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Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 1. Okt 2013, 00:12
von getitfour@web.de
Hallo Zusammen,

ich bin neu in diesem Forum und ich bin auch nicht selber betroffen, sondern suche nach Tipps, evtl. Erfahrungen, die ich an einen guten Freund weitergeben möchte, der unter schweren Depressionen leidet und dadurch inzwischen erhebliche Probleme an seinem Arbeitsplatz hat. Ich nenne ihn der Einfachheit halber Hans.

Hans hat bereits seit Jahren mit seiner Depression zu kämpfen und seine Leistungsfähigkeit im Beruf hat in den vergangenen Jahren erheblich abgenommen. Am Arbeitsplatz wissen weder seine KollegInnen noch seine Vorgesetzten über seine Krankheit Bescheid. Vor etwa drei Jahren wurde er schon mal herabgestuft, nachdem seine Leistungen im Zuge der Mitarbeiterbeurteilung miserabel beurteilt wurden. Damals stand er vor der Wahl zwischen einer einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsvertrags (mit branchenüblicher Abfindung) oder der Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit geringerer Verantwortung, aber auch (deutlich) geringerem Gehalt. Er hat sich damals, auch in Rücksprache mit dem Betriebsrat, für die zweite Variante entschieden. Mit Anfang 50 sah er sich nicht in der Lage, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Damals war Hans offensichtlich auch noch nicht bewusst, wie krank er tatsächlich war. Tatsächlich ist er erst seit etwa einem Jahr in therapeutischer Behandlung und nimmt seither Medikamente. Auslöser war ein Totalzusammenbruch, wegen dem er fast zwei Monate in einer Klinik war. Aber auch danach hat er an seinem Arbeitsplatz nichts von seiner Krankheit erzählt. Er steht seitdem massiv unter mentalem Leistungsdruck. Meines Erachtens wird auch seiner Depression Vorschub geleistet, weil er sich selber unter Druck setzt, den Schein zu wahren und seine Krankheit zu verbergen – und es kommt, wie es kommen muss. Seine aktuelle Mitarbeiterbeurteilung fiel wiederum miserabel aus. Nunmehr steht kurzfristig ein Personalgespräch mit dem Vorgesetzten und dessen Chef an. Aufgrund der Erfahrungen vor drei Jahren geht Hans davon aus, dass wiederum die Aufhebung des Arbeitsvertrags bzw. eine Kündigung im Raum stehen wird.

Vor diesem Hintergrund besteht für Hans nun die Überlegung, ob er sich mit seiner Krankheit outet. Damit verbunden ist natürlich die Hoffnung, dass es für seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit eine begründete Erklärung gibt und vielleicht die Chance besteht, dass seitens des Unternehmens auf seine Depression Rücksicht genommen wird. Andererseits hat er unendliche Angst davor seine Krankheit offen zu legen – sicherlich auch deshalb, weil dann möglicherweise die Erwartung an ihn herangetragen wird, seine Depression aktiv in den Griff zu bekommen. Zu letzterem scheint er mir (noch) nicht in der Lage zu sein.

Das Verhältnis zwischen Hans und seinem Chef ist überdies sehr schwierig. Insofern vermute ich, dass von seinem direkten Chef kaum ein kooperatives Entgegenkommen zu erwarten ist. Anders könnte das mit seinem übergeordneten Chef sein, der natürlich Verantwortung für mehrere Abteilungen hat. Auch weiß inzwischen einer der Betriebsräte von seiner Krankheit. Die Chance auf einen Wechsel in eine andere Abteilung des sehr großen Unternehmens schätzt Hans jedoch als eher gering ein, da er sehr spezialisiert ist.

Im Grunde genommen arbeitet Hans sehr gerne. Außerdem denke ich, dass ihm eine geregelte Arbeitssituation auch Stabilität bringt, da zudem sein privater Hintergrund nicht gerade förderlich für seine Krankheit ist. Eine längere Krankschreibung dürfte seiner mentalen Verfassung meines Erachtens nicht dienlich sein. Einen kürzeren und erst Recht einen längeren Klinikaufenthalt lehnt er aber entschieden ab, was mit seinen massiven Ängsten zu tun hat. Auch tut er sich sehr schwer damit, externe Hilfe anzunehmen.

Meine Fragen an euch sind nun, wie schätzt ihr die Lage von Hans ein? Hat jemand Erfahrungen damit gemacht, sich am Arbeitsplatz zu outen, weil sie oder er nicht mehr vollumfänglich leistungsfähig war? Was hatte das für positive/negative Konsequenzen? Weiß jemand, ob Hans angesichts seiner Krankheit überhaupt gekündigt werden darf? Kann - andersherum - seine Krankheit bzw. vielmehr die Tatsache, dass er seine Depression lange verschwiegen hat, vielleicht sogar ein Kündigungsgrund sein? Was würdet ihr anstelle von Hans tun?


Bitte verzeiht mir die längere Ausführung, aber es erscheint mir sehr komplex.

Für euren Rat vorab schon mal allerbesten Dank!
Beste Grüße
Klaus_D

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 1. Okt 2013, 07:58
von kormoran
hallo klaus,

so wie sich mir das darstellt, ist der entscheidende punkt nicht so sehr, ob der arbeitgeber weiß, welche krankheit 'hans' hat, sondern, dass der betroffene ausreichende zielführende behandlung erhält.

sich dem arbeitgeber mit der krankheit depression zu outen, würde für mich in der konstellation ein bisschen wie ein hilfloser hilferuf klingen. helft mir, ich lasse mir nicht helfen.

den arbeitgeber geht es nichts an, welche krankheit der arbeitnehmer hat. dass eine krankheit vorliegt, würde ich nicht verheimlichen, weil es den betroffenen auch von persönlicher schuld an der minderleistung entlastet. aber ich würde jetzt nicht offensiv einfach nur bekanntgeben 'ich bin krank', sondern im zuge des nächsten anlasses. also entweder einer krankschreibung, wenn diese nötig wäre oder aber für einen klinikaufenthalt.

statt unter dem permanenten versagensdruck immer kränker zu werden, wäre es zweifellos zielführender für 'hans', seine psychische gesundheit und seine arbeitsfähigkeit in einer psychosomatischen klinik und einer beruflichen reha wiederherzustellen.

die krankheit annehmen lernen und die nötigen konsequenzen ziehen, der weg dahin kann ein langer sein. kannst du 'hans' dabei helfen? ihm mut machen, ihn auffordern, sich näher über depressionen zu informieren, zum beispiel hier im forum oder mit dem buch 'schattendasein', in dem viele betroffene berichten?

und: ja, man kann auch im krankenstand gekündigt werden. es ist abzuwägen, wann man das risiko eher eingeht, als mit dem dahinwurschteln und leiden halt schleichend einer kündigung oder einem totalausfall entgegenzubangen.

liebe grüße
kormoranin

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 1. Okt 2013, 13:22
von Zarra
Hallo Klaus_D,

ich schließe mich mal Kormoranin an und schreibe noch, wie ich manches sehe und was mir dazu einfällt.

