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Depression und Freu(n)de...?!

Verfasst: 15. Mär 2014, 14:37
von Malike
Hallo…
Ich bin neu hier und weiß gar nicht recht, was ich schreiben soll bzw. was ich eigentlich erwarte.

Mit meiner Geschichte will ich gar nicht so sehr ins Detail gehen. Ich habe eine rezidivierende Depression. In den letzten 10 Jahren hatte ich zwei schlimme Episoden, aufgrund derer ich jedes Mal für ein Jahr bei der Arbeit ausgefallen bin und in denen ich zur Reha und das zweite Mal stationär in einer Klinik war. Die Arbeit ist ein großer auslösender Faktor. Zum einen die Überarbeitung (burnout) und zum anderen die Mitarbeiterführung.

In dieser Arbeitssituation befinde ich mich immer noch (ich bin verbeamtet) und wenn ich einiges aus der Klinikzeit und den Therapien mitnehmen und zum Teil umsetzen konnte, raubt mir die Arbeit Zeit (zum Teil 50 Stunden und mehr in der Woche) und Kraft, sodass nichts mehr für eine erfüllte Freizeit übrigbleibt. Hinz kommt, dass mir alles keinen Spaß und Freude macht, was dazu führt, dass ich mich noch weniger aufraffen kann.

Freunde (?) sind dabei auch auf der Strecke geblieben. Entweder können sie mit mir in besonders schlimmen depressiven Phasen nicht umgehen oder verstehen nicht, warum ich so bin und ziehen sich zurück. Oder ich ziehe mich wegen der Depression (und der Angst, die anderen damit zu überfordern) zurück, sage Verabredungen ab etc., bis die Freundschaft dann letztlich einschläft.

Nun fehlt mir aber ein soziales Umfeld, das mich unterstützt, dem ich meine Sorgen und das, was mich beschäftigt, mal mitteilen kann… Ich weiß aber auch nicht, wie ich ein solches aufbauen könnte. Selbst wenn ich Leute kennenlerne, besteht immer wieder die Gefahr des Zurückziehens – egal, von welcher Seite…
Da ich ja therapieerfahren bin, weiß ich theoretisch natürlich bereits einiges, was man machen sollte. So habe ich auch schon an eine Selbsthilfegruppe gedacht. Allerdings möchte ich nicht die in unserer Kleinstadt besuchen und die nächste wäre eine Stunde Fahrtzeit entfernt (und da wären wir wieder bei Kraft und Zeit).

Vielleicht geht es ja jemanden ähnlich und man könnte sich hier dann etwas austauschen?

Re: Depression und Freu(n)de...?!

Verfasst: 15. Mär 2014, 14:59
von fourseasons
Willkommen hier Malike!

Ich erkenne vieles von mir wieder in deinem Post, obgleich ich kein Beamter war/bin ;)
Das mit dem sozialen Umfeld kennen sicher viele hier. Und nun bist du ja schon in diesem Forum auf eine Austauschmöglichkeit gestossen :D

Liebe Grüsse,
Dieter

Re: Depression und Freu(n)de...?!

Verfasst: 15. Mär 2014, 15:15
von Malike
Hallo Dieter,

danke für das Willkommen heißen :) Und für die Antwort natürlich!

Vielleicht magst du mir deine Situation ja mal näher schildern und vor allem, wie du damit umgehst?

Liebe Grüße
Malike

Re: Depression und Freu(n)de...?!

Verfasst: 15. Mär 2014, 16:47
von fourseasons
Hallo Malike!

Puhhh …. da muss ich jetzt aber weit ausholen ;)

Einiges habe ich ja schon mal woanders hier gepostet, aber es dient meiner Aufarbeitung :)

Angefangen hat alles mit meiner Geburt, bei der ich beinahe gestorben wäre. Die Ärzte haben mich damals sofort weg von meiner Mutter gebracht, so dass ich sie mich erst nach einer Nacht und einen halben Tag zu Gesicht bekam. Da hat sicher schon eine Prägung einen Knacks bekommen, abgesehen von meinem Todeskampf beim Geburtsvorgang, angetrieben von Wehenmitteln für den den Schichtwechsel. Ich weiß noch vieles was damals geschah, woran sich andere Menschen nicht erinnern. Im Alter von fünf bis acht Jahre war ich stark magersüchtig, so dass meine Mutter schon glaubte ich leide an Rachitis, und hatte stets tiefblaue Lippen. Dann hatte ich chronische Lidrandentzündung und musste immer eine Sonnenbrille tragen, ein Teil meiner Ausgrenzung in der Schule. Da war ich auch bis zur vierten Klasse Prügelknabe. Zudem war ich hyperaktiv (heutzutage eindeutig ADHS) , konnte nie still sitzen oder stehen, war wie ein geölter Blitz in Aktion. Meine kognitiven Leistungen waren in der Schule eher mies. Ich fühlte mich extrem ausgegrenzt. Dann schickten mich meine Eltern als ich zwölf war zum Kinderpsychologen bei dem ich autogenes Training erlernte.

