über die Angst

otterchen
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über die Angst

Beitrag von otterchen »

Hallo zusammen,

ich mache mir Gedanken über das Thema Angst.

Zum einen sehe ich Angst als Gegenspieler von Vertrauen.
Wenn ich nicht darauf vertraue, dass alles gut gehen wird (dass mir Menschen wohlgesonnen sind, dass mir etwas gelingen wird, dass eine Situation gut ausgehen wird), dann werde ich ängstlich.

Zum anderen entwickelt sich die Angst auch aus dem Hirnstoffwechsel heraus - weiß nicht, wie ich das anders bezeichnen soll. Jedenfalls: wenn ich medikamentös nicht richtig eingestellt bin, bin ich allgemein ängstlicher und verzagter als üblich.

Angst zieht Vermeidung nach sich. Ich vermeide vieles...!

Angst entsteht auch aus schlechten Erfahrungen... sind wir da schon bei Verallgemeinerungen und Prophezeiungen? Wenn einmal etwas schlecht geendet hat, werden ähnliche Situationen auch schlecht enden?



Was ist mit dem Thema Mut?
Mut ist meiner Definition nach nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Überwindung von Angst (= handeln, obwohl man ängstlich ist).

Wie fühlt es sich an zu sich selbst zu sagen "ich bin mutig und mach das jetzt"?
Wie fühlt es sich an zu sich selbst zu sagen "ich versuche zu vertrauen"?


Woher kommt die Angst?
Angst ist ja auch nur ein Gefühl (welches sein darf) - aber was, wenn sie sich festsetzt und unser Leben bestimmt?
Wie überwinde ich die Angst? Wie lerne ich zu vertrauen, wie werde ich mutig?
Welche selbsterfüllenden Prophezeiungen spielen da eine Rolle? Welche Erfahrungen? Und MÜSSEN die sich wiederholen?
Wie wahrscheinlich ist es, dass uns wieder etwas passiert?
Welche Kompetenzen könnten wir entwickeln, dass wir uns besser gewappnet fühlen?



Wer mag sich mit mir über die Angst austauschen?
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
petra45
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Re: über die Angst

Beitrag von petra45 »

hallo otterchen,

ich hab auch vor vielem angst.
ich wollte heute morgen in einen gottesdienst.
habs dann aber nicht geschafft, weil ich panik bekam.

vor kleinen sachen hab ich oft angst, das ist ein scheißgefühl.

bis dann petra
otterchen
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Re: über die Angst

Beitrag von otterchen »

Hm,
anscheinend spricht dies gerade keinen an - und doch kehren meine Gedanken immer wieder zu diesem Thema zurück.

Ich frage mich gerade, ob Angst etwas Typisches bei einer Depression ist. Denn Depression besteht ja aus "-Losigkeiten", also auch auf Mutlosigkeit und fehlendem Vertrauen.

Natürlich ist das nicht bei allen Depressiven so - aber ich denke, dass viele (unbewusst??) ängstlich sind (bzw mehr oder weniger bewusst Situationen vermeiden).

Mehrere Aspekte sind mir in den Sinn gekommen:

• ich vergebe mir jetzt jedesmal einen dicken Mut-Punkt, wenn ich mich überwunden habe, etwas dennoch zu tun
• ich versuche, mir "tue es TROTZDEM" vor Augen zu halten (das gilt ebenfalls für Lust- und Antriebslosigkeit)

• Angst ist nicht nur im Kopf, sondern äußert sich auch körperlich:
sie sitzt im Nacken (Verspannungen, Kopfschmerz), schlägt auf den Magen, führt zu Durchfällen, lässt das Herz schneller schlagen, den Puls rasen und erhöht den Blutdruck, führt zu Schweißausbrüchen, kann zu Hyperventilation führen, führt zu Fehlhaltungen (man macht sich kleiner), äußert sich über die Haut uvm

• zum Vertrauen: Stichworte Selbstvertrauen und Selbstwert steigern

• Erfahrungen und Glaubenssätze: wenn man die grundlegende Erfahrung gemacht hat, dass man in gewissen Situationen nicht gewinnen kann (ich denke da konkret an die prägende Kindheit), dann wird man mit einer entsprechenden Grundeinstellung auch später die Welt betrachten.



Hallo Petra,

ich sehe gerade, dass Du geschrieben hast - vielen Dank dafür!
Wovor hast Du denn konkret Angst - kannst Du das benennen?
Und warum ist die Angst größer als der Wunsch, in den Gottesdienst zu gehen?

Ich frage mich gerade, wie es passiert, dass die Angst größer werden kann als unser Wunsch und Wille, etwas zu tun. Ich kenne das selbst von mir - das fühlt sich sehr unschön an.
Doch diese körperlichen Reaktionen gehen ja nun irgendwie vom Gehirn aus... also vom Denken, seien es bewusste oder ganz tief verbuddelte Gedanken. Sowas wie "ich will nicht gesehen werden", "man könnte mich negativ bewerten", "eigentlich müsste ich jetzt etwas anderes tun" oder irgendwas Diffuses in dieser Art.

Und ja - so ungern und zähneknirschend ich das zugeben muss: das hat schon irgendwas Kindliches an sich. Man "stellt sich an", statt wie eine Erwachsene die Situation einfach anzugehen. Man möchte sich an Mamis Rock klammern und sich halb hinter ihr verstecken.
Dennoch wird es mit dieser Erkenntnis nicht besser, weil dieser ängstliche Anteil sehr groß, quasi beherrschend ist.
Wie ist es also mit dem Stichwort Be-eltern? Sich quasi selbst an die Hand nehmen, sich sagen, dass nichts Schlimmes passieren wird, sich aufmuntern, sich Mut zusprechen... so, wie liebevolle Eltern das tun würden?

Und wie geht man damit um, wenn tatsächlich etwas "Schlimmes" passiert? Wie können wir uns dann auffangen? Wie schlimm ist es TATSÄCHLICH, wenn es zur befürchteten "Katastrophe" kommt? (ich glaube, DAS müsste ich tatsächlich noch lernen, denn da ist bei mir Brachland)

Seltsamerweise sind diese Ängste ja nicht generell vorhanden - in manchen Bereichen fühlen wir uns kompetent, da kommt sowas wie Angst gar nicht auf.
Kommen wir der Angst auf die Spur, wenn wir uns genau anschauen, in welchen Bereichen sie auftritt und was sie uns damit sagen möchte??


