Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

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missdi
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Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von missdi »

Hallo zusammen,

vielleicht ist das ein "Luxus"-Problem, aber ich möchte es dennoch hier ansprechen.

Mir ging es dieses Jahr sehr sehr schlecht, ich war Anfang des Jahres 3 Monate in einer psychiatrischen Klinik, weil es mir akut sehr schlecht ging. Seitdem ging es mir weiterhin schlecht, aber irgendwie habe ich mich langsam wieder gefangen, so dass ich einen Alltag einigermaßen bewältigen konnte, lange aber ohne positive Gefühle. Im Sommer habe ich dann noch einen Antrag für eine psychosomatische Klinik gestellt, ich kann/werde dort Anfang November hingehen.

Das "Problem", das ich nun habe, ist, dass es mir seit einigen Wochen Stück für Stück um einiges besser geht. Ich bin mir meiner Probleme bewusst, und wirklich "gut" geht es mir nicht, aber das wäre normalerweise kein Zustand, wegen dem ich in eine Klinik gehen würde, also es ist nicht mehr akut. Jetzt fühle ich mich fast schlecht, in die Klinik zu gehen, als ob ich das jetzt nicht mehr "nötig" hätte. Auf der anderen Seite ging es mir wirklich sehr schlecht mit S-Gedanken, Hoffnungslosigkeit und dem ganzen Programm. Und ich leide schon fast chronisch an Depressionen, mit Unterbrechungen. Ich denke mir jetzt, dass ich in einem stabileren Zustand die intensiven Therapien in der Klinik besser nutzen kann. Und dass es eine Chance ist, intensiv an mir zu arbeiten, um danach die Problemzonen in meinem Leben besser angehen zu können. Und mich auch erholen zu können in schöner Umgebung etc. Auf der anderen Seite habe ich Angst, dass mich andere akutere "Fälle" runterziehen können und ich mich wieder zu sehr mit dem "Kranksein" identifiziere - momentan möchte ich mich wieder mehr an den "Gesunden" orientieren.

Ein blödes Dilemma - ich bin recht sicher, dass ich den Aufenthalt dennoch wahrnehmen werde. Nur quälen mich jetzt diese Fragezeichen. Das Blöde ist, dass ich momentan noch keine Therapeutin habe, bzw. die Therapie noch nicht begonnen hat, so dass ich es nur bedingt mit professionellen Menschen besprechen kann.

Vielleicht hatte der oder die eine oder andere ja schon mal ein ähnliches Problem...

Liebe Grüße
Missdi
Brummi59
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von Brummi59 »

Ganz kurze und klare Antwort: Ab in die Klinik, gerade jetzt.
Jetzt bist Du Aufnahmefähiger als wenn Du mitten in der tiefsten Depression steckst.
Liebe Grüße
Dieter

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Du könntest dich den ganzen Tag ärgern - du bist aber nicht dazu verpflichtet!
*Arthur Lassen*
Zarra
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von Zarra »

Liebe missdi,

ich kann mich Dieter nur anschließen.

Und Du weißt es ja eigentlich auch selbst:
missdi hat geschrieben:Ich denke mir jetzt, dass ich in einem stabileren Zustand die intensiven Therapien in der Klinik besser nutzen kann. Und dass es eine Chance ist, intensiv an mir zu arbeiten, um danach die Problemzonen in meinem Leben besser angehen zu können. Und mich auch erholen zu können in schöner Umgebung etc.
Es hängt natürlich auch von der Klinik ab. - Doch ich kenne gute (!) Reha-Kliniken, in denen es aber ganz schlecht ist (!!) dazwischen stärker suizidal zu werden o.ä. Krisen.

Das einzige, was für mich dagegen sprechen würde, wäre, wenn momentan eine Stabilisierung, die Schaffung eines normalen Umfeldes etc. ungut unterbrochen würde. - Ich schätze mal, daß das letztendlich doch nicht der Fall ist; Du deutest zwar was an, aber ich nehme an, daß das auf einem anderen Niveau ist und vielleicht gar nicht so ganz relevante Bereiche betrifft.
missdi hat geschrieben:Auf der anderen Seite habe ich Angst, dass mich andere akutere "Fälle" runterziehen können und ich mich wieder zu sehr mit dem "Kranksein" identifiziere - momentan möchte ich mich wieder mehr an den "Gesunden" orientieren.
Bist Du sehr anfällig dafür? ... ich habe das so nicht wirklich erlebt, zumindest eigentlich nicht in Reha-Kliniken. (Würde ich jetzt sagen - oder ich bin da im Ausblenden gut.) ... ... es ist ja auch die Frage: Zieht es Dich SEHR runter, wenn es einem anderen schlecht geht? ... mich zog es dann in einer Art Selbsthilfegruppe eher runter, daß ich merkte, jemand kreist und kreist - und will (!) oder kann aber vor allem eigentlich auch nichts ändern. (Das war eine von psychischen Problemkreisen her gemischte Gruppe.)

LG, Zarra
missdi
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von missdi »

Lieber Dieter, liebe Zarra,

lieben Dank für Eure Antworten.

Ich war vor zwei Jahren mal in einer Rehaklinik, für die mein damaliger Therapeut als ich in einer sehr schweren Krise war einen Antrag gestellt hat. Ich habe die Zeit bis zur Aufnahme in sehr verzweifeltem Zustand verbracht und kam dort in einem sehr schlechten Zustand an. Ich blieb dort 6 Wochen und ich war am Ende immer noch latent suizidal, ich konnte die Therapien schlecht für mich nutzen. Und ich habe damals die Mitpatienten als viel stabiler als ich wahrgenommen. In diesem Jahr habe ich mich selbst in die Psychiatrie eingewiesen und auch wen es dort nicht "schön" war, so kann ich sagen, dass es für den Akutfall in mein Möglichkeiten das Beste gewesen ist. Die Klinik, in die ich gehe, ist keine Rehaklinik, ich weiß nicht, ob das einen Unterschied macht, was die "Akutheit" (weiß nicht was das Nomen davon ist) der Patienten betrifft.

