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Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKlinik

Verfasst: 31. Aug 2014, 00:45
von Tini 28
Meine erwachsenen Kinder akzeptieren mich nicht mehr nach meinem ersten stationären Klinikaufenthalt. Sie haben ganz klar gesagt: Du warst in der Klinik, du bekommst Medikamente, Du machst Psychotherapie.......also hast du doch gelernt! wie man sich verhält!!!!!
Meine Enkelkinder darf ich nicht sehen,weil Oma eine Klatsche hat.
Mein Ehemann hat allerdings toll mitgearbeitet- zum Teil Paartherapie- er kann allerdings nur sehr schwer seinen Kindern Grenzen aufzeigen, bzw. Sie in ihre Schranken verweisen, wenn ich mal wieder die Schuld für den Kontaktabbruch von den Kindern zugeteilt bekomme.

Kennt jemand von Euch solch Problem mit den eigenen erwachsenen Kindern???

Re: Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKl

Verfasst: 13. Sep 2014, 11:28
von Shaddow
Hallo
Ich hab ähnliche Erfahrungen..im Vorfeld zur psychosomatischen Reha hiess es...werf deine rosa Tabletten ein...geh arbeiten..der Sohn nannte die Reha..da gehts zu den Bekloppten.
Jetzt wo ich wieder da bin scharren alle ...man ist wiederhergestellt...stabil....
Man wird behandelt wie nach einer auskurierten Grippe..Tabletten rein und funktionieren.
Ich hab sieben Jahre funktioniert...bin nach Trennung über meine Grenzen..14 std. Tag...bin ausgebrannt...immer mehr...bis der ganze Körper streikte.
Sei froh das Du wenigstens einen Mann hast der Verständniss zeigt.
Dir Rückendeckung gibt...
Wie will man Verständniss erwarten...für einen Zustand den man selber nicht greifen kann...zumindest geht es mir so.
Es gab ein davor und gibt das danach...das davor gefiehl mir besser.
Ich bin selber mit einer psychisch kranken Mutter aufgewachsen...Sie hat angefangen zu trinken..da waren wir im Schulwechsel.
Verständniss hatten Wir nicht..sie sprach aber auch nie darüber...beide Eltern waren krank..konnten sich jeden Tag vom Leben verabschieden...
Wenn der eine fit war..war der andere ausser Gefecht.
Unsicherheit hat mein Leben durchzogen wie ein roter Faden...und es geht so weiter...

Re: Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKl

Verfasst: 13. Sep 2014, 13:55
von saneu1955
Hallo Tina, deine Situation kenne ich nur zu gut. Auch ich bin zumindestens bei meiner Schwiegertochter abgestempelt. Auch wir sehen unsere Enkel nur maximal 1 x wöchentlich für 1 Stunde aber immer in Begleitung unseres Sohnes. Die anderen Großeltern wohnen nur wenige Meter von uns entfernt, da sind die Enkel ständig, schlafen dort usw. Für mich ist es ein fast nicht aushaltbarer Zustand, mein Sohn macht nicht oder will nichts machen.
Er kann und will sich nicht in unsere Lage versetzen. Wenn ich andere Großeltern mit ihren Enkeln sehe, könnte ich jedesmal heulen.

Saneu1955

Re: Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKl

Verfasst: 14. Sep 2014, 19:31
von südwind55
Hallo Saneu,

ich kann Dich sehr sehr gut verstehen. Auch meine Schwiegrtochter möchte nicht das wir Kontakt zu unserer Enkelin haben.

Mein Mann hat Depressionen , und sie meinte , sie müsse ihr Kind vor uns schützen. Wir haben unsere Enkelin dieses Jahr 4 mal gesehen, als unser Sohn mal mit Ihr zu uns kam.
Ich weis sehr gut , wie es sich anfühlt wenn man andere Omas und Opas mit ihren Enkelkindern sieht, das tut einfach nur verdammt weh.

Alles liebe für Dich
Südwind55

Re: Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKl

Verfasst: 14. Sep 2014, 20:19
von saneu1955
Hallo Südwind55, es ist immer heilsam, wenn man sieht, dass es einem nicht allein so geht.
Ich habe z. B. heute versucht, meinem Sohn dies noch einmal klar zu machen, wie wir darunter leiden, die Worte verhallen in der Luft. Allerdings beginnen jetzt die Enkel zu meutern und wollen, wenn sie diese 1 Stunde da sind, nicht mehr weg. Meinem Sohn fallen mittlerweile keine Ausreden mehr ein. Aber das hilft uns auch nicht viel, etwas dagegen tun, können wir nicht, dann sehen wir sie vielleicht gar nicht mehr.