Liebe Grüße
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Mim
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Re: über die Angst

Beitrag von Mim »

Hallo Otterchen,

ich habe Dich gelesen und finde das Thema recht interessant. Momentan weiß ich nicht was ich dazu schreiben soll, ich glaube ich muss noch ein bisschen sacken lassen. Wollte Dir aber sagen, dass ich Dich gelesen habe :)

Liebe Grüße
Mim
Botus
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Re: über die Angst

Beitrag von Botus »

Hallo Otterchen,

es gab objektiv messbar selten Ärger mit Kunden, eigentlich nie. Seitdem es die neuen Kommunikationswege und sozialen Plattformen gibt, genügt ein einziger unzufriedener Kunde, um die Arbeit von Jahren zu gefährden. Das ist meine größte Angst Nummer 1.

Es gab objektiv messbar selten privaten Ärger, eigentlich nie. Seitdem alle Menschen 24 Stunden am Tag miteinander verbunden sind, genügt ein einziger ätzender Mensch mit seinem Gerede, um mir meine verdiente Ruhe und mein verdientes Glück zu vermiesen. Das ist meine größte Angst Nummer 2.

Ich reagiere auf diese Ängste, indem ich versuche, Leuten aus dem Weg zu gehen, die bei jedem Gedanken das Bedürfnis verspüren, sofort ein Gerät zur Hand zu nehmen, um ihn zu kommunizieren oder zu veröffentlichen.

Liebe Grüße vom Dobi
Antiope
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Re: über die Angst

Beitrag von Antiope »

Liebes Otterchen,

Für mich ist die Angst das allerwichtigste Alarmzeichen für eine sich anbahnende neue Episode. Es ist eine Angst, die halb im Bewussten herumschwebt, direkt außerhalb meines Blickwinkels, nicht konkret fassbar.

Angst ist auch etwas Gutes. Weil sie mir meine Grenzen aufzeigt.

Ich würde bei der Definition von Angst sogar weitergehen: Angst ist da, wo Du nicht "zuhause" (in Dir selbst) bist, wo Du kein Selbstvertrauen hast.
otterchen hat geschrieben: Wenn ich nicht darauf vertraue, dass alles gut gehen wird (dass mir Menschen wohlgesonnen sind, dass mir etwas gelingen wird, dass eine Situation gut ausgehen wird), dann werde ich ängstlich.
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Die Frage aber wäre: wo genau hakt es hier mit dem Vertrauen? Also: was genau macht die Angst, welche Befürchtung steckt dahinter?

Und bitte nicht böse sein, wenn ich frage: welche Erwartung hast Du in diesem Punkt - an Dich selbst, an den anderen?
Was müsste geschehen, dass Du das (Selbst-)Vertrauen hättest?

Vermeidung der Situation ist die logische Folge. Vielleicht, weil uns ein alternativer Ansatz fehlt, mit der Situation umzugehen? Weil wir mit unserem beschränkten Werkzeugkasten keine andere Vorgehensweise finden?

Definition "Mut": genauso sehe ich es auch. Mut ist erst dann Mut, wenn man trotz der Angst etwas macht und sich trotz des Risikos zu scheitern drauf einlässt.
otterchen hat geschrieben: Wie fühlt es sich an zu sich selbst zu sagen "ich bin mutig und mach das jetzt"?
Wie fühlt es sich an zu sich selbst zu sagen "ich versuche zu vertrauen"? [...]
Welche Kompetenzen könnten wir entwickeln, dass wir uns besser gewappnet fühlen?
Die Sätze fühlen sich "schwer" an. Als würde ich meine Angst ignorieren und verdrängen. Und gleichzeitig das Scheitern miteinbeziehen mit der Vorgabe "ich versuche". "Zu vertrauen" ist auch unkonkret, viel VIEL zu schwer, da es alles und jeden miteinschließt.
Wem oder was möchtest Du vertrauen, in welcher Situation?

Es klingt jetzt so einfach, so nach Lehrbuch: die Angst ansehen und ihre Existenz zu akzeptieren. Ein kleiner Schritt in die furchterregende Richtung machen, trotz der Angst. Und sehen, dass das gelingt. Für die Situation notfalls auch eine Art Hilfsmittel einplanen: ein Mut-Stein, Pfefferspray, Telefonnummer eines Bekannten. Damit die Angst ernstnehmen, weil man schon vorgesorgt hat, wenn etwas nicht ganz klappt.
Alleine, dass man einen Schritt in die Richtung gemacht hat, ist nicht mehr nur ein Versuch, sondern der erste Schritt!
timmie2002
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Re: über die Angst

Beitrag von timmie2002 »

hallo otterchen, hallo petra,

angst ist ein gefühl, dass nicht nur sein darf, sondern sein muss. es gehört zu den ganz natürlichen schutzmechanismen. ich denke, dass ich nicht erklären muss, welche überlebenswichtige funktion angst hat.

:-) säbelzahntiger :-) kennt bestimmt jeder.

es sit der umgang mit angst, der problematisch ist, besonders, wenn sie sich zu panik steigert oder sich angst vor der angst entwickelt.

otterchen, du fragst:
Wie überwinde ich die Angst? Wie lerne ich zu vertrauen, wie werde ich mutig?

ich denke, dass es darauf nur sehr komplexe antworten gibt, die ich selber so nicht geben kann. aber ich schreibe meine ideen und gedanken dazu mal auf.

zuerst muss man wohl angst wie jedes andere gefühl akzeptieren und zulassen.
sicher muss man auch lernen, was krankhafte und was ganz natürliche angstzustände sind. petra du beschreibst ein typisches beispiel für phobie. phobien hemmen uns, schränken unsere möglichkeiten, z.b. in sozialen kontakten ein.

da sollte man sicher auch etwas unternehmen. unbegründete ängste bekämpft man am besten durch konfrontation. ich bin klarer verfechter von therapie und würde hier auch jedem empfehlen, therapeutische hilfe in anspruch zu nehmen.

wie lernt man zu vertrrauen? oje, das wüsste ich auch zu gerne. hab in meinem persönlichkeitsthread über eine aktuelle problematik von mir geschrieben, die damit im engen zusammenhang steht.

