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stecke schon zu lange fest

Verfasst: 24. Feb 2014, 22:55
von Hygeia
Liebe Forianer,

ich hatte hier vor ca. 1 Monat schonmal geschrieben (lange Vorgeschichte, noch keine Behandlung). Da hatte ich mehr von meiner Situation erzählt und viel Einsicht gezeigt, jetzt will ich mich etwas mehr auf meine wirkichen Gedanken konzentrieren.

Eigentlich darf ich mich wegen nichts Beschweren. Ich habe optimale Vorraussetzungen für ein glückliches erfülltes Leben.
Aber was mache ich daraus? Absolut rein gar nichts.

Meine Familie besuche ich etwa einmal im Monat und es kommt auch vor, dass ich mich dazwischen gar nicht melde. Meine Eltern haben sich da auch schon dran gewöhnt, evtl kommt alle 2-3 Wochen mal ein Anruf mit den Fragen, ob ich denn noch lebe, wie es mir geht und wann ich mal wieder vorbeischau. Aber mehr als 5 Minuten dauern die Gespräche dann auch nicht. Eine engere Bindung zu meiner Familie will ich auch nicht, sonst wird es zu schwer, meine negativen Gewohnheiten zu verbergen und dann machen sie sich nur Sorgen. Ich liebe meine Familie, also will ich sie nicht mit meinen Problemen belasten.

Gute Freundschaften lasse ich schweifen, sodass man sich immer weiter auseinanderlebt und sich nur an Geburtstagen oder anderen besonderen Feiern sieht. Und wie tief Freundschaften gehen, wenn man sich eig immer nur zusammen betrinkt ist natürlich dann etwas fraglich. Aber wer würde auch eine engere Freundschaft mit ner egozentrischen, immer nur nach außen gut gelaunten, faulen, sich nie meldenden, eingebildeten,... haben wollen? Feiern und Trinken kann ich wenigstens gut und beim Tanzen kann ich meiner Gedankenwelt wenigstens eine Zeit lang entfliehen.

Ebenso bei Filmen oder stumpfsinnigen Serien. Diese schaue ich jeden Abend bis ich so müde bin, dass ich keine Zeit mehr für kreisende Gedanken habe. Also teilweise auch, bis es wieder hell ist. Wenn ich in den Semesterferien in meiner Wohnung bin, kann ich ja auch nachmittags schlafen, einen Tag-Nacht-Rhythmus braucht nur, wer tagsüber was vor hat.

Bei meinem Studium hab ich länger gebraucht und habe eine schlechtere Note, als ich erreichen könnte, wenn ich mich nur mal etwas besser motivieren könnte.
Die letzte Klausur, die ich jetzt im Bachelor noch schreiben musste, wurde zum Glück sehr leicht gestellt. Die habe ich dann auch mit ner guten Note abschließen können. Aber an dem letzten Wochenende davor konnte ich mich auch nur durch sehr oberflächliches Ritzen und konzentrierten Zitronensaft dazu zwingen, dran zu bleiben und den Stoff durchzubringen.

Ok, jetzt könnte man natürlich sagen, die Antriebslosigkeit, Schuldgefühle, blablabla kommen von den Depressionen, wenn ich die in den Griff kriegen würde, könnte ich mein Leben wieder besser hinkriegen.
Aber das würde erfordern, dass ich mich behandeln lasse. Der erste Schritt ist der Anruf um einen Termin auszumachen. Dazu müsste ich mal zu ner normalen Uhrzeit wach und unabgelenkt sein. Daran scheiterts auch schon seit der Klausur ständig.

Eigentlich hätte ich mehr als genug Zeit (das Master-Studium fängt erst im Oktober an), Gelegenheiten (deutsche Großstadt mit vielen Möglichkeiten) und große Akzeptanz der Krankheit (selber und in meinem Umfeld), aber trotzdem und trotz der vielen Vorsätze, hänge ich immer noch an der selben Stelle fest, wie schon vor Monaten bzw. eig auch schon Jahren.
Statt mich um eine Behandlung zu kümmern, mache ich jetzt noch einen zusätzlichen Studienabschuss (Staatsexamen) parallel, verbringe die Ferien mit nem Praktikum in der Heimat aufm Dorf, wo man nicht so leicht ins Versorgungsnetz kommt und sorge somit wieder für genug Ablenkung/Ausreden um wieder nichts für meine psychische Gesundheit zu tun.

Ich denke ständig nur an mich, wie schlecht ich mich fühle und wie unglaublich egoistisch ich doch bin. Ich mag mich selbst nicht, aber mich zu ändern würde zu viel Kraft kosten und wahrscheinlich nicht viel bringen.
Es geht um meine Gesundheit, mein Wohlbefinden, mein Leben, aber ich bin mir selbst zu egal um etwas zu tun und habe mich eigentlich auch schon fast damit abgefunden, dass ich nie wirklich glücklich, wertvoll oder sonst was tolles sein werde. Für die Außenwelt reicht es ja, wenn ich den Schein ware.