Das Ganze zieht sich bei Deinem Freund schon sehr lange - und es gibt eine ausgeprägte Weniger-Leistung (die auch dokumentiert ist). Letzteres läßt mich aufhorchen und sollte Deinen Freund eigentlich aufrütteln - weil er so kaum längerfristig weitermachen kann.

Die Erklärung Krankheit schafft vielleicht eine freundlichere Atmosphäre. An den Fakten ändert sie nichts, und die sind schlecht. Ich habe mich nur mal mit krankheitsbedingten Kündigungsmöglichkeiten aufgrund von Krankheitsfehlzeiten kundig gemacht (und die Details inzwischen schon wieder vergessen), doch ich denke schon, daß man ihm bei ausgeprägter (!) Weniger-Leistung über einen langen Zeitraum (!) kündigen kann.

Nachdem ich Kormoranins Beitrag las, würde ich auch sagen, daß ggf. sozusagen der Überbegriff Krankheit reicht, keiner die genaue Diagnose kennen muß. Andererseits braucht man sich nichts vorzumachen: Die anderen entwickeln auch Phantasien, warum jemand fehlt oder "komisch" ist. Da gilt es einfach im Einzelfall abzuwägen.

Solange jemand seine Depression gut verbergen kann, verstehe ich jeden, der das gerade an seiner Arbeitsstelle nicht erzählt. Das ist bei Deinem Freund ja aber nicht der Fall, auch wenn die Weniger-Leistung nicht gerade das häufigste Symptom darstellt. Mir scheint die Grenze da längst überschritten zu sein, und es ist nur noch die Frage, wieviel oder wie formuliert er etwas sagt. - Und ich glaube, Dein Freund wird nicht herumkommen, sich der Krankheit zu stellen. Wie ging es ihm denn mit diesem gewesenen Klinikaufenthalt, eigentlich ..., denn das ist ja nicht ohne?

Arbeitgeber akzeptieren sicher eher einen sogar langen Klinikaufenthalt als dauernde schlechte Leistung. Eigentlich wäre es in jeder Hinsicht gut, wenn sich Dein Freund dazu aufraffen könnte. Und das könnte dann eben auch erst mal eine Perspektive für seinen Arbeitgeber sein. Um dieses aktive Angehen wird Dein Freund kaum herumkommen.

Man hat einen höheren Kündigungsschutz und ggf. ein paar andere Eingliederungs- oder Arbeitsplatzerhaltungsmaßnahmen, wenn man einen Schwerbehindertenstatus hat oder diesem Personenkreis gleichgestellt ist. Da wird sich Dein Freund aber voraussichtlich auch wehren, das zu beantragen. Und eventuell gilt der höhere Kündigungsschutz sogar erst mal ab Antragstellung (dachte ich wohl - fälschlich; momentan finde ich im Internet nur die Fristangabe, daß zwischen Antragstellung und Kündigung 3 Wochen vergangen sein müssen), selbst wenn später anders entschieden/abgelehnt wird; dann kann ggf. die Kündigung allerdings nachgeholt werden. Und: Ich habe zwar keine Ahnung, in welchen Fällen das zur Anwendung kommt, doch da gibt es eine Möglichkeit, daß der Arbeitgeber wegen Minderleistung des Arbeitnehmers Zuschüsse erhält; vorher wird aber sicher abgewägt, den Arbeitnehmer an einer anderen Stelle zu beschäftigen.

Ich "klebe" Dir noch ein paar Links an, das sind sicher nicht die besten für das Thema, sondern nur die, die ich auf die Schnelle ..., doch ich denke, daß Du (oder Dein Freund?!) davon ausgehend selbst googeln kannst:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schwerbehi ... schland%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Integrationsfachdienst
http://www.integrationsaemter.de/Wann-b ... index.html
http://www.arbeitsagentur.de/nn_26182/N ... g-Nav.html
http://www.buzer.de/s1.htm?g=SGB%2BIX&a=90
http://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbe ... l#tocitem9
http://www.zeit.de/arbeitsrecht-krankheit-kuendigung

LG, Zarra

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 1. Okt 2013, 16:14
von Zarra
Unterschiedliche P.S. noch:

Überhaupt nicht einschätzen kann ich, inwieweit, auch ggf. unter Einbeziehung des Alters, eine Abfindung eine durchaus relativ akzeptable Möglichkeit darstellt. Mal abgesehen von dem dann wohl bei Deinem Freund entstehenden "Loch"; das ist eine andere Ebene.

Ich kenne die Kränkung (!) durch Krankheit und Einschränkungen (nicht ohne und nicht einfach), - aber lieber "gekränkt" als ohne Arbeitsstelle; so zumindest meine Haltung (und ich kann noch nicht einmal behaupten, daß ich das bewältigt habe).

So mit der objektiveren Sicht von außen (allerdings ohne halt viele Hintergründe zu kennen) würde ich an seiner Stelle dem Arbeitgeber wohl vorschlagen, eine medizinische Reha zu beantragen, und das auch wirklich tun (... weiß nicht, ob ein Betriebsarzt das ggf. auch noch unterstützen kann); damit müßte sich der Arbeitgeber hoffentlich erst mal "besänftigen" lassen; und dann das alles halt in der Reha thematisieren ... und dann weitersehen.
Außer Dein Freund kann überzeugend darlegen, daß die ambulante Psychotherapie (plus die Medikation) so greifen, daß sich in den kommenden Monaten etwas verbessern müßte. Das erscheint mir persönlich eher unwahrscheinlich; könnte aber theoretisch sein.