eigentlich denke ich, vertrauen zu meinem thera zu haben und doch schaffe ich es nicht, blickkontakt im gespräch zu halten. das macht mich zurzeit völlig irre, weil ich es nicht erklären kann. irgendetwas in meinem inneren scheint sich noch immer zu verweigern, ist misstrauisch. ich kann dies aber gar nicht fassen. ich glaube, dass wieder irgendwelche im unterbewusstsein festgesetzten erfahrungen dahinter stecken. und das liebe unterbewusstsein ist ein absolutes miststück. es macht nämlich nicht, was ich will.

ich will ein gespräch mit meinem therapeuten führen, ich will in beziehung zu ihm treten. nö- sagt aber mein unterbewusstsein- das machen wir nicht. guck ihn ja nicht an. wer weiß, was der vorhat und was der macht.

also so ungefähr stelle ich mir das vor, etwas humorvoll betrachtet.

mein unterbewusstsein ist durch frühere erfahrungen und entsprechendes erleben geprägt. so gesehn liegt die lösung auf der hand. ich muss mein unterbewusstsein durch neue erfahrungen "umprogrammieren". ekliger und langer prozess.

ich denke otterchen, dass es bei deiner frage auch um das SICH-SELBER-VERTRAUEN GEHT. aber da bin ich von gewinnbringenden einsichten selber noch weit entfernt.

wie werde ich mutig?

durch entscheidungen treffen und handeln.

glg final
timmie2002
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Re: über die Angst

Beitrag von timmie2002 »

na das war jetzt lustig. mit einem schlag ist der thread voller beiträge. :-)
ndskp01
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Re: über die Angst

Beitrag von ndskp01 »

Ich hab auch Angst. Und wie. Ich würde gerne trinken, damit sie weggeht. Oder in den Schlaf ausweichen. Das bringt aber nicht weiter und davon geht sie nicht weg.

Mehr fällt mir heute dazu nicht mehr ein.

Puk
ndskp01
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Re: über die Angst

Beitrag von ndskp01 »

Mir fällt doch noch was ein:

Wie kommt es eigentlich, dass ich ausgerechnet vor den Taten Angst habe, die ich gerne tun möchte? Und für die ich die Fähigkeit eigentlich habe? schon wieder Perfektionismus?????
otterchen
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Re: über die Angst

Beitrag von otterchen »

wow, so viele Beiträge in so kurzer Zeit!

Hallo Mim,
kein Problem - wir können uns nicht mit allen Baustellen gleichzeitig beschäftigen. Alles zu seiner Zeit.


Hallo Dobermann,
hm - also basieren Deine Ängste eigentlich nicht auf Erfahrungen, sondern auf Befürchtungen? Kann man das so sagen?


Huhu Antiope,
Für mich ist die Angst das allerwichtigste Alarmzeichen für eine sich anbahnende neue Episode.
Stimmt - je schlechter es mir geht, desto ängstlicher bin ich. Das meinte ich mit Hirnfunktion - da gibt es tatsächlich Stoffe, die uns ängstlicher bzw. furchtloser machen.
Die Frage aber wäre: wo genau hakt es hier mit dem Vertrauen?
Bei mir sind es vor allem Authoritäten (kindheitsbedingt). Ich habe die Grundeinstellung, dass ich immer den Kürzeren ziehen werde, dass ich von ihnen nicht für voll genommen werde, dass man mich nicht berücksichtigt, dass man sich über mich hinwegsetzt, mich quasi ent-rechtet.
Ich fühle mich in die Defensive gedrängt.
Das ist eigentlich die Haupt-Angst. Hinzu kommen noch diffuse andere Ängste - je schlechter es mir geht, desto mehr werden es.
Es wabert ebenfalls etwas in meinem Kopf herum, dass ich selbst quasi "fehlerfrei" sein müsste, um selbst Ansprüche stellen zu dürfen. So erdulde ich das Türenknallen der Nachbarn, weil ich mir denke, dass ich sie nicht darum bitten darf, die Wohnungstür leise zu schließen, weil sie womöglich einen Gegenanspruch an mich hätten.
welche Erwartung hast Du in diesem Punkt - an Dich selbst, an den anderen?
Dickfelliger werden - Konflikte aushalten, mich selbst behaupten können, meine Rechte einfordern, auch etwas zu verlangen, wenn mir das Gegenüber einen Fehler meinerseits vorhält.
Sowas in der Art.
Vielleicht, weil uns ein alternativer Ansatz fehlt, mit der Situation umzugehen?
Für mich trifft das ganz gewiss zu.
Als würde ich meine Angst ignorieren und verdrängen
Hm, so war's nicht gemeint - mir geht es eher darum, mein Augenmerk auf das Positive zu legen: auf das Überwinden, sich selbst als mutig wahrzunehmen, die Ursprünge herauszuarbeiten und daran anzusetzen, zu "heilen", Vertrauen fassen zu können und auch das Scheitern akzeptieren zu lernen ("ich habs zumindest versucht und habe nicht schon vorher aufgegeben")


Huhu Final,
heute gibt es nur keine Säbelzahntiger mehr, und wir werden ängstlich, wenn überhaupt keine Bedrohung von Leib und Leben besteht. Wir empfinden es nur so, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich unsere Existenz bedroht ist, verschwindend gering ist.
Ja, Angst darf sein - aber als vorübergehendes Gefühl, das sich nicht festsetzt und uns beherrscht.
unbegründete ängste bekämpft man am besten durch konfrontation.
Hm... kannst Du denn "unbegründet" definieren?
Und einfach so wird man sich dem ja wohl nicht aussetzen müssen - da würde man vorher wohl trainieren, wie man sich selbst stabilisieren und beruhigen kann und hinterher dann auch auffangen, wenn tatsächlich etwas passiert.
Klar: wenn jemand Angst davor hat, einen weiten Platz zu überqueren, dann wird aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich nichts passieren.
Wenn aber jemand Angst davor hat, mit dem Auto über eine Autobahnbrücke zu fahren, bei der es tief nach unten geht, dann sollte man schon Vorsicht walten lassen, weil da tatsächlich Unfallgefahr droht.
das liebe unterbewusstsein ist ein absolutes miststück.
:lol: gut gesagt!
Ich glaube aber, dass man DORT tatsächlich ansetzen kann oder sogar muss.
SICH-SELBER-VERTRAUEN
Tue ich - in bereits vielen Bereichen. In anderen Bereichen erlebe ich z.B. eine Unfähigkeit im Umgang mit Konflikten; Spannungen auszuhalten; weiß um meine Fehler und Schwächen (kann aber nicht dazu stehen) und sehe sie gleichzeitig als Instrument, die mein Gegenüber gegen mich einsetzen kann.