Meinen beruflich holprigen Werdegang hab ich schon beim Thread „Meine Sinuskurve beschrieben“ und muss ihn nicht hier auch nochmal durchkauen.

Wichtig ist die Erkenntnis, das vieles in der Kindheit begraben liegt, auch durch sexuelle Belästigungen des aggressiven Vaters, die psych. Probleme der Mutter etc.
Mit ca. 32 Jahren totaler Burnout als Unternehmer und Psychotherapie wegen Panikattacken und generalisierter Angststörung. Drei Jahre tägliche Panikattacken, teils mehrmals am Tag. Überwindung der Panikattacken aus eigener Kraft. Dannach schleichende, unbehandelte Depression über fast 15 Jahre mit etlichen Episoden die ich nicht diagnostizieren ließ.

Vor zwei Monaten dann, als inzwischen Berufskraftfahrer in Nachtschicht, totaler depressiver Zusammenbruch mit allem was dazugehört. Sofortige Reaktion am nächsten Tag zum Arzt und krankgeschrieben F32.1 , zwei tage später beim Psychiater F33.1 und letzte Woche beim Hausarzt Polyglobulie und vergrößerte Milz festgestellt, Ursache nicht diagnostiziert – muss ich mich selbst drum kümmern. Nehme Cipralex, ASS100 und Pantoprazol. Kommenden Montag Tagesklinik. Ich beziehe Krankengeld. Arbeitgeber hat gekündigt.

Mit der Mitarbeiterführung hatte ich insofern Schwierigkeiten, als das ich zu gutmütig war und dies oft ausgenutzt wurde. Ich habe immer noch ein großes Problem mit Autoritäten. Mein Selbstwert schwankt mit der Symptomatik, obwohl sich gerade in Bezug auf Selbstliebe viel zum Positiven gewandt hat. Freunde habe ich keine. Ich nenne sie mal lieber Bekannte. Eine Freundschaft misst bei mir einen anderen Stellenwert, als mir bisher unterkam. Menschenmengen meide ich, habe aber keine Phobie diesbezüglich. Ich bin ein Landmensch. Ich weiß nicht, was wäre wenn ich nicht meine Frau und drei Kinder hätte. Mein Lebensinhalt.

Am besten komme ich mit Bekanntschaften zurecht, die selbst ein Problem diesbezüglich haben. Da ergibt sich immer genug Gesprächsstoff ;) Ich bin auch Meister im Unterdrücken der depressiven Symptome, was schon mal schief gehen kann - wie mein letzter Zusammenbruch mir zeigte.
Ich muss vorsichtiger sein mit mir. Überforderung ist etwas, was ich stets zu spät erkennen möchte. Ich muss lernen auch Nein sagen zu können, und mir nicht für alles und jeden den Arsch aufreißen. Pardon der Ausdrucksweise ;)

Liebe Grüße,
Dieter

Re: Depression und Freu(n)de...?!

Verfasst: 15. Mär 2014, 17:31
von Malike
Hallo Dieter,

puh, da hast du ja echt so einiges durchmachen müssen! Und so wie es sich liest, auch noch einiges aufzuarbeiten. Dafür wünsche ich dir schon mal viel Kraft!

Das mit dem Unterdrücken der Symptome kenne ich leider nur zu gut. Um (beruflich) zu funktionieren (und du kennst ja aus eigener Erfahrung, dass man in dieser Gesellschaft zu funktionieren hat, sonst ist man raus. Ich nehme an, dass der Grund, dass du gekündigt wurdest, an deinem Arbeitsausfall lag?!), arbeite ich ständig gegen meine eigentlichen Bedürfnisse. Was das bedeutet, wirst du sicher genau wissen: manchmal befürchte ich, dass mir ein dritter Zusammenbruch bevorsteht, wenn sich nicht grundlegend etwas ändert. Nur weiß ich nicht so recht, was und wie. Ok, was sich ändern sollte, weiß ich eigentlich größtenteils, aber mir fehlen Kraft, Unterstützung und vor allem Mut, z.B. meinen Beamtenstatus niederzulegen, denn nur dadurch könnte ich wirklich etwas ändern...

