Seite 1 von 1

Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 1. Sep 2013, 23:28
von DoraD
Hallo,

ich bin seit drei Jahren mit einem Mann zusammen, der seit über zehn Jahren depressiv ist. Wir sind schon im gesamten Freundeskreis berüchtigt dafür, dass wir uns immer streiten. Auch wenn er selbst immer wieder erwogen hatte, dass die Depressionen darin eine Rolle spielen könnten, geht es in den Streits fast ausschließlich darum, was ich wieder falsch gemacht habe. Besonders in Situationen, in denen ich enttäuscht bin, habe ich das Gefühl, ihn damit unerträglich zu belasten und es gibt Streit. Erst kürzlich bin ich darauf gekommen, mich mal mit Depression zu beschäftigen und habe paar Sachen dazu gelesen unter anderem diese Listen, was man als Angehörige nicht tun und sagen soll. Musste leider feststellen, dass ich viele Sachen davon schon gesagt oder gemacht hatte. Daher jetzt meine Initiative mich mit anderen Angehörigen austauschen zu wollen, um besser verstehen zu können, was von diesem ganzen Streit die Depression ist und was nicht. Vor allem beschäftigt mich die Frage, wie ich damit umgehen soll, dass mein Freund gar nichts gegen die Depression unternimmt, auch wenn er selber von sich sagt, dass er chronisch depressiv ist. Er ist schon seit über zehn Jahren arbeitslos, will auch nicht arbeiten (was ich okay finde), scheut sich vor sozialen Kontakten und ist oft sehr müde, kauert vorm TV rum, etc. Viele Sachen, die ihr in den anderen Diskussionen beschreibt kommen mir bekannt vor: gemeinsame Treffen absagen, weil er sich schlecht fühlt, mir nicht sagen wollen, was er denn eigentlich will, etc. Glaubt ihr, dass es möglich ist mit jemandem depressives zusammen sein, wenn die Person nichts gegen die Depression tun will? Er sagt schon in den schlimmsten Momenten "Vielleicht sollte ich doch Medikamente nehmen" aber das ist nie ernst gemeint. Er will keine Therapie und ansonsten weiss er nicht, wie es ihm besser gehen sollte. Manchmal werde ich wirklich aggressiv, weil ich dann vermute, er wolle einfach immer nur so weiter vegetieren und darauf hab ich keinen Bock. Will ihn aber auch nicht unter Druck setzen. Immer wenn ich sage, was mich stört, stresst oder was mir fehlt, sagt er, ich würde ihn unter Druck setzen. Nun, soweit erst mal. Danke für jegliche Antwort.

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 1. Sep 2013, 23:41
von Gerbera
Hallo DoraD,

erstmal willkommen im Forum. Ich denke, Du wirst noch viele Antworten von Angehörigen bekommen, die Ähnliches erlebt haben/erleben wie Du. Eine Musterlösung gibt es nicht, und zum Arzt tragen kannst Du Deinen Partner auch nicht.

Ich bin selbst Betroffene, keine Angehörige, und den Weg in die Therapie gegangen, nehme seit mehr als anderthalb Jahren Antidepressiva und mache eine ambulante Gesprächstherapie, Grund: mit der Depression konnte und wollte ich nicht leben.

Das Problem bei Deinem Partner ist aus meiner Sicht, dass er schon so lange unbehandelt mit der Krankheit lebt, dass er das als Normalzustand empfindet. Daran, wie gut es sich anfühlt, gesund und voller Energie zu sein, kann er sich vermutlich nicht mehr erinnern. Und damit fehlt ihm ein ganz großer Anreiz, etwas gegen die Depression zu unternehmen.

Ob Du mit ihm weiterleben willst, so wie er ist, kannst nur Du allein entscheiden. Du wirst Dir überlegen müssen, ob Du nach zehn Jahren, in denen sich offenbar nichts verändert hat, so weitermachen willst wie bisher oder nicht. Und Du solltest gut auf Dich achten, eventuell auch alleine zu Verabredungen gehen, wenn er sich nicht gut genug fühlt, um mitzugehen, denn davon, dass Du auch Dein Leben durch seine Krankheit einschränken lässt, wird er nicht gesund, Du im Extremfall aber krank.

Achte gut auf Dich, suche Dir Unterstützung beim sozialpsychiatrischen Dienst, Angehörigengruppen etc. und lebe DEIN Leben, nicht seines!

