Krankenschein "nur" wegen Depressionen, körperlich alles fit

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Jule44
Beiträge: 8
Registriert: 14. Apr 2014, 17:32

Krankenschein "nur" wegen Depressionen, körperlich alles fit

Beitrag von Jule44 »

Hallo liebe Leute,
bin gestern hier auf diese Seite gestoßen und möchte mal kurz meine Situation schildern:

Ich bin 44 Jahre, seit knapp 7 Jahren allein erziehend (geschieden) mit einem 9jährigen ADHS-Sohn. Habe kein soziales Netz (keine Verwandten, keine Freunde).

Mein Sohn ist sehr anstrengend, fordert permanent Aufmerksamkeit, ist sehr impulsiv, spielt nicht allein, ... Seit 7 Jahren renne ich mit ihm zu allen Förderungen, die "der Markt" so anbietet: Frühförderung, Motopädie, Logopädie, Ergo und nun LRS-Förderung. Außerdem kommen phasenweise wöchentliche HNO-Termine hinzu.
Ich arbeite 30 Stunden pro Woche im öffentlichen Dienst (Sachbearbeiterin).

Nun habe ich eine Psychotherapie begonnen und die Therapeutin hat eine mittelschwere Depression bei mir festgestellt und mir mehr oder weniger dringend angeraten, mich mal längere Zeit krank schreiben zu lassen.

Eigentlich fühle ich mich nicht depressiv (meine Mutter hatte schwere Depressionen, ich kenne das also), einfach nur völlig ausgelaugt, erschöpft und antriebslos.
Ich habe aufgrund meiner privaten Situation so gut wie keine Zeit für mich. Freie Wochenenden habe ich nicht - mein Sohn ist nur alle 14 Tage sonntags 8 Stunden bei seinem Vater (Alkoholiker).
Irgendwie habe ich Probleme damit, mich "nur" wegen Depressionen krank schreiben zu lassen. Körperlich geht es mir gut, "leider" bekomme ich keine psychosomatischen Beschwerden, wie das bei anderen wohl recht häufig der Fall ist. Deswegen habe ich auch Angst, dass mein Hausarzt mich auslacht und mich nicht krank schreiben will... Mag jetzt blöd klingen, aber als Alleinerziehende funktioniert mal halt immer und kann sich ja nie wirklich mal ausklinken!

Doch der sogenannte "Erholungs"Urlaub, den ich ja nehmen muss, wenn die Schulbetreuung zu ist bzw. wenn irgendwelche Termine anstehen, ist für mich natürlich oft einfach nur Stress pur. Bisher konnte ich immer sagen: "Auf der Arbeit kann ich mich erholen, da kann ich mal in Ruhe einen Tee trinken und über dieses oder jenes nachdenken." Doch mittlerweile ist die Situation zuhause so, dass ich meinen Sohn nur noch anschnautze und ständig dicke Luft hier ist.

Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll. Eine Mutter-Kind-Kur will ich nicht machen, weil schon allein die Vorbereitungen wieder zusätzliche Termine beanspruchen würden, alles Mögliche muss ja vorher geregelt werden (Beschulung in der Kur, LRS-Förderung, HNO-Versorgung), dann habe ich in der Kur wahrscheinlich nicht so eine gute Betreuung wie hier, wo mein Sohn bis 16 Uhr in der OGS ist und ich wenigstens am Wochenende mal ein paar Stunden für mich habe. Dann die Anreise mit Bahn und Bus, ... das würde nichts bringen. Ich habe absolut keine Kraft, das jetzt anzugehen, wo ich jetzt schon absolut am Limit balanciere.

Bitte helft mir. Ich bin seit der Diagnose nur noch am grübeln ob, wie und wann ich zum Arzt gehen soll. Natürlich passt es arbeitstechnisch nie: Jetzt ist eine Kollegin krank, nächste Woche ist eine im Urlaub, ...

Liebe Grüße von
Jule
SLSL
Beiträge: 323
Registriert: 7. Apr 2013, 19:41

Re: Krankenschein "nur" wegen Depressionen, körperlich alles

Beitrag von SLSL »

Hallo Jule,
herzlich willkommen im Forum.

Völlig erschöpft, ausgelaugt, antriebslos und gereizt, das hört sich aber ganz dringend nach einer Auszeit an. Warte nicht auf noch mehr und psychosomat. Beschwerden, sondern höre auf Deine Therapeutin.

Wahrscheinlich bekommst Du mehr Antworten, wenn Du unter "Umgang mit der Krankheit" schreibst.