Erstaunlich, dass du deine Symptome so lange unterdrücken konntest... Was hat dich davon abgehalten, dir diesbezüglich Hilfe zu suchen?

Ich beneide dich aber auch darum, dass du Frau und drei Kinder hast! Ich stelle mir vor, dass das ganz viel Kraft gibt!? Kannst du mit deiner Frau über alles reden?
Bei mir sieht es da leider ganz anders aus: ich habe zwar (noch) einen Freund, aber der arbeitet im Ausland, sodass ich letztlich doch fast immer alleine bin. Familie habe ich, abgesehen von einem Bruder, auch keine mehr. Und was Freunde anbelangt, hatte ich ja schon geschrieben.
Alleine zu sein ist an sich ja nicht zwingend schlimm, aber wenn man sich einsam fühlt, was zunehmend mehr vorkommt, dann ist das schon eine andere Hausnummer....

Siehst du der Tagesklinik positiv entgegen?

Liebe Grüße
Malike

Re: Depression und Freu(n)de...?!

Verfasst: 15. Mär 2014, 17:50
von fourseasons
Hallo Malike!

Ja, ich habe sicherlich noch einige Baustellen vor mir. Deswegen ja Tagesklinik. Ich sehe ihr positiv entgegen, auch wenn ich nicht weiß ob sie mir bei meinen Problemen wirklich helfen kann. Bei mir steckt ja auch noch das ein odwere andere Trauma drin.
Das Unterdrücken der Symptome funktionierte aus genau den gleichen Erfordernissen, die du bereits in deinem Post anführst. Ich musste funktionieren. Gut. Lange Zeit funktionierte ich nicht richtig und war dem Arbeitsleben über Jahre fern geblieben. Doch innerhalb meiner Familie musste ich funktionieren, da auch meine Frau ein starkes Leiden zu tragen hat, was ihr den Alltag sehr schwer macht. Da musste ich schon viel bei der Erziehung von Baby und Kleinkind auffangen. Nunja, wie schon woanders hier gepostet, ist mein Sohn ebenfalls stark depressiv und autistisch/asperger/savage und vor allem Kind in der Pupertät ;)
Natürlich hat mir der Arbeitgeber aufgrund der Erkrankung gekündigt innerhalb der Probezeit. Meine Gesundheit geht mir jedoch vor. Ich habe aus meinem Beginn des BurnOut und den daraus resultierenden Panikattacken gelernt - soweit muss ich es nicht kommen lassen. Ich wollte meinen Kindern und meiner Frau auch als Vater erhalten bleiben um es mal so zu umschreiben ...

Ich kann aber nur in meinem Alltag funktionieren, wenn ich stabil bin. Derzeit pendle ich zwischen Stabil/Labil und möchte gefestigt in die berufliche Zukunft blicken. Obgleich ich, ebenso wie du, keinen Plan habe wie ich das anstellen soll.

Einsamkeit ist schlimm, das glaube ich auch. Ich habe da ein Problem mit, da ich nicht alleine sein kann (also über längere Zeit von Wochen) , da ticke ich irgendwann aus. Ich glaube ich hätte dann schnell eine neue Beziehung ...
Ich kann mit meiner Frau über alles reden und sie mit mir. Die Grundlage in einer Beziehung die von wirklicher Liebe getragen ist. Doch auch oft schütze ich sie, indem ich Dinge nicht anspreche die mich an ihrer Symptomatik stören. Der körperliche Schmerz, den sie ständig hat, genügt schon ... Ja ich weiß, das ist auch nicht korrekt so, aber was will Mann da machen?

Liebe Grüsse,
Dieter

Re: Depression und Freu(n)de...?!

Verfasst: 16. Mär 2014, 17:11
von Laryus
hey Malike,

auch ich kenne das Problem. Ich hatte meinen ganzes Leben auch nie wirklich Freunde. Ich hatte immer schon eine soziale Phobie bzw. nun ja eine ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung + Depressionen. Und das macht es ganz und gar nicht leichter.