Viele Grüße
Gerbera

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 2. Sep 2013, 10:10
von DoraD
Liebe Gerbera,

vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass er das vergessen hat, wie es sein kann, wenn es einem gut geht. Und so erscheint es mir dann manchmal, als WOLLE er gar nicht glücklich sein; das macht mich dann verzweifelt und manchmal aggressiv.
Nach dem Lesen einiger Beiträge und Diskussionen hier gewinne ich den Eindruck, dass die meisten das problematisch finden, wenn jemand nicht versucht, seine Depression loszuwerden. Gibt es auch jmd, die/der sagen würde, man kann sich auch damit arrangieren?
Wahrscheinlich hast Du Recht, Gerbera, dass ich vor allem selbst entscheiden muss, ob ich bereit bin, darauf zu verzichten, mit ihm glückich zu sein. Es wird immer so krisenhaft sein mit einzelnen schönen Momenten dazwischen. Auf der einen Seite fehlt mir so viel an Lebensfreude, an Initiative, an Lust und Fröhlichkeit. Auf der anderen Seite liebe ich ihn wirklich und ich habe auch den Eindruck, dass er Angst davor hat, ich könnte ihn wegen der Depression verlassen. Er hat sogar schon mal gesagt, dass das sehr hart für ihn wäre. Ich weiss eigentlich was ich will : Ich will mit ihm zusammen bleiben und dass er versucht, mit der Depression besser umzugehen, bzw. vielleicht sogar anstrebt sie loszuwerden. Aber ich trau mich nicht ihm das zu sagen, weil ich mir sicher bin, dass ihm das als ein unerträglicher Druck erscheinen würde.

Danke noch mal für die Antwort.
DD

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 2. Sep 2013, 13:17
von SucheAustausch
Liebe Dora,

auch von mir ein Willkommen hier im Forum.

Du wirst es merken, ob es geht oder nicht.

Ich kann nur von mir schreiben und meine Erfahrung mit einem langjährig erkrankten Mann zeigt mir, dass es nicht geht.

Ich habe mich ziemlich lange mit der Krankheit (die wir noch nicht benennen konnten, weil wir nicht wussten, was er hat) arrangiert. Aber zu welchem Preis?

Immer und immer wieder kam ich an meine Grenzen. Ich habe meinen Mann auch immer wieder "unter Druck gesetzt", indem ich etwas von ihm forderte, was eben ein gesunder Mensch als normal empfindet.

Er hat nach körperlichen Ursachen gesucht, etwas vermutet, Tabletten geschluckt, chinesiche Tees getrunken, Qi Gong gemacht und und und... und nichts half dauerhaft!

Die Depression ist immer wieder gekommen und immer schlimmer geworden.

Bis es irgendwann nicht mehr ging. Bei ihm.

Ich habe so vor mich hin funktioniert, habe alles getragen und erst als er in der Klinik war und eigentlich erst als er schon ein halbes Jahr wieder zu Hause war, habe ich angefangen zu merken, was ich mir da eigentlich angetan habe.

Heute ist mein Mann besser drauf. Er ist auf dem Wege der Genesung, wenn und in welchem Umfang es diese bei einer chronischen Depression auch geben kann.

Aber wir haben uns entfremdet. Wir stehen, was unsere Beziehung betrifft, vor einem schmalen Brett, das keiner von uns so richtig betreten will, weil wir uns in der Zeit verloren haben.

Aber wir beide hoffen, dass wir uns wieder finden.

Ganz ehrlich? Ich glaube nicht, dass es eine Beziehung gibt, die den Zustand einer unbehandelten Depression aushält.

Wenn mein Mann nicht in Therapie gegangen wäre und Medikamente nehmen würde, wer weiß? Vielleicht wäre ich noch hier... aber zu welchem Preis?

Zum Preis meines Unglücks! Und zum Preise der Einsamkeit.

Denn wir waren beide in der Beziehung einsam. Er in seiner Depression und ich ohne Ansprech- und Bezugspartner.

Ob und wann Du ihm Druck machst, liegt bei Dir. Aber ich sage ganz klar: Du darfst das. Du darfst ihn darauf hinweisen, was Du Dir unter Beziehung vorstellst und Du darfst ihm auch sagen, dass Du so nicht weiter machst.

Du muss eben nur damit rechnen, dass es nichts ändern wird.