Hallo Puk,
ja, das Ausweichen in den Schlaf... das kenne ich auch. Kurzfristig ist es ok, langfristig bringt es nichts Gutes mit sich.
Mal so vor mich hingesponnen: es müsste eine Art Betreuer geben, der uns bei der Hand nimmt und jede Situation mit uns angeht, bis wir das selbst beherrschen. Dann bräuchten wir keine Angst mehr zu haben bzw. hätten gelernt, wie wir auch mit misslichen Lagen umgehen.


Irgendwie scheine ich bislang in meinen über 50 Jahren keine Menschen um mich gehabt zu haben, die mir dies auf positivem Weg vorgelebt haben. Ich fühle mich, als müsste ich mich durch einen Dschungel kämpfen, hätte bislang aber nur dornige Schrammen, Stiche, Kratzer, verletzte Knochen und andere Blessuren davongetragen. Keiner hat mir beigebracht, wie ich mich durch dieses Dickicht bewegen kann mit möglichst wenigen Verletzungen oder, falls sie dennoch mal vorkommen, wie ich diese heilen kann.
Das einzige, was zu helfen scheint, ist bewegungslos stehenzubleiben.
Doch der Dschungel wächst ja, und so kommen die dornigen Büsche, die stechenden Tiere, die kratzigen Äste usw. immer näher auf mich zu.
Es drängt mich, weiterzugehen, aber ich weiß nicht wie.

*schnutezieh*


@ Puk nochmal:
Wie kommt es eigentlich, dass ich ausgerechnet vor den Taten Angst habe, die ich gerne tun möchte? Und für die ich die Fähigkeit eigentlich habe? schon wieder Perfektionismus?????
Ich würde jetzt spontan ja sagen.
Mir hat die 20/80 Regel geholfen. Ich gebe mich bewusst mit einem nur 80%-igen Ergebnis zufrieden und wende dafür nur 20% meiner Energie auf.

Was wären das eigentlich für Dinge bei Dir? Magst Du da mal ein oder zwei Beispiele geben? Und Deine Gedanken dabei, die die Angst Dir einflüstert?
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Selea

Re: über die Angst

Beitrag von Selea »

Guten Tag miteinander :)

googelt mal unter:

Fritz Riemann: Grundformen der Angst

Fritz Riemann war Psychoanalytiker, er lebt nicht mehr.
Aber sein Buch habe ich exorbitant gut gefunden.
Und seine Einlassungen über das Thema Angst.

Weil nämlich Angst zu den normalmenschlichen Gefühlen gehört.

Er spezifiziert in Charaktertypen (iss heute überholt), trotzdem interessant, dass eben jeder Charaktertyp auch wieder andere Ängste hat als ein anderer.

Und dass auch Angst ein Signal ist. Für Überforderung, einer Situation noch nicht gewachsen zu sein etc. etc.
Und dass Angst auch Aufforderungscharakter haben kann, sie zu überwinden.


Ich glaube, jeder Mensch hat Angst, kann viel Angst haben. Es kommt nur auf den Umgang damit drauf an.
Aber auch kommt es darauf an, muss ich wirklich so angstfrei sein, wie angeblich mein Mitmensch X, der vielleicht fröhlich in der Welt herumfliegt, ein Weltenbummler ist, und ich, eine andere Mitmenschin mehr auf meiner Scholle hocke....und das gar nicht mag???

Es gibt soviele unterschiedliche Menschen mit sovielen unterschiedlichen Biographien.
Wer will da vorschreiben und sagen, welche Angst richtig oder krank oder falsch sei????


Herzlich
Selas
ndskp01
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Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: über die Angst

Beitrag von ndskp01 »

Hallo Otterchen

(@all: Ich beziehe mich mal nur auf die mir besonders wichtigen Aspekte aus dem Riesenthema Angst, sonst wird es mir zu komplex, aber natürlich sind die anderen Überlegungen auch alle wichtig),

vielen Dank für das Zurückfragen und Antworten. Meine Mutter und mein Vater hatten auch sehr viele Ängste, das merke ich jetzt besonders, wenn ich meiner Mutter begegne, nachdem ich an meiner Angst gearbeitet hat. Die sind als Begleiter beim Überwinden der Angst also schonmal untauglich gewesen. Aber ein paarmal hatte ich schon Unterstützer in einzelnen Situationen.

In den vergangenen Tagen war die Angst diffus, durch konkretes Benennen kann es besser werden (das weißt du vermutlich auch, deswegen fragst du nach, oder?). Ich habe Angst vor der nächsten Unterrichtsstunde. Ich kann/konnte die Unterlagen nicht aufschlagen. Und die zweite Angst bezieht sich auf die Präsentation am kommenden Samstag, auch da: Ich beginne nicht mit der Vorbereitung. Angst vor dem Anfang, vor dem Unbekannten. Fehlende Routine?

Ach, keine Ahnung, jedenfalls bereite ich mich dann jetzt mal vor ...

Puk
Anicca
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Re: über die Angst

Beitrag von Anicca »

Hallo liebe Otterchen, Hallo liebe Selas,

@Selas du schreibst:

" Ich glaube, jeder Mensch hat Angst,.."

Ich denke, dass es nur die Angst und nur die Liebe gibt!

Entweder bin ich in der Liebe, dann geht es mir gut, oder ich bin in der Angst, dann geht es mir gerade weniger gut.

Doch beides hat seine Berechtigung, beides ist da, beides will wahrgenommen und gewürdigt werden. Angst ist ein Gefühl das sich verändert, und Liebe ist auch ein Gefühl das sich verändert.

Die Angst vor der Angst zu verlieren, und auch die Angst vor der Liebe zu verlieren, wäre ein Ziel.

Und das geht nur über die Selbstannahme, über die Selbstliebe, über das, sich selbst so anzunehmen, wie man ist, egal ob man gerade in der Angst oder in der Liebe ist.

Die Angst als gleichberechtigt zu würdigen. Die Angst zu spüren, zu fühlen, sie mit anderen zu teilen, sie aufzuschreiben, ihre Macht zu erkennen, doch auch zu wissen, dass sich alles immer verändert und nichts bleibt so wie es ist.

Zu der Angst zu stehen und zu erkennen, dass sie Macht hat. Wenn ich heute etwas nicht tun kann, weil mich die Angst lähmt, dann ist das eben so, dann hat die Angst eben heute Macht über mich, und ich kann nicht das tun, was andere von mir erwarten. Es hat schon seinen Grund. Manchmal schützt einen die Angst auch vor großen Schwierigkeiten.