Zu Deiner Frage wegen der weiteren Stabilisierung, Zarra: Ich denke, dass 6 Wochen keine so große Unterbrechung ist, als dass es mich zu sehr aus allem rausreißen würde. Ich habe mich glaube ich vor allem durch regelmäßige soziale Kontakte, durch möglichst viele schöne Aktivitäten stabilisiert. Das muss natürlich vertieft werden, alles ist noch recht wackelig, und es ist sogar so, dass ich mich dabei ertappe, dass ich teilweise bedaure, so lange weg zu sein und dieses und jenes zu verpassen. Aber letztlich finde es so viel besser, dann kann ich mich sogar darauf freuen, zurückzukommen. Besser, als wenn wie vorher alles einfach nur "schlimm" ist.

Und zu Deiner anderen Frage: Ja ich lasse mich manchmal "infizieren" von Stimmungen anderer, aber Abgrenzen ist ja auch immer ein wichtiges Thema in Kliniken. Und ich habe mir fest vorgenommen, sehr darauf zu achten, auf welche Menschen ich mich mehr einlasse und auf welche weniger oder nicht.

Ich versuche es jetzt als weitere wertvolle Möglichkeit der Selbsterfahrung zu sehen. Das wird es bestimmt. Ich kann ja davon berichten. Ich bin auch neugierig ehrlich gesagt, die Meinungen über die Klinik sind sehr gespalten, ich möchte lieber nicht schreiben, wohin ich gehe, weil ich schon genug negative Kritiken gelesen habe. Ich bin einfach neugierig, welche Erfahrungen ICH mit der Klinik machen werde. Das Gute ist, dass man, wenn man aus dem tiefsten Loch draußen ist, nicht mehr so überdimensionale Erwartungen an eine Klinik hat. Also vorher dachte ich, dass ich bitteschön "geheilt" wieder da rauskommen muss, dass alle Therapien super hilfreich sein müssen usw. Jetzt bin ich gelassener und kann dadurch glaube ich besser akzeptieren, wenn eben nicht alles toll ist und das wird es bestimmt nicht.

Liebe Grüße
Missdi
Zuletzt geändert von missdi am 17. Okt 2014, 12:11, insgesamt 2-mal geändert.
Zarra
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von Zarra »

Liebe Missdi,

ich wünsche Dir einen Dich weiterbringenden Aufenthalt!! Ich glaube, da sind ganz gute Voraussetzungen dafür da ...

Herzlich, Zarra
Sonnenblume14
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Missdi,

ich war in einer ähnlichen Situation und habe dennoch den Klinikaufenthalt wahrgenommen. Ich würde es auch wieder tun. Zum einen habe ich darum kämpfen müssen und zum anderen habe ich dort viele Dinge gelernt, die für meine weitere Stabilisierung wichtig waren.

Natürlich besteht die GEfahr, dass die eine oder andere Bemerkung Spuren hinterlässt - aber wie du schon sagst, Abgrenzung ist ein wichtiges Thema. Es ist ja jederzeit möglich, den Raum zu verlassen und NUR dort kann man es üben, ohne dass man schief angesehen wird.
Die Therapie selber kann in eine ganz andere Belastungsform und Tiefe gehen, eben weil du stabil bist. Und eine Auszeit in einer geschützten Umgebung kann wirklcih nicht schaden.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
sam1960
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von sam1960 »

Auch ich habe Phasen, in denen ich glaube keine Therapie zu brauchen. Aber hinter der nächsten Ecke lauert bereits der nächste "Hammer" und ich bin wieder "unten".
Entscheidungen sind schwer, sie können Dich in den Himmel heben oder in die Hölle stürzen lassen.
missdi
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von missdi »

Liebe Zarra, liebe Sonnenblume, lieber/r Sam,

lieben Dank für Eure Antworten und Ermutigungen!

Ich schwanke immer noch zwischen Gefühlen von "Ich freue mich auf eine Auszeit, auf die schöne Umgebung, bin neugierig, was passieren wird" und "Warum bleib ich nicht einfach hier, ich sehne mich nach Sicherheit, Ruhe, Kontinuität und vielleicht ist es doch nicht gut, wieder rausgerissen zu sein aus allem...oder ist es gar eine Flucht, eine Flucht in eine geschützte Umgebung, wo ich mich mal der/meiner Realität stellen müsste.". Aber Zweifeln gehört auch zu mir, es macht mich oft fertig. Ich werde es wohl nur herausfinden, wenn ich hingehe.

Liebe Grüße
Missdi
missdi
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von missdi »

Ich bin gerade wirklich sehr "ambivalent" oder unsicher.

Ich habe gerade das Gefühl, dass es in meinem Leben momentan um ganz pragmatische Dinge geht. Ich bin total gestresst, weil ich finanziell super knapp bin, das Krankengeld vorne und hinten nicht reicht, ich mir schon Geld leihen musste, um Rechnungen zu bezahlen. Ich muss schauen, dass wieder mehr Geld reinkommt. Und ich bin nicht mehr so depressiv, dass ein Nebenjob oder Ähnliches nicht möglich wäre. Ich muss irgendwie die Basis in meinem Leben stabilisieren und damit meine ich wirklich meine Lebensgrundlage, das Arbeiten, meine Wohnung. Vielleicht könnte ich zu einem Schuldnerberater gehen, weil ich wirklich nicht weiß, wie ich meinen Dispot und Schulden bei Freunden abbezahlen soll. Ich habe ganz große Probleme, mich mit der Realität meines Lebens auseinanderzusetzen, den ganz konkreten Dingen.

Und meine Vorstellung von der Klinik ist, dass ich dort sehr in die Tiefe gehen werde. Und irgendwie weiß ich gerade nicht mehr, ob das jetzt wirklich "dran" ist. Ich glaube auch nicht, dass es eine "Abwehr" ist. Es ist ja auch nicht so, dass ich es hier zu Hause einfach finde. Ich möchte mich gerne vor der Realität drücken. Und gerade habe ich mir wieder eine Art "Platz" auf der Arbeit geschaffen (die mir weiterhin keinen Spaß macht) und neue Kontakte gemacht, ein bisschen "Boden" unter den Füßen zurückgewonnen.

