Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Sonnenblume14 »

Wie haltet ihr "schlechte" Tage durch? Ich meine solche Tage, an denen bereits der Gedanke an das Aufstehen Schweißausbrüche bereitet, man glaubt, den Tag nicht überstehen zu können?

Wie steht ihr das überhaupt durch und was macht ihr dann nach Feierabend?

Ich bin ja in der Wiedereingliederung, arbeite zur Zeit von 10-13 Uhr, also in einer angenehmen Zeitspanne, die es mir ermöglicht, morgens auszuschlafen. Da ich abends meist meine beste Phase habe, ist es schön, die auch etwas länger ausnutzen zu können.
Da ich mich seit Dienstag mehr oder weniger zur Arbeit schleppe (allerdings wegen einer Erkältung), bewundere ich diejenigen unendlich, die einen kompletten Arbeitstag schaffen. :o

Möchte ich ja auch gerne - die Arbeit lenkt gut ab, wenn ich dort bin, fühle ich mich ganz gut, wenn ich auch merke, dass ichnicht "die alte" bin. Das nervt schon mal. Wenn ich nach Hause komme, bin ich k.0. und fühle mich irgendwie total nutzlos. Ich möchte was machen, mir was Nettes gönnen, aber es fehlt die Kraft.
Die letzte Woche war viel motivierter und bot schon sowas wie "normales Leben" - so ein Absturz zurück ist gruselig.

Liebe Grüße
Eure Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
timmie2002
Beiträge: 1706
Registriert: 2. Nov 2012, 13:32

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von timmie2002 »

hallo sonnenblume,

sind ja gerade zwei ähnliche threads auf dem trapez. :-)

ich habe nach eineinhalb jähriger erkrankung auch erst eine wiedereingliederung gemacht und arbeite jetzt verkürzt.

auch ich bin im hinblick auf leistungsfähigkeit nicht mehr die alte. vergleichen mit anderen tut da nicht gut. ich bemühe mich auch sehr darum, anzunehmen, wie mein zustand jetzt nun einmal ist und daraus das beste zu machen.

es sind auch nicht alle tage gleich. an manchen komme ich gut zurecht, habe auch noch kraft nach der arbeit für andere dinge, oftmals bin ich aber nach dem unterricht- ich bin lehrerin- nur noch fix und fertig. dann geht gar nichts mehr. das ist schon sehr belastend.

ich denke, dass man sehr aufpassen muss, sich nicht zu überfordern, stress zu vermeiden und achtsam zu sein. ich habe gelernt, zum arzt zu gehen, wenn ich nicht mehr kann. dann muss eben auch eine kleine auszeit sein, bevor es wieder ganz schlimm wird. dafür ernte ich zwar von einigen kollegen nicht so nette blicke, aber auch damit kann ich mittlerweile gut umgehen. sage mir immer: ihr wisst nicht, was mit mir los ist.

ich versuche stolz darauf zu sein, dass ich noch arbeiten kann. es gibt so viele betroffene, bei denen das nicht mehr geht und die darunter auch leiden. wie du schreibst, ist es einfach auch ein stück normalität, die man sich zurückerobert, wenn man wieder berufstätig ist. und die schüler scheinen mich noch immer zu mögen. ich muss also kein grauen davor haben, vor der klasse zu stehen.

sehe es bitte nicht als absturz, wenn es dir im moment nicht so gut geht, gerade auch mit einer erkältung. das kenne ich auch, dass es einem zeitweilig mal wieder schlechter geht. das geht aber auch wieder vorüber.
als ich meine wiedereingliederung hatte, gab es ebenfalls ganz schlechte tage, an denen ich dann sogar teilweise zu hause geblieben bin. du musst wirklich ausprobieren, was du dir zumuten kannst und sehr genau beobachten, wann es zu viel wird. dann solltest du auch die notbremse ziehen, denn nichts ist schlimmer als wieder total in die depri zu fallen. deine gesundheit muss dir am wichtigsten sein. ich musste mir das reegelrecht einbläuen.

ich wünsche dir alles gute und kuriere die erkältung aus. solche "kleinen" erkrankungen können uns auch sehr mitnehmen.

glg final
ichbingut
Beiträge: 1015
Registriert: 6. Aug 2014, 00:45

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von ichbingut »

*
Zuletzt geändert von ichbingut am 30. Aug 2018, 15:14, insgesamt 1-mal geändert.
Der Weg ist das Ziel!
why
Beiträge: 209
Registriert: 1. Sep 2006, 15:32

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von why »

hallo Sonnenblume,
ich bin vollzeitig tätig, spüre aber immer wieder, dass ich mehr Pausen brauch als früher. Mir das einzugestehen fällt mir sehr schwer. Jetzt hatte ich eine gute Phase 5 Wochen lang. Aber jetzt bin ich sehr erschöpft und die Angst wieder in eine Depression zu fallen ist groß.
In 3 Wochen hab ich Urlaub und da erhoffe ich mir, dass ich wieder Energie tanken kann.
Also mein Weg ist, öfter Urlaub machen als früher (früher konnte ich meinen Urlaub gar nicht vollständig nehmen, weil ich meinte, es gibt so viel für mich zu tun)
Meine Therapeutin gab mir den Rat, meine Stunden zu reduzieren, damit kann ich mich gar nicht anfreunden.
lore
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo,

danke für Eure Antworten. Ich weiß, ich muss geduldiger sein.

@why: Stundenreduzierung ist etwas Schönes. Ich arbeite sowieso 32 Stunden pro Woche, muss also auf 6,5 Stunden aufbauen. Für mich ist der Vorteil, dass ich später anfangen kann, was wirklich hilfreich ist. Früher war ich um 5 Uhr schon unterwegs, jetzt freue ich mich, dass ich erst um 10 anfangen muss. Ich werde auch versuchen, nach der WE zunächst bei 5 Stunden pro Tag zu bleiben - ich merke, dass das derzeitige Pensum (3 Stunden) in schlechten Zeiten schon Kraft kostet.

Mein Problem ist die Angst vor der Überlastung. Dieser Balanceakt zwischen "nicht in Watte packen" und achtsam sein, das zu lernen, scheint ein langwieriger Prozess zu sein.

Wie habt ihr den Sprung ins Arbeitsleben erlebt? Vor allem die Entscheidung über den Zeitpunkt - ich bin zwar froh, es gewagt zu haben, aber es war schon eine enorme Veränderung, weil einem das "normale" wieder viel bewußter wird.
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
T Ally
Beiträge: 595
Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von T Ally »

Hallo Sonnenblume,

Deinen Satz am Ende finde ich wunderbar, er spricht mich sehr an. Ich frage mich, ob ich dabei bin, zu lange stark zu sein.

Ich gehe seit mehr als 20 Jahren Vollzeit arbeiten im Dienstleistungssektor und bin mit tariflichen 39 Wochenstunden als interner Dienstleister für unsere am Kunden stehenden Berater tätig. Ich muss viele Bälle in der Luft halten, gesetzliche Anforderungen beachten, Fristen einhalten, Anfragen bearbeiten und habe einen fest zugeordneten Kundenstamm. Zudem sitze ich im Großraumbüro und habe ständige Beschallungen und Unterbrechungen durch persönliche Anfragen und Telefon zu ertragen. Natürlich immer freundlich bleiben und da fängt es an, mir schwer zu fallen. Ohne Überstunden ist der Job eh nicht zu schaffen und gerade haben wir 6-Tage Wochen hinter uns...