LG, Zarra

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 1. Okt 2013, 23:07
von getitfour@web.de
Hallo kormoranin und Zarra,

besten Dank für eure Zeilen. Ich sehe das ebenso wie ihr, dass er seine Krankheit annehmen muss und im Grunde genommen dringend eine intensive klinische Therapie braucht. Ich denke aber auch, dass ihr es selber kennt, wie schwer es ist diesen Schritt zu gehen. Ich bin schon froh, dass er vor einem Jahr den allerersten Schritt gemacht hat und sich seine Depression überhaupt eingestanden hat.

Ich bin auch völlig hilflos, ihn zu motivieren; wenn er eine Perspektive sucht, wofür er kämpfen soll. Sein Job ist sozusagen das letzte was ihm geblieben ist, von dem was er sich er in den letzten Jahren erkämpft hat. Die Ehe ist mit der Krankheit zu Bruch gegangen, er trauert seiner Freundin nach, die ihn verlassen hat, kaum mehr Freundschaften und nun soll er auch noch seine berufliche Anerkennung preis geben? Ich kann bestens nachvollziehen, dass er sich daran klammert. Dass er sich dabei ständig überfordert und sich in eine stetige Abwärtsspirale bewegt, die unweigerlich irgendwann in eine Arbeitsunfähigkeit mündet, will er nicht sehen. Da er sich in seiner Depression einrichtet und dementsprechend eine Ängste und Hilflosigkeit „vorschiebt“, schaffe ich es nicht, ihm Hoffnung zu geben, zu vermitteln, was ein „normales“ Leben positives für ihn bedeuten kann. Ich kann im Moment nur für ihn da sein, ihn immer wieder bestätigen und gelegentlich mal den Spiegel vor Augen halten.

Wir haben heute Abend noch mal über das anstehende Personalgespräch geredet und sind zunächst zu dem Schluss gekommen, dass er seine Depression nicht als solche offenbart, sondern erst mal nur signalisiert, dass er überlastet ist und Krank ist. Ich würde ihm auch gerne empfehlen, sich eine Auszeit zu nehmen. Ich denke auch wie ihr, dass der Arbeitgeber eine längere Krankheit akzeptieren würde, wenn eine Besserung seiner gesundheitlichen Situation in Aussicht gestellt werden kann. Da Hans sich aber vehement gegen eine intensive Therapie wehrt, befürchte ich dass ihn das eher noch weiter runterziehen könnte.

@ Zarra
< Wie ging es ihm denn mit diesem gewesenen Klinikaufenthalt, eigentlich ..., denn das ist ja nicht ohne?>
Es war eine geschlossene Psychiatrie, wo er eigentlich nur ruhig gestellt wurde. Das hatte sicherlich auch seinen Grund darin, dass er noch nicht als therapierbar angesehen wurde. Er hat den Klinikaufenthalt als so schrecklich empfunden, dass er die erste Gelegenheit genutzt hat, sich selber zu entlassen. Durch diese Erfahrung sieht Hans sich ja nun bestätigt, dass ein Klinikaufenthalt nichts für ihn ist. Im Übrigen wehrt er sich aber auch gegen eine ambulante Kliniktherapie. Die einzige Konsequenz, die er daraus gezogen hat, war dass er nun regelmäßig Medikamente nimmt und sich einen Therapeuten gesucht hat. Allerdings habe ich den Eindruck, dass von der Therapie kaum Wirkung ausgeht (Gesprächstherapie, der sich eine Verhaltentherapie und später eine tiefenpsychologische Therapie anschließen soll). Dass immer wieder mal Rückschläge kommen, sei akzeptiert. Ich kenne mich da so gar nicht aus. Aber sollten nach einem halben Jahr nicht mal Ziele vereinbart werden, was er in der Therapie erreichen will?

Dank Dir auch für die Links, das ist schon das ein oder andere hilfreiche dabei.

@ kormoranin
Hans sieht sich völlig überfordert, längere Texte zu lesen, erst recht dicke Bücher. Ich habe ja auch schon viel recherchiert, das Buch schattendasein kannte ich tatsächlich noch nicht (taucht bei den bekannten Internethändlern nicht unbedingt „vorne“ auf).

Liebe Grüße, Klaus_D

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 2. Okt 2013, 19:57
von Gerbera
Hallo Klaus,

jede Therapie läuft anders und sollte im Idealfall auf den Patienten abgestellt sein. Ziele mit jemandem zu vereinbaren, der ohnehin stark unter Druck steht, erscheint mir wenig sinnvoll. Und ein halbes Jahr Therapie ist nicht besonders viel. Meine Therapeutin hat mir von vorne herein gesagt, ich solle mich auf ein Jahr einstellen - inzwischen sind es gut anderthalb.

Mir geht's seit etwa 4 Monaten ziemlich gut. Ich habe den Eindruck, dass ich mein Leben wieder im Griff habe. Bis dahin war es ein weiter Weg, und die Therapie wird noch ein bisschen weitergehen. Auch das Antidepressivum werde ich weiterhin schlucken, denn ich habe keinerlei Ambitionen Richtung Rückfall.

Werde also bitte nicht ungeduldig, auch wenn es schwer fällt, und lass den Therapeuten machen. Dein Kollege/Freund ist offenbar zufrieden mit der Therapie und fühlt sich dort wohl. Gib ihm die Zeit, die er braucht.

Gerade große Firmen haben inzwischen die Probleme erkannt, die durch psychische Erkrankungen entstehen können und bieten zum Teil auch Hilfsprogramme an. Ich könnte mir daher gut vorstellen, dass die Firmenleitung Deinem Kollegen die Chance gibt, sich von seiner Krankheit zu erholen, wenn sie denn weiß, dass er krank ist. Auch mir erscheint es richtig, beim Personalgespräch die Krankheit zu erwähnen, ohne näher darauf einzugehen, um welche es sich handelt. Wie menschlich Eure Firma ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Das musst Du besser wissen.