Ich bin echt hin- und hergerissen. Ich möchte meine Unsicherheit schon Ernst nehmen. Ich möchte auf keine Fall vor Ort sein und die ganze Zeit zweifeln oder mich dann nicht drauf einlassen können, das wäre schrecklich und so etwas kennen ich auch von mir.
Zarra
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von Zarra »

Liebe missdi,

ich hatte Deinen anderen Post noch im Hinterkopf und wußte nicht so recht, "ob alles okay ist" oder ob man Dir vorsichtshalber doch noch mal zureden sollte.

Missdi, Du hast diese CHANCE JETZT!! ... ob Du sie in einem Jahr nochmals bekommst, weißt Du nicht.

Ich verstehe Deine konkreten Probleme und finde Deine Überlegungen auch löblich (und gut) - und Du solltest manches, was Du in diesem Post geschrieben hast auch nicht für danach vergessen (!). Trotzdem rate ich Dir eher, die Chance dieser stationären Therapie zu nutzen.
missdi hat geschrieben:Ich habe ganz große Probleme, mich mit der Realität meines Lebens auseinanderzusetzen, den ganz konkreten Dingen.
missdi hat geschrieben:Ich möchte mich gerne vor der Realität drücken.
Ich kenne Dich nicht, ich kann es letztendlich nicht beurteilen, weiß nicht, wie Du sonst und im allgemeinen bist. Hier in dem Post steht ganz klar, was Sache ist und vor was Du Dich nicht (!) drücken willst - das Zurückzahlen der Schulden.
Wenn Freunde Dir geholfen haben, kannst Du denen nicht von der Klinik erzählen und daß Du einfach länger Zeit bräuchtest, daß Dir das u.U. für Dein Leben sehr helfen würde?!

Bist Du gerade in der Wiedereingliederung oder wie sieht das aus?

Melde Dich mal ...

LG, Zarra
missdi
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von missdi »

Liebe Zarra,

lieben Dank für deine liebe Mail!

Ja, ich mache noch eine Wiedereingliederung, aber fühle mich eigentlich schon wieder ganz fit, nur habe ich das so mit meiner Ärztin besprochen, also dass wir die Wiedereing. bis zur Klinik weiterlaufen lassen. Meine Freunde wissen von der Klinik, das Zurückzahlen der Schulden hat Zeit. Ich bin im Allgemeinen schon jemand, der auch mal ganz gerne Dinge ausblendet, sich in Phantasien flüchtet, etc. Also deshalb ist es schon eine große Herausforderung für mich, mal ganz konkret mein Leben zu betrachten, wieviel Geld kommt rein, was gebe ich aus, wieviel Geld müsste ich verdienen, wie kann ich das realisieren, wie gehe ich vor, um einen neuen Job zu suchen, was kann ich überhaupt arbeiten, was ist realistisch. Das meine ich mit "die konkreten Dinge betrachten" und nicht in "meinem Inneren herumwühlen".

Natürlich können diese Dinge auch 6 Wochen warten (was sind schon 6 Wochen?!!). Ich weiß aber, dass es in der KLinik schon ans Eingemachte geht. Dinge wie Familienstellen finde ich interessant (hab ich noch nie gemacht), also es gibt dort viele alternative Therapieansätze. Nur fühle ich gerade gar nicht so, dass ich mich mit diesen Dingen, die da vielleicht hochkommen, auseinandersetzen will. Ich weiß plötzlich nicht mehr ob ich gerade so eine intensive Therapie machen will. Auch wenn ich das Konzept der Klinik eigentlich sehr interessant finde (ich habe sie mir ja ausgesucht!), eigentlich finde ich die Idee, 6 Wochen intensiv an sich arbeiten zu können, auch gut. Und es ist ja ein Fakt, dass ich massive Probleme in meinem Leben habe (und damit meine ich jetzt weniger Schulden, finanzielle Knappheit), es geht viel um Selbstwert, Beziehungen usw.

Vielleicht ist es auch, weil ich ganz schön erschöpft bin von dem ganzen Jahr, mir gehts auch körperlich grad nicht so gut, hatte einen fetten Hexenschuss, der noch nicht ganz weg ist und dann stelle ich mir vor, mich wieder mit so vielen neuen Menschen und deren Geschichten auseinandersetzen zu müssen.

Vielleicht gehört diese ganze Unsicherheit einfach dazu. Vor einiger Zeit hätte ich glaube ich nicht so gezweifelt, als es noch akuter war, da wäre ich einfach froh gewesen.

Und Du hast natürlich Recht, ich habe JETZT die Chance!

Und danach geht es sowieso an diese ganzen schrecklichen Dinge, die konkreten meine ich... Die muss ich sowieso angehen, da führt kein Weg dran vorbei.

Außerdem kann es auch sein, dass wenn ich die KLinik absagen würde, ich plötzlich richtig deprimiert wäre und all das, was ich mir gerade vorstelle, was ich tun könnte (z.B. Nebenjob auf dem Weihnachtsmarkt) dann doch nicht mehr so verlockend fände...

Liebe Grüße
Diana
Zarra
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von Zarra »

Liebe missdi,
Ich bin im Allgemeinen schon jemand, der auch mal ganz gerne Dinge ausblendet, sich in Phantasien flüchtet, etc. Also deshalb ist es schon eine große Herausforderung für mich, mal ganz konkret mein Leben zu betrachten, wieviel Geld kommt rein, was gebe ich aus, wieviel Geld müsste ich verdienen, wie kann ich das realisieren, wie gehe ich vor, um einen neuen Job zu suchen, was kann ich überhaupt arbeiten, was ist realistisch. Das meine ich mit "die konkreten Dinge betrachten" und nicht in "meinem Inneren herumwühlen".
Meine Einschätzung kann ja falsch sein, doch Du schreibst "so schön", was Du gerne ausblendest und was Du gerade dabei bist zu lernen ..., - daß ich nicht so recht die Gefahr sehe, daß das wieder verlorengeht. Schlimmstenfalls reicht wohl ein großer Zettel über dem Spiegel oder an Deinem Schreibtisch, der Dich erinnert, wenn Du zurückkommst.