Die Kraft ist am Ende. Ich weiß, dass Abgrenzung nötig ist. Probleme des Arbeitgeber wegen zu wenig Personal sind nicht meine; ich kann Feierabend machen, wenn die Stunden geleistet wurden. Aber eben das bekomme ich auch schlecht hin.

Schweißausbrüche sind an der Tagesordnung, weil Befürchtungen bestehen, nicht alles korrekt geschafft zu haben. Daneben ist das Essen totale Nebensache geworden und an Schlaf kaum zu denken.

Jetzt hat meine Therapeutin mir eine Liste gegeben mit schönen Tätigkeiten, von denen ich mir welche aussuchen soll und diese dann fest in den Kalender übernehmen. Es ist leider so, dass ich gar nicht mehr wusste, was es an schönen Tätigkeiten gibt. Wenn diese nun einen festen Platz haben, dann dehne ich die Arbeit nicht mehr ewig aus, sondern gehe auch nach Hause. Gestern z.B. habe ich nach Monaten das erste Mal wieder den Herd angeschaltet :-)
Weitere für mich ansprechende Tätigkeiten sind z.B.: Buch lesen, Spazieren gehen, backen, kochen, sogar putzen... Eigentlich ganz banale Dinge, die mir voll aus dem Fokus gefallen sind.

Bzgl. krank zur Arbeit gehen, kann ich Dir nur sagen, dass ich Dich verstehe. Auch ich lasse mich ungern krank schreiben und bearbeite meinen Arzt sogar zeitweise, dass es doch so schlimm nicht ist. Dabei ist das totaler Quatsch. Wer krank ist soll zu Hause bleiben und gesund werden, dann geht auch alles viel besser von der Hand. Das gönne ich auch allen anderen, aber eben mir nicht. Daran muss ich unbedingt arbeiten. Und auch derzeit gehöre ich eigentlich nicht ins Büro, das sagt mir immer wieder eine Kollegin und Freundin, aber ich kann es mir noch nicht eingestehen.
Die Angst dahinter ist wohl, was die Kollegen denken oder reden. Dabei kann ich das doch eh nicht beeinflussen...

Es tut mir Leid, dass ich so viel geschrieben habe und Dir damit doch wenig weiterhelfen konnte. Aber es ist leider so, dass ich noch ganz am Anfang mit dem Depressions-Thema stehe und wenig Tipps geben kann. Ich muss selbst noch meinen Weg aus dem zähen Leben finden.

Ich finde es aber sehr schön, dass Du dem Punkt Arbeit im Zusammenhang mit der Depression hier einen Platz gegeben hast. Es bewegt mich sehr und tut gut zu lesen, dass ich nicht allein bin und viele mit diesem "Problem" kämpfen und man einen Weg finden kann.

Ich wünsche ein ganz tolles, langes und erholsames Wochenende
Adler66
Beiträge: 9
Registriert: 25. Sep 2014, 15:09

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Adler66 »

Hallo zusammen,
ich kann so gut nachvollziehen, was Ihr schreibt - insbesondere Du, T Ally ..
Mir geht es ähnlich: 39 Stunden "tariflich" - aber in der Zeit ist "es" an und für sich nicht zu schaffen.
Mein Weg war, offen mit dem Thema "Burnout/Depression" umzugehen ... und Kollegen, auch Führungskräfte, schienen/scheinen (zunächst) "bereit", sich entsprechend zu verhalten - sprich: "Rücksicht" zu nehmen ...
Doch sobald es "brenzlig" wird, wird ganz schnell wieder vergessen, dass da jemand ist, der zwar "will", dem es aber momentan nicht wirklich so gut geht. Da wird ganz schnell wieder alles auf DEINEN Tisch "geknallt"; werden Probleme wieder auf DICH abgeschoben ...
Man selbst - ich selbst - sitze dann im wahrsten Sinne des Wortes zwischen den Stühlen. Einerseits wäre es wahrscheinlich vernünftig(er), wieder eine "Auszeit" zu nehmen - sich wirklich mal so richtig um sich selbst zu kümmern ... andererseits dann wieder dieses "Pflichtgefühl" und der Wille, die anderen (die meist auch im Stress sind), nicht hängen zu lassen ...
Den Arbeitgeber interessiert das alles offensichtlich nicht wirklich. Er erwartet, dass immer mehr Arbeit erledigt wird - und gleichzeitig, dass jeder einsieht, dass trotzdem dafür mehr Personal "nicht drin" ist ...
So wird "Dienstleistung nach außen" zu "Mitarbeiter-Verbrennen nach innen ..."
Oder liegt es wirklich nur an mir/an MEINER "inneren Einstellung zu den Dingen", dass ich das immer stärker so empfinde?
Wie geht es Dir/Euch da so tagtäglich?
T Ally
Beiträge: 595
Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von T Ally »

Hallo Adler,

Du sprichst mir aus der Seele.

Zitat: So wird "Dienstleistung nach außen" zu "Mitarbeiter-Verbrennen nach innen ..."

Direkt geben die Vorgesetzten und großen Bosse zwar an, dass die Work-Life-Balance immens wichtig ist, (aber nur, wenn es um sie selbst geht). Es wird dann noch angesprochen, dass man für Ausgleich, Hobby und Sport sorgen soll, aber die Zeit geben sie einem nicht. Und wenn man die Arbeit nicht schafft, kann man es auch aus verschiedenen Blickwinkeln sehen, eben ganz nach Status und Ansehen des Mitarbeiters:

1. Der richtige Mitarbeiter ist wirklich überlastet und es muss dir Ursache gefunden werden. (das wäre schön!)
2. Der Mitarbeiter ist nicht belastbar oder schnell genug oder hat zu wenig Wissen. Die Qualität ist nicht ausreichend (leider wird überwiegend dieser Punkte angeführt)

So kann man durch diese Sichtweise immer schön den Druck auf den Mitarbeiter erhöhen und die Angst um die wirtschaftliche Situation ausnutzen...
Gibt es dann jemanden, der diese Missstände offen anspricht, dann schweigen in vertrauter Gruppenrunde eigentlich alle und man steht allein auf offener Flur. So wird noch der letzte Revoluzzer mundtot gemacht und man steht allein. Der Druck kann weiter erhöht werden, es äußert ja niemand mehr Kritik.

Auch ich habe offen mit der Gruppenleitung gesprochen als Überstunden angeordnet wurden und gesagt, dass ich derzeit einfach nicht in der Lage bin, mehr zu leisten als das bisherige; da waren auch schon "freiwillige" Überstunden im Alltag innbegriffen. Es wurde mit Verständnis reagiert, das allerdings wirklich nach wenigen Tagen verschwunden war. Die Anforderungen stiegen weiter und der Druck wurde 1:1 weitergegeben.
Neulich wurde ich gefragt, wie es mir ginge. Die Antwort, dass es viel zu viel wäre, wurde -schon auf dem Weg zur Tür- lieber überhört. So viel zum Verständnis.
Hauptsache der Laden läuft und den Vorgesetzten sind keine Vorwürfe zu machen.

