass ich nicht die vielen wahrnehme, die freundlich, hilfsbereit, menschlich sind, sondern immer nur die wenigen Spielverderber?

Das hat wahrscheinlich mit meinem Ego zu tun, mit meinem (angenommenen) Sinn für Gerechtigkeit. Ich kann es nicht ertragen, dass die, die am lautesten schreien, am meisten bekommen. Aufmerksamkeit, Platz, Unterstützung, materielle Ressourcen ...

Und da schließt sich vermutlich der Kreis, ohne dass ich genau verstehe, wie. Zu meiner Depression haben sicher mehrere Faktoren beigetragen. Veranlagung, schlechte Voraussetzungen, Mobbing, Essstörung, aber eben auch irgendetwas in meinem Charakter, ein gewisser Trotz, eine spezielle Form von "Dagegen-sein", die ich bis heute nicht fassen (oder gar lösen) kann.
Cyranoo
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Cyranoo »

@Brummi

Sozialphobie hat man mir auch mal diagnostiziert (neben Depression und Essstörung). Ich kann mich mit Menschen gut arrangieren, aber Gruppen sind für mich nach wie vor mit Anspannung und Alarmbereitschaft verbunden.

Eigentlich schade, dass es unter Männern wohl so eine Art "einsamer Wolf" geben muss, um die sich niemand so recht kümmern mag und die ihr Schicksal annehmen. Das Leben als Einzelgänger ist mir nur zu vertraut und dabei gab es sogar mal eine Zeit, in der ich Menschen zum Lachen bringen konnte.

Dass du (materiell) nicht das verdient hat, was du hättest verdienen können ist wahrscheinlich weniger bedeutsam, als dass du nicht die Kontakte haben konntest, die du hättest haben können. Und die du die vielleicht gewünscht hast. Ich habe mir immer ein bisschen Aufmerksamkeit gewünscht, aber ich habe sie nicht gefunden. Dir wünsche ich auf deinem Weg von Herzen alles Gute.
Cyranoo
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Cyranoo »

@ Dobi


Deine "Riesen-Tour" klingt ein bisschen nach Flucht. Flucht vor der bedrückenden Realität. Das kenne ich auch, wenn auch nicht als Reise an einen physisch anderen Ort. Ich verschwinde immer in meine Traumwelt, in der es nichts Böses, nichts Belastendes, aber auch nicht viel Schönes oder Belebendes gibt.

Du packst einmal in der Woche die Tasche, um deinem Unglück zu entfliehen. Was würde dagegen sprechen, diesem Unglück für immer Lebewohl zu sagen? Irgendetwas hält dich vermutlich noch gefangen. Wie mich in meiner Traumwelt (bei mir ist es wohl die Angst vor dem Leben).

Was du zum Thema "Alleinsein" schreibst, sehe ich etwas anders. Ich kann mich erinnern, dass du in einer Beziehung lebst, die dich unglücklich macht und da ist das Alleinsein sicher (zunächst!) die bessere Alternative.

Aber ich denke schon, dass sich die meisten Menschen ehrlich nach Kontakten sehnen und sie brauchen und dass es auch tatsächlich (auf Dauer) gesünder ist, in eine Gemeinschaft eingebettet zu sein. Natürlich in eine Gemeinschaft, in der man sich wohlfühlt. Angenommen, gewollt, unterstützt. Nicht ausgenutzt oder gar gedemütigt.

Es gibt ja das Schlagwort vom Menschen als "soziales Wesen" und auch ich glaube, das soziale Kontakte das Leben verschönern und sogar verlängern können und dass Einsamkeit krank macht. Soziale Kontakte bedeuten schließlich (im Idealfall) Anerkennung, Austausch, Inspiration, reale Unterstützung.

All das ist bei vielen Depressiven nicht (mehr) gegeben. Entweder führt Isolation in die Depression oder Depression in die Isolation, beide Varianten gibt es.

Bei all deinen Schilderungen spürt man immer, wie sehr du leidest und ich wünsche mir dann immer sehr, dass du erkennen könntest, dass du deinen "Peinigern" entkommen musst und auch kannst. Um neue, bessere Kontakte finden zu können.

Im Moment fühlst du dich noch gefangen. Der erste Schritt aus dem Gefängnis ist vermutlich, zu erkennen, dass man selbst den Schlüssel dazu in der Hand hat. Ich weiß, dass das auch für mich gilt, aber auch ich fühle mich noch sicherer in meinem Verlies. Vielleicht finden wir beide einen Weg in die Freiheit.
Cyranoo
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Cyranoo »

@ Rifka

Ja, die Energie ... wenn sie nur konstant und verlässlich da wäre. Wenn ich nur ein Ziel, eine Richtung hätte, um die Energie in sinnvolle Bewegung zu verwandeln ...

So ist die Energie schon wieder verflogen.

