Unsicherheit bzgl therapeutischer Distanz

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Distelchen
Beiträge: 554
Registriert: 17. Mär 2013, 18:30

Unsicherheit bzgl therapeutischer Distanz

Beitrag von Distelchen »

Ihr Lieben,

nach 2-jähriger "Zwangspause" habe ich nun über eine Bekannte Zugang zu einer Therapeutin mit Ausrichtung VT mit integrierten TP- und Trauma-therapeutischen Elementen gefunden. 3 probatorische Sitzungen haben wir inzwischen hinter uns.

Ich bin mir völlig unsicher, was das Verhalten dieser Frau angeht: So spricht sie z.B. von "Uns Traumatisierten" und berichtet in mehreren Sätzen von ihrer eigenen Geschichte. Manchmal auch zusammenhanglos zu dem von mir grade Gesagten.

Manchmal denke ich, dass das vielleicht dem Vertrauensaufbau dienen soll - dann aber meldet sich ein Unwohlsein...so ein Gefühl von...Komplizenschaft (?), die sie herstellen möchte...Bewunderung, die sie erhofft...vielleicht aber auch ein Fingerzeig für mich, so nach dem Motto: Sieh mal, das alles ist mir auch zugestoßen..und trotzdem hab ich es geschafft...

Ich habe die Bekannte gefragt, über die ich zu ihr gelangt bin...ja, auch bei ihr redet sie viel über sich...aber die Bekannte tut das ab mit "das ist wohl ihre Art" - auch wenn sie einräumt, dass sie schon manchmal am Liebsten wütend sagen möchte, sie solle doch "bei ihrer Geschichte bleiben...", es sich aber verkneift...

Wäre froh, wenn Ihr mir Eure Gedanken dazu vielleicht hier lasst...

Liebe Grüße vom Distelchen
Warte nicht, bis der Sturm vorbei ist,sondern lerne lieber, im Regen zu tanzen.



(Quelle unbekannt).
Selea

Re: Unsicherheit bzgl therapeutischer Distanz

Beitrag von Selea »

Guten Tag Distelchen. :)

Bei mir schrillen nach dem Lesen deines Beitrages alle Alarmglocken.
Ein Psychotherapeut/Therapeutin muss insofern neutral bleiben, dass er bei deinen Sachen bleibt. Dich sieht.
Und nicht von eigenem Erlebten erzählt. Vorallem nicht in Vorgesprächen.
Das eigene Erlebte muss außen vor bleiben.

Dies sage ich als eine Frau, die eine ambulante Gruppentherapie und 2 ambulante analytische Therapien hinter sich hat,
ebenso 2 Klinikaufenthalte wegen Essstörungen vor dem Abitur
und 2 Klinikaufenthalte um meine Pensionierung herum.

Ich habe viele Therapeuten/Therapeutinnen erlebt.
Und es ist völlig o.k. zu wissen, dass das auch nur Menschen sind.
Die genauso empfinden wie du und ich und wie andere Menschen, die selber auch schon Krisen gehabt haben oder haben.....
Meine letzte Analytikerin erzählte mir irgendwann einmal, dass sie selber auch eine recht lange Analyse gebraucht hat, um klarzukommen.
Und als ein Kollege von mir, damals Suizid machte, und dessen Ehefrau auch bei ihr in Therapie gewesen war, gab sie zu, selber deswegen einige Tage aus dem Gleichgewicht geraten zu sein.

Das fand ich ganz o.k.

Im Laufe einer längeren Therapie auch einmal den Menschen zu erleben hinter der therapeutischen Haltung.

Was du beschreibst, mir stellen sich die Nackenhaare. :roll:

Du selber sprichst ja auch schon von einem unguten Gefühl.


Sicherlich wird hier noch der Eine oder die Andere ihren Kommentar abgeben.


Ich wünsche dir ne gute und stimmige Entscheidung.
Herzlich
Selea
Lupine_84
Beiträge: 678
Registriert: 2. Mai 2014, 18:49

Re: Unsicherheit bzgl therapeutischer Distanz

Beitrag von Lupine_84 »

Hallo Distelchen,

ich finde deine Alarmglocken schrillen zu recht!