Nun geht es mir eigentlich seit langem nicht gut und ich weiß, dass ich dringend mal raus müsste. Der Körper streikt durch ständig neue Zeichen: Totale Erschöpfung, Übelkeit, Schweißausbrüche, dann wieder Schlaflosigkeit, Schwindel, Appetitlosigkeit, reizbar, Konzentration nicht mehr möglich, völlige geistige Abwesenheit etc. Es kommt immer mal wieder etwas Neues dazu.
Leider fühle ich mich nicht sichtbar krank genug, um eine "Auszeit" zu nehmen. Und ich würde die Kollegen im Stich lassen, die dann auch meine Arbeit (zumindest die wichtigsten Terminsachen) mit erledigen müssten. Also schleppe ich mich tagein tagaus ins Hamsterrad und laufe weiter, obwohl die Kraft auf letzten Limit steht und immer mehr abnimmt.

Und leider sehe ich keine Besserung, dass sich an diesen Umständen etwas ändert. Also muss ich an mir etwas ändern, das fällt mir leider sehr, sehr schwer. Ich hoffe, dass die Kraft reicht!
Adler66
Beiträge: 9
Registriert: 25. Sep 2014, 15:09

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Adler66 »

Hallo T Ally,

ja - wir sehr sich da unsere "Arbeits-Geschichten" wohl ähneln ... :?

Bei mir ist es genau so: Chef redet immer davon, dass man "auf sich aufpassen" soll - auf Ausgleich achten und auch mal entspannen und so ...

Und ER SELBST macht davon ja auch ausgiebig Gebrauch.

MIR schiebt er aber ständig Sachen zu - obwohl er weiß, wie sehr ich derzeit "zu kämpfen" habe :evil:

Wenn ich dann - mit einem sachlichen Argument - auf die Notwendigkeit klarer/er Strukturen und Zuordnungen in der Arbeit des Gesamtbetriebs hinweise, dann wird als "Totschlagargument" meine "Situation" dafür ins Spiel gebracht, dass ich ja deshalb nicht voll belastbar sei ...

Mal abgesehen davon, dass - wenn es wirklich NUR an mir läge - ich mir dann die Frage stelle, warum nicht wirklich Rücksicht genommen wird (ich bin schon lange in dem Betrieb und habe da schon so manche Dinge auf die Beine gestellt - darf man da nicht auch mal ein "Entgegenkommen" erwarten??); hält dann eben "meine Situation" dafür hin, dass wichtige Entscheidungen im Hinblick auf die (GESAMT-!!) Situation nicht angepackt werden.

Hauptsache, er selbst ist aus der Sache raus und kann in Ruhe seinen Feierabend und was weiß ich noch für tolle Dinge genießen ...

So wird meine Persönlichkeit immer wieder ausgenutzt.

Du schreibst es so treffend:

Und leider sehe ich keine Besserung, dass sich an diesen Umständen etwas ändert. Also muss ich an mir etwas ändern, das fällt mir leider sehr, sehr schwer. Ich hoffe, dass die Kraft reicht!

Genau DAS ist auch mein "Problem" ...

Vielleicht können wir uns ja gegenseitig mit dem einen oder anderen "Erfolgserlebnis" aufmuntern, wenn wir es denn mal schaffen, dahin zu kommen :hello:

Ich würde mich freuen!
FrauRossi
Beiträge: 3165
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von FrauRossi »

Hallo,

Ich habe die Beiträge hier gelesen und denke etwas differenzierter.

Ihr schreibt eureVorgesetzen haben erst Verständnis und dann geben sie den Druck/ die Arbeit/ etc doch wieder ungebremst an Euch weiter.

Ich denke dass niemand der nicht selbst Depression erlebt hat, weiß wie das ist. Ein Vorgrsetzer zeigt also erstmal "Verständnis" wenn man ihm sagt dass man derzeit nicht soviel kann. Dann hält er vielleicht ne zeitlang die Arbeit etwas von euch fern und danach geht es wie gewohnt weiter.

Seid ihr der Auffassung ein Außenstehender könnte wirklich verstehen wie es euch geht? Ich denke nämlich nein. Daher ist es nicht verwunderlich dass es läuft wie ihr beschreibt. Und eigentlich kann man darüber froh sein.

Denn jeder Chef der kapieren würde ich habe hier jemanden der wahrscheinlich über Jahre das Arbeitspensum nicht mehr schafft und vermutlich etliche Wochen AU geht. Der wird sich überlegen wie er euch kündigen kann.

Das ganze Wiedereingliederungsgelaber der Therapeuteb und Co ist ja ganz nett, nur leider sehr fern von den wirtschaftlichen Zwängen denen ein Unternehmen unterliegt. Ein Mitarbeiter der drei Monate wegen Depri krank geschrieben ist, danach dann nur zwei Stunden am Tag kommt und dann langsam steigert nach 6 Monaten dann nochmal 3 Monate in die Reha geht usw usw usw.

Klar ist das für einen selbst alles schlimm, aber das Unternehmen denkt wirtschaftlich und es hat garkeine andere Wahl, da erzeugt so ein Mitarbeiter nur Kosten und tusätlichen Stress für alle anderen.

Natürlich ist das nicht die Betrachtungsweise die man selber hat. Aber vielleicht sollte man mal etwas weiter gefasst schauen, dann könnte dabei herauskommen dass der Vorgesetzte kein mieser Arsch ist, der mir armer Deprinette nur zusätzlichen Druck machen will, sondern auch nur ein Mensch der seinen Job machen muss und seinem eigenen Druck standhalten muss.
Und das mal ganz abgesehen davon dass ich glaube dass kein Nichtbetroffener die Tragweiter der Erkrankung erkennen kann. Also überhaupt nicht in der Lage ist die richtige Form von Verständnis aufzubringen, selbst wenn das komplette Unternehmen total Worklifebalance mäßig ausgerichtet wäre.

Und selbst dann stellt euch vor ihr arbeitet in einem Esotherik "Schuppen" wo alle total "verständnisvoll sind und Achtsamkeit praktizieren und sich ganz doll lieb haben, und Freitagsmittags wird im Snozzelzimmer in kuschelige Kissen gehühlt über die Probleme der Woche gesprochen, so ganz in Ich Botschaften gehüllt und mit Umarmungen hinter her. Selbst so ein Unternehmen muss wirtschaftlich handeln. Und dann wird einem halt mir ner Schmusezeremonie gesagt dass man raus ist.
Macht es das besser?

Ich bin gerade neu bei einer Firma, die Chefs sind nett und verständnisvoll, der Umgangston ist höflich und ausgesucht und alle sind nett zu einander. Die Dame die die Abrechnungen macht hat eine Krankheit, schon seit zwei Jahreb fällt sie immer wieder für lange Zeiträume aus. Oft kommt sie zur Arbeit und ist so schwach auf den Beinen dass sie nach ein zwei Stunden gehen muss. Niemand ist ihr böse, niemand verlangt viel von ihr, alle haben Verständnis. Und dennoch sie wird die Kündigung bekommen. Ihre Arbeit muss gemacht werden, die Mitarbeiter draußen haben oft Probleme weil sie Ihre Arbeit nicht machen kann, die Abläufe sind gestört. Gehaltsabrechnungen sind nicht rechtzeitig fertig, ihre Arbeit muss von anderen Mitgemacht werden usw usw.

Natürlich aus ihrer Sicht ein Drama. Da hat sie schon diese Scheiß Krankheit und verliert deswegen auch noch ihren Job. Aber was ist die Alternative?