9 Jahre* lebe ich nun schon so mit meinem Mann und erst vor 2,5 Jahren hat er begonnen, sich wirklich mit der Krankheit auseinander zu setzen. Und erst in den letzten Monaten hat er akzeptiert, was er hat. Eine Depression.
* wir hatten aber auch gute Zeiten zwischendurch. Leider nicht so lange und viele, aber wenigstens die ersten 2 Lebensjahre unserer Tochter waren toll!

Also, denke drüber nach. Arrangieren kann man sich damit eventuell, aber dann hat man keine richtige Beziehung, denke ich. Denn in einer akuten Depression kann der Kranke keine Nähe geben.

Alles Gute

Austausch

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 2. Sep 2013, 17:33
von DoraD
Liebe Austausch,

danke für Deine Worte. Ich weiss es ja natürlich auch schon, dass sich nichts ändern wird und dennoch muss ich zugeben, dass es die Hoffnung darauf ist, die mich bei ihm hält, denn, ich weiss eigentlich, dass ich so nicht leben will. Naja, die Hoffnung und klar auch vor allem die Liebe zu ihm. Ich bin sehr psychiatrie-kritisch eingestellt und generell skeptisch gegenüber der Pathologisierung von Menschen und genereller auch der Einteilung von Menschen in krank und gesund. Für mich ist das eine gesellschaftliche und politische Frage, wer und was als gesund gilt und wer/was als krank. Deshalb habe ich auch so lange gebraucht ihn zu hören, denn dass er chronisch depressiv ist, das sagt er mir seit dem Beginn der Beziehung vor drei Jahren. Ich habe das zu sehr abgetan, auch weil ich mehr und mehr über seine Familiengeschichte erfahren habe, die voll von Gewalt ist und ich es nur normal fand, dass man darauf mit Vertrauensmangel bis Misstrauen und auch irgendwie depressiv reagiert.
Es ist allerdings nun schon über ein Jahr so, dass meine Freundinnen mir sagen, dass sie mir zwar nicht reinreden wollen, aber dass sie finden, dass ich mich schlecht behandeln lasse und dass sie nicht verstehen, warum ich so auf mir rumhacken lasse.
Ich hatte es auch nicht immer leicht in meinem Leben (Missbrauchsfamilie u.a.) und irgendwie haben wir in bestimmten Dingen eine Verbindung, die ich sonst mir niemandem habe. Diese Härte gegen mich war nicht immer schlecht. Ich denke ich bin insgesamt ein aufmerksamerer und sensiblerer Mensch geworden, wo ich früher häufig etwas grob und rücksichtsloser war...
Ich hatte das Gefühl, dass es für ihn einfacher ist, wenn ich nicht mehr den Kampf gegen die Depression zur Bedingung unserer Beziehung mache. Wenn ich die Depression und ihn nicht länger getrennt betrachte, sondern ihn statt dessen erst mal als depressiven Menschen akzeptiere. Das will ich gerne für ihn tun, aber die Wahrheit ist, ich werde auf einer anderen Ebene dann aggressiv, weil ich all das betrauere, was dann nicht mehr sein kann, bzw. was ich mir wünsche und was es nie geben wird : zusammen glücklich sein, etwas Leichtigkeit, etwas Stetigkeit (statt diesem drei Tage super dann von jetzt auf gleich Superdrama).
Ich merke, dass es mir einerseits hilft, dem Ding einen Namen zu geben : Depression. Andererseits nehme ich ihn dadurch vielleicht doch weniger ernst ("Er verhält sich so, weil er krank ist..."), das wiederum ist mir unangenehm, bzw. schafft Distanz. Ich traue mich nicht mit ihm über sowas alles zu reden, weil er so schnell verletzt und wütend ist. Aber irgendwann werde ich mit ihm darüber sprechen müssen, wie soll man denn sonst eine Beziehung führen.

Austausch, Du schreibst, dass Du, bzw. dass ihr beide auch in der Beziehung einsam ward. Das verstehe ich gut. Ich kenne diese krasse Distanz in den depressiven Phasen nur zu gut. Und letztendlich ist ja auch dieses "depressiv-nennen" oder sogar auch dass nicht darüber sprechen können ein Ausdruck von Distanz oder Einsamkeit.