Mich selbst nicht fertig machen, wenn ich etwas nicht tun kann. Mir selbst mit Liebe zu begegnen, wenn ich mich in der Angst wahrnehme, das sind meine Ansätze.

Selbstliebe ist wohl der Schlüssel, um der Angst richtig zu begegnen.

Und zur Selbstliebe gehört auch, dass ich die Angst mit anderen teile. Das ich z.B. eine Freundin anrufe, und sage, dass ich gerade eine Heidenangst habe, dass ich dieses oder jenes nicht tun kann. Manchmal klappt es dann sehr gut, doch manchmal klappt es auch überhaut nicht. Dann bekomme ich auf jeden Fall eine neue Lektion um zu üben.

Das Leben ist eine Erfahrung! Man darf sich nur nicht von den Gefühlen zu sehr beherrschen lassen, auch nicht von den Liebesgefühlen....handlungsfähig werde ich oft erst dann, wenn sich mein Gefühl beruhigt hat...

LG Anicca
timmie2002
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Re: über die Angst

Beitrag von timmie2002 »

huhu otterchen,

zu deiner frage. brauche unbegründete ängste nciht mehr zu definieren, weil du es selber treffend getan hast:
"heute gibt es nur keine Säbelzahntiger mehr, und wir werden ängstlich, wenn überhaupt keine Bedrohung von Leib und Leben besteht. Wir empfinden es nur so, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich unsere Existenz bedroht ist, verschwindend gering ist."

und wie gesagt: das thema ist unwahrscheinlich komplex. um genau und detailliert zu sein, müsste man sicher auf alle möglichen formen von angst eingehen, was den rahmen hier sprengt.

nur zu einer problematik noch: ich habe auch geschrieben, dass angst uns hemmt.

beispiel: prüfungsangst. kennt sicher jeder.

wie man sich einer prüfung stellt, ist sicher von der persönlichkeit abhängig. der eine hat mehr angst, der andere weniger.
habe ich eine gesunde portion angst vor der prüfung, kann diese sehr positiv sein. denn angst versetzt uns in alarmbereitschaft, adrenalin wird ausgeschüttet, dass uns hilft, schnell und konzentriert zu handeln, voll wach oder da zu sein.
habe ich übergroße angst, tritt eher das gegenteil ein. ich kann mich nicht konzentrieren, werde unsicher und oftmals tritt das schlimmste ein: die berühmten blockaden, blackouts. auch dafür ist ein hormon verantwortlich, sovuiel ich weiß. name fällt mir nicht ein.das innere geschehen im gehirn gleicht dem eines todstellreflexes.

wenn ich mich gut vorbereitet habe, brauche ich eigentlich keine angst vor der prüfung zu haben. trotzdem hat sie jeder oder fast jeder, weil die prüfung eine besondere situation mit schwieriger herausforderung ist.

inwwieweit die angst positiv wirkt oder negativ, oder wie ich vorhin formuliert habe, ich eine gesunde portion oder übergroße angst habe, dürfte wieder eine ganze kette von ursachen haben. ich denke, dass das auch sehr stark mit unserer stressregulierung zusammenhängt. wenn diese sich fehlentwickelt hat, kann angst zu einem echten problem werden.

glg final
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: über die Angst

Beitrag von Antiope »

Hallo Otterchen,

diese Grundüberzeugung (ständig den Kürzeren zu ziehen, kein Recht auf Platz zu haben, ...) - genau diese kenne ich (und vermutlich die meisten hier) sehr sehr genau. Und daher bin ich Dir sehr dankbar, das Thema mal angeschnitten zu haben. Dann nämlich sehe ich selbst klarer, indem ich Deine Frage (die auch meine ist) zu beantworten versuche ;)

Die Frage danach, wo es dann mit dem Vertrauen hakelt, ist die Frage, in welche Richtung das Vertrauen da sein muss: auf andere oder auf sich selbst?

Jetzt galoppieren leider meine Gedanken ... Ich kann jetzt nur noch versuchen, alles zusammen festzuhalten, alle Ansatzpunkte und hoffen, dass die vielen Einzelfäden irgendwie zusammenkommen ...

Vertrauen kann "eigentlich" oder am sichersten nur aus sich selbst heraus auf sich selbst sein. Anderen vertrauen ... nur dann, wenn ich mir selbst vertraue, oder?
Wenn ich nur anderen vertrauen kann (und mir selbst nicht), dann spreche ich mir selbst Rechte ab.
Wenn ich nur dann Rechte habe, wenn ich vollendet perfekt bin, ... das ist Irrsinn. Weil: den anderen wird eben nicht dieser Perfektionismus abverlangt, denen vertraue ich, ohne dass sie perfekt sein müssen.
In die Defensive gedrängt: weil Du Dir es nicht erlaubst, etwas zu wollen? Weil Du erst Dich beweisen musst? ...?
Warum musst Du Dich rechtfertigen? Vor Dir selbst?
Dickfelliger werden, Rechte einfordern, ... das sind alles Punkte, die quasi automatisch da sind, wenn man bei sich selbst ist und sich genauso wichtig nimmt wie den anderen.

Wäre es dann eine Lösung, sich selbst zu erlauben, etwas zu möchten?
Sich zu erlauben, furchtbar Angst zu haben, und dann das Problem in kleine Schritte zu zerlegen, und jeden Schritt *einzeln* zu gehen?
Sich selbst erlauben, diese Angst als "nachvollziehbar" zu sehen, als Teil einer gemachten Erfahrung, das prinzipiell sein Recht dazu hat, auf sich aufmerksam zu machen, mich zu warnen?
Gibt es neben der Angst dann auch etwas, das Nicht-Angst ist?
Anicca
Beiträge: 120
Registriert: 19. Mai 2014, 10:45

Re: über die Angst

Beitrag von Anicca »

Hallo liebe Antiope,

du schreibst:

"Gibt es neben der Angst dann auch etwas, das Nicht-Angst ist?"

Ich denke, dass es sicher etwas gibt, und das ist die " Liebe"

Alles was nicht Liebe ist, das gibt es nicht. Also gibt es die Angst in Wirklichkeit nicht.