Und so ähnlich ist es doch bei jedem von uns, jeder erfüllt bei seinem Job eine Funktion. Kann er das nichtmehr machen, fällt die Arbeit auf alle anderen, die dann auch mehr Stress haben. Ein Teufelskreis. Aber nicht zu ändern
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Frau Rossi,

so, wie du es beschrieben hast, so läuft es halt in der Wirtschaft. Ja. Trotzdem ist es nicht richtig und vor allem nicht menschlich. Ich sehe es von einer anderen Seite: wenn jemand den Willen zeigt, zu arbeiten, ein Teil der arbeitenden Gesellschaft zu bleiben, dann hat er eine Chance verdient.

Schau mal, ich war 6 Monate krank geschrieben, mache jetzt eine Wiedereingliederung. Ich bin 12 Jahre in diesem Unternehmen, würde ich gekündigt, würde ich, 50+ Null Chance haben auf dem Arbeitsmarkt. MEINE einzige Chance ist die Firma, die meine Arbeitsleistung zu schätzen weiss, weil sie mich kennt - und auch mein Verhalten in Krankheitszeiten. De Wiedereingliederung ... ja, die bezahlt die Krankenkasse. Der Firma steht also, krass gesagt, meine Arbeitsleistung für Null zur Verfügung. Zwei Monate lang - da ist die LFZ von Anfang der Erkrankung schon fast wieder mit aufgehoben (rein wirtschaftlich gerechnet).

Schaut man sich die Unternehmen an, so muss man wirklich unterscheiden. Ein kleiner Betrieb wird den Ausfall nicht verschmerzen können. Da ist schneller eine Kündigung ausgesprochen. Ich habe das Glück, in einem grösseren Familienunternehmen zu arbeiten. Meine Chefin meinte zu mir, als ich zu Anfang meiner Krankheit Befürchtungen bzgl Kündigung aussprach, wörtlich: "Ich rechne mit mindestens 6 Monaten Ausfall, das dauert so lange. Aber als Unternehmer haben wir so etwas wie soziale Verantwortung."

Ich kenne allerdings auch die Variante von Adler66: Da magst du sogar Recht haben, die Kollegen und Chefs können das nicht nachfühlen und leider schwankt man selber zwischen dem Bedürfnis, wieder voll einsteigen zu wollen und der Angst, nicht achtsam genug zu sein. Meine Chefin meinte dazu, dass man das Vorhandensein der KRankheit einfach schnell vergißt, wenn der Mitarbeiter wieder am Schreibtisch sitzt. Es ist optisch eben alles wie immer. O-Ton: "SIE müssen uns auch helfen, indem Sie signalisieren, wenn es zu viel wird." Aber dort geht man auch davon aus, dass Mitarbeiter langfristig nur zu 70%ausgelastet sein dürfen.

Also, es geht anders. Und vielleicht ist es wirklich so, dass man hin und wieder mal ein vorsichtiges Gespräch führen muss.

Das "Wiedereingliederungsgelabere", wie Du es nennst, hat ja seinen Sinn und Zweck. es ist ja nicht so, dass ein Depressiver zwangsläufig ein unzuverlässiger Mitarbeiter ist. Welche Alternative gäbe es denn? Depressive direkt in die Rente? Zu Lasten der Allgemeinheit? Nein, Chancen müssen da sein und sorry, ich finde, wir sind da an einem Punkt, wo toleriert wird, dass ein Mitarbeiter lediglich als "Ware Mensch" behandelt wird. Funktioniert sie nicht mehr, weg damit und was Neues einstellen. Sicher wird oft so gehandelt, aber das rechtfertigt nicht, dass man das gutheißt.

Liebe Gruesse
Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
T Ally
Beiträge: 595
Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von T Ally »

Hallo Frau Rossi,

Deine Zeilen haben mir im ersten Eindruck einen dicken Stich versetzt. Ich war sehr getroffen. Denn ich gebe im Job mein Bestes, setze mich voll ein, merke aber, dass ich nicht mehr kann. Nun zu hören: Keine / schlechte / geringe Leistung -> Kündigung!
Das ist hart und hat nicht zu meinem Wohlbefinden beigetragen.

Aber ich weiß natürlich, dass Du (hoffentlich nur teilweise!) recht hast. Weltfremd bin ich nicht, wünsche mir aber insgesamt im Leben mehr Dankbarkeit und Achtsamkeit gegenüber den Mitmenschen. Ich bin bei weitem kein Tagträumer, finde aber, dass genau diese (ausschließlich leistungsbezogene) Sichtweise in der heutigen Arbeitswelt einen Großteil der Probleme auslöst.

Ich arbeite in der Wirtschaft und habe mehrere Weiterbildungen in meiner Freizeit erfolgreich abgeschlossen, von daher ist mir bewusst, dass ein Unternehmen einen Mitarbeiter, der nicht genug einbringt, bzw. zu viele Kosten verursacht, loswerden "muss". Die erste Stellschraube zum Kostensparen ist zudem ebenfalls das Personal - schlägt schnell in der Gewinn- und Verlustrechnung durch.

Nur, was bringt es den Unternehmen im Zuge des Fachkräftemangels die Mitarbeiter reihenweise zu "verbrennen" und irgendwann keinen Nachwuchs mehr zu finden, und sei es nur des schlechten Rufs wegen. In meinem Unternehmen häufen sich in den letzten Jahren die Langzeitausfälle. Man kann sich fragen, ob vielleicht die Kultur einen Teil dazu beiträgt.
In meinem Fall würde ich sagen, dass zumindest das Arbeitsumfeld einen Teil dazu beiträgt, dass es mir so geht, wie es mir geht. Sicher wäre die Krankheit auch ohne diese Umstände irgendwann aufgetreten, aber so früh? Das wage ich zu bezweifeln. Der ständige, von mir empfundene, Leistungsdruck hat sicher einen größeren Anteil.

Man kann das System des heutigen "immer schneller, immer besser, immer weiter" sicher nicht mehr rückgängig machen, aber ich habe doch die Hoffnung, dass der Mitarbeiter irgendwann nicht mehr als "auspressbare" Ware gesehen wird, die bei Minderleistung entsorgt wird.

Und da tun mir die Zeilen von Sonnenblume sehr gut. Es macht mir Hoffnung, dass es noch Unternehmer gibt, die menschlich denken. Man kann nunmal nicht immer 120 % bringen und in Spitzenzeiten 150 % oder mehr. Eine Auslastung von 70 % mit Spitzen ist durchaus zu leisten. Leider gibt es von Chefs dieser Ansicht zu wenige!

Die Hoffnung stirbt zuletzt, von daher hoffe ich sehr, dass die Arbeitswelt sich irgendwann wieder auf ein menschliches Niveau zurückdreht.

Bis dahin versuche ich weiter, mein Bestes zu geben und vielleicht auf Dienst-nach-Vorschrift zurückzudrehen, um meine Kräfte so lange wie möglich zu erhalten.
Und hoffentlich irgendwann einen Ausweg aus dem Hamsterrad zu finden und wieder ein lebenswertes Leben mit Freude zu führen.

Allen ein schönes Rest-Wochenende
FrauRossi
Beiträge: 3165
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von FrauRossi »

Hallo T Ally und Sonnenblume,

Sorry ich wollte niemanden angreifen. Es ist einfach das was ich erlebt und gesehen habe. Ein Mitarbeiter wird unwirtschaftlich und zack muss er gehen.,

Das ist nicht das was ich mir wünsche und sicherlich gibt es Unternehmen wo es anders läuft. Große Unternehmen haben Programme für sowas.