Man fühlt sich so scheisse egoistisch bei dem Gedanken, jemanden den man liebt hinter sich zu lassen, weil er das, was ich suche, wohl niemals bringen wird. Das ist schon hart. Mein Eindruck auf diesem Forum ist, dass hier viele Frauen schreiben über ihr Leben mit depressiven Männern. Ich frage mich, ob es Frauen nur näher liegt sich Hilfe in Foren zu suchen (bei Computerproblemen machen die Männer das doch auch ganz selbstverständlich...), oder ob es vielleicht auch eine weibliche Neigung ist, hier keine Grenze zu ziehen und sehr lange sich schlecht behandeln zu lassen, bzw. die eigenen Träume und Wünsche hinten an zu stellen. Dazu wurden wir ja schließlich jahrhunderte gedrillt.
Andererseits geht es ja nicht nur darum seine Träume zu erfüllen und sie gegen alle durchzusetzen. Ich glaube zutiefst an Begegnung und mit diesem Mann habe ich eine. Er ist depressiv und ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn tatsächlich trotzdem liebe, denn er war ja schon depressiv, als ich ihn kennenlernte. Ich liebe einen depressiven Menschen, erst mal schon so wie er ist. Nur, dass das alles gar nicht in mein Bild vom Leben passt. Ich gerate ins schwatzen. Das mit dem Egoismus - Selbstaufgabe - Ding kommt auch in anderen Threads vor, das scheint ein häufiger Komplex zu sein. Naja, soweit, danke fürs Lesen und Danke für Reaktionen.

LG DD

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 2. Sep 2013, 20:16
von Tabarka1
Hallo DoraD,

Auch von mir ein herzliches Willkommen!

Ich lebe eine Beziehung mit einem depressiven Mann und ich versichere Dir, dass das nur geht, wenn Du Dich GAR NICHT um ihn kümmerst.

Was sind Deine Lebensträume? Karibik? Spar dadrauf und mach es - alleine. Was tut Dir gut? Badewanne? Tu es! Tanzen - genau ...

Ich habe bitter lernen müssen mich selbst in den Mittelpunkt MEINES Lebens zustellen. Liebevoll mit mir SELBST umzugehen. Unverschämtheiten mir nicht gefallen zu lassen. Und habe eine eigene Therapie gemacht - für mich!

Und genau darin wird sich Deine Liebe zeigen. Ich merke, dass ich mit mir heute liebevoller umgehe. Und dann tut das mal zumindest ein Mensch. Und mein Mann geht mit mir nicht mehr so lieblos um.

Ich wünsche Dir viel Kraft für DEINEN Weg

Liebe Austausch,

Worüber ich bei Dir gestolpert bin, ist dass die Depression Deines Mannes auch anfing, als euer Kind zwei wurde. Das war bei uns auch so. Mein Mann sagt heute noch, dass er ein NEIN unserer Tochter kaum aushalten kann. Und das beginnt ja mit 2! Und ich spüre, dass das Thema Abgrenzung ein ganz wichtiges bei uns beiden ist.

LG
Tabarka

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 2. Sep 2013, 22:55
von DoraD
Liebe Tabarka,

das versteh ich gut, das mit dem abgrenzen und sich gut um sich selbst kümmern. Ich bin eigentlich ein extrem selbständiger Mensch. In anderen Beziehungen wurde mir oft meine Autonomie vorgeworfen. Ich habe einen großen und großartigen Freundeskreis, ich habe eine Arbeit, die mir Spass macht und auch sonst viele Sachen, die ich gerne mache.

Meine Frage an Dich: Hattest Du Dir nicht manchmal gewünscht, die Sachen auch zusammen zu machen bzw. warum ist man dann in einer Beziehung, wenn man ja doch das meiste nicht teilen kann?

Da komm ich dann immer zu der Frage, ob das überhaupt Sinn macht, weiter in einer Beziehung zu sein. Dann fühle ich mich wieder grausam, so fordernd und egoistisch zu sein. Immer im Kreis.

Wollte auch mal fragen: Ich habe viel gelesen in Beiträgen von schlechtem Behandeln, Vorwürfen und Beschimpfen. Haben auch andere damit Erfahrung, dass ihnen immer so ein Prozess gemacht wird? Gerade eben erst wieder hatten wir einen Streit. Völlig zurecht warf er mir vor, dass ich ihm nicht genügend feedback gebe bei einem Hobby das wir teilen. Er hat mich seit wir zusammen sind immer sehr darin unterstützt, genaugenommen sind wir über dieses Hobby zusammen gekommen. Ich sagte, dass es mir leid tut und dass ich ihn gerne mehr unterstützen würde. Er sagte, nein, er sei sich bewusst geworden, dass ich das nicht tun würde, weil ich denke, dass das was er tut schlecht und nichts wert sei. Ich verwehrte mich dagegen und führte mögliche Erklärungen an, warum es mir so schlecht gelungen war, unterstützender zu sein. GANZ schlechte Idee. Das seien alles Ausflüchte, warf er mir an den Kopf. Dann führt er haarklein eine Indizien-Beweisführung durch die keinen Zweifel daran lässt, dass ich nicht gut finde was er tut. Aber es ist wirklich nicht wahr. Keine Chance. So verlaufen extrem viele unserer Streits. Ist das die Depression oder ist das einfach er?