Auch wenn ich mich wiederhole: Die Möglichkeit dieser Klinikerfahrung hast Du jetzt. Ob Du sie in einem oder zwei Jahren nochmals bekommst, falls Du sie doch bräuchtest, weißt Du nicht. Das könnte sein, das muß aber nicht sein.

Wie lange mußt Du denn noch auf den Klinikaufnahmetermin warten? ... vielleicht ist es auch das (wenn zu lange noch hin, fände ich das verständlich). Oder es ist aber die "Panik", weil es so nah ist?!!? ... ein bißchen haben das sicher die meisten. Also: MUT!!

Liebe Grüße, Zarra
missdi
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von missdi »

Ich muss nur noch circa 2 Wochen warten, also am 4ten fahre ich (muss aber noch den Zug buchen...), also nicht mehr lang.

Vielleicht ist es die Panik, ob es die richtige Entscheidung war oder nicht, weil mich kein Arzt/Therapeut dorthin "geschickt" hat, sondern es mehr oder weniger meine Idee war. Und dann zweifle ich mich selbst an. Und weil ich manchmal wie "therapiemüde" bin, also so viel schon gemacht habe und doch in solche Löcher falle. Ich bin aber auch so, dass ich gerade alles anzweifle, auch eine Kurzzeittherapie, die jetzt bewilligt wurde. Da weiß ich auch nicht, ob ich mich für die "richtige" Therapeutin entschieden habe, die "richtige" Therapieform. Auch da ist der Konflikt, sollte ich mich mehr um konkrete Dinge kümmern, also wäre nicht doch eher eine Verhaltenstherapeutin angesagt, jemanden, mit dem ich mal einen "Plan" machen kann, als wieder eine Analytikerin, die das vermutlich eher nicht machen wird. Und ich hab eben immer TP oder Analyse gemacht und manchmal hab ich das Gefühl, ich hab mich mit all dem Deuten und Analysieren in meinen sowieso schon komplizierten Gedankengängen irgendwie verheddert und es ist zu wenig reales Tun gefolgt. Aber letztlich wird es wohl so sein, dass ich in der Klinik die Möglichkeit haben werde, ganz real erlebnisbezogen an mir zu arbeiten und eben nicht nur theoretisch mein Leben und mich zu reflektieren, denn das letztere deprimiert mich wahnsinnig, weil ich das Gefühl habe, immer wieder die gleichen Gedanken zu haben und ich kann mir dann selbst nicht mehr dabei zuhören. Ich finde es auch furchtbar, immer wieder die eigene Geschichte erzählen zu müssen.

Vielleicht ist es echt normal. Panik vor dem, was mich da erwartet, vor der "Realität" dort (im Gegensatz zu der Phantasie die ich darüber habe). Ich würde mich gerne "freuen" aber das geht gerade nicht mehr. Ich bin verwirrt und irgendwie überfordert. Vielleicht weil ich es nicht einfach so "lassen" kann wie ich es entschieden habe. Mein ehemaliger Therapeut hätte gesagt, ich müsste alles "kontrollieren", ob es das ist, weiß ich auch nicht.

Ich sollte wohl wirklich einfach froh sein, dass ich diese Chance habe.
Zarra
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von Zarra »

Liebe missdi,

ich weiß zu wenig von Dir, um ..., aber Teile kann ich ganz sicher gut nachvollziehen.

Versuch' vielleicht wirklich die Entscheidung einfach mal "stehenzulassen", die Fahrkarte zu kaufen, hinzufahren. Punkt. Ohne zu große Erwartungen, aber auch nicht mit gar keinen.

Außerdem ist die "erlebnisbezogene" Erwartung vermutlich berechtigt. Und das kannst Du so ambulant kaum haben. - Ebenso (hängt von der Klinik ab) können ehrliche Rückmeldungen von Mitpatienten, die einen ja relativ umfassend erleben, auch hilfreich sein, insbesondere die weniger schmeichelhaften.

Und so wie ich die Informations- und Verweisungs-"Struktur" oder auch eben -Nicht-"Struktur" kennengelernt habe, ich es eher Zufall, wenn einem der eigenen Arzt eine gute Klinik empfiehlt. Außerdem finde viele Therapeuten und Kliniken ja gerade gut, wenn das vom Patienten selbst ausging. (... also bingo!)

"Therapiemüde": Ja, und manchmal kann auch keine Therapie angesagt sein. ... vielleicht bei Dir aber nicht gerade jetzt, zumindest nicht hinsichtlich des Stationären.

Die Frage der passenden ambulanten Therapeutin würde ich hingegen nach dem stationären Aufenthalt vielleicht wirklich nochmals anschauen, auch wenn die Genehmigung schon erfolgte. Vor allem bezogen auf die Person!
ich hab mich mit all dem Deuten und Analysieren in meinen sowieso schon komplizierten Gedankengängen irgendwie verheddert und es ist zu wenig reales Tun gefolgt.
Hast Du eine Idee, in welche Richtung das hätte gehen können? Was hat gefehlt, daß es nicht passiert ist? Oder waren es vielleicht zu hohe Erwartungen Deinerseits an Dich?
theoretisch mein Leben und mich zu reflektieren, denn das letztere deprimiert mich wahnsinnig, weil ich das Gefühl habe, immer wieder die gleichen Gedanken zu haben und ich kann mir dann selbst nicht mehr dabei zuhören
... ja, kommt mir bekannt vor. Und letzteres sollte ein Alarmzeichen sein, wenn sich während einer Therapie nicht zumindest auch was Neues einschleicht. - Das Alte wird nicht sofort weg sein, dazu ist es zu massiv, es sind "ausgetretene Gehirnpfade"; ... aber ohne neuen, anderen Input kommt es wohl noch weniger zu neuen Pfaden.

Hattest Du auch mit VT-Therapeuten Vorgespräche?

Ich finde die Entscheidungen schwierig (VT oder TP). Und "Klinik" hat da oft den Vorteil, daß da in vielen Fällen kombiniert wird. - Auf alle Fälle hängt auch viel am einzelnen Therapeuten.