Aber kleine und mittelständige Betriebe haben es oft nicht. Meine Kollegin hat keine Depression, aber eine andere Krankheit. Es gibt wohl keine Möglichkeit sie zu behandeln also wird sie nicht wieder gesund. Unsere Chefs sind absolut keine Arschlöcher, und auch wenn das Krankengeld von der Krankenkasse kommt, ist ja da noch das Problem dass nicht wirklich jemand da ist der ihre Arbeit macht. Niemandem fällt es leicht sie zu kündigen, aber es ist eben so. Ich finde das auch furchtbar. Zumal sie auf dem Arbeitsmarkt auch 0 Changsen haben wird.

Ich beschreibe nicht meine Meinung sondern das System. Ich wünsche mir auch dass es anders wird, aber viel Hoffnung hab ich nicht.

Natürlich haben Wiedereingliederungsmaßnahmen einen Sinn und bei besonderem Fachwissen, klar ist es auch super für's Unternehmen.

Aber die Bäckereifachsbgestellte von um die Ecke, oder die Verkäuferin aus dem kleinen Laden neben an? Ich denke die werden einfach ersetzt.

Wünschenswert und besonders sozial ist das nicht, menschlich schon garnicht. Aber so läufts halt.

LG FrauRossi
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo T-Ally,

ja, mir erging es ähnlich, als ich Frau Rossis Zeilen gelesen habe. Da bleibt einem erstmal alles im Hals stecken, aber im Grunde hat sie wirklich gesagt, wie es ist. Wobei das ja nicht nur uns betrifft, sondern jeden, der sich mit einer langwierigen Krankheit herumschlägt - oder auch Menschen, die vielleicht einfach häufiger erkranken, indem sie z.B. jede Erkältungswelle "mitnehmen".

Und ja, Frau Rossi hat Recht, es ist das System. In einer Gesellschaft, in der es nur um Wachstum und höher,weiter,schneller geht, in der Dividenden der Aktionäre wichtiger sind als leistungsgerechte Entlohnung der Mitarbeiter, da kommt man schnell unter die Räder. Ich tröste mich damit, dass es nicht nur die Depressiven sind, sondern auch Menschen, die durch widrige Umstände arbeitslos geworden sind. Wer über 40 ist und dessen Arbeitgeber in die Insolvenz geht, der steht ebenso dumm da. Ein Lichtblick bietet der Fachkräftemangel. Mein Mann hat als Programmierer gearbeitet - er hat unsere Töchter erzogen, ist zu Hause geblieben und hat nur noch sporadisch gearbeitet. Auf dem heutigen Arbeitsmarkt? Keine Chance. Wenn dann noch der Hauptverdiener (ich) ins Krankengeld schliddert ... in Ruhe gesund werden ist durch den Druck von außen kaum möglich. (Da ist auch mancher Rat eines Therapeuten weltfremd)

Dennoch ... die Diskussion hatte ich an meinem ersten Arbeitstag mit meinem Abteilungsleiter: Wer die Arbeit machen soll, wenn jemand länger ausfällt? Ich bin der Meinung, wenn man einen Mitarbeiter wirklich halten will, dann gibt es Möglichkeiten. Es gibt befristete Verträge, es gibt Zeitarbeitsunternehmen.

Viele der Gründe sind m.E. vorgeschoben. natürlich ist es einfacher, einen Mitarbeiter zu kündigen und jemanden Gesunden einzustellen. Gilt übrigens bei vielen Arbeitgebern auch, sobald es zu Lohnpfändungen kommt - ist zu viel Arbeit, also wird gekündigt.

Der Umgang miteinander ... da sollte sich schnellstens etwas ändern.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Frauhamster
Beiträge: 370
Registriert: 6. Mai 2014, 17:11

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Frauhamster »

Hallo zusammen,

weißt Du, Sonnenblume, ich gebe Dir einerseits Recht, das System macht viele Menschen erst krank, und viele kommen unverschuldet unter die Räder.

Du schreibst auch, dass Dein Mann als Programmierer heute keine Chance mehr hat. Auch da geb ich Dir Recht, gerade in diesem Beruf ist man so schnell weg vom Fenster, dass man gar nicht mehr hinterherschauen kann. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, nach der Elternzeit war auch bei mir der Zug abgefahren, und das Arbeitsamt hat sich gar nicht drum geschert. Sie bekommen keine Auffrischung bzw. Wiedereingliederung, sie können im CallCenter arbeiten. Also musste ich - und das hat MICH krank gemacht. Heute wechsle ich immer lustig zwischen Arbeitsunfähigkeit, Kündigung, Arbeitslosigkeit und neuem Job. Immer weiter in der Spirale, ich kann Dir versichern, das ist sicher nicht gesundheitsfördernd. Am liebsten vermittelt das Arbeitsamt CallCenter-Jobs über Zeitarbeitsfirmen. Das ist besonders toll, und NOCH schlechter bezahlt.

Und in diesem Zusammenhang stößt mir diese Aussage ziemlich sauer auf:
Ich bin der Meinung, wenn man einen Mitarbeiter wirklich halten will, dann gibt es Möglichkeiten. Es gibt befristete Verträge, es gibt Zeitarbeitsunternehmen.
Weißt Du eigentlich, was für arme Schweine das sind, die dort arbeiten müssen? Das sind die wirklichen Leidtragenden des Systems. Die gehen für nen Appel und nen Ei arbeiten und müssen wahrscheinlich noch mit Hartz4 aufstocken. Wenn ich die Aussage lese, dass man ja mit über 40 oder gar über 50 nichts mehr findet, dann wird mir schlecht. Ich werde Ende des Jahres 52, und ich werde mich wieder auf Arbeitssuche begeben müssen, und ich werde wieder was finden. Die Frage ist nur, wie lange ich durchhalte, bis ich wieder krank werde. Und ich habe ein abgeschlossenes Studium (genau genommen sogar zwei) UND einen gelernten Beruf. Das interessiert niemanden.

Sorry, aber das quält mich seit gestern, das musste raus.

Liebe Grüße von der Hamsterin

Wer das Glück nicht entlang des Weges sieht,
findet es auch nicht am Ende des Weges. (Hartmut Lohmann)
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Sonnenblume14 »

@Frau Hamster, ich wollte das als Beispiel nennen. Ich habe selber jahrelang in der Zeitarbeit gearbeitet (allerdings intern) und kenne beide Seiten der Branche wirklich sehr gut. Dennoch wird es sie weiter geben. Ob eine Firma das unterstützen möchte/wird, steht auf einem anderen Blatt. Tut mir leid, wenn das falsch rübergekommen ist.

Dein Beitrag hat mich sehr nachdenklcih gemacht und mir gezeigt, wie gut ich es eigentlich habe, selbst wenn ich nicht weiß, wie es beruflich weitergeht. Mir fällt das Arbeiten im Moment sehr, sehr schwer und ich habe keine Ahnung, ob ich den Sprung auf die ursprüngliche Arbeitszeit überhaupt schaffe. Dein Leidensweg hört sich furchtbar an, hin und hergeschoben zwischen Job und Krankheit ... mehr oder weniger dem Jobcenter ausgeliefert. Ich wünsche dir von Herzen, dass bessere Zeiten auf Dich warten.