LG Saneu1955

Re: Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKl

Verfasst: 17. Sep 2014, 18:31
von Tini 28
Hallo Saneu, Hallo Südwind,
es geht Euch also ebenso. Ich glaube, dass die Schwiegerkinder ( Schwiegertöchter) uns ja nur mit unserer Erkrankung erlebt haben. Sie haben sich nicht wirklich mit der Depression auseinander setzen müssen. Mein Sohn geht wahrscheinlich den für ihn einfacheren Weg. Die Schwiegertochter hatte schon immer ein Problem mit uns, dieses Problem macht sie nun an der Erkrankung fest. Vielleicht hilft es euch auch, Briefe an die Enkel zu schreiben, sie aber nicht abzu schicken, sondern zu sammeln. Ich füge Fotos bei, die zu meiner erlebten Woche passen z. B. Von Spielplätzen, niedlichen Hunden oder Lämmern. Ich fotografiere die Geburtstagsgeschenke, die wir den Enkeln zuschicken. Praktisch ein Tagebuch , als wenn ich mit meinen Enkeln die Woche verbracht hätte. Die Enkel haben ja leider keinerlei Wahlmöglichkeit, Eine Klärung der Situation war von unsrem Sohn nicht erwünscht, ihm fehlen wohl auch die richtigen Argumente, denn nur das " Klatschen-Argument" zieht ja nicht wirklich auf die Dauer.
LG
Tini

Re: Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKl

Verfasst: 22. Sep 2014, 10:10
von middlestreet
Hallo an alle,

es ist schade, dass dies so häufig passiert. Auch bei uns ist es ähnlich. Mein Mann und ich bekommen viel Rückhalt von unseren Eltern und Geschwistern. Es gibt aber auch Familienangehörige, die sich von uns entfernt haben. Für sie zählen nur Gesunde, alle anderen sollen sich wieder melden, wenn sie wieder gesund sind. Das ist sehr traurig. Das gilt in unserem Fall nicht nur für psychische Erkrankungen. Bei einer schweren Krebserkrankung in der Familie letztes Jahr, lief es genauso.

Ich kann mittlerweile davon Abstand nehmen, auch weil es nicht so nahestehende Personen, wie Kinder oder Enkel sind. Mein Mann findet es aber sehr traurig.

Re: Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKl

Verfasst: 22. Sep 2014, 11:56
von Tini 28
Hallo an alle,
danke,liebe middlestreet, dass Du so verständnisvoll uns allen Betroffenen geantwortet hast. Man denkt ja anfangs, dass man nur selbst so etwas erleben muss, aber es betrifft doch mehr ,als man vermutet hat. Vielleicht ist dieses Verhalten, unserer stets aufs Funktionieren und Optimieren bedachten Alltagswelt zu verdanken. Wenn ein Prozess wider Erwarten nicht optimal funktioniert, dann wird an ihm gebastelt oder "geschraubt" und gut ist. Dass etwas nicht einfach zu reparieren ist, passt nicht in die durch Verstand und ohne große Empathie geregelte Gedankenwelt. Ich glaube auch, dass meine eigenen Kinder ( also nicht die Schwiegerkinder) sich meinem Problem nicht stellen wollen. Sie haben mich immer als toughe, gut organisierte, berufstätige und jederzeit anpackende Mutter erlebt. Sie haben auch nicht mitbekommen, dass ich meinem Mann,ihrem Vater zusätzlich immer den Rücken freigehalten habe. Da mein Mann als Selbstständiger nie wirklich geregelte Arbeitszeit hatte, war ich die Konstante im Hintergrund.

Was ich jungen und mitteljungen Frauen raten möchte : " Verliert euch nicht selbst aus den Augen!!! ". Ich als 68er Generation dachte, wir Frauen müssten alles 100% auf die Reihe bekommen und haben uns dadurch bis zum Gehtnichtmehr verausgabt. INsofern habe ich meine Episoden als Chance gesehen, noch auf der letzten Zielgeraden ,mein -und damit auch das meines Mannes - Leben neu zu organisieren. Je älter man wird, desto schwerer fallen einem Veränderungen, die nach solchen Einbrüchen zwingend notwendig sind.
Passt auf Euch auf , seid achtsam mit Euch.
Tini

Re: Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKl

Verfasst: 23. Sep 2014, 08:10
von Pia again
Hallo liebe Middlestreet,

als Krebspatientin kann ich im Grundsatz Deine Gedanken nachempfinden, verstehe aber auch die andere Seite.

In meinen Augen geht es dabei gar nicht um einen persönlich selbst.
Bei vielen Menschen heisst Krebs automatisch: Tod.

Sie wissen nicht damit umzugehen, wissen nicht, was sie dem Mensch sagen sollen, wie sie damit umgehen sollen.

Die Auseinandersetzung damit möchten viele Menschen nicht haben...... zu groß sind die eigenen Ängst und die Angst vor weiterer Belastung; schade eigentlich, weil so kommt es mir vor, speziell diese Erkrankung einen sehr viel lehrt und man das Leben in Demut zu schätzen lernt.

Ich seh das gar nicht als persönlich gegen mich gerichtet und als ein funktionieren müssen schonmal gar nicht.