Manchmal - das hat mich immer selbst überrascht - sagen mir Ärzte oder Therapeuten oder andere Menschen, mit denen ich sprechen darf, dass sie in mir eine große Energie wahrnehmen, etwas Kämpferisches. Dabei wissen sie gar nicht (und glauben es nicht, wenn ich es erzähle), dass es die Ausnahme ist. Dass es nur der Versuch ist, die Chance, mit jemandem reden zu dürfen, wahrzunehmen.

Wenn ich zu Hause bin, allein mit mir und meiner Resignation, ist da keine Energie.

Wut und Mitgefühl sind verraucht. Ich sehe meine Nichte nicht mehr, ich sehe die Leithammel und Häuptlinge auch nicht mehr.

Was könnte ich für meine Nichte tun? Nicht viel. Ich kann niemandem den Weg zeigen, ich habe mich selbst verirrt. Ich kann im Grunde nur hoffen, dass es heutzutage bessere Unterstützung für Außenseiter gibt. Ich kann sie und meine Schwester nicht einmal oft besuchen (eine lange Geschichte).

Immerhin ist meine ehrenamtliche Tätigkeit ganz gut angelaufen und ich habe jetzt zweimal in der Woche eine Beschäftigung. Das ist vielleicht ein Anfang. Und alle zwei Wochen kann ich jetzt auch zur Therapie.

Ich danke dir für deine Einschätzung und hoffe, dass bei dir alles in Ordnung ist. Liebe Grüße.
Cyranoo
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Cyranoo »

@ krimi

Deine persönliche Erfahrung tut mir leid. Ich hatte niemals Freunde (das haben mir meine Eltern nicht beibringen bzw. vorleben können und ich war dann immer misstrauisch gegen andere), aber ich weiß, dass sich "Freunde" gerade dann als Freunde erweisen, wenn es dem anderen nicht gut geht. Dieses Glück hattest du nicht.

Um so bewundernswerter finde ich deine Einstellung. Du bist ohne Groll und damit frei für neue Kontakte und ich wünsche dir von Herzen, dass du neue, "wahre" Freunde findest.
Cyranoo
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Cyranoo »

@ Selea

Ich danke auch dir für deinen Beitrag und lüfte zuerst ein Geheimnis, der Cyranoo ist ein "Er"!

Martin Luther ist ein sehr gutes Beispiel für einen Querdenker, eine Rolle, die für die Fortentwicklung unserer Gesellschaft eine überragende Bedeutung hat. Luther war - wie alle großen Erneuerer und Innovatoren - ein Mensch mit enormer Schaffenskraft und einer großen Leidenschaft für "sein" Thema.

Ich hätte vielleicht - in kleinem Maßstab - auch ein produktiver Querdenker sein können, vielleicht ein Sozialforscher oder etwas Ähnliches, aber mir fehlten Energie und der klare Fokus, was denn "mein" Thema sein könnte.

Das Interesse an sozialen oder psychologischen Fragen habe ich unterschwellig wahrscheinlich immer unterdrückt, weil ich die innere Auflehnung gegen Ungerechtigkeiten immer auf meine eigene Unzulänglichkeit zurückgeführt und mich dafür geschämt habe. Ich war charakterlich zu schwach, um mich für andere Schwache einsetzen zu können.

Ein Querdenker bin ich jedenfalls, solange ich denken kann. Ich stelle innerlich immer alles in Frage und suche meine eigene Antwort und was mich von "normalen" Menschen am meisten unterscheidet ist, dass ich nicht "geradeaus" denken kann. Ich habe immer Fragen und Zweifel im Kopf.

Andere denken: Ich will einen Beruf, ich will Geld, ich will ein Haus, ich will eine Familie, ich will viel reisen und handeln entsprechend. Sie leben ihr Leben "geradeaus". In meinem Kopf regiert der Satz "Was soll das?" und so macht nichts wirklich einen Sinn.

Und das ist sicher ein weiterer Grund dafür, dass ich keinen Anschluss finde. Kaum jemand kann nachvollziehen, wie ich "ticke".

Im letzten Jahr war ich mal in einer Singlebörse im Internet unterwegs und was mich am meisten überrascht (abgeschreckt) hat, war, wie gleich irgendwie alle waren. Wie geklont. Und jeder/jede hielt sich (zu Recht!) für etwas Besonderes, und jeder/jede benutzte Standardphrasen, um die eigene Individualität zu unterstreichen ... Carpe diem und ankommen wollen und mit beiden Beinen im Leben stehen usw. usw. Und alle hielten sich für witzig und keiner war's und alle liebten vor allem sich selbst und hatten alles im Leben optimiert (das eigene Aussehen, den Beruf, das Haus, das Auto, die Freunde ...) und wollten nur noch den Partner optimieren, sie suchten einen passenden Spiegel für den eigenen schönen Schein ...