Sture VT kann am Problem oder am einzelnen Patienten vorbeigehen; gute VT kann aber einfach auch wirklich gutes "Handwerkszeug" liefern.

LG, Zarra
missdi
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von missdi »

Liebe Zarra,

ja ich werde versuchen, meine Entscheidung mal "stehen zu lassen". Ich merke auch, dass es mir durch dieses ganzen Infragestellen wieder schlechter geht. Und das Erlebnisbezogene ist glaube ich das Beste, was mir passieren kann. Ich brauche reale Erlebnisse, reales Feedback, ein besseres Gefühl für mich selbst und mich selbst in Beziehung zu anderen erleben. Und Du hast Recht, dass man das außerhalb des Stationären in dieser Art nicht so schnell findet. Mein Leben hier verläuft gerade ziemlich einseitig, hier wird nicht viel passieren.

Und wegen der Therapie:

Warum vielleicht im Äußeren nicht so viel passiert ist, ist schwer zu sagen. Vielleicht weil ich ein eher ängstlicher Typ bin und Angst habe, Risiken einzugehen, etwas zu verändern. Das hat sich aber auch erst mit den Jahren entwickelt. Ich war mit Anfang Zwanzig äußerst mutig (wenn auch sehr unsicher), wie ich rückblickend finde, bin einfach alleine ins Ausland gegangen z.B. Aber mit den Jahren, habe ich das Gefühl, wurde ich immer unflexibler, depressiver. Ich weiß manchmal auch nicht, warum "es" schief gegangen ist oder warum ich mich trotz Therapien nicht positiver entwickelt habe. Aber das ist im Nachhinein so schwer zu sagen. Es hängt wirklich auch mit so viel Glück zusammen, z.B. an die richtige Person zu gelangen. Und ich hatte vielleicht immer so eine naive Vorstellung, dass "es" einfach dadurch, dass ich Therapie mache, besser werden wird. Natürlich habe ich viel über mich gelernt, bin jetzt anders als früher, keine Frage. Aber ich denke manchmal, dass ich mich noch vehementer hätte "ins Leben", in die Herausforderungen stürzen, mich meinen Ängsten hätte stellen müssen. Ich bin schon tendenziell jemand, der Dinge aus Angst vermeidet, dazu gehören Herausforderungen, Veränderungen, aber nur an denen kann man ja letztlich wachsen.

Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, dann denke ich schon, dass die Klinik bestimmt gute Möglichkeiten zum Wachsen bietet... Aus diesem Grunde habe ich sie ja auch gewählt.

Übrigens bietet die Klinik tatsächlich verschiedene Ansätze, TP aber auch VT (Schematherapie), und eben auch alternativere Ansätze (Körpertherapie, Atemtherapie, Familienaufstellung). Ich habe die Hoffnung, dass mir vielleicht dort nochmal klarer werden kann, was für eine Art von Therapie ich nun ambulant benötige. Eine Therapie brauche ich glaube ich schon.

Mit TP, Analyse und VT finde ich auch sehr schwierig. Ich hatte ein Gespräch mit einer VT-Therapeutin, die mir nicht zugesagt hat. Ich empfand es wie ein nettes Plaudern und das war mir zu wenig. Die psychiatrische Klinik, in der ich Anfang des Jahres war, ist VT-orientiert. Die Gespräche mit den dortigen Therapeuten waren nicht hilfreich, aber das lag glaube ich vor allem daran, dass alle Therapeuten mindestens 10 Jahre jünger waren als ich und das geht für mich gar nicht (UNiklinik). Ich glaube eigentlich schon, dass ein VT-Ansatz gut sein könnte oder eine Therapeutin, die mit VT und TP arbeitet. Nur dann noch die richtige Person finden. Die Analytikerin, die ich jetzt gefunden habe, wurde mir empfohlen und ich war darüber froh, weil ich sehr verzweifelt war. Sie ist auf jeden Fall sehr nett, sanft und aufmerksam, bestimmt sehr professionell. Sie hat aber schon diese Analytiker-Zurückhaltung und vielleicht brauche ich momentan doch mehr "Gegenüber". Ich merke dann, wie ich deprimiert werde während der Stunde, weil zu wenig von ihr kommt, zu wenig Spiegelung. Das hat aber auch etwas mit meiner Vergangenheit zu tun, damit, dass ich kein richtiges Gegenüber als Kind hatte und deshalb bis heute sehr unsicher bin, was meine Person betrifft. Deshalb ist eine klassische Analyse auch bei mir nicht so angesagt.

Was für eine Therapie machst Du jetzt und wie zufrieden bist Du, welche Erfahrungen machst Du? Ich habe in irgendeinem Post gelesen, dass Du jetzt wieder eine machst, kann mich aber auch daran erinnern, dass Du mal auf der Suche warst.

Liebe Grüße
Missdi
Zarra
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von Zarra »

Liebe missdi,
Ich habe die Hoffnung, dass mir vielleicht dort nochmal klarer werden kann, was für eine Art von Therapie ich nun ambulant benötige. Eine Therapie brauche ich glaube ich schon.
... Vorwarnung: Stationär gibt es viel mehr als ambulant möglich ist. ... irgendwie ist es ambulant doch viel eingeschränkter, selbst wenn man manches selbst zu Zahlendes hinzunimmt.
Aber mit den Jahren, habe ich das Gefühl, wurde ich immer unflexibler, depressiver. Ich weiß manchmal auch nicht, warum "es" schief gegangen ist oder warum ich mich trotz Therapien nicht positiver entwickelt habe.
Ich kann meine erste lange Therapie im nachhinein eindeutig als schiefgelaufen qualifizieren (es hätte eine sehr traditionelle Psychoanalyse sein sollen, das hatte sich einfach bei der Suche nach Therapie so ergeben, war keineswegs bewußt ausgewählt, - die aber überhaupt nicht zu meinem Störungsbild paßte). - Doch selbst wenn es so etwas nicht gab: Ich komme immer mehr zu dem Ergebnis, daß man sich bemühen kann, daß man Lernschritte gehen kann, daß es Besserung, Milderung geben kann - all das trifft schon auch bei allen Einschränkungen auf mich zu -, daß die Krankheit aber auch etwas Unvorhersehbares hat: Daß da Depression bleiben oder neu auftreten kann, einfach so, wogegen man auch nichts hätte machen können. Warum auch immer.
Klar ist es schwieriger, von alten Mustern loszukommen, wenn es viel aus der Kindheit gibt. Aber es gibt auch Fälle, bei denen man da gar nichts Kritisches findet. Und die trotzdem "absaufen". Von daher ist es vermutlich viel wichtiger zu lernen, mit all dem halbwegs praktikabel und befriedigend umzugehen.