Das ist hochgradig unprofessionell!
Distelchen hat geschrieben:Manchmal denke ich, dass das vielleicht dem Vertrauensaufbau dienen soll - dann aber meldet sich ein Unwohlsein...so ein Gefühl von...Komplizenschaft (?), die sie herstellen möchte...Bewunderung, die sie erhofft...vielleicht aber auch ein Fingerzeig für mich, so nach dem Motto: Sieh mal, das alles ist mir auch zugestoßen..und trotzdem hab ich es geschafft...
Wenn du das schon so spüren und interpretieren kannst, ist es vermutlich auch so da. Sie sendet diese Botschaft aus durch ihren Erzählstil, Wortwahl, Körpersprache etc.
Klar, erklären wir uns erstmal, dass das sicher Vertrauen schaffen soll.... aber NEEEE! Vorsicht! "wir Traumatisierten" -hallo?!

In einer vernünftigen Therapie erfährst du niemals was dem Therapeuten alles zugestoßen ist! Im besten Fall kriegst du raus, dass ein Urlaub mit der Tochter ansteht und/oder er/sie verheiratet ist oder auch nicht. Dann aber Ende!

Zusammenhangslos eigene Erlebnisse einzuwerfen ist echt grenzwertig! Die Therapeutin wünscht sich anscheinend, dass ihre Geschichte auch mal gehört wird. Deine Therapiestunde ist aber nicht der Raum dafür!

Mein Bauchgefühl (zusammen mit deinem Unwohlsein) sagt "Finger weg!", suche lieber weiter, auch wenn es lange dauert.
Die Krankenkasse zahlt ja auch nicht zum Spaß, da sollte dich die Therapie schon weiter bringen!!!

DU bist wichtig in der Therapie! Wenn sie traumatisiert ist, dann kann sie sich vielleicht besser einfühlen und kann dir Werkzeuge empfehlen, die ihr ebenfalls hilfreich ware ABER sie kann das doch ganauso gut für sich behalten! Musst du wissen WARUM sie dir bestimmte Methoden empfiehlt oder besonders verständnisvoll zuhört? NEIN! Sie tut es und dir hilft es weiter. Wenn ihre Geschichte sie zu einer besseren Therapeutin macht -prima! Wenn sie ihre Geschichte erzählen und selbst bearbeiten will---- oooohjeeee! :roll:

Alles Gute dir!

Lupine
"Glück hängt nicht von äußeren Dingen ab, sondern von der Art, wie wir sie sehen" - Leo N. Tolstoj -
Brummi59
Beiträge: 975
Registriert: 15. Aug 2014, 23:13

Re: Unsicherheit bzgl therapeutischer Distanz

Beitrag von Brummi59 »

Auch bei mir bimmelt es grad mächtig gewaltig!
Bei uns war es während der Traumatherapie strikt untersagt innerhalb der Patienten über sein eigenes Trauma zu sprechen. Zu leicht hätten wir uns gegenseitig triggern können.
Nein, was diese Therapeutin abzieht ist ein absolutes Nogo.
M.E. sollte sie sich selbst eine Therapeutin suchen, da sie wohl noch nicht Alles verarbeitet hat.
Liebe Grüße
Dieter

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Du könntest dich den ganzen Tag ärgern - du bist aber nicht dazu verpflichtet!
*Arthur Lassen*
sam1960
Beiträge: 135
Registriert: 10. Okt 2014, 11:48

Re: Unsicherheit bzgl therapeutischer Distanz

Beitrag von sam1960 »

Wenn DU glaubst, dass DIESE Therapie nicht fruchtet, dann ist es besser sie abzubrechen als erfolglos fortzuführen. Der Erfolg setzt ein Maß an Vertrauen vorraus, und das scheinst Du offenbar nicht zu haben. Hol Dir lieber bei einem zweiten Therapeuten eine zweite Meinung ein.
Dann kannst Du entscheiden, ob Du an den Erfolg glaubst, oder ein Therapeutenwechsel besser wäre.
Entscheidungen sind schwer, sie können Dich in den Himmel heben oder in die Hölle stürzen lassen.
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Unsicherheit bzgl therapeutischer Distanz

Beitrag von Zarra »

Hallo Distelchen,

da ich auch schon mehrfach am Schwanken, Zögern etc. war ... oder mir sehr, sehr unsicher war, wenn ich mich auf etwas nicht einließ oder sogar wieder abbrach -- nein, momentan gibt es da keinen konkret-aktuellen Anlaß im Hintergrund! --, würde es mich einfach interessieren, "wie es weiterging". Gerne auch PN, falls Dir das lieber ist.

LG, Zarra
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