Ich wünsche Dir und auch Deinem Kollegen/Freund einen guten Ausgang des Personalgesprächs und dass er seine Krankheit bald in den Griff bekommt.

Viele Grüße
Gerbera

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 2. Okt 2013, 20:11
von kormoran
hallo klaus,

ja, ich kenne das aus eigener erfahrung, wie lange es dauern kann, den schritt in die behandlung zu tun. und den ersten, wichtigsten schritt hat dein freund ja schon getan.

das buch, das ich dir empfehle, finde ich deshalb so nützlich, weil viele wortmeldungen von betroffenen zu den jeweiligen situationen drin sind, in denen man sich oft wiedererkennt. das buch wurde von menschen aus diesem forum geschrieben und viele forumsbeiträge sind mit eingeflossen. dazu gibt es fachinformation. und man kann es auch gut stückweise, themenweise lesen, oder auch nur blättern und mal auf einer seite hängenbleiben. deshalb würde ich es durchaus auch jemand geben, der mit lesen im eigentlichen sinn gerade überfordert ist. hineinblättern und herausfinden: "anderen geht es wie mir und das haben sie gemacht, damit es besser wird" kann auch helfen.

ich wünsche deinem freund erst mal alles gute fürs personalgespräch und dass er dann, nach und nach, einen weg findet.

liebe grüße
kormoranin

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 2. Okt 2013, 22:35
von Zarra
Hallo Klaus_D,

ich kann gut verstehen, daß Dein Freund aufgrund seiner Erfahrungen in keine Klinik mehr möchte (ich hatte wohl ähnliche Befürchtungen vor der Geschlossenen - und habe diese deshalb vermieden, "zu Recht" und zu Unrecht, weil ich durchaus auch positive Berichte kenne). Nur: Nicht alle Kliniken sehen so aus, nicht in allen Kliniken ist es so! Ich selbst war mehrfach in verschiedenen Kliniken - Kliniken sind durchaus unterschiedlich (und unterschiedlich geeignet für den einen oder die andere), doch insgesamt kann ich eigentlich nur Positives berichten, ich möchte keinen dieser Aufenthalte missen, selbst bei Negativem überwog das Positive. (Das kannst Du jetzt ja zumindest mal so "platt" an ihn weitergeben. Obwohl man dazu natürlich ggf. mehr erzählen könnte.) Und auch das "Raus" aus dem Alltag, Sich-Besinnen und der Austausch mit Mitpatienten - ich kann Deinen Freund nur ermutigen (und ein bißchen Bewegung etc. schadet auch nicht). - Während ich mir durchaus gut vorstellen kann, daß ihn die reine Krankschreibung nur noch mehr runterziehen würde, wenn Erschöpfung nicht so das Thema ist. Und auch eine Tagesklinik hat zwei Seiten, - ich könnte mir denken, daß sie für Deinen Freund nicht so ideal ist, so wie Du seine Lebensumstände schilderst.

"Perspektive" hat kein Depressiver in Sicht. Darum geht es erst mal nicht. Höchstens die, seinen Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Denn ich finde das Beschriebene nicht ohne ... mir würde das extreme Angst machen, denn das zieht sich schon über Jahre. (Ich will Dir und ihm jetzt nicht zusätzliche Angst machen, aber man sollte auch nicht die Augen davor verschließen, daß es so etwas geben kann, vgl. http://www.betriebsrat.de/portal/lexiko ... kuendigung .) Falls er angesprochen wird, sollte er unbedingt sagen, daß er es vorher nicht wußte und deshalb vorher auch keine Behandlung eingeleitet werden konnte!

Seinen Job ... einen Teil davon hat er doch - zumindest vorläufig - schon "verloren", wenn wir ehrlich sind, das Mißverhältnis mit seinem direkten Vorgesetzten deutet auch auf nichts Gutes hin (das kann an dem Vorgesetzten allein liegen; aber jedenfalls dürfte keine entspannte, angenehme Atmosphäre herrschen - oder? ... und den Druck, den er sich selbst macht), ... und daß jemand, der stark depressiv ist und an nichts mehr Freude hat, ausgerechnet an seiner Arbeit wirklich Freude hat ... ??? Er kann trotzdem seine Arbeit supergut machen; ... auch wenn das bei Deinem Freund nicht so der Fall zu sein scheint. Außerdem: Du schreibst, daß er sich nicht gut konzentrieren kann - wie soll dann arbeiten gehen?!? ... und mit Freude?!?
Zieht er momentan wirklich soviel Anerkennung aus seiner Arbeit?!? Solch eine Beurteilung würde mich vollkommen runterziehen. (Ich gehe jetzt übrigens die ganze Zeit davon aus, daß diese gerechtfertigt ist, - und nicht, daß der Vorgesetzte alles mögliche zusammenklaubt, um ihn einfach wegen des Alters oder oder loszuwerden.)

>(Gesprächstherapie, der sich eine Verhaltentherapie und später eine tiefenpsychologische Therapie anschließen soll)
Das klingt einerseits gut. Andererseits horche ich auf, weil ich das "so schön kombiniert" ambulant nicht kenne - also entweder ganz modern-toll (ehrlich gemeint!) ... oder leider nur gewollt-zusammengeschustert. - Kannst Du nachfragen, wie er sich damit fühlt, wie es ihm in und mit der Therapie geht, oder redet Ihr darüber eher nicht (ist ja auch kein einfaches Thema; vielleicht so auch nicht möglich, zumindest nicht in der Tiefe)?

Depressiv angehaucht sage ich nur: Ziele?! Ja, schön und gut. ... und wenn ich die dann nicht erreiche?!? ... Nein, ernsthaft: Je nach Therapeut redet man schon expliziter oder auch nicht über "Ziele" (Verbesserung des Selbstwerts, Aufarbeitung der Trennungen, ............., Verbesserung der Konzentration) - nur damit sind sie ja nicht erreicht, und leider reicht der Psyche nicht, daß man brav irgendwelche VT-Hausaufgaben abarbeitet - solches kann nützlich sein, aber ändern muß sich ja "innen" was, das braucht Anstöße, aber auch Zeit.