Das einzige Problem ist, dass ich es nicht ewig schaffen werde, nach außen hin zu funktionnieren. Das weiß wahrscheinlich auch jeder hier, das die Energie dafür bei den meisten nicht ausreicht.

Am liebsten wäre mir ein schneller, einfacher, passiver Ausweg, also z.B. eine tödliche Krankheit oder ein Fahrradunfall. Da könnte sich keiner Vorwürfe machen und ich müsste kein schlechtes Gewissen haben wegen trauernder Familie usw. Aber es scheint nicht so, als würde sowas bald passieren. Und falls ich mal aktiv werden sollte, dann in die andere Richtung, also zum Gesund-Werden.

Und somit stecke ich fest. Solange passiv nix schlimmes passiert und ich mich nicht motivieren kann, mich aktiv um mich zu kümmern, wird sich nichts verändern. Ich werde weiter Ablenkungen finden und nach außen alles hinkriegen, bis ich irgendwann mal nicht mehr kann und zusammenbreche.
Darauf warte ich nun auch schon ein paar Jahre, aber scheinbar gehts mir dafür ja immer noch nicht schlecht genug.

Das Ganze ist irgendwie zermürbend, aber ich komme aus eigener Kraft nicht raus, will niemanden mit meinen Problemen belasten und habe es satt, auf Veränderung von außen zu warten.

Das hier ist jetzt nur mal wieder ein weiterer Versuch (wie z.B. Tagebuch schreiben oder betrunken reden), irgendwas zu verändern, der aber durch meine sonstige Gleichgültigkeit und Antriebslosigkeit nichts verbessern kann. Falls jemand noch eine andere Möglichkeit kennt, wie ich mal vorwärts/rückwärts/seitwärts/... irgendwie weiter kommen könnte, bin ich natürlich dankbar ^^

Liebe Grüße
Hygeia

Re: stecke schon zu lange fest

Verfasst: 25. Feb 2014, 00:08
von DocHolliday
hallo Hygeia,

so wie es sich für mich liest, hast Du ja Deine Lage recht gut reflektiert.

"sich behandeln lassen"? Eine Therapie erfordert ein hohes Maß an Eigeniniative und Motivation,
das ist aktive Psychoarbeit und nichts, was man über sich "ergehen" lässt.

Ich kann aus Deinen Mitteilungen nicht erkennen, wie groß Dein Leidensdruck ist. Offenbar nicht groß genug, um aktiv zu werden. Nun denn, dabei kann Dir niemand helfen, denke ich.

"Aber an dem letzten Wochenende davor konnte ich mich auch nur durch sehr oberflächliches Ritzen und konzentrierten Zitronensaft dazu zwingen, dran zu bleiben und den Stoff durchzubringen."

Meinst Du mit "Ritzen" Selbstverletzung und Schmerzen zufügen?
Spürst Du Dich nicht mehr und brauchst Du diese Stimulanz für Dich?
Bist Du insgesamt (von Dir selbst) gelangweilt und fühlst Du Dich abgestumpft?

Dieses "nach Außen funktionieren", habe ich schon einige Male gelesen, ich weiß zwar was gemeint sein soll, aber finde ich eine total blöde Phrase. Maschinen funktionieren oder auch nicht, was ist das für ein Menschenbild, wenn man im Zusammenhang mit psychischen Problemen von "funktionieren" spricht.

Das Vokabular sagt auch einiges aus.

Ich assoziiere damit besser "nicht authentisch sein können", "Theater spielen", "andern etwas vormachen"... als wenns nur ein Außen und ein Innen gibt, und dazwischen nichts...?

Mit vorwärts/rückwärts/seitwärts/ hätte ich schon was Konkretes für Dich...mal sehen.

LG
DocHolliday

Re: stecke schon zu lange fest

Verfasst: 26. Feb 2014, 10:00
von Anne Blume
Liebe Hygeia, liebe Forianer,

an dieser Stelle ein Hinweis von der Moderation: selbstverletzendes Verhalten gehört nicht zur Depression. Dies ist wichtig klarzustellen, weil eine derartige Symptomatik andere Leser hier im Depressionsforum stark verunsichern kann.

Herzliche Grüße
Anne Blume

Re: stecke schon zu lange fest

Verfasst: 26. Feb 2014, 11:00
von Angela1980
[quote="Anne Blume"]selbstverletzendes Verhalten gehört nicht zur Depression[/quote]

ist sicher richtig, aber wieso trifft man auf depressions-abteilungen der psychiatrischen kliniken auf borderleiner & co bzw. werden allesamt in ein und derselben gruppe mit derseleben gemeinsamen therapie-methode behandelt ?