Viele Grüße
blauregen
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
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Re: Krankenschein "nur" wegen Depressionen, körperlich alles

Beitrag von Salvatore »

Hallo Jule,

auch von mir willkommen im Forum!

Die Angst, vom Hausarzt mit den mehr oder weniger unspezifischen Symptomen (im Gegensatz z.B. zu einem gebrochenen Bein, das man vorzeigen kann) nicht ernstgenommen zu werden, kennen bestimmt 3/4 der User hier! In Einzelfällen ist das sogar tatsächlich so passiert.... Aber in aller Regel ist dem Arzt das Phänomen nicht unbekannt. Er wird dich also nicht auslachen, sondern ernst nehmen und ein Prozedere mit dir besprechen.

Und du hast vollkommen recht, "passen" tut es nie!!! Du hast ja ein ziemliches Päckchen zu tragen und dass du da irgendwann sämtliche Reserven aufgebraucht hast, ist wohl nicht weiter verwunderlich. Dein Sohn leidet inzwischen auch unter deiner Dünnhäutigkeit, also ab zum Arzt!
Auf Arbeit kommen sie schon klar ohne dich und andere Kollegen sind auch krank, also... Ihr beide, du und dein Sohn, ihr seid wichtiger.

Lg, Salvatore


PS: Schließe mich Blauregen an, poste ruhig noch mal unter "Umgang mit der Krankheit".
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
mime
Beiträge: 1281
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Krankenschein "nur" wegen Depressionen, körperlich alles

Beitrag von mime »

Hallo Jule,

ich kann mich meinen "Vorschreibern" eigentlich nur anschließen. Versuche, baldmöglichst einen Termin beim Arzt auszumachen. Du schreibst:
"Eigentlich fühle ich mich nicht depressiv (meine Mutter hatte schwere Depressionen, ich kenne das also), einfach nur völlig ausgelaugt, erschöpft und antriebslos."
Sind das nicht schon genug Symptome? Die Depression hat verschiedene Gesichter - und wenn es "nur" eine sog. Erschöpfungsdepression wäre (wobei deine Therapeutin da einen tieferen Einblick in deine Situation hat; der kannst du ruhig glauben), rechtfertigt das eine Ruhepause für dich. Schließlich hast du als Alleinerziehende und deinem Sohn wahrlich genug an Verantwortung "im Gepäck", da wäre es doch vielleicht hilfreich, mal eine Möglichkeit des Kraftschöpfens zu haben. Du fühlst dich jetzt bereits "am Limit" - und das ist, nachdem, was du so schreibst, mehr als nachvollziehbar!

Es muss sich doch nicht erst zu einer schweren Depression auswachsen, oder? Nur mal so: Wenn du nicht rechtzeitig die Handbremse ziehst, stehen die "Chancen" ganz gut, dass du möglicherweise noch tiefer in die Depression reinschlidderst und das kennst du wohl bereits aus familiärer Sicht - willst du das etwa?!?

[Nur so am Rande: Ich weiß, wie es sein kann, wenn alle Verantwortung auf einem selbst ruht und man gewohnt ist, ständig die Zähne zusammenzubeißen - irgendwann kommt es dahin, dass neben der mentalen Kraftlosigkeit auch die körperliche hinzukommt, und dann hast du vielleicht nicht mehr die Entscheidungsmöglichkeiten wie du sie jetzt (noch) hast. Damit will ich dir keine Angst machen, bitte verstehe das jetzt nicht falsch, sondern dir nur den Rat geben, dich und deine Empfindungen (und damit das, was dir deine Seele signalisiert) ernst zu nehmen.]

Wenn du der Therapeutin nicht traust, könntest du auch beim Hausarzt um eine Überweisung zum Facharzt bitten - dann hättest du auch eine fachärztliche Diagnose (manchmal erkennt man spätestens dann, dass es sozusagen "höchste Eisenbahn" ist, etwas für sich zu tun).

Eine Krankschreibung muss nicht (und schon gar nicht ausschließlich) auf körperliche Symptome und damit einhergehender, kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen sein - alleine die dauerhafte Erschöpfung, der fehlende Antrieb usw. reichen doch aus, dass du und damit auch dein Körper erholungsbedürftig bist. Vielleicht hilft dir eine kleine Auszeit - im Betrieb passt es nie! Andererseits: wenn du so weiter machst und damit u. U. vielleicht Gefahr läufst, in ein paar Monaten dann länger krank zu sein, weil gar nichts mehr geht, tust du dir und dem Betrieb, in dem du arbeitest, auch keinen Gefallen. Also: bitte achte auf dich!