Dass Ausbildung, Studium etc keine Garantie ist, da stimme ich dir völlig zu. Die Arbeitswelt hat sich sehr verändert, die Zeiten unserer Eltern, wo man in einem Betrieb lernte und dort in Rente ging (und im Berufsleben kaum etwas auszustehen hatte, weil Betriebsrat und Gewerkschaft die Hand darauf hielten), sind lange vorbei. Heutzutage kann man glücklich sein, wenn einem sowohl Arbeitslosigkeit als auch Krankheit erspart bleiben.

Liebe Grüße
Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
aikido_1987
Beiträge: 1133
Registriert: 24. Jul 2011, 20:43

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von aikido_1987 »

Hallo Sonnenblume, hallo alle anderen,

ich find es sehr schön, dass es mal eine Möglichkeit gibt, sich von arbeitender depressiver zu arbeitender depressiver auszutauschen. Danke dafür!

Ich arbeite als Krankenschwester in einer Rehaklinik. Meine Wiedereingliederung ist jetzt schon eine Weile her und wir hatten damals eine Menge gute Sachen für mich abgemacht, damit ich stabil bleibe und vor allem im Arbeitsleben bleiben kann: z.b. dass ich nur max. 4 Tage am Stück arbeite, Montags grundsätzlich immer frei habe um in die PIA gehen zu können, dass ich nicht mehr auf der kardiologischen Akutstation bin sondern so oft es geht auf der entspannten psychosomatischen Station...

Das mit dem Montag wird gerne vergessen und da muss ich dann öfter mal wieder dran erinnern und als ich auf meinem Oktober Dienstplan sah, dass ich 12 Tage am Stück arbeiten soll und dann sogar teilweise nicht in meinem Fachbereich, war ich sprachlos.
Natürlich kann ich beide Seiten verstehen. Die "psychisch gesunden" Kollegen fühlen sich benachteiligt, deswegen hänge ich das auch nicht an die große Glocke, aber meine Chefin hat mir knallhart zu verstehen zu geben, dass jetzt auf alle Mehrarbeit drauf zu kommt und das die damaligen Absprachen auch die Zeit nach meiner Rückkehr betraf. Jetzt sei ich ja wieder gesund und vollkommen belastbar. Natürlich geht es mir besser wie die letzten Jahre, aber mir geht es genauso wie euch: Ich bin nicht mehr so belastbar wie früher.

Noch dazu kommt, dass ich früher in der psychosomatischen Abteilung 19-25 Patienten betreut habe und jetzt 40 Patienten betreue. Dienstags und Mittwochs brauche ich mir nach der Arbeit sowieso nichts vornehmen, weil ich da immer Überstunden mache(n) (muss)

Meine Ärztin hat mir gestern geraten, ich soll auf mich aufpassen und für meine Bedürfnisse einstehen, aber ich bin doch nur so ein kleines schüchternes Mäuschen...

Aber zu deiner Frage Sonnenblume:
An Tagen wo gar nichts ging, habe ich mich mit Tavor oder Melperon versorgt um den Arbeitstag halbwegs zu überstehen. Einmal hat mich das so müde gemacht, dass ich nach Hause musste. Das war mir eine Lehre. Ansonsten beiß ich die Zähne zusammen und versuche durch zu halten. Besonders schwer fallen mir dabei jeden Vormittag die Visiten, weil sie so langweilig sind. Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, wenn ich erstmal das schwere hinkommen zur Arbeit geschafft habe, dann wird es leichter. Meist fahre ich sogar viel zu früh los, weil wir ein chronisches Parkplatz Problem auf Arbeit haben und Frühstücke dann noch im Personalspeiseraum in Ruhe um langsam anzukommen.

Nach der Arbeit bin ich geschafft und belohne mich mit schlafen, Internet oder Essen. Davon wollt ich eigentlich mal weg kommen, aber ich habe es noch nicht geschafft.

liebe Grüße
aikido
Frauhamster
Beiträge: 370
Registriert: 6. Mai 2014, 17:11

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Frauhamster »

Hallo alle,

es ist einfach heute überall ganz anders als früher. Es gilt nur noch höher-schneller-weiter, der Mensch geht dabei verloren. Mein Sohn arbeitet in der Bäckerei oft über 12 Stunden am Stück, die machen dort so viel Überstunden, die kann keiner mehr abfeiern, da wäre der Betrieb für einige Zeit dicht.

Sonnenblume, ich meinte das gar nicht persönlich, das hatte sich einfach aufgestaut und musste raus. Ich weiß gerade auch nicht, wie das alles weitergehen soll, mittlerweile kommt bei mir schon die nächste Krankheit, wenn die aktuelle sich gerade bessert (aktuell: Depression wird besser, Bandscheibenproblematik mit Taubheit und Kraftverlust kommt wieder vehement zum Vorschein). Das war vorher auch schon so, als die Blutungen und die dazugehörige Anämie sich besserten, bin ich so richtig in die Depri gestürzt.

Sonnenblume, was hättest Du denn für Möglichkeiten? Könntest Du die Wiedereingliederung verlängern? Wäre es eine Option, Teilzeit zu arbeiten? Meistens geht das ja dann finanziell nicht. Hast Du vielleicht schon mal über EM-Rente nachgedacht? Sprich doch mal mit Deinem Arzt darüber. Ich wünsch Dir, dass Du eine gute Lösung findest!

Liebe Grüße von der Hamsterin

Wer das Glück nicht entlang des Weges sieht,
findet es auch nicht am Ende des Weges. (Hartmut Lohmann)
T Ally
Beiträge: 595
Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von T Ally »

Hallo,

diese Woche habe ich jetzt wieder 4 Arbeitstage geschafft (den letzten schaffe ich auch noch) und dabei einige Überstunden gerissen. Dankbarkeit gibt es nicht mehr und ich ärgere mich, dass ich mich dennoch vor den Karren spannen lasse.
Zeigt jemand Schwäche oder Anzeichen unerwünschten Verhaltens, wird leider nicht gefragt, warum es so ist, nein - es wird die dicke Keule geschwungen. Es betrifft nicht mich, aber ich leider sehr mit, wenn es einem Kollegen / einer Kollegin an den Kragen geht.

Warum mache ich dann die Überstunden? Ich verstehe es nicht, aber ich habe immer den Anspruch, die an mich gestellten Anforderungen zu erfüllen, möglichst keine Rückstände etc. Irgendwie ein Kampf gegen Windmühlen, da die Vorgesetzten dies ja auch ausnutzen, wenn sie das Naturell der Mitarbeiter verstanden haben. Mit subtiler Ansprache wird etwas geäußert, dass ich als Auftrag empfange und mir aufhalse. Wenn ich andere Kollegen frage, dann haben die das so gar nicht aufgefasst... Und wieder stecke ich im Teufelskreis.
Jetzt stehen wieder Ferien vor der Tür und die Kollegen mit Familie haben Urlaub. Das heißt für mich vertreten. Und wieder habe ich den Anspruch, es darf nichts liegenbleiben, ich muss alles erledigen, damit die Kollegen einen blanken Schreibtisch und Schrank vorfinden, wenn sie wiederkommen. Aber wie sieht mein Platz aus, wenn ich Urlaub hatte? Definitiv anders!
Vertretungen werden in der Planung der Anzahl der Mitarbeiter gar nicht mehr berücksichtigt, Krankheiten schon gar nicht. Dennoch heißt es immer, es ist zu viel Personal vorhanden, auch wenn die anstehenden Aufgaben gar nicht mehr abgewickelt werden können. Und dann kommt etwas Unvorhergesehenes dazwischen, dann geht eigentlich gar nichts mehr.