Oft habe ich mir gedacht, was für ein minderwertiger Mensch ich doch bin, und dass mit so jemandem wie mir keiner etwas zu tun haben möchte. Mittlerweile weiß ich so ungefähr wie die Menschen mich sehen: arrogant, selbstverliebt, interventiert, interessenlos usw.
Das ist aber im Allgemeinen bekannt für diese Krankheit. Das hat mich zum Anfang auch ziemlich gekränkt, dass man mich so sieht.

Mittlerweile habe ich einen guten Kumpel gefunden vor einigen Wochen und bin mit meiner Freundin seit knapp einem halben Jahr zusammen, mit der ich (jetzt schon?) über alles reden kann. Oft denke ich immer noch wieder darüber nach, weswegen ich so unbeliebt bin und warum ich fast keine Freunde habe. Und dann gibt es wieder Momente, in denen ich mir denke, dass es ganz gut so ist, bei den vielen schlechten Menschen (auf den Charakter bezogen) auf der Welt.
Und da habe ich lieber zwei Personen, mit denen ich über alles reden kann, als 30 Freunde, mit denen ich bloß feiern gehen könnte (falls ich sowas mal tun sollte :D ).

Also: Mir geht es sehr ähnlich wie dir und wir können uns sehr gerne hier austauschen, oder besser: Ich bleib mal hier im Thread am Ball und antworte, so wie ich es denn schaffe von der Zeit her. :)

LG

Re: Depression und Freu(n)de...?!

Verfasst: 16. Mär 2014, 18:25
von Malike
Hallo Dieter,

ich wollte dir für morgen einen guten Start in der Tagesklinik wünschen! Du kannst ja mal berichten, wie es so läuft...

Leider habe ich gerade wenig Zeit, um ausführlicher zu antworten: die "liebe" Arbeit :(

Hallo Laryus,

danke für deine Nachricht! Wegen oben genannter fehlenden Zeit komme ich heute nicht dazu, angemessen zu antworten. Morgen sollte es klappen :)

LG
Malike

Re: Depression und Freu(n)de...?!

Verfasst: 17. Mär 2014, 09:10
von Malike
Hallo Dieter,

du scheinst wirklich eine Menge aufarbeiten zu müssen... Vieles ja auch, was schon jahrelang (unterschwellig?) vorhanden und nicht aufgearbeitet ist. Die Situation mit deiner Frau ist natürlich auch nicht einfach. Du musst viel Kraft investieren, die du, so lese ich es zumindest, auch nicht immer oder immer weniger (?) hast...
Ich wünsche dir sehr, dass dir die Zeit in der Tagesklinik weiterhelfen kann. Letztlich ist es ein Anfang, denn danach sollte es ja mit einer Therapie weitergehen.

Ich habe in meiner Klinikzeit viele liebe Menschen kennengelernt. Das Schöne war, dass man sich dort verstanden hat, ohne viel erklären zu müssen, da es vielen ähnlich ging. Aber wie auch sonst bei mir, leiden diese Kontakte durch meine fehlende Zeit und Kraft, da ich mich dann zurückziehe :-(
Vielleicht triffst du ja in der Tagesklinik auch Menschen, zu denen sich dann eine Freundschaft entwickelt?!

Hallo Laryus,

so, jetzt mal eine ausführlichere Antwort.

Eine soziale Phobie steht der Suche nach Freundschaften natürlich sehr im Wege... Wie hast du es dann geschafft, den besagten Kumpel und deine Freundin kennenzulernen?

Bist du wirklich "unbeliebt" oder interpretierst du das vielleicht eher? Auf jeden Fall gibt es ja Menschen, die dich mögen :-)
Hast du denn Therapien gemacht oder machst zurzeit eine?

Mein Problem ist eher das Aufrechterhalten von Freund- oder Bekanntschaften. Ich sage oft ab, weil ich mich zu einem Treffen nicht aufraffen kann (meine "Freunde" wohnen leider alle auch weiter weg). Ich will dann auch nicht reden bzw. telefonieren, weil ich im Grunde nichts zu erzählen habe. Meine Welt dreht sich dann eigentlich nur um mich und meine Depression, die Arbeit... und das war`s. Ich kann schon verstehen, dass das auf Dauer keiner mitmachen möchte/ kann. Viele sind dann schlicht auch überfordert, was mir auch schon öfter so gesagt wurde.
Das ist echt ein Teufelskreis: ich möchte gerne ein stabiles soziales Umfeld, schaffe es aber meistens selber nicht, (mit) dafür zu sorgen :-(

LG
Malike