Die Arbeit scheint dir trotz Belastung Halt zu geben; dasselbe gilt möglicherweise auch für die Hilfen, die du in deinem häuslichen Umfeld für deinen Sohn in Anspruch nehmen kannst. Da wäre es doch umso besser, wenn du dich zusätzlich ein bisschen stabilisieren könntest, vielleicht auch Kraft / Energie tanken könntest. Das wünsche ich dir! Ebenso, dass du die richtige Entscheidung für dich fällen kannst in den nächsten Tagen.

Alles Gute und viel Kraft wünsche ich dir.

Viele Grüße
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Seele068
Beiträge: 16
Registriert: 13. Mai 2014, 12:00

Re: Krankenschein "nur" wegen Depressionen, körperlich alles

Beitrag von Seele068 »

Hallo Jule,
oh wie gut kann ich Dich verstehen.
Ich selber bin 46, habe auch einen ADS erkrankten Jungen ( 9 Jahre ) und bin auch depressionserkrankte Sachbearbeiterin.
Das Einzige, was wir wohl nicht gemeinsam haben, ich bin nicht alleinerziehend.
Aber auch mein Mann ist alkoholkrank, allerdings seit vorigem Jahr trocken.
Für mich ist es erschreckend, wenn ich höre " ach Du hast Depressionen, na dann lass dich mal nicht so hängen" "wie Depression ? Das ist doch keine Krankheit, wenn man maaaaal ein bischen traurig ist ?" oder "es liegt ja wohl an jedem selber, diese Krankheit zu bekommen, oder nicht !" :?
NEIN, ich habe die Erfahrung gemacht, das Depressionen , egal, ob sie sich durch ein Burn-out oder durch ständige Lebensunlust äußern auf jeden Fall eine Sache ist, die behandelt gehört.!
Wenn Du keine MuKi -Kur in Betracht ziehst, so würde ich dir eine Reha vorschlagen.
Ich war im letzen Jahr in Reha, weil ich durch zwei Trauerfälle , komplett abgesackt bin und gar nicht mehr konnte. Mein Junge war auch als Patient mit. Seither bekomme ich mein Leben wenigstens wieder einigermaßen in den Griff. Es tut gut, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und wirklich mal ein wenig Rückzug zu haben. Sprich mit Deinem Arzt darüber, wenn er Dich auslacht. dann soll er seinen Beruf wechseln und Du such Dir bitte einen anderen Doc.
Davon, Dich einfach nur "krank schreiben " zu lassen und zuhause zu bleiben, halte ich nicht viel, denn da geht man ja doch stets nur Verpflichtungen nach.
Ich wünsche Dir auf jeden Fall erst einmal gute Besserung und hoffe, das Dir mein Geschreibsel was bringt.
Ich grüss recht herzlich
die Seele
sam1960
Beiträge: 142
Registriert: 10. Okt 2014, 11:48

Re: Krankenschein "nur" wegen Depressionen, körperlich alles

Beitrag von sam1960 »

Mir geht es ähnlich. mein Therapeut wollte mich nicht krankschreiben und zu meinem Hausarzt gehe ich nicht. Mein Hausarzt ist für das "körperliche" Wohl da, Grippe Erkältung etc. Es ist mir irgendwie peinlich ihm da was "vorzujammern".
Meine psychischen Probleme habe ich in einer psych Gemeinschaftspraxis behandeln lassen, bisher erfolglos. Aber ich habe auch mein Schicksal 2 Jahrzehnte ertragen, und das habe ich nun davon. Mach nicht den gleichen Fehler und versuch RECHTZEITIG die Kurve zu kriegen. Es kann mitunter dauern, bis sich der Erfolg einstellt, aber nichts tun bringt auch nichts.
Ich bin an dem Punkt, wo ich galube dass mir eine ambulante Therapie nicht mehr hilft und ich "Reif für die Kur" bin. Ob mich mein Psychologe dabei unterstützt weiss ich nicht.
Entscheidungen sind schwer, sie können Dich in den Himmel heben oder in die Hölle stürzen lassen.
hoff27da
Beiträge: 6
Registriert: 25. Jul 2015, 14:51

Re: Krankenschein "nur" wegen Depressionen, körperlich alles

Beitrag von hoff27da »

Bei mir fing es genauso an und irgendwann kam der Zusammenbruch, habe nur noch geweint, konnte nicht mehr vor die Tür gehen. Habe Monate gebraucht mich mit dem Wort Depression anzufreunden. Aber beim Klinikaufenthalt habe ich gelernt wieviele Symptome genau auf mich zu treffen, alles Zeichen der Depression. Hole dir Hilfe, unbedingt.
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