Diese chronische Unterbesetzung der Firmen und andauernde Verdichtung der Arbeit wird bewusst in Kauf genommen und hat Programm. Schneller und direkter ist leider kein Geld zu sparen.
Noch gibt es genug Leute, die nachrücken, aber irgendwann ist Schluss damit. Und dann?

In meinem Job als Schreibtischtäter ist es ja eigentlich noch zu ertragen, es leidet ja niemand anderer als der Mitarbeiter; wenn ich aber lese, dass diese unmenschlichen Zustände im sozialen Bereich auch herrschen und Menschen betroffen sind, wie aikiodo schreibt, dann wird mir Angst und Bange um die Zukunft. Das ist einfach sparen am falschen Ende!

Wie ich in einem anderen Thread schon schrieb, mit meiner Konzentration ist es derzeit nicht weit her. Ich vergesse innerhalb von wenigen Sekunden, was ich grad wollte, daher hoffe ich, dass meine Zeilen nicht all zu verwirrend und durcheinander sind.

Und für uns alle hoffe ich, dass im (Arbeits-) Leben wieder mehr Menschlichkeit Einzug hält!
Adler66
Beiträge: 9
Registriert: 25. Sep 2014, 15:09

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Adler66 »

Hallo T Ally,
ja - ja - ja ... ich kann sooooooo gut nachvollziehen, was Du schreibst.
Ich bin auch so ein "Schreibtisch-Täter", der an sich selbst immer die höchsten Ansprüche stellt.
Und genau darunter "leide" ich dann immer wieder.
Ich will immer "perfekt" sein, ALLES - möglichs sofort, richtig, umfassend - erledigen.

Überall liest man dann davon, man soll nicht ZU "perfektionistisch" sein, auch mal "loslassen", sich selbst Fehler zugestehen usw usf

Aber genau DAS ist ja offensichtlich unser Problem - bzw. ein Teil unseres Problems ...
MOMENTAN KANN ICH DAS EBEN SO NOCH NICHT ...
... ich hoffe einfach, dass mir die Therapie dabei hilft, herauszufinden, WARUM ich so reagiere, wie ich reagiere ... und lerne, auch Alternativen für mich zu finden und zu akzeptieren; denn SO fehlt die wirkliche Freude im Leben.

Selbst die schönsten Dinge kommen nie richtig "durch", weil immer so ein "ABER" über einem schwebt ... ich denke, Du weißt, was ich meine ...

Bin immer geradezu "neidisch" auf die Kollegen und/oder anderen Menschen in meinem Umfeld, die offensichtlich vor Selbstwertgefühl geradezu "strotzen" - und die sich auch bei eigenen Fehlern immer noch selbst "genug" sind ... und ich frage mich dann immerzu: "Warum kannst DU [also ICH] nicht GENAU... SOOOOOOOOOOOOOOO.... sein?? :?

Na ja - ich "arbeite" daran... zwischendurch gehts dann auch mal wieder was besser ... aber immer wieder "packt ES" mich dann .... und dann geht das Spiel wieder von vorne los.

Meine Therapeutin meint, ich muss lernen, es zu akzeptieren, wenn mich "schwierige" Emotionen im Griff haben... und wenn ich es nicht akzeptieren kann, dann muss ich eben akzeptieren, dass ich es nicht akzeptieren kann ....

Nun - ich weiß (vom Kopf her), was sie meint ... ... aber Herz und Bauch wollen noch nicht so recht "mitgehen" ...

WAS MACHST DU IN SOLCHEN SITUATIONEN?

AUCH AN DIE ANDEREN FOREN-TEILNEHMER: WAS MACHT IHR DANN?

Hat einer gute Erfahrungen auf die eine oder andere Art und Weise gemacht?

Ich bin für jeden "Tipp" dankbar - auch wenn mir klar ist, dass letztlich jeder seinen EIGENEN Weg finden muss ...

DANKE VORAB und ein schönes WE!
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Adler66, es ist schwer, sehr schwer. Mir hilft es, mir zu sagen, dass ich fast 50 Jahre in einem eingefahrenen Gleis verbracht habe. Erzogen wurde ich nach dem Motto: "Nimm dich nicht so wichtig, du bist nur ein kleines Rad und wenn du ausfällst, wirst du ersetzt". Verpflichtung , Aufopferung vor allem anderen. Eine Einstellung, die für jeden Arbeitgeber genial ist, für einen selber aber den Verlust der eigenen Identität bedeutet.

Im Moment stehe ich an einer Gabelung und muss die Entscheidung treffen, was ich möchte. Den bisherigen Weg, der leicht und beschwingt bergab geht, ein eingefahrenes Gleis. Aber im Zielbahnhof (irgendwann am Ende des LEbens), wenn ich zurückblicke, werde ich mich fragen, was ich an eigenen Wünschen realisiert habe. Es war dann ein LEben in Aufopferung und Arbeit - viele andere haben das getan, aber ist es das, was ich will?
Der zweite Weg geht bergauf, ist schwer und birgt anfangs immer wieder die Gefahr, abzurutschen in den ersten, leichteren Weg. Es ist ein neues Gleis, es ruckt, es gibt unbekannte Hindernisse, führt durch unbekannte Landschaften. Aber am Ende steht Zufriedenheit, Einheit mit sich selbst und womöglich auch die Erkenntnis: ja, es war richtig so und hat sich gelohnt.

Ich muss mir so etwas bildlich vorstellen, um handeln zu können. Ich halte mich an Zeitvorgaben, ich zwinge mich, die Kollegen um Hilfe zu bitten, wenn etwas zeitlich eng wird. Es geht mir immer wieder gegen den Strich (da ist immer dieses Gefühl, eine verlangte Leistung nicht erbringen zu können), aber andererseits bitten sie mich auch, wenn sie absaufen in Arbeit. Warum also sollte ich das nicht tun? Zur Zeit ist noch sehr viel "Zwang" dabei, etwas anderes zu tun, als mir mein Gefühl und meine Routine sagen. Aber dann sage ich mir: es gab ein klares Signal - ich muss etwas verändern. Und dann geht es auch.

Meine Therapeutin meinte, das schlechte GEwissen müsse man über eine gewisse Zeit aushalten, es würde dann weniger. Darauf vertraue ich.

Auch ich grübele, wenn ich Fehler gemacht habe, manche Bemerkungen lassen mich nicht los, aber ich hoffe, dass mit der Änderung der Einstellung auch das irgendwann leichter wird. man kann sich nicht ganz umkrempeln, aber man kann versuchen, wieder ein wenig Selbst zurückzugewinnen. Das, was man war, bevor einen diese Verpflichtungen und überzogenen Forderungen der Aufopferung verbogen haben.

Jedenfalls ist das der Weg, den ich gehen möchte.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
payasa
Beiträge: 419
Registriert: 3. Sep 2014, 22:15

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von payasa »

Das mit der Arbeit ist so ne Sache... auf der einen Seite ist es so das Kontinuierliche, das einen zwingt, aufzustehen, sich zu waschen, anzuziehen und nicht den ganzen Tag vor sich hinzugammeln. Und... es hilft, die Kosten des Lebens zu bestreiten, außerdem ist es eine von mir so vermisste Aufgabe.