Die Angst und die Liebe sind in der Dualität, und die Dualität ist in der Einheit. Und die Einheit ist Liebe. Also gibt es in Wirklichkeit nur die "Liebe" und die Angst gibt es nicht.

Ich kann es sicher nicht beweisen, und ich kann es auch nicht weiter erklären. Ich kann es nur glauben.

LG Anicca
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: über die Angst

Beitrag von otterchen »

Also gibt es in Wirklichkeit nur die "Liebe" und die Angst gibt es nicht.
Angst gibt es nicht?

Ich glaube, das kann man so nicht stehen lassen.

Und für mich (!) ist das Gegenteil von Angst innere Ruhe und Vertrauen.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Mim
Beiträge: 1383
Registriert: 21. Dez 2013, 19:41

Re: über die Angst

Beitrag von Mim »

Hallo Otterchen,
als ich gerade gelesen habe, was du über Dich schreibst bezüglich Deiner Angst einzufordern (Gegenforderung), deiner Unfähigkeit Schwäche einzugestehen, etc. habe ich mich in fast allen Punkten wiedererkannt. Ich kann "irgendwie" damit umgehen, aber es ist immer von einem massiven schlechten Gewissen und Schuldgefühlen begleitet und ich fühle mich schlecht, weil mich soviel von anderen auf die Palme bringt, ich selber aber nicht besser bin. Und dennoch kann ich es bei anderen nicht einfach ignorieren.
Also werte ich mich noch zusätzlich ab. Dass es das ist, was Du schreibst, wäre mir aber nicht in den Sinn gekommen.

Mir wurde mal beigebracht, wenn ich dem anderen etwas sagen möchte, was ich selber auch "auf dem Kerbholz habe", im Stillen "von Arschloch zu Arschloch" anzufügen. Was Dich stört steht so oder so im Raum und es ist in dem Moment erst mal egal, ob Du genau die gleichen Fehler auch machst oder gemacht hast. Aber es ist natürlich schwer, einen eventuellen Gegenangriff zu parieren, gerade wenn das Gegenüber nicht sehr reflektiert ist.
Kannst Du das nicht mit Deiner Therapeutin üben?

Lieben Gruß,
Mim
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: über die Angst

Beitrag von Antiope »

Hallo Otterchen,

ich glaube, es gibt keine Vorbedingungen, um jemand anderem etwas sagen zu können.
Wichtig beim "Einfordern von Rechten" ist wohl der Respekt vor dem anderen, das Gleich-Gestellt-Sein (ja, in BEIDE Richtungen ...) und die Einsicht, dass es mindestens zwei "richtige/passende" Ansichten einer Sache gibt (Deine und die des anderen).

Vielleicht hilft Artikel 1 des universellen Menschenrechts:
"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren."
und: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." (Artikel 1 Grundgesetz)

Und damit darfst auch Du dieses Recht beanspruchen:
"Otterchen ist frei und gleich an Würde und Rechten geboren." und "Deine Würde ist unantastbar."
Du musst nicht darum kämpfen, sondern es gehört Dir schon. Ohne Einschränkungen.

Das hat für mich etwas unglaublich Bestärkendes.
--------
Für mich wäre das Gegenteil von Angst die Gelassenheit.
Botus
Beiträge: 2096
Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: über die Angst

Beitrag von Botus »

otterchen hat geschrieben:
Hallo Dobermann,
hm - also basieren Deine Ängste eigentlich nicht auf Erfahrungen, sondern auf Befürchtungen? Kann man das so sagen?
Hallo Otterchen,

nein, meine Erfahrungen sind durchaus real.

Wenn man sich dafür interessiert, kann man in nahezu jedem Lebensbereich feststellen, dass kleinste Gruppen und selbst Einzelne heute problemlos und jederzeit die Möglichkeit haben, wie eine große Menge zu erscheinen und dem entsprechend aufzutreten.

Viele Menschen können sich nicht damit zufrieden geben, als Einzelperson irgendwas zu "finden". Das widerspricht ihrem Selbstbild, indem sie ganz wichtig sind, bedeutend, sowas wie ein König. Wenn sie beispielsweise jemanden nicht mögen, bestehen sie darauf, dass ganz viele die betreffende Person nicht mögen. Sie laufen überall herum und labern jeden voll... so lange, bis sich drei weitere mit der selben Meinung dazu gesellt haben.

Die ursprüngliche Einzelperson mit ihrer Einzelmeinung hat alle ihre Ziele erreicht. Sie kann jetzt behaupten, dass "ganz viele" den Betreffenden nicht mögen und wenn es "alle" sagen, muss schließlich was dran sein. Sie hat auch die Bestätigung ihrer eigenen Richtigkeit und Wichtigkeit, denn schließlich sprach sie nur aus, was "alle" meinen.

Ich glaube, dass die Zahl der Menschen, die in der Lage sind, ihre subjektive Meinung als Einzelmeinung und ihre Interessen als Einzelinteressen zu verstehen, stark abnimmt. Immer mehr Menschen wünschen sich eine höhere Wichtigkeit und eine größere Bedeutung. Sobald es mit jemandem Probleme gibt, ein Interessenskonflikt vorliegt oder nur Antipathie, beginnen sie sofort Stimmung gegen die Person zu machen, Mitstreiter zu generieren und den Betreffenden zu isolieren. Hiervon erhoffen sie sich den Sieg, aber nicht in der Sache, sondern in der Frage "wer denn nun wichtiger und bedeutender ist".

Ich glaube, dass die größte Angst der Menschen darin besteht, möglicherweise nicht wichtig und möglicherweise auch nicht bedeutend zu sein, sondern einfach nur ein Mensch. Einer unter Milliarden. Mit diesem Gedanken kommen viele nicht zurecht und diese Tendenz sehe ich steigend. Wer heute ein Brötchen isst, danach den Müll raus bringt und sich in der Stadt eine neue Unterhose kauft, verspürt den Drang, diese königlichen Ereignisse zu dokumentieren, im Internet aller Welt zugänglich zu machen und jeden, den man kennt, umgehend per Whatsapp oder Telefon zu informieren. Möglicherweise bin ich ja der einzige, dem diese und andere Veränderungen der Menschen auffallen.