Liebe Grüße, Zarra

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 3. Okt 2013, 13:45
von wolfy
Hallo Klaus / Hallo Hans,

ich bin der Blinde und trau mich nicht so recht hier groß Ratschläge zu geben, aber ich sehs mal so:

1. Hans sollte SOFORT ( möglichst noch vor dem anstehenden Personalgespräch !!) zu einem absoluten Arbeitsrechtlichem Fachanwalt gehen und die Situation klar schildern und sich rechtlich beraten lassen.
Dabei empfiehlt im der Arbeitsrechtler, was er in seinem Fall den Chefs im Personalgespräch sagen sollte und was nicht.

Das hilft bestimmt deutlich und bildet - wie in meinem Fall- ein erstes kleines aber stabiles Fundament.

2. Hans könnte sich vielleicht klarer über seine Situation und seine Zukunft werden, wenn er tatsächlich aus dem direkten Druck erstmal raus ist und eine stationäre Therapie in einer Psychosomatischen Klinik begibt.
Dabei finden sich sicherlich Alternativen, Ideen und Anstöße, wie er sein Leben auf neue Füße stellen kann. Auch als 50 Jähriger ist er nicht out. Er hat zweifellos noch viel Motivation in sich, Power und Lebenslust, die momentan durch die Ereignisse "unterdrückt" sind, aber das lässt sich bestimmt scheibchenweise etwas aufbrechen.

3. Mal angenommen er würde erneut herabgestuft....ist doch echt sch...weil er dann ja weiter ldeit - in gleichen Monströsen Umfeld....das ist kein Weg in meinen Augen.
Mal angenommen er kann - mithilfe des Anwalts eine kluge und gutdurchdachte Lösung mit gutem Schmerzensgeld (Abfindung) erzielen: Dann fällt er meiner Ansicht nach selbst gefühlt in ein Loch, er kann aber dann eine komplette Neuorientierung vornehmen und neu ohne diese alte LAst starten.

4. Vor seiner Ehe, vor seiner Freundin, cor seinem Job hat er auch gelebt: mit deutlich weniger Geld und er hat es geschafft sich etwas aufzubauen. Das kann er nochmals tun.
Das ganze Materielle und drumherum ist alles nur Trug.
Der wichtigste Mensch in seinem Leben ist er selbst!
Irgendwo in einem Forum hab ich gelesen, dass jemand durch Arbeitslosigkeit " geheilt" wurde, weil der Druck, der Stress, die Überwindungen, die Kränkungen alle weg waren - mit der Abfindung und den deutschen Sozialgesetzen / Arbeitslosengeld etc. ist er finanziell auch weitestgehend abgesichert und in einem Jahr ( ALG 1) findet er sich hoffentlich und dann auch neuen Mut zu etwas neuem eventuell in einer besseren Position!!

5. Spezialisten werden immer gesucht.
Er findet etwas.!!!!

Ich hoffe ich klinge nicht zu arrogant, und radikal. Mir gehts selbst noch lange nicht gut. Aber ich hab mich auf den Weg gemacht aus einem ähnlichen Schlamassel (bei mir ist meine von mir über alles geliebte Tochter , die von meiner Ex mit neuem Ehemann gehirngewaschen wird im Spiel) und gesundheitlich bin ich mittlerweile auch stark angegriffen.
Aber das sind die Erkenntnisse- wie oben geschildert- die ich für mich als Motivatoren gefunden habe bzw. als Mitstreiter an meiner Seite.

Tritz allem hoffe ich, dass mein Beitrag vielleicht hilfreich ist.

Bitte grüße Hans recht herzlich und lass ihn wissen, dass ich Ihm alle Daumen drücke für seinen weiteren Weg!

LG

Wolfy

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 3. Okt 2013, 15:47
von getitfour@web.de
Hallo Zusammen,

herzlichen Dank für eure einfühlenden, aber auch klaren Worte.

Nun ja, mit „Zielen“ meine ich auch nicht unbedingt „messbare“ Größen oder für die nächste Therapiesitzung abzuarbeitende Aufgaben, sondern eher so etwas wie eigene Autonomie wiederfinden, oder auch das was Du, Zarra, beschreibst.

Erschöpfung ist im Übrigen ein ganz großes Thema bei ihm. Bevor er in die Medikation gekommen ist, war er oft tagelang müde und erschöpft, kam da kaum heraus. Hans redet mir gegenüber recht offen über die Therapie. Keine Details, aber über Themen und manchmal auch was der Therapeut ihm empfiehlt. Und da bin ich bisweilen irritiert, wenn es heißt „Sie müssen“ dieses und jenes ändern, „Sie dürfen“ jenes nicht, „Sie sollten“. Auch habe ich den Eindruck, dass der Therapeut manche Verhaltensweisen von Hans, die sicherlich problematisch sind, aber meines Erachtens eindeutig aus seiner Depression rühren, fast herablassend bewertet. Vielleicht nimmt Hans die Botschaften des Therapeuten nur in dieser Weise subjektiv auf. Aber ist es in einer Therapie nicht eher so, dass problematische Verhaltensweisen hinterfragt werden? Im Sinne: Warum verhältst Du dich in bestimmten Situationen so und nicht anders? Was bringt dir jenes Verhalten für (ungute) Gefühle? Sind das nicht eher „Anstöße“, Zarra?

Wie er sich mit der Therapie fühlt, habe ich noch nicht nachgefragt, werde es mal nach dem Personalgespräch tun. Hans hat sich bisher noch nicht beklagt oder kritisch geäußert. Einmal meinte er, es sei ja ganz gut mal mit jemandem über viele Dinge sprechen zu können. Ich weiß aber auch, dass er dem Therapeuten manche Themen, die mit seiner Depression zusammenhängen, vorenthält.

@ Gerbera
Ich halte mich ihm gegenüber völlig mit diesen Überlegungen tatsächlich völlig zurück. Ich will natürlich keinesfalls in die Therapie „eingreifen“. Aber ich würde mir gerne ein Bild machen.

@ Zarra
< … also entweder ganz modern-toll (ehrlich gemeint!) ... oder leider nur gewollt-zusammengeschustert …>
Was meinst Du damit? Kann es evtl. sein, dass sich der Therapeut übernimmt? Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass der Therapeut irgendwelche modernen Methoden einsetzt, kann keine Linie erkennen.