Er hat schon ein extrem geringes Selbstbewusstsein, was auch darunter leidet, dass er von vielen immer für sehr talentiert gehalten wird (was er auch ist, aber was er nicht hören will, weil ihm das Druck macht). Zudem gibt es diese krasse Ungleichheit zwischen uns, dass ich beruflich sehr erfolgreich bin und er das gar nicht anstrebt. Aber häufig wirft er mir meinen Erfolg vor, nennt mich Klassenverräterin und dass ich mit Leuten abhängen würde, die sich für was besseres halten würden. Naja, das geht jetzt zu sehr ins Detail. Aber ich erkannte so vieles davon in anderen Beiträgen wieder, dass ich mich frage, ob das auch was mit Depression zu tun haben könnte.
Vielen Dank noch mal, Tabarka, und danke alle fürs Lesen und Antworten.

LG, DD

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 3. Sep 2013, 06:08
von SucheAustausch
Guten Morgen Dora,

nach einer Nacht in meinem Bett im Gästezimmer bin ich wieder zuversichtlich.

Ich will mich wieder finden und denke, ich bin dabei.

Aber nun zu Dir und Deiner Frage: ja, mein Mann hat auch an allem und jedem rumgemeckert und kritisiert in der Depression.

Nicht nur an mir. Das Problem bei uns war, das er 10 Jahre älter ist als ich und als wir uns kennenlernten, studierte ich im 12 Semester (3. Studium, 12 Semester insgesamt) und war immer noch unsicher, was ich eigentlich will. Mein Mann arbeitete seit 15 Jahren in ein und dem selben Unternehmen, war gut bezahlt und hatte Spaß an seiner Arbeit. Kurz und gut er war für mich der King of Kotelette, um es mit Stephan Raabs Worten zu sagen.

Durch ihn habe ich gefunden, dass mir mein Beruf, den ich damals studierte, wirklich Spaß macht, aber dass ich eben dafür was tun muss.

Mein Mann hat mir dabei sehr geholfen, aber es hat mir gleichzeitig, weil da auch schon seine Verbitterung der Welt gegenüber da war (bei seiner Geschichte war die schon immer da, verständlicherweise), mein Selbstbewusstsein, wovon ich damals oberflächlich gesehen fast zu viel hatte, rausgezogen.

Mein Mann kritisiert in akut depressiven Phasen alles und jeden. Er ist dann so verbittert, dass nichts in seinen Augen gut ist.

Mich hat er auch manchmal auf dem Kieker gehabt, aber das musste er gar nicht. Mich hat es oft schon so auf die Palme gebracht, dass er die ganze Welt kritisieren musste.

Wie anstrengend!

Heute, wenn ein Anflug davon kommt, verschließe ich Augen und Ohren, gehe vielleicht sogar aus dem Raum. Ich mache dicht.

Ich will das nicht mehr hören.

Ganz ehrlich? Wenn ich versuchen würde, ihm Feedback zu geben (sogar noch gutes) und er würde mir nicht glauben, ich würde ihm sagen: so ist es aber und jetzt rede ich nicht mehr mit Dir darüber. Das ufert hier aus.

Und dann würde ich gehen, Raum schaffen, dass die Dinge sich abkühlen.

Einfach öfter was positives in den Raum werfen und die Reaktion nicht abwarten.

Vielleicht ist das ein Weg.

Tabarka, Du sagst, Du lebst damit, dass Dein Mann depressiv ist. Aber soweit ich das weiß, ist er doch auch dabei an sich zu arbeiten. Ich glaube, es kann nicht gut gehen, wenn nur einer an sich arbeitet.

Ihr seid beide in Gruppen und Dein Mann in Therapie?

Das ist denke ich schon wichtig, zu wissen, der Partner richtet sich nicht ein in seiner Depression.