Liebe Grüße vom Dobi
Zuletzt geändert von Botus am 30. Jun 2014, 07:27, insgesamt 1-mal geändert.
timmie2002
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Re: über die Angst

Beitrag von timmie2002 »

guten morgen ihr lieben

und herrlich, welche ideen und gedanken hier zusammenkommen.

der aussage, dass es angst nicht gibt, kann ich so auch nicht zustimmen. dann müssten wir alle möglichen gefühle negieren. aber gefühle zeichnen uns als menschen nun mal in besonderer weise aus.
die liebe sozusagen als gegenspieler der angst zu sehen, halte ich wiederum für interessant. dem gebe ich auch gerne meine zustimmung. und die liebe ist eines der wertvollsten gefühle. viele von uns wären nicht so krank, hätten sie in der kindheit ausreichend liebe bekommen und erfahren. liebevolle zuwendung ist auch grundbedingung menschlichen zusammenlebens.

warum hat die natur uns die fähigkeit zu lieben gegeben? evolutionstechnisch gesehen einfach, weil auch liebe zum überleben gebraucht wurde. der mensch hat sich als soziales wesen entwickelt, weil er nur in der gemeinschaft überleben konnte. liebe reguliert soziale beziehungen auf wunderbare weise.

warum sind so viele menschen in der heutigen zeit krank? weil wir uns von unserer natur, unserer durch die evolution entfalteten biologie immer mehr entfernen. wir entfremden uns selber als soziale wesen.

"nicht-angst" ist für mich alles, was mir hilft, mich vor nicht notwendiger angst zu schützen. das kann je nach situation unterschiedlich sein, denke ich.

und danke antiope, dass du die grundrechte ansprichst und insbesondere das erste.

dieses gehört ja zu den sogenannten menschenrechten, also zu der gruppe, die uns von natur gegeben sind. es liegt also in unserer natur und biologie, den anderen zu achten und in seiner würde nicht zu verletzen.
unsere heutige realität sieht doch wieder ganz anders aus. leider. das schlimmste dabei ist, dass sich die mehrheit der menschen gar nicht bewusst ist, wie sehr sie entfremdet und von ihrer wahren natur entfernt lebt. wir gehorchen nicht der mutter natur, wir gehorchen der mutter zivilisation. dies macht auch der amerikanische kinderpsychiater bruce d. perry im schlussteil seines buches "der junge, der wie ein hund gehalten wurde" deutlich.
und politiker ändern dies nicht, weil sie die wirklichen ursachen unserer heutigen gesellschaftlichen und sozialen probleme einfach nicht wahrnehmen. sie sind genauso wie die meisten menschen verstrickt in eine denkwelt, die uns leistung, materialismus, wettkampf vorgibt und unsere biologische natur völlig unberücksichtigt lässt. und die menschliche natur hat sich nicht nach dem darwinschen prinzip "recht des stärkeren" entwickelt. das überleben der menschen wurde immer durch eine fürsorgliche gemeinschaft abgesichert.

das schlimmste ist, dass diese unwissenheit nicht sein müsste, denn es gibt genügend menschen, die erkannt haben, woran unsere gesellschaft kränkelt. aber sie haben keine lobby, ihnen hört keiner zu. im besten fall werden sie als spinnner abgetan.

wir wissen ja selber auch aus unserer krankheitsgeschichte, dass erfahrungen, denk-und handlungsweisen, die uns als kinder eingetrichtert wurden, nur schwer abzubauen sind. genauso verhält es sich mit den ideelen grundlagen unserer zivilisatorischen leistungsgesellschaft. für die meisten ist es einfach nicht nachvollziehbar, dass weniger leisten gesünder sein kann, weil wir fast mit der muttermilch aufgesogen haben, wie wichtig leistung ist.

scheinbar habe ich mich vom thema angst entfernt, doch besteht für mich ein klarer zusammenhang:

würden wir mehr unserer biologischen natur entsprechend leben, in fürsorglicher menschlicher gemeinschaft, wären viele psychologische erkrankungen gar nicht mehr notwendig, um die defizite unserer gesellschaft zu kompensieren. in einer fürsorglichen gemeinschaft erlebt der einzelne zusammnegehörigkeit, unterstützung und sicherheit. seine bedürfnisse würden auf ganz natürliche weise befriedigt werden. wozu dann noch krankhafte angst, depression, aufmerksamkeitssyndrom etc. ?

aber wie kann man die menschen dazu bringen, sich wieder ihrer wahren natur zuzuwenden? an dieser frage verzweifele ich manchmal.

wenn nicht ein umdenken in massiver form stattfindet, gebe ich der menschheit keine große chance zum überleben. klingt dramatisch, ist es auch. dass wir uns längst im absturz befinden, beschreibt der philosoph daniel quinn in seinem buch "ismael" eindrucksvoll.

leider habe ich nur eine idealistische idee, wie dieses umdenken und entsprechendes handeln gefördert werden könnte. für mich gehören menschen in die politik, die selber erkannt haben, wie krank unsere zivilisatorischen überzeugungen sind. ich würde nicht wirtschafts, rechts- und finanzexperten, schon gar nicht lehrer ins parlament wählen und mit politischen führungsaufgaben betrauen, ich würde psychologen, psychiater und philosophen damit beauftragen.


glg final
Antiope
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Re: über die Angst

Beitrag von Antiope »

Hallo zusammen,
Hallo Final und Otterchen,

... und das Schönste an den Menschenrechten ist: es ist direkt von Dir auf Dich anwendbar. Also: Du selbst "darfst" Deine eigene Würde nicht beschädigen. Es ist Dein Recht und Deine Pflicht, für Deine Rechte einzustehen.

Zugegeben, das hilft in einem konkreten Fall nicht unbedingt weiter, ist aber als Grundgedanke und Selbstbestärkung hilfreich.

Vielleicht sind wir selbst am Auftauchen von Angst, Depression, ... mit beteiligt. "Beteiligt", nicht "verantwortlich"!
Provozierend? Auf den ersten Blick. Was ich aber damit meine, ist Folgendes.
Ich habe erfahren, gelernt/Ich weiß, dass bestimmte Verhaltensweisen "gut" sind, andere "schlecht" oder "nicht akzeptabel". Daher versuche ich, nur "gute" Verhaltensweisen, Einstellungen, Handlungen, Gefühle ... zuzulassen und alles andere zu unterlassen oder zu ignorieren. Taucht ein "schlechtes" Gefühl auf, ist das "verboten". Das versperre ich irgendwo. Ich habe jedoch nie gelernt, mit diesem schlechten Gefühl, mit dieser schlechten Einstellung umzugehen.
Wenn ich mir aber selbst erlaube, dieses Gefühl zu haben, eine falsche Handlung zu begehen, dann ist das nicht mehr versperrt und unbewusst, sondern bewusst. Damit kann ich bewusst damit umgehen.