Ich bin übrigens auch jemand, die ein konkretes Gegenüber braucht.

Mir hat stationär am meisten eine Klinik weitergeholfen, die auch auf Persönlichkeitsstörungen eingestellt war, ansonsten eine eigene Mischung machte. Ambulant ... und nach einer VT-Klinik (von den Therapeuten waren viele älter und eher sehr kompetent, auch wenn meine junge Einzeltherapeutin auch ein bißchen ihr Lehrbuch an mir durchprobiert hat ;) ) und vor allem weil ich solche Erfahrungen wie mit diesem Analytiker vermeiden wollte, habe ich eher nach VT geschaut: Eine hat mich gleich abgewiesen ("wenn Sie all das schon gemacht haben, kann ich Ihnen auch nichts bieten"); eine war ... Der ambulante VT-Therapeut, bei dem ich dann echt was gelernt habe, war eher untypisch; ich könnte Dir aber auch nicht sagen, was da eigentlich ... Dafür bin ich aber sehr dankbar. Das war das erste ambulant wirklich Weiterhelfende und Verändernde nach über 10 Jahren (natürlich mit langen oder längeren Phasen "ohne" dazwischen; und glücklichweise gab es auch diesen einen Klinikaufenthalt dazwischen, der etwas verändert hat).
Und da sind eben im Laufe der Jahre (es gab Pausen, später auch lose Übergänge) und zuletzt vor allem verstärkt eher tiefenpsychologische Themen aufgelaufen ... Dann war das eben auch nie sehr intensiv, selbst zu genehmigten Therapiezeiten maximal alle zwei Wochen.

Jetzt mache ich eine tiefenpsychologische Therapie, 50 Stunden sind genehmigt, über 20 schon rum (...). Meine Therapeutin ist vermutlich auch mindestens 10 Jahre jünger als ich (so langsam wird das allerdings auch keine Kunst mehr ;) ;) ), es paßt aber (!). Und für manche Themen bin ich einfach auch froh, bei einer Frau zu sein.
Ansonsten: Ich glaube, ich bin gerade an einem Punkt, an dem ich nicht viel sagen kann. Es hat sich seit Frühjahr "in mir" zumindest themenmäßig (auch strukturmäßig?!? - da bin ich viel skeptischer) einiges bewegt - da ist das Problem, daß das nicht unbedingt mit der Therapie zusammenhängen muß, die Anstöße für manches kamen jedenfalls nicht direkt von ihr oder aus der Therapie; doch ich weiß eben nicht, ob ich das sonst auch getan hätte oder doch nicht (z.B. "Wühlen" in der Vergangenheit meiner Eltern; teils auch: meine Position dazu suchen, schauen, was es für mich HEUTE bedeutet). Momentan, puh, ich bin mit einem ziemlichen Angst-Gefühl (Angst, daß die Therapie nichts bringt) zur letzten Stunde - und die dann angesprochenen Gefühle ..., das war gut. Mal schauen.

Ich kann Dir auf alle Fälle raten, sehr auf die Person zu schauen, ob Du mit der kannst, ob die zu Dir paßt. - Die beste Qualifizierung hilft Dir nichts, wenn es persönlich nicht paßt.
Sie hat aber schon diese Analytiker-Zurückhaltung und vielleicht brauche ich momentan doch mehr "Gegenüber". Ich merke dann, wie ich deprimiert werde während der Stunde, weil zu wenig von ihr kommt, zu wenig Spiegelung.

Zumindest könntest Du mal schauen, was passiert, wenn Du das so aussprichst - sowohl ob sie dann anders reagiert, aber auch ihre Rückfragen, und was es eventuell mit Dir macht, das so klar zu benennen. Falls Du es nicht schon getan hast.

Herzliche Grüße, Zarra
missdi
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von missdi »

Liebe Zarra,
... Vorwarnung: Stationär gibt es viel mehr als ambulant möglich ist. ... irgendwie ist es ambulant doch viel eingeschränkter, selbst wenn man manches selbst zu Zahlendes hinzunimmt.
Ich glaube es gibt ambulant schon viele Möglichkeiten, zumindest hier in einer Großstadt, aber nur, wenn man das nötige Kleingeld dazu hat. Ich habe eine Freundin, die sehr viel an sich arbeitet, ohne wie ich stark an Depressionen zu leiden, sie hat ihr Leben gut im Griff, wie ich finde, (also ich kann davon nur träumen, aber jeder "leidet" eben auf seinem Niveau...), aber auch sie ist auf der Suche nach sich selbst, nach Sinn usw. Jedenfalls bucht sie ständig irgendwelche Selbsterfahrungsseminare (die ich mir nicht leisten könnte, jedenfalls nicht in der Häufigkeit). Die ersetzen natürlich keine Therapie. Aber ich hätte schon an Vielem Interesse, wenn ich eben das Geld hätte. Aber das Kliniksetting ist natürlich einmalig. Ich persönlich profitiere sehr von Gruppentherapien und das ist ja meist Kern des Therapieangebots in einer Klinik.
Ich kann meine erste lange Therapie im nachhinein eindeutig als schiefgelaufen qualifizieren (es hätte eine sehr traditionelle Psychoanalyse sein sollen, das hatte sich einfach bei der Suche nach Therapie so ergeben, war keineswegs bewußt ausgewählt, - die aber überhaupt nicht zu meinem Störungsbild paßte).
Darf ich fragen, was schief gelaufen ist? Ich vermute Du hast darüber schon im Forum geschrieben, musst es also nicht wiederholen...