Allerdings, liebe Dora, was nicht ist, kann noch werden. Das Buch "Wenn der Mensch, den Du liebst, depressiv ist" habe ich mir schon vor 8 Jahren gekauft und mein Mann hat wie gesagt erst vor 2,5 Jahren begonnen, sich damit auseinander zu setzen, dass das, was er hat, auch eine Depression sein könnte...

Die Zeit dahin war lang, der Weg war ganz schön holprig. Aber wir sind noch zusammen. Wenn mein Mann in all den Jahren jedoch keine Versuche einer Behandlung seiner Symptome unternommen hätte, ich weiß nicht, ob ich das ausgehalten hätte.

Alles Liebe und einen schönen Tag!

Austausch

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 3. Sep 2013, 09:53
von Tabarka1
Hi Austausch,

Ja klar bei uns gibt es inzwischen (manchmal) ein UNS. Und mein Mann ist in Therapie.

Ich habe für mich nur die Erfahrung gewonnen, dass es erst Veränderung gegeben hat, als ich aufgehört habe mich um meinen Mann zu sorgen. Beispiel: Heute Morgen war er um 7.30 noch zu Hause und musste um 8 Uhr anfangen zu arbeiten. Er fährt aber ca. 1Stunde zur Arbeit. Und ich sage heute NICHTS mehr. Das Unglaubliche ist, dass er mir dafür dankbar ist.

Und erst seitdem ich mich um sein Leben nicht mehr kümmere ist bei ihm Veränderung möglich gewesen. Das hieß aber auch: klare Trennung der Finanzen, Aushalten von 2. und 3. Mahnung bei Rechnungen an ihn, verpasste Arzttermine, Stress auf seiner Arbeit, verpasste Familienfeste.... All meine Energie in das Kind und mich setzen. Er hat dadurch hautnah erfahren, dass etwas nicht stimmt und ist dadurch ins Handeln gekommen.

Und ich war nicht diejenige, die (wie seine Mutter) ihn versucht zu ändern. Ich habe gelernt es so zu akzeptieren, wie es ist - oder übe mich zumindest darin. Dies ist kein Freibrief für Gemeinheiten! Da wehre ich mich immer mehr. Wobei sie auch immer weniger werden, je liebevoller ich zu mir bin.

Liebe DoraD,

Ja den Wunsch nach Gemeinsamkeit hatte ich immer und habe ihn auch heute. Es ist aber nicht mehr so, dass ich es unbedingt "brauche". Gestern waren mein Mann und ich verabredet. Dies ist an 2 Abenden in der Woche so. Und er war mit den Gedanken nicht da. Da habe ich gesagt, dass ich mich so nicht mit ihm treffen möchte und dann lieber etwas alleine mache. Früher hätte ich auf jeden Fall darauf bestanden, dass wir den Abend verbringen.

Insofern würde ich Dir sagen: Gemeinsamkeit ja, aber nicht um jeden Preis. Und es hat locker 1 Jahr Therapie gebraucht bei ihm und eine gute Medikamenteneinstellung, bis das überhaupt wieder möglich war. Eine Zeit, die unsere Beziehung ohne meine Therapie nicht überlebt hätte, weil ich seinen (notwendigen) Rückzug quasi ausschließlich auf mich bezogen hätte.

Alles Gute und einen schönen Tag
Tabarka

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 3. Sep 2013, 10:05
von Quappe
"Ich sagte, dass es mir leid tut und dass ich ihn gerne mehr unterstützen würde. Er sagte, nein, er sei sich bewusst geworden, dass ich das nicht tun würde, weil ich denke, dass das was er tut schlecht und nichts wert sei."

Hallo Dora!

Ich vermute das ist eine lupenreine Projektion seiner Gefühle auf Dich. Und nachdem was ich hier bisher gelesen und auch selbst erfahren habe, kommt das nicht selten vor sondern ist Teil des Ganzen.

Wir standen auch vor dem Problem, dass mein Mann seine Wertung von sich selbst auf mich projezierte und ich war relativ fassungslos, was er mir unterstellte was ich über ihn dächte. Bzw. es ging soweit, dass er mich ständig kritisierte - ich solle mich mehr bewegen, ich solle mehr unter Leute gehen, mich doch mal gesünder ernähren, etc. etc. - alles Dinge, die ihn an SICH selbst störten.

Mich störten sie in dem Moment eher wenig (weder an mir noch an ihm), sondern ich war auf die Krankheit meines Gatten konzentriert und der Rest war mir eher zweitrangig. Das konnte er allerdings in dem Moment nicht glauben, für ihn war diese Situation sehr real. Er konnte sich selbst nicht mehr lieben und da wir eben einen ähnlichen Lebensstil pflegen, konnte er sich nicht vorstellen, dass ich mich durchaus gut fühlen konnte.