Ich glaube, die Angst selbst schürt sich selbst - in gewisser Art und Weise.

Und wenn ich meine eigenen Erwartungen an mich selbst herunterschraube, wenn ich mich nicht mehr selbst ständig beurteile, dann ist die Angst nicht mehr so schlimm.
Ich *muss* meine eigene Würde von und für mich selbst akzeptieren. Auch wenn ich Angst habe - oder gerade dann in diesem Fall besonders.
Gerade dann, wenn ich verletzlich bin, ängstlich, ..., gerade dann muss ich für mich selbst meine Würde unantastbar lassen. Trotz Angst ein Mensch mit Würde. Weil Menschenrecht an keine Bedingung geknüpft ist.


-----------
Manfred Lütz hat in seinem Buch "Irre - Das Problem sind die Normalen" eine interessante Perspektive dargestellt: in unserer Gesellschaft gibt es kaum mehr Freiraum für Menschen, die nicht genauso wie alle anderen funktionieren, denken, handeln. Die Bandbreite zwischen schwarz - grau - weiß gibt es mit den vielen verschiedenen Grautönen nicht mehr, sondern fast nur noch schwarz und weiß.
otterchen
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Re: über die Angst

Beitrag von otterchen »

Guten Morgen Ihr Lieben!

Echt gute Postings kommen hier zusammen - so vielfältig, dass ich das alles erstmal sacken lassen muss.

Dabei fällt mir die Reportage ein, die ich vor wenigen Tagen auf arte gesehen habe: über Bhutan und das Bruttosozialglück. Die haben Glück in ihrer Verfassung verankert!

Antiope, Du schreibst
Ich habe erfahren, gelernt/Ich weiß, dass bestimmte Verhaltensweisen "gut" sind, andere "schlecht" oder "nicht akzeptabel". Daher versuche ich, nur "gute" Verhaltensweisen, Einstellungen, Handlungen, Gefühle ... zuzulassen und alles andere zu unterlassen oder zu ignorieren. Taucht ein "schlechtes" Gefühl auf, ist das "verboten". Das versperre ich irgendwo. Ich habe jedoch nie gelernt, mit diesem schlechten Gefühl, mit dieser schlechten Einstellung umzugehen.
Jo, das kenne ich / geht mir genauso. Und mit Ablehnung, Scheitern, Wut, Eifersucht blablabla kommt man nicht zurecht.
"Sei freundlich und bescheiden, dann kann dich jeder leiden" (hehe, ein typischer Spruch fürs Poesiealbum aus meiner Zeit).

Es muss mich halt NICHT jeder leiden können - aber wie gehe ich damit um?
Und ganz seltsamerweise ist es uns oft sogar wichtig, dass uns Leute leiden können, die wir selbst noch nicht einmal leiden können ;-)
Jetzt beim Aufschreiben merke ich, dass es um die Wichtigkeit geht... wie wichtig ist deren Meinung, wie wichtig meine eigene? Ich stelle also unbewusst die Meinung der anderen über meine eigene. Hm.
Das wiederum hat wohl auch was mit Selbst-Vertrauen zu tun: sich selbst zu vertrauen, dass meine Meinung fundiert und berechtigt ist, das sie (für mich) stimmt (und das vielleicht sogar andere das so sehen).

Und wieder ein Gedankensprung: mir fällt ein Spruch aus irgendeinem Film ein, der mir aber komischerweise im Gedächtnis geblieben ist:
"glaubst du, nur DEINE Sch**e stinkt?!"
Das war in dem Moment ein Aha-Erlebnis. Ja - irgendwie dachte ich das. Die Probleme, Befürchtungen, Sorgen der anderen sah ich nicht (kein Wunder - sowas hält mensch ja gut verborgen). Ich wusste nur um meine eigenen Gedanken, weshalb ich immer davon ausging (und wohl unbewusst auch heute noch davon ausgehe), dass andere Menschen ihr Leben im Griff haben.
Das ist allerdings MEINE Richtung - ich glaube, es gibt viele, die genau umgekehrt denken ("die anderen haben Probleme und Sorgen, denen will ich nicht auch noch was aufbürden").

Noch ein Gedankensprung - ein aufgeschnappter Spruch (angeblich aus China):
"Angst klopfte an, Vertrauen öffnete. Niemand war draußen"

Oh - und noch was:
Angstbewältigung mit "Wingwave"

Teil 1 https://www.youtube.com/watch?v=cGkxDG54i6U
Teil 2 https://www.youtube.com/watch?v=PO3R09gyF74
Teil 3 https://www.youtube.com/watch?v=vzvWKwj2nLw
Teil 4 https://www.youtube.com/watch?v=Jm3kJmKXExQ
Teil 5 https://www.youtube.com/watch?v=479b_SfTkpc
Teil 6 https://www.youtube.com/watch?v=Il0l7t_S5YU

Interessant!
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Botus
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Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: über die Angst

Beitrag von Botus »

Würde es etwas nützen, wenn Dich Ablehnung, Scheitern, Wut, Eifersucht nicht plagt und Dir auch völlig schnurz ist, ob Du gemocht wirst oder nicht ?

Ich behaupte: Nein.

Ganz im Gegenteil führt das sogar zu größeren Problemen, denn ein schlimmeres Verbrechen, als Menschen durch diese Haltung (unabsichtlich) mit ihrer Unwichtigkeit für Dich zu konfrontieren, gibt es kaum. Wenn Du jemandem sowas antust, hast Du möglicherweise jahrelang was von ihm. Je glücklicher Du rüberkommst, desto wütender wird er.

So absurd es auch klingen mag: Unglücklich wirkende Menschen haben aus meiner Sicht eine größere Chance, von anderen gemocht oder mit Wohlwollen und Verständnis bedacht oder zumindest akzeptiert oder wenigstens in Ruhe gelassen zu werden als glücklich wirkende Menschen. Dessen sollte man sich bewusst sein.

Hätte ich einen Sohn, dem es piepegal ist, wenn eine Gleichaltrige, die er gar nicht gut findet, ihn als Partner ablehnt, würde ich ihm raten, so zu tun, als sei er ganz traurig darüber, weil das seine einzige Chance auf einen Abschluss dieses (einseitigen) Vorgangs ist.

Liebe Grüße vom Dobi
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