Aber alle hatten etwas, das ich nicht habe. Selbstbewusstsein.

Womit wir im Grunde wieder bei der Frage wären. Kann man Selbstbewusstsein aus sich selber gewinnen? Oder braucht es dazu die Anerkennung durch andere?

Vielleicht haben nur wenige starke Persönlichkeiten ein starkes Selbstbewusstsein aus sich selbst heraus. So wie Luther. Für die meisten heißt es: Ich genieße Anerkennung, ich habe viele, gute, stabile Kontakte, andere wenden sich mir zu, ich bin gut, ich bin etwas. Ich bin mir meiner BEDEUTUNG bewusst. Im Grunde also Selbstbedeutungsbewusstsein.

Ich weiß nicht viel über mich. Ich dachte mal, ich wüsste viel, aber das war ein Irrtum. Aber eines weiß ich ganz genau. Es ist, wie du schreibst: Wir sind begrenzt. Wir alle. Jeder Mensch ist begrenzt. So viele rühmen sich, frei und autonom zu sein. Aber die Freiheit endet spätestens da, wo die Gesundheit endet.

Ich habe meinen inneren Groll vielleicht bald überwunden. Nicht so sehr aus Einsicht oder durch positive Erfahrung, sondern weil keine Kraft mehr für Groll da ist. Weil ich spüre, ahne, fühle, dass alles irgendwie so zu Ende geht. Unspektakulär, langsam, ruhig. Ich finde meinen inneren Frieden mit meinem Scheitern, weil ich etwas weiser werde.

Ich danke dir für die Mitteilung deiner Erkenntnis. Ich kann sie voll und ganz teilen. Niemand steht immer nur auf der Sonnenseite.

Dass es dir aktuell immer mal wieder schlecht geht, tut mir sehr leid. Diese Einbrüche sind sicher immer wieder schwer zu meistern und ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass sie dir möglichst erspart bleiben und du das Glück hast, ab und an mal etwas Schönes zu erfahren.

Viele Grüße vom Cyranoo
Cyranoo
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Re: Feindbilder ...

Beitrag von Cyranoo »

@ Zarra

Du hast Recht, es gibt viele Formen von Ausgrenzung. Reale Ausgrenzung, empfundene Ausgrenzung, bewusste Ausgrenzung (Mobbing), unterschwellige Ausgrenzung, natürliche Ausgrenzung, soziale Ausgrenzung, die Formen sind wohl so zahlreich wie die Menschen selbst.

Gleich ist wahrscheinlich immer nur, dass Ausgrenzung weh tut.

Meine ersten Erfahrungen von Ausgrenzung gab es in der Schule (auch unsere Familie war ausgegrenzt, aber das hatte ich vor der Schule noch nicht so extrem wahrgenommen) und da gab es zwei Phasen.

Die Grundschule habe ich mit meiner Schwester durchlaufen (die Mutter meiner Nichten), denn sie wurde gleich im ersten Schuljahr zurückgesetzt. Wir waren beide fett, wir waren beide schlecht gekleidet, wir haben beide immer allein gestanden oder gesessen.

Ich durfte dann aufs Gymnasium, obwohl die Grundschullehrerin das nicht wollte, aber bei einem Einstufungstest hatte ich die besten Ergebnisse. Im Gymnasium hatte ich sogar ein paar Jahre Anschluss gefunden, war Teil einer Gruppe von fünf, sechs Jungs, die vor allem albern waren. Ich weiß bis heute nicht, warum, aber irgendwann (so um das neunte Schuljahr) beschlossen die anderen gemeinsam, mit mir nicht mehr zu reden. Von einem Tag auf den anderen. Vielleicht, weil ich nie jemanden mit nach Hause nehmen durfte, vielleicht, weil ich zu schmutzig war, vielleicht, weil ich nach der Schule nie raus durfte, vielleicht, weil ich im Beleidigen (wir haben uns alle immer viel aufgezogen) der Beste war, ich weiß es bis heute nicht. Von diesem Tag an stand ich jedenfalls bis zum Ende des Abiturs allein in der Ecke. Ich kannte keine Strategie, auf die oder andere (wieder) zuzugehen. Ich hab es geschluckt, alle anderen fanden's okay, auch die Lehrer haben's nur beobachtet.

Meinen eigenen Anteil weiß ich bis heute nicht. Irgendetwas muss an mir sein, das andere immer wieder vor den Kopf stößt. Obwohl ich das eigentlich gar nicht will. Ich bin vielleicht einfach nur viel zu anders als andere. Vielleicht hätten die anderen Erbarmen gezeigt, wenn ich mal geweint hätte. Aber das konnte und kann ich nicht. Bis heute. Nur im Schlaf geht es manchmal. Dann merke ich, wie verzweifelt und verbittert ich bin.

Danke für deine Einschätzung.
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