Und, Zarra, natürlich hast Du recht, dass er schon einen guten Teil seiner Arbeit „verloren“ hat. Diese Arbeit macht ihm unter diesen Rahmenbedingungen naturgemäß keine Freude (mehr). Es ist meiner Meinung nach mehr die allgemeine gesellschaftliche Anerkennung, wie sie bei vielen Menschen zu finden ist, mal davon abgesehen, dass er eben ein Einkommen hat, die Woche strukturiert ist und er unter Leute kommt.

@ Wolfy
Dank Dir für die sehr klaren Worte. Einen Anwalt vorher zu kontaktieren, traue ich ihm in seiner aktuellen Verfassung nicht zu. Immerhin hat er den Betriebsrat einbezogen – das ist schon mal was.

Ich werde – abgesehen von deinem Buchtipp, kormoranin, auch noch mal im Forum nach Erfahrungsberichten recherchieren, was die klinischen Therapien konkret gebracht haben.


Liebe Grüße, Klaus

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 3. Okt 2013, 21:42
von Gerbera
Hallo Klaus,

meine Therapeutin hat damals angeboten, mit Freunden und Familie ein Gespräch zu führen, in dem sie ihnen erklärt, was die Depression bei mir bewirkt, wie die Therapie als solche abläuft und Fragen beantwortet. Vielleicht bietet der Therapeut Deines Kollegen auch so etwas an. Dann könntest Du Dir selbst ein Bild von dem Mann und seinen Ideen machen. Du könntest Hans ja mal behutsam danach fragen.

Ich finde es übrigens toll, dass Du Dich für Hans so einsetzt. Meine Kollegen haben meine Erkrankung damals weitgehend ignoriert.

Viele Grüße
Gerbera

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 3. Okt 2013, 22:11
von getitfour@web.de
Hallo Gerbera,

dank dir für den Tipp. Ich hatte das tatsächlich vor einiger Zeit schon mal angesprochen. Damals mehr mit der Absicht, dass sein engstes Umfeld mal „aufgeklärt“ wird. Seine unmittelbaren Bezugspersonen scheinen mir leider mehr zu blockieren als hilfreich zur Seite zu stehen. Er schafft es nicht, sich davon abzugrenzen, geschweige denn sich davon zu lösen.

Ich hatte damals gefragt, ob ein entsprechendes Angehörigengespräch nicht sinnvoll wäre. Er ist ausgewichen. Mir schien, er befürchtet Therapeut und „Angehörige“ könnten sich gegen ihn verschwören. Vielleicht ist es auch die Angst, dass er damit in gewisser Weise das Steuer aus der Hand gibt.

Solche Angehörigengespräche sollten meines Erachtens zu Standard einer Therapie gehören. Zum einen sind doch viele im Umfeld von der Krankheit überfordert und sie können zum anderen auch viel falsch machen, was den Gesundungsprozess hemmt. Daher finde ich es Klasse, dass deine Therapeuten das angeboten hat – und nicht nur für Anverwandte sondern auch für Freunde.

Gruß, Klaus

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 4. Okt 2013, 00:30
von Zarra
Hallo Wolfy,

ich finde Deinen klaren Worte gut - weil sie EINEN Weg zeigen. Ob das der von Hans sein kann, sei dahingestellt. Er ist nicht Du. Aber es ist eine potentielle Möglichkeit.

Ich ganz persönlich (!) würde diese Möglichkeit der Abfindung nur nach sehr, sehr, sehr guter Überlegung ernsthafter in Erwägung ziehen - dann u.U. aber durchaus; und wenn ich ehrlich bin, erscheint mir Hans in der momentanen Situation auch gar nicht in der Lage dazu zu sein. Klinik, Auszeit und sich ggf. DANACH auch dafür entscheiden, alles d'accord; doch momentan ist mir da viel zu viel Krankheitsangeschlagenheit vorhanden, um solch existentielle Fragen entscheiden zu können - zumindest wenn er nicht absolut gedrängt wird und fast keine Wahl mehr hat. - Ich bin auch skeptischer als Du (das kann durchaus mein depressives Denken u.ä. sein), was das Neufinden einer Stelle angeht - das kann sein, muß aber nicht sein. Ich finde Deinen Optimismus gut! ... vor der Aufgabe von etwas Vorhandenem rate ich aber zur Vorsicht. Nein, nicht Festhalten um jeden Preis, keineswegs, doch so hat Klaus das ja auch nicht beschrieben. Und in diesem Fall würde ich wirklich zu möglichst "Aufschieben" raten, bis es Hans wieder etwas besser geht.


Hallo Klaus_D,

hinter meinem Profil ist eine anonyme E-Mail-Adresse hinterlegt - wenn er mag, darf Hans (oder Du) mich gerne wegen der Klinikaufenthalte anmailen etc., falls ich dadurch vielleicht etwas von der Angst nehmen kann ... (Ich versuche "zeitnah" zu antworten, bin aber vielleicht auch noch ein paar Tage weg ... und manchmal auch nicht entsprechend drauf.) Auch wenn ich sicher nicht die Durchschnittspatientin und in manchen Hinsichten kompliziert bin, denke ich trotzdem, daß sich da vielleicht ein paar Ängste besänftigen können lassen müßten. Man kann nicht für eine Klinik garantieren, aber es sind erlebte Eindrücke.

P.S. Nicht zuletzt: "Klinik" klingt für den Arbeitgeber vermutlich GUT! (... trotz der Krankheitsfehlzeit.)