Auf der anderen Seite muss ich feststellen, dass ich mich zunehmend schlechter konzentrieren kann, schlechter als z.B. meine Arbeitskollegin - und das nervt mich ganz besonders. Ich merke schon auch, dass die Programmierer von mir genervt sind, weil ich vielleicht zum 20. Mal die selbe Frage stelle, ich schreibe mir alles auf und finde es dann im Stress nicht mehr. Wenn ich nicht arbeiten gehen würde, würden mir 150 Euro im Monat fehlen (weil ich dann die Krankenkasse selbst zahlen müsste), das ist für mich sehr viel Geld, sehr viel Geld!!

Meine Kollegin, die nach mir eingestellt wurde, ist jetzt Teamleiterin und hat ganz schön Oberwasser, es ist eine total blöde Situation. Auf der einen Seite hätte ich auch gerne mehr Verantwortung übernommen, aber es traut mir wohl keiner zu, dass ich das schaffe - und wenn ich ehrlich bin, ich traue es mir auch nicht zu, aber traurig macht es mich trotzdem. Erst dachte ich, vielleicht schaffe ich es wieder, 8 Stunden arbeiten zu gehen und jetzt schaffen mich 4 Stunden am Tag - wo ist nur die alte payasa geblieben??

Früher hatte ich drei Kinder, ganz alleine, hatte eine 40-Stunden Woche und die Hobbies meiner Kinder, das hab ich alles geschafft. Und heute??
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Sonnenblume14 »

Liebe Payasa, vermutlich ist das Vergleichen mit Früher das, was uns am meisten unter Druck setzt. Aber früher ist früher, eine Zeit, die vergangen ist. Hilft dir die Tatsache, dass es anderen nicht anders geht? Auch die werden älter, stellen die eine oder andere Schwäche fest.

Vielleicht ist die derzeitige Situation ein Zeichen, dass "früher" zuviel war?! Man vergleicht sich zu oft mit denen, die (offensichtlich) mehr leisten, obwohl das vielfach nur ein kleiner Teil ist. Es gibt genügend Menschen, die mit Doppelbelastung Kind/Arbeit bereits überfordert sind. Mütter, die halbtags arbeiten oder gar nicht.

Ich versuche das mal so zu sehen: die Zeiten, in denen ich 150 % geben musste, sind vorbei und auch gar nicht mehr notwendig. Die Zeiten, die nun kommen sind anders, aber nicht zwangsläufig schlechter. Es gibt viele Dinge, die ich mir vorstellen kann - zur Zeit habe ich dazu keinen Nerv, aber ich bin überzeugt, die Zeit dafür wird kommen. Es geht eben nur langsam bergauf.

Suche nicht nach der alten payasa, sondern versuche, eine neue zu finden.

LG SOnnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Mooseba
Beiträge: 385
Registriert: 17. Dez 2010, 14:12

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von Mooseba »

.
Zuletzt geändert von Mooseba am 18. Sep 2020, 22:04, insgesamt 1-mal geändert.
_________________________

"Wenn man aus einem protestantischen Land kommt, ist man immer etwas beschämt, wenn man bei der Arbeit nicht gelitten hat."

(Lars von Trier)
T Ally
Beiträge: 595
Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: Diejenigen, die trotz Depression arbeiten ...

Beitrag von T Ally »

Hallo alle zusammen,

die letzten Beiträge habe ich gerade nochmal gelesen. Aber ich werde es nicht hinbekommen auf jeden speziell einzugehen, also schreibe ich einfach, was mir einfällt. (Nicht böse sein, bitte)

Das mit dem zunehmenden Alter und der verringerten Leistungsfähigkeit gestehe ich anderen gern zu, ich selbst bin aber noch weit von der 40 entfernt und stelle bei mir auch bereits schlimme Defizite, die Konzentration betreffend, fest. Es benötigt nur eine kleine Ablenkung oder einen Zeitraum weniger Sekunden und ich bin völlig planlos. Das gab es bislang nicht, diesen Zustand kann ich erst seit wenigen Wochen bei mir feststellen. Es kostet so viel Kraft und Zeit, mir immer wieder bewusst in Erinnerung zu rufen, was ich gerade machen wollte oder mich mit aller Macht wieder zu erinnern und quasi den Stapel auf dem Schreibtisch wieder von vorn durchzugehen, um die Erinnerung wachzurufen. Mit dem Alter hat das für mich weniger zu tun. Wenn es dann noch schlimmer wird, dann hab ich Angst...

Was die negativen Emotionen angeht. Die kenne ich nicht nur von der Arbeit, auch im Alltag sind sie ein ständiger Begleiter.
Allerdings ist es im Job wichtiger sie unter Verschluss zu halten und wegzudrücken. Und da komme auch ich oft an meine Grenzen. Bin ich gerade in einer Situation "Mann" gegen "Frau", dann muss ich mich beherrschen und versuche das "wegzuatmen", anderenfalls flüchte ich gern und laufe ein paar Schritte um die aufgestaute Aggression abzuarbeiten.
In Selbstvorwürfen kann ich mich wunderbar verlieren. Es muss nur ein Kollege von einem Fehler sprechen, das beziehe ich umgehend auf mich und frage mich, ob ich das war. Könnte ja sein, dass ich den Vorgang bzw. die Akte mal in der Hand hatte und das falsch gemacht habe. Zu 95 % ist das Blödsinn, aber ich bin total darauf fixiert - ich bin quasi an allem Schuld. Dagegen kann ich wenig tun, ich versuche mit aller Kraft, diese Denkmuster zu unterdrücken bzw. nicht zuzulassen; aber gerade wenn ich wieder total K.O. bin, dann gelingt das nicht. Und es zieht immer weiter herunter.

Und mit dem geringeren Anspruch an mich selbst habe ich auch große Probleme. Anderen vergebe ich jeden Fehler, mir gar keinen. Es geht so weit, dass ich Nachts mit Herzrasen aufwache und Schweißausbrüche bekomme, weil mir wieder ein evtl. Fehler einfällt.
Wenn ich dann bewusst mal versuche, nur einen Maßstab von 80 % anzusetzen, der vielen reicht, dann habe ich anschließend so ein schlechtes Gefühl, dass ich doch irgendwann noch wieder nacharbeite. Da trete ich auch noch auf der Stelle.

Ich weiß, dass das alles eine ungesunde Mischung darstellt und merke aktuell auch, wie die Kräfte sichtbar schwinden. Gern würde ich die Arbeitszeit reduzieren, da ich mich so derzeit zu Grunde richte. Leider ist das alles durch äußere Zwänge (Gesichtsverlust ggü. der Familie und dem Umfeld, Belastung der Immobilie, kein Partner) nicht so einfach möglich. Ich identifiziere mich absolut nicht über meinen Job, ich mache einfach nur alles ordentlich und mit vollem Einsatz.
So habe mein gesamtes Leben bereits arg zusammengestrichen um noch klarzukommen. Mittlerweile gibt es eigentlich nur noch den Job und den Schlaf. Viel mehr geht nicht mehr - und selbst das wird zuviel. Jetzt bin ich am Ende der Fahnenstange und weiß nicht, wo ich weiter Kräfte sparen soll...

Und dann bin ich auch neidisch auf all die Leute, die locker und entspannt durch Leben gehen, Fehler einfach abhaken, alles toll finden und an vielem Spaß haben.
Ich glaube, ich habe das Leben verlernt - oder nie gelernt...

Einen erholsamen Abend allen und eine ruhige und entspannte Nacht
Antworten