Ich habe noch nie den Hauch eines Ansatzes von irgendwem gehört, wenn ich mit weiteren Metastasen - Op ´s im KH war, dass einer die Idee hatte, ich könne doch jetzt mal langsam in die Gänge kommen und funktionieren: im Gegenteil.
Zumeist versuchte man mich daran zu hindern, nach kürzester Zeit wieder "zu funktionieren".

Es ist ja im Gegensatz zu psychischen Krankheiten allen, wirklich allen klar, dass es dann nicht geht.

Möglicherweise bin ich ein mit gutem Selbstbewusstsein ausgestattetes Model, aber wer wegen meiner Krebserkrankung sich von mir zurückzieht: gute Reise.........

Zumeist waren das allerdings Menschen, auf die ich eh sehr gut verzichten konnte ;-).

Nicht unerwähnt lassen möchte ich aber auch meine Erfahrung, dass viele Menschen, über oberflächliches Mitleid hinaus durchaus echte und sehr angehme Empathie empfinden; sollte auch mal erwähnt werden, finde ich ;-).

Man weiss nie, was das Leben für einen bereit hält;
gilt für jeden.

Carpe diem: trifft es schon.

Möglicherweise ein Grund, warum ich mit dem Stillstand meines Mannes so schlecht umgehen kann.

Auch er hat nur eine begrenzte Zeit auf Erden und ich frage mich ernsthaft, wann er mal anfangen will zu leben..........

Vielleicht ist seine Form dessen, wie er lebt, sein Leben.... gut möglich.

LG
Pia

Re: Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKl

Verfasst: 23. Sep 2014, 20:37
von middlestreet
Liebe Pia,

ja, ich gehe da voll und ganz mit. Schlimme Krankheiten, ob Krebs, Depression, Demenz, Schlaganfall usw., sind nicht einfach im Umgang. Und letztes Jahr habe ich die Personen entschuldigt, dass die Situation einfach zu schwer war, sich darauf einzulassen. Das kann man auch keinem verdenken. Es ging damals auch alles unglaublich schnell und glücklicherweise ging auch alles gut.

Jetzt, bei meinem Mann, ist es jedoch genauso offensichtlich. Und dass, obwohl er nun schon 10 Monate in der Klinik ist. Es gab nie einen Anruf bei ihm oder bei mir. Bei den "Pflichtanrufen", wie Geburtstagen, wurde kein Wort zu meinem Mann verloren, einfach ignoriert. Das macht einfach traurig. Und das kann ich auch nicht mehr verstehen.

Liebe Pia, Du machst mit Deiner eigenen Erkrankungen auch ganz schön viel mit. Das tut mir unendlich leid! Da musst Du unbedingt noch viel mehr für Dich selbst sorgen. Eine Krebserkrankungen bedeutet ebenfalls eine enorme psychische Belastung.

Re: Erwachsene Kinder erwarten kompl. geheilte Mutter nachKl

Verfasst: 24. Sep 2014, 07:31
von Pia again
Liebe Middlestreet,

danke der netten Worte.

Mal abgesehen davon, dass ich Mitleid schlecht ertrage (aber das ist ja mein Problem ;) ), ist es auch nicht notwendig.

Richtig ist, ich bekomm vom Schicksal (oder wem auch immer) echt einiges um die Öhrchen ...... aber: da ich schon seit mehr als 10 Jahren tot sein soll, mag ich nicht klagen........

Meine Krebsart ist nicht heilbar, das betonen die Ärzte immer wieder, so laufe ich also als lebendes Wunder durch die Gegend.

Mir ist es Schnurze; hauptsache es ist so.
Allein das zählt; außerdem lebe ich nach der (natürlich blauäugigen, aber egal) Devise: ich hab keine Zeit zum Versterben ;)

Ich denke, maßgeblich ist da meine Tochter;
meine alleinige Verantwortung für sie, gibt mir Kraft ohne Ende. Vor Kurzem hat zusätzlich ein wirklich schwerer Schicksalsschlag das Leben meiner Tochter gefährdet..... ganz ehrlich: da war ich am Boden.

Wie reagiert mein Mann: ab in die Depression.

Nachvollziehbar, hat ja kein anderes Reaktionsmuster, aber defintiv das Allerletzte, was ich in dem Moment brauchte.

Was hab ich gemacht: Kind geschnappt und weg war ich für viele Wochen.

Vielleicht kann der ein oder andere nachvollziehen, dass es für mich in den schwersten Phasen meines Mannes wirklich grauenhaft ist, diese Negativität, dieses Passive..... aber es ist eben die Krankheit.

Bisher war mein absoluter Lebenswille stärker, als die wirklich immer anwesende Depression, aber es ist sehr, sehr, sehr, sehr anstrengend.

Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich einem gemeinsamen Haushalt niemals zugestimmt. Jedenfalls nicht in der Form.

VG
Pia