Angela

Re: stecke schon zu lange fest

Verfasst: 26. Feb 2014, 11:06
von TineOH
Hallo Hygeia!

Letztendlich hört es sich doch so an, als ob Du mit Deiner Situation alles andere als zufrieden bist. Andererseits scheint der Leidensdruck noch nicht hoch genug zu sein, was ich aber bei Dir bedenklich finde, da Du Sachen wie Fahrradunfall und solche Dinge als Lösung in Betracht ziehst. Es wird wirklich Zeit, dass Du Dir selbst einen ordentlichen Tritt gibst und zumindest ein Mal zu Arzt gehst. Vielleicht gibt es auch eine Freundin, die Dich da begleitet und Dich auch ein wenig mitzieht? Danach ist die Couch ja wieder für Dich da und vielleicht geht es dann auch nach dem Arztbesuch langsam bergauf.

Re: stecke schon zu lange fest

Verfasst: 1. Apr 2014, 23:48
von Hygeia
Hallo,

tut mir leid, dass ich so lang nicht zurück geschrieben habe.

Das Praktikum, das ich den letzten Monat über gemacht habe, hat mir sehr gut getan.
Ich war bei meiner Familie, hatte einen geregelten Tagesablauf und habe regelmäßig gesund gegessen. An den Wochenenden war ich natürlich dann wieder "faul" und habe mir etwas "Nichts-Tun" gegönnt.

Meine üblichen Gedankenmuster liefen natürlich trotzdem im Hintergrund immer mit ab, aber das bin ja schon seit Jahren gewohnt. Ich habe mich dadurch nicht davon abhalten lassen, immer pünktlich beim Praktikum zu sein und bin nicht ganz so spät wie sonst ins Bett gegangen (also 0-2 Uhr statt 2-4 Uhr, trotzdem eig zu spät aber immerhin etwas besser).

An einem Wochenende wollte ich mich eigentlich mit Freunden treffen, was ich dann nicht geschafft habe. Da hatte ich wieder so einen Tiefpunkt, wo ich mich den ganzen Tag nicht aus dem Bett aufraffen konnte :/
Aber die Freunde kann ich jetzt, wo das Semester wieder losgeht, auch wieder öfter sehen.

Also lief es die letzte Zeit eigentlich meistens eher so, wie vor ein paar Jahren. Das letzte Jahr war wohl so eine etwas schlimmere Phase. Ich muss nur aufpassen, dass ich da nicht sofort wieder hineinrutsche, jetzt wo es mit dem Studium weitergeht.
Wenn ich wieder lange ausschlafen kann und keiner mitbekommt, ob ich an freien Tagen nur im Bett liege, könnte das dann wohl recht leicht passieren.
Ich habe mir heute mal Johanniskraut aus der Apotheke geholt und wenn das nicht hilft, ist dann in 2-3 Monaten wirklich mal ein Besuch beim Arzt angesagt.

@DocHolliday:
Ich kann mich, wie du ja bemerkt hast, oft nur sehr schlecht ausdrücken. Am liebsten würde ich alles Schriftliche (Briefe, E-Mails, Beiträge hier) in Stichpunkten verfassen ^^ Aber besser verstehen würde man mich dann wohl auch nicht :P

Das mit dem "behandeln lassen" war wohl so ein schlechter Ausdruck. Natürlich weiß ich, dass ich in der Therapie nicht nur dasitzen und zuhören kann und plötzlich alles wieder super ist. Das aktive An-Mir-Selbst-Arbeiten ist genau das, was ich im Moment noch nicht so wirklich schaffe, zumindest nicht ohne Hilfe von außen. Mal sehn, ob mir das durch das Johanniskraut dann ohne Therapie etwas leichter fällt.

Das funktionnieren war ja auch wieder etwas unglücklich gewählt. Gemeint war natürlich, dass ich es zu den Pflichtveranstaltungen schaffe, so wirke, als würde ich gut auf mich selbst achten. Wenn aber niemand etwas mitbekommen kann, lass ich mich gehen und mache gar nichts.

Das Ritzen war eine oberflächliche Selbstverletzung, ja, aber es ist eig nicht weiter relevant. Ich brauchte nur einen Weg, mich von den PC-Spielen und ähnlichem zu trennen um mich wieder konzentriert an das Lernen zu setzen. Das war einfach ein Weg, der bei mir funktionniert hat.
Abgestumpft und von mir selbst gelangweilt bin ich wohl auch ein wenig.

@TineOH:
Tja, mir selbst einen Tritt zu geben habe ich immer noch nicht geschafft. Aber ich sehe jetzt erstmal ob es mit dem Johanniskraut klappt. Wenn nicht werde ich deinen Rat befolgen und einen Arzt aufsuchen.

lg
Hygeia