Meine letzte modifiziert-analytische Therapie ist leider auch schiefgelaufen, ab einem bestimmten Punkt. Seitdem bin ich sehr verunsichert, was die Therapierichtung angeht. Denn nur weil man einmal eine schlechte Erfahrung mit einem Analytiker gemacht hat, muss man ja nicht gleich die Therapierichtung wechseln, wenn die Therapieform grundsätzlich hilfreich war (und das war sie). Das Problem war eine Art Verstrickung des Therapeuten und dass er seine negativen Gefühle mir gegenüber nicht im Griff hatte.
Ich komme immer mehr zu dem Ergebnis, daß man sich bemühen kann, daß man Lernschritte gehen kann, daß es Besserung, Milderung geben kann
Das glaube und hoffe ich auch. Ich habe irgendwie die Hoffnung, dass man sogar mit dem Älterwerden gelassener mit den Einschränkungen umgehen kann. Meine schlimmste Vorstellung und Angst ist, dass die Depressionen immer schlimmer werden und dazu körperliche Krankheiten kommen und ich sozial immer weiter "absteige". Wenn ich jedoch versuche, positiv zu denken, dann denke ich, dass ich es vielleicht doch mit der Zeit schaffen kann, "damit" zu leben, es zu akzeptieren, aber ohne deshalb "aufzugeben". Ich empfinde die Phase zwischen 30 und 40/45 (bin 40) als sehr schwierig, weil es das Alter ist, wo man sich normalerweise beruflich festigt, selbstbewusster wird, eventuell eine Familie gründet, gefestigter wird. Ich sehe das ja an meinem Umfeld, wobei mein Umfeld nicht unbedingt und zum Glück nicht der "Standard" ist. Und bei mir habe ich diese Dinge nicht beobachten können, beruflich war es ein Kampf, ich habe beruflich keinen für mich passenden Platz finden können und weiß nicht wohin und für einen Neuanfang fehlen mir momentan die Ideen und vermutlich das Vertrauen in meine Stärke, so etwas durchzuziehen. Und für Kinder bleibt nicht viel Zeit, bin dabei mich davon zu lösen. Was ich damit sagen will, vielleicht muss man diesen Kampf irgendwann nicht weiterführen, man akzeptiert, dass man beruflich vielleicht nicht die Erfüllung gefunden hat, dass man keine Kinder bekommen hat usw. und dann kann man vielleicht insgesamt gelassener sein, seine Energie auf andere Dinge verwenden, so hoffe ich.


Ja an jüngere Therapeuten muss man sich wirklich gewöhnen. Aber 40 ist auch noch etwas anderes als 30 oder 24! (so alt war die Therapeutin in der Uniklinik, frisch von der Uni). Und nach meiner letzten Erfahrung will ich unbedingt zu einer Frau.

Und ich denke auch, es geht vor allem um die Person und weniger um die Therapieform. Und man muss sich überlegen, was will ich eigentlich in der Therapie, was erwarte ich von einem Therapeuten. Ich werde nicht zu voreilig einen Rückzieher machen, ich versuche meiner neuen Therapeutin eine Chance zu geben, aber gleichzeitig genau darauf zu achten, ob es mir hilft. Manchmal passiert es ja, dass man sich als Mensch, mit seinen Gedankengängen und Äußerungen so verstanden fühlt, dass einen jemand so gut erfasst. Das hatte ich eigentlich mit meinem letzten Therapeuten (umso dramatischer, dass es so schlimm endete!). Und das wünsche ich mir eigentlich.

Schon seltsam alles... Mit 20 hätte ich NIE NIE gedacht, dass ich mit 40 immer noch Therapie brauche und mit 30 habe ich gesagt, okay vielleicht schaffe ich es bis 40, mein Leben im Griff zu haben, gut, dass ich da nicht wusste, wie es mir jetzt geht. Zumindest wenn man sich fürs Leben entscheidet dann gibt es ja eigentlich nur die Möglichkeit, es so gut es geht zu versuchen, nicht aufzugeben, immer wieder aufzustehen, und kleine Schritte zu gehen, nachsichtig mit sich zu sein, sich nicht zu vergleichen. Vor einigen tagen gab es eine total schöne Reportage ich glaube auf 3 SAT über das "Glück des Alters", es wurden 4 ältere Menschen (über 80) begleitet und befragt, wie sie das Alter empfinden, welche Bedürfnisse sie haben. Es war sehr positiv eigentlich. Jedenfalls sprachen viele von Ihnen von einer gewissen "Leichtigkeit" und dass viele Dinge einfach keine Rolle mehr spielen (im positiven Sinne). Aber natürlich dachte ich dann, dass diese Menschen wahrscheinlich auch ein sehr volles lebendiges Leben hinter sich haben. Es muss toll sein, auf ein voll gelebtes Leben zurückzublicken. Wie es wohl ist, wenn man auf ein sehr durchwachsenes, von Depressionen durchzogenes Leben zurückblickt, in dem gewisse Etappen einfach nicht stattgefunden haben, Vieles nicht so war, wie man es sich gewünscht hat... Seit ich 40 geworden bin beschäftigt mich das "Alter"/Älterwerden enorm.

So ich komme immer mehr vom Titel des Threads ab...

Liebe Grüße
Missdi
Zarra
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Re: Klinikaufenthalt wahrnehmen trotz stabilerem Zustand

Beitrag von Zarra »

19./22.10.2014

Liebe missdi,

ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll ... (und wo enden).