Daß Du schreibst, daß Du keine Linie erkennen kannst - hm, falls das wahr wäre (daß es so ist), dann wäre das meine Befürchtung gewesen. Abwertend meinerseits gesagt: "Nette" Gespräche, aber nicht wirklich was dahinter. Und Dein Freund braucht vielleicht das, aber eben vermutlich auch ein bißchen mehr. Andererseits: Ambulant hatte ich nur einen (von mehreren) Therapeuten, durch dessen "Therapie" sich im Zusammenwirken wirklich etwas in mir veränderte - und ich könnte davon keine klare Beschreibung abgeben, wobei ich mir relativ sicher bin, daß er klar einen roten Faden hatte.
Ob er bei einem für sich guten Therapeuten ist, kann Dein Freund vielleicht nach einem Klinikaufenthalt auch etwas besser entscheiden. - Letztendlich kann das nur seine Entscheidung sein. Vertrauen ist auf alle Fälle wichtig. Und schon auch das Gefühl, daß der Therapeut "nicht einfach zuwartet und probiert ...". Alternativen sind ja aber auch nicht so leicht zu finden.

Herablassung ginge bei mir gar nicht. Und mit "müssen" und "sollen" - da müßte er schon einen sehr netten Ton haben, damit ich persönlich damit könnte. Doch da sind Menschen ja auch unterschiedlich; und: Der Ton macht die Musik; als ich "rumzickte", hat mein Psychiater auch schon Sachen zu mir gesagt, die man so in kein Lehrbuch aufnehmen kann - die aber in unserem Verhältnis paßten. Das, was Du mit "Aber ist es in einer Therapie nicht eher so, dass problematische Verhaltensweisen hinterfragt werden? Im Sinne: Warum verhältst Du dich in bestimmten Situationen so und nicht anders? Was bringt dir jenes Verhalten für (ungute) Gefühle?" beschreibst, würde ich übrigens auch ganz klassisch erwarten bzw. kann man jemanden natürlich auch indirekt nach alternativen Verhaltensweisen fragen oder diese nahelegen, meiner fragt immer eher, was ich tun könnte, damit es mir besser gehen könnte.

Reha-Klinikaufenthalte sind zeitlich begrenzt und meistens zu kurz. Wunder lassen sich da nicht erwarten. Aber: Auszeit. Anstöße. Oft/Meist ist es gut, wenn es ambulant weiter gehen kann. Und mir scheint fast, daß Hans erst mal einen Standpunkt finden muß, "wo er eigentlich steht", was er will, was er (nach Regeneration etc.) kann, was er möchte.

Erschöpfung: Ich erzähle einfach mal von mir, weil das seit wohl über 10 Jahren mein "Hauptbelastungsthema" ist/war. Das muß bei Hans auch keineswegs so ausgehen!! Ich hatte Anfang der 1990er Jahre das erste Mal die ärztliche Diagnose Depression (... Symptome aber wohl schon in früheren Lebenszeiten) ... viel Scheu ... auch zu wenig und unpassende Behandlung ... - Ich war 2011 dann sehr erleichtert, als ich mich nach einer nochmals versuchten Wiedereingliederung zu einer halben Erwerbsminderungsrente entscheiden konnte und diese auch genehmigt wurde. - Hans hat sicher eher die Perspektive, daß "alles wieder halbwegs gut" werden kann, trotzdem kann so etwas auch eine Möglichkeit sein. - Ich lebe auf alle Fälle besser damit als vorher. Klar gibt das Veränderungen, man hat auch eine andere "Stellung" an der Arbeitsstelle, wobei ich wohl den Vorteil hatte, daß bei mir nur die Fehlzeiten (es sumierten sich eher einzelne oder eher wenige Fehltage, wenn ich einfach gar nicht mehr konnte, auch wenn die überwiegend ärztlich attestiert waren) "bemängelt" wurden, nicht die Qualität der Arbeit. (Hinsichtlich der Quantität schweige ich mich jetzt aus - weil ich es schlicht nicht wirklich weiß und es dazu unterschiedliche Ansichten gibt; sicher ist: ich bin nicht die Superschnelle auf Kosten von Qualität.)

... hätte eigentlich schätzen müssen, daß es doch länger wird - na, gut, aber jetzt ins Bett, auch wenn ich morgen ausschlafen darf!

Liebe Grüße, Zarra

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 4. Okt 2013, 12:17
von getitfour@web.de
Liebe Zarra,

ich habe heute auch ausschlafen können, mir aber dennoch den Tag voll gepackt. Daher zunächst nur eine kurze Rückmeldung auf deine Nachricht, die ich später noch ausführlicher aufgreifen werde. Zunächst erst mal das: Dein Angebot, den persönlichen Kontakt herzustellen, ist Klasse!

Ich stehe aber als Neuling auf dem Schlauch: wo finde ich dein Profil, um die anonyme Adresse lesen zu können?

Bis später
Klaus

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 4. Okt 2013, 12:23
von getitfour@web.de
Zarra, wer suchet, der findet. Hab den Weg gefunden, dein Profil einzusehen.

Gruß, Klaus

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 6. Okt 2013, 22:42
von Zarra
Lieber Klaus,

mir kamen noch zwei Nachgedanken:

> Ich weiß aber auch, dass er dem Therapeuten manche Themen, die mit seiner Depression zusammenhängen, vorenthält.
Wenn Du das meinst ... - sprich Deinen Freund darauf an. Denn das kann u.U. (sehr) wichtig sein!


Ich stelle mir vor, daß Hans erst mal dieses Personalgespräch hinter sich bringen muß, bevor er wieder klarer denken kann.

Das einzige, was ich da noch mitgeben kann, was ich vielleicht zumindest ansatzweise für ähnliche Situationen gelernt habe: Sich Alternativen überlegen! Also sowohl im Kopf Verschiedenes durchspielen, was von der anderen Seite kommen könnte - dann trifft es einen nicht ganz so unvorbereitet und unvermittelt, man fühlt sich dann zumindest nicht ganz so hilflos ausgeliefert. Und dann eigene, möglichst günstige Reaktionen überlegen, u.U. durchaus in verschiedene Richtungen (je nach Gesprächsverlauf ...) - da kannst Du Deinem Freund auch helfen, je mehr Ideen, desto besser; in der Situation sich dann entscheiden muß er eh allein.