Dass die fehlende Bewegung für mich kein Problem darstellte, sondern ich auch mal das Sofa als Ausgleich für einen stressigen Job und unser belastendes Privatleben brauchte, konnte er nicht verstehen. Wie auch??

Ich hab das Ganze im ersten Moment nicht verstehen können. Es endete in Streit und im Endeffekt waren wir dann beide verletzt, weil wir einfach keine gemeinsame Kommunikation finden konnten. Wir sprachen quasi zwei Sprachen, von denen eine relatives Kauderwelsch geworden war deren logische Übersetzung nicht gelingen wollte.

Es wurde irgendwann besser. Nach einigen Monaten Therapie krachte es ordentlich im Gebälk und an dem Tag war es das erste Mal, dass mein Mann im Nachhinein einlenkte. Er entschuldigte sich nach einiger Zeit und erklärte mir dieses Projezieren was er offenbar ständig tat. Es war ein großer Schritt dass er dies erkennen konnte und auch zulassen. Denn nur so kann er die Dinge bewegen, die ihn an sich selbst stören.

Im ersten Moment ist es vielleicht wirklich das Beste, einen Streit an so einem Punkt zu beenden. Denn ihn fortzuführen ist einfach nur noch anstrengend und führt zu nichts. Im Zweifelsfall gelingt das durch das räumliche Verlassen der Situation. Konzentriere Dich auf Dich selbst, nicht auf Deinen Partner. Er muss selbst erkennen, dass Du ihm nur Gutes möchtest, aber da kannst Du ihm wenig bei helfen. Es nutzt nichts, Euer Beider Zusammenleben durch ständiges sinnloses Streiten aufzureiben. Tu was Dir gut tut, dann tu es und rechtfertige Dich nicht. Er muss mit sich zurecht kommen und Du mit Dir.