Ich werde 52 -- ja, das hat im Gegensatz zu Dir Vorteile, manche Dinge sind praktisch abgehakt; und ja, ich würde schon sagen, daß ich irgendwie "gelassener" geworden bin und/bzw. meine Verzweiflung hat eindeutig abgenommen (kein Vergleich zu früher!!). Eine gewisse Lebenserfahrung spielt sicher auch eine Rolle (wenn man sie halt trotz der Krankheit nutzen kann, das ist der Haken); ich denke, es liegt aber auch mit an therapeutischen (!) und anderen (!) Lernerfahrungen. Diese eine Klinik war hinsichtlich meiner Todeswünsche (nur Wunsch, nie mehr, aber das reicht als Verzweiflung und Belastung!) und anderem wichtig - danach war einfach etwas anders. (Die Klinik würde vermutlich gerne hören, daß es an etwas Speziellem lag -- ich glaube viel eher, daß es an dem anderen erfahrenen Lebensgefühl oder die erfahrene (!) Ahnung davon lag.) Und dieser langjährige VT-Begleiter, ja, auch für ganz alltägliches "Handwerkszeug", teils so banal, daß man das wirklich nicht als Punkt anführen kann - für mich aber wichtig, um handlungsfähiger zu werden, ... und mir hatte das so eben niemand gezeigt; und sicher auch seine "Beständigkeit".
Meine schlimmste Vorstellung und Angst ist, dass die Depressionen immer schlimmer werden und dazu körperliche Krankheiten kommen und ich sozial immer weiter "absteige".
Es reicht aber, sich dann Gedanken darüber zu machen, wenn es eintritt! Denn das kann u.U. alles eintreten, es muß alles aber auch nicht eintreten. Freiwillig zieht man sich nichts von alledem zu, also kann man es ggf. eh nicht wirklich ändern.
ich habe beruflich keinen für mich passenden Platz finden können und weiß nicht wohin und für einen Neuanfang fehlen mir momentan die Ideen und vermutlich das Vertrauen in meine Stärke, so etwas durchzuziehen
Warum paßt Dein beruflicher Platz für Dich nicht? - ... das ist aber vielleicht eher ein Problembereich für danach, ... oder ist er mit der zentrale?

Es könnte auch sein - muß es aber nicht!! -, daß Du zuviel mit real und vermeintlich besser gestellten Personen in Deinem Alter vergleichst. Manches ist Glück. Bei manchem schaut man nicht genau genug hin (sonst müßte man das anders beurteilen).

Die Kehrseite von weniger Verzweiflung u.ä. ist bei mir eventuell aber eventuell auch mehr Resignation im Sinne von Hinnehmen. Manchmal ist das gut (wenn es mich vor Hochsteigerungen und Schlaflosigkeit bewahrt), manchmal ist das schlecht (weil es manchmal vielleicht auch ein Antrieb wäre, Bestätigung, Anerkennung brächte, ein Ziel vorgäbe). Seit ich durch die halbe EM-Rente nur noch halb arbeite, bin ich beruflich auch etwas "ausgebootet" - teilweise kam mir das gelegen, teilweise ist es natürlich fragwürdig (neulich hatte ich mal wieder so einen Anfall, doch hinsichtlich der konkreten Bedingungen vor Ort, ist es zumindest vorläufig aktuell besser so, auch wenn ich dann immer einige Zeit brauche, bis ich wieder zu meiner Haltung zurückfinde). Alles kann man eben nicht haben.

"Meine Energie auf andere Dinge verwenden" ... ;) - klingt schön. Is' vielleicht nicht ganz so bei mir. Einfach keine Energie dafür da. Doch dieses Thema lassen wir jetzt.

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Meine aus meiner Sicht schiefgelaufene Analyse: Ich habe mich sicher nicht zurückhalten können, hier und da ggf. was zu schreiben; müßte ich aber auch suchen. Unterm Strich: Vermutlich einfach sehr klassisches, sehr "abstinentes", sehr "cooles" Analytiker-Verhalten, ... das mich im Regen stehen ließ, anfangs vermutlich ohne daß ich es wirklich merkte, ich dachte lange, es müsse vielleicht so sein (Therapie muß ja anstrengend und belastend sein und so), mein Ansprechen brachte null Komma null, höchstens einsilbige Kommentare, die ich (damals) nicht verstand. ... in dem Ton und ohne weitere Erläuterung würden sie mich aber auch heute noch kränken - und ich fände sie so weiterhin nicht okay. Eher eine Art "Retraumatisierung" (jemand zwar äußerlich da, aber jemand, den mein Wohlergehen nicht sonderlich kümmert, jemand, der nicht versucht, mich zu verstehen); und das sollte Therapie ja eigentlich nicht sein. Von einer Art Fürsorglichkeit keine Spur, eher Ignoranz auch ganz praktischen Problemen gegenüber (Alltagsgeschichten; aber auch körperliche Beschwerden, die immer schlimmer wurden, - da war viel Psychosomatisches dabei, aber über den Vorschlag meiner Hausärztin (psychosomatische Klinik) war er dann hell entsetzt; ich weiß schon, daß man da auch schnell einen Nebenschauplatz aufmachen kann, aber so undifferenziert, wie er das betrieb, geht das einfach nicht). Er ließ mich in einer Notsituation "auflaufen" - gute Therapeuten haben auch keine Zeit, aber sie haben einen aufmunternden oder hilfreichen oder zumindest so gemeinten Satz für einen! Ja, auch dafür bin ich Herrn L. dankbar, der das einfach - wie ganz fraglos - gemacht hat, als ich mich dann, erst in den letzten Jahren, traute. Vielleicht hat mir geholfen, daß der erste Berater in einer Beratungsstelle, den ich oft noch am Ende mit meiner Verzweiflung überschüttet habe (der muß echt gute Nerven gehabt haben!) - ich konnte damals einfach nicht anders, auch wenn ich das natürlich rückblickend ... -, mich immer "ermunternd" verabschiedete, da nie was Schroffes war. Der Unterschied ist vielleicht, ob eine (therapeutische) Beziehung entstehen darf oder nicht.
Ich brauche eben auch ein konkretes Gegenüber, um mich nicht zu verlieren ... und womöglich noch von Gefühlen überflutet zu werden.
Das hatte ich eigentlich mit meinem letzten Therapeuten (umso dramatischer, dass es so schlimm endete!).
Das Problem war eine Art Verstrickung des Therapeuten und dass er seine negativen Gefühle mir gegenüber nicht im Griff hatte.
... das klingt gar nicht gut. - Ich wünsche Dir, daß Du es verarbeiten kannst.

Herzlich, Zarra
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