... ich "rede mal zudem so ins Blaue":
Vielleicht sollte/könnte er sagen, daß er nun wisse, daß er krank sei, daß er es aber lange nicht gewußt habe und auch deshalb nichts gegen die Krankheit bzw. deren Auswirkungen habe unternehmen können (... oder auch, daß dies nicht ganz so einfach sei??).
Und vielleicht kann er sich überlegen, ggf. doch zu sagen, daß er sich einen Klinikaufenthalt überlege (den ihm sein Arzt nahegelegt habe) - mit "überlegen" verspricht er ja noch nichts und könnte schon auch noch zurück (... außerdem könnte die Rentenversicherung ja auch ablehnen ...). - Es geht ja darum, daß er "erst mal seinen Kopf aus der Schlinge zieht" - zumindest war Deine Darstellung so, daß er (s)einen Arbeitsplatz behalten will.

So, dann auf eine gute Woche für uns alle!!

Zarra

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 6. Okt 2013, 23:13
von getitfour@web.de
Hallo Zarra,

Du hast so viel geschrieben und so viele Anregungen eingebracht. Ich kann das gar nicht alles aufgreifen. Über den „sinnvollen“ Umgang des Therapeuten in der ambulanten Therapie müsste man fast einen neuen Thread erstellen. Da ich da aber zu wenig Einblick bei Hans habe, würde ich das erst tun, wenn er seine aktuelle Therapie von sich aus in Frage stellen sollte. Besser wäre sicherlich, wenn er sich dann im Forum selber meldet. In jedem Fall haben Du und auch die anderen mir ein paar Dinge mitgegeben, die ich mal vorsichtig ansprechen werde.

Das gleiche gilt im Übrigen für mögliche stationäre Behandlungen. Vielleicht gibt es da bereits den einen oder anderen Erfahrungsaustausch im Forum? Tipps, worauf man achten sollte, wären sicherlich hilfreich. Falls einer der lieben Mitleser hierzu einen Thread im Hinterkopf hat, bin ich für einen Tipp dankbar. Jedenfalls habe ich mir erst mal Deine anonyme Mailadresse notiert, Zarra. Ich vermute jedoch, dass es noch dauern wird, bis Hans sich mit dem Thema auseinandersetzen mag.

Hans und ich haben ansonsten am Wochenende mal alle Eventualitäten, die auf ihn durch das Personalgespräch zukommen können, durchgesprochen. Ich merke bei diesen Gesprächen, wie stark er in seinen Verhaltensmustern verfangen ist. Er kann sich noch nicht dazu durchringen, sich jetzt längere Zeit Krank schreiben zu lassen. Noch traut er sich zu, sich dem Konflikt zu stellen. Ob ihm das gelingt, wird sich herausstellen.

Zarra, ich bin der gleichen Ansicht wie Du, wenn Du sagst < Und mir scheint fast, daß Hans erst mal einen Standpunkt finden muß, "wo er eigentlich steht", was er will, was er (nach Regeneration etc.) kann, was er möchte. > Mehr noch, um das zu klären, ist sicherlich erst mal ein klares Eingeständnis erforderlich. Das heißt annehmen der Krankheit, eingestehen, dass er in den Mustern hängt und sie ihn immer wieder blockieren bzw. überfordern. Wohl noch ein längerer Weg.

Es freut mich natürlich für dich, Zarra, dass Du nach so langer Leidenszeit eine für dich akzeptable Lösung gefunden hast. Ich denke, das ist nicht so leicht.

Ich belasse es nun erst mal dabei und warte das Gespräch ab, ob sich neues ergibt.

Danke erst mal für eure Unterstützung! Über Tipps zu den oben genannten Themen bin ich natürlich weiterhin dankbar.

Viele Liebe Grüße
Klaus

PS: Zarra, Deine letzte Nachricht hat sich mit meiner gekreuzt. Das freut mich, dass Du dir so viele Gedanken machst. Im Prinzip haben wir das am Wochenende so ähnlich, wie es dein Vorschlag ist, durchgespielt. Aber die Krankheit – auch wenn zunächst nur als Überlastung – gegenüber dem Arbeitgeber einzugestehen, so weit ist er offensichtlich doch noch nicht. Dass es eine Chance für ihn sein kann, davon konnte ich ihn nicht überzeugen(siehe oben. )Das muss er letztlich selber entscheiden.

Re: Krankheit am Arbeitsplatz outen? Kündigung droht.

Verfasst: 7. Okt 2013, 19:08
von Zarra
Hallo lieber Klaus,

ich denke, Du hast jetzt als Freund das getan, was man tun kann. Und Du kannst natürlich ihm gegenüber den einen oder anderen Punkt noch ansprechen und damit bei ihm vielleicht etwas anstoßen. Manches muß er aber auch selbst tun, das kann niemand anderes für ihn tun. Und: Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut; solche Prozesse brauchen auch etwas Zeit.

Und hinsichtlich der konkreteren Frage eines Klinikaufenthalts wird es sicher noch dauern, das schätze ich auch so ein. Die Mail-Adresse dann nur als Auch-Möglichkeit, "bevor man vor lauter Panik gar nichts macht".

Hier im Forum gibt es jedenfalls keine konkreten Klinikempfehlungen (das soll auch laut der Moderation vermieden werden), doch natürlich fallen manchmal Namen. Und natürlich fragt der eine oder die andere, was da auf ihn zukommen könnte. Einfach mal mit "Klinik" über die Suchfunktion ... Doch Kliniken können auch unterschiedlich sein. Was man von den Klinikbewertungen auf den entsprechenden Seiten halten soll - ich weiß es nicht, man muß es halt mit der jeweiligen "Brille" lesen; würde ich aber maximal erst dann machen, wenn konkrete Orte und Namen im Raum stehen - Kritisches ernst nehmen, aber auch nicht überbewerten, sich nicht zu sehr verunsichern lassen, denn was für den einen ein No-Go ist, findet ein anderer vielleicht sogar gut, und auf manches reagiert man selbst in der Klinikumgebung und konkret auch anders - und meist positiver - als man das im Vorfeld vor lauter Angst meint. - Für Klinikübersichten kann ich noch http://www.depressionsliga.de/kliniksuche.html empfehlen.

>Noch traut er sich zu, sich dem Konflikt zu stellen. Ob ihm das gelingt, wird sich herausstellen.
Da hat er wohl keine große Wahl! ...

Dir und ihm erträgliche - und bessere!! - Tage!

So, ich begebe mich noch etwas "unter konkrete Menschen".

LG, Zarra