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 3. Sep 2013, 11:08
von DoraD
Guten Morgen und tausend Dank für all Eure Gedanken und Überlegungen!
Ich denke, vieles was ihr sagt trifft den Nagel auf den Kopf und es tut sehr gut, sich damit nicht mehr so allein zu fühlen.
Liebe Austausch, ich seh das genau so und denke dass es wichtig ist, sich diesen "Prozessen" gegen mich zu entziehen. Aber es ist gar nicht so einfach. Ich will ja eigentlich Kritik auch hören, weil ich vom Prinzip glaube, dass Kritik was gutes ist und in einer Beziehung hilft, sich jeweils selbst, aber auch die Beziehung weiter zu entwickeln. Nur habe ich oft das Gefühl, dass es bei seinen Kritiken nicht darum geht, dass sich etwas verändert. Offensichtlich wollte er mit seiner Kritik nicht erreichen, dass ich ihm nun endlich feedback gebe, sondern wollte nur, dass ich mich schlecht fühle. Wenn ich IHN kritisiere, dann kann er das übrigens auch nicht als etwas annehmen, auf dass er entweder reagieren kann oder mir erklärt, warum das leider nicht möglich ist, sondern es ist jedes Mal eine riesige Beleidigung, dass ich ihn überhaupt mit meiner Kritik belästige.
Und das, liebe Tabarka, ist dann der Punkt, wo es für mich nicht mehr aufgeht. Klar ist es erst mal wichtig, dass man sich um sich selbst kümmert und sich eben um sein eigenes Wohlergehen kümmert. Aber ich habe ja auch Bedürfnisse und Wünsche in SEINE Richtung, die unmittelbar damit zusammenhängen, wie ich mir die Beziehung vorstelle, was ich darin von ihm brauche. Und wenn das nicht mehr geht, wenn meine Bedürfnisse gar nicht mehr angesprochen werden dürfen, sondern alles was mit der Beziehung zusammen hängt nur noch durch ihn gesetzt wird, dann haben wir die Beziehung nicht mehr zusammen. Ich bin durchaus kompromissbereit, aber ich brauche, dass er zunächst mal zuhört und mein Bedürfnis anerkennt, auch wenn er dem nicht nachkommen kann. Und das ist dann Depressionsbedingt ein Problem, weil für ihn eine Welt zusammen bricht, wenn er mir nicht gerecht werden kann, mich enttäuscht. Er kann eine Enttäuschung auf meiner Seite nicht aushalten und wird dann super aggressiv. Das hab ich in Zeitungsbeiträgen zu Depression gelesen, dass man Depressiven nicht das Gefühl geben darf zu scheitern, weil das ohnehin deren Lebensgefühl ist. Aber was mach ich dann mit meinen Bedürfnissen an ihn und unsere Beziehung? Gar nichts mehr anmerken? Immer nur Ja und Amen, egal was ich brauche oder mir wünsche? Da hab ich dann nicht mehr das Gefühl ein echtes Gegenüber zu haben.
Eigentlich, liebe Quappe, hört sich was Du sagst schwer danach an, dass es nicht anders geht, als dass er anfängt etwas gegen seine Depression zu unternehmen. Ich stimme Dir absolut zu, dass er krass projiziert und es ist nicht das erste Mal. Ich bin ständig mit solchen Unterstellungen konfrontiert und was ich ihm sage zählt für ihn nie. Er sagt dann, meine Körpersprache hätte was ganz anderes gesagt und er sei sicher ich würde lügen. Das hat mich am Anfang so fertig gemacht, dass er mir ständig unterstellt, ich würde lügen. Ich bin bestimmt nicht das Kommunikations-Genie schlechthin und ja, es passiert, dass ich mir meiner Gefühle nicht ganz klar bin. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich mir so sehr einrede, etwas sei okay für mich, weil ich denke, es sollte okay sein. Ich bin dabei zu lernen, mehr auf mich zu hören und mir auch schon mal einzugestehen, dass ich doofe Gefühle hab, auch wenn ich sie lieber nicht hätte, wie z.B. Eifersucht. Das macht alles einfacher, wenn ich es mir erstmal eingestehe, und dann hat man ja immer noch die Wahl, wie man damit umgeht. Aber was für mich nicht geht ist, dass er mir nicht glaubt, wenn ich ihm sage, was ich fühle und er versucht mir zu beweisen, dass ich etwas anderes fühlen würde. Es beunruhigt mich etwas, dass Du sagst, bei Euch wäre es erst besser geworden, seit Dein Freund Therapie mache. Ich habe meinem Freund gestern gesagt, dass ich jetzt auf so einem Forum mich austausche und dass ich denke, dass ich zu lange nicht anerkannt habe, dass er depressiv ist, auch wenn er es mir ja immer gesagt hat. Er hat sich erstmal bedankt, dass ich es nicht hinter seinem Rücken mache. Dann hat er gesagt, dass es ihn nicht wundere, dass ich das nicht anerkannt habe, weil er selbst, wenn er nicht gerade eine Krise hat (was immerhin ca. jeden 3. bis 4. Tag ist) verdrängt, dass er depressiv ist. Das war dann aber das Ende der Diskussion dazu und dann kam seine Kritik an meinem fehlenden feedback und der ganze Streit darum. Ich traue mich immer noch nicht, zu fordern, dass er sich darum kümmern solle, denn, liebe Tabarka, ich versuche bisher eigentlich gar nicht ihn zu ändern. Wie Du habe ich auch ziemlich schnell festgestellt, dass es besser ist, wenn ich mich da raushalte. Manchmal kribbelt es und ich denke mir, verdammt, mach mal Deinen Scheiss, aber ich sag es nie, ich misch mich nicht ein in sein Leben. Aber was unsere Beziehung betrifft, so sollte ich mich vielleicht doch mehr einmischen und mich irgendwann trauen ihm zu sagen, dass ich nicht weiss, wie die Beziehung funktionieren kann, wenn er sich nicht um seine Depression kümmert. Davor hab ich solche Angst, weil - wie gesagt - er Kritik nicht gut annimmt, und ich mich ja vom Prinzip nicht da einmischen will, wie er damit umgeht. Wir hatten sogar die Situation, dass er mir sagte, er verspüre -ohne dass ich es gesagt hätte- einen Druck, dass er besser klar kommen müsse, um mit mir zusammen sein zu können, und das belaste ihn sehr, bzw. würde es ihm schwer machen, die Beziehung zu führen. Wir hatten uns dann (das ist ca. ein halbes Jahr her) darauf geeinigt, dass wir die Sachen trennen wollten. Dass wir das Wohl unserer Beziehung nicht mehr davon abhängig machen wollen, wie er klar kommt. Er meinte, das habe ihn sehr erleichtert, dass er erstmal sein könne wie er ist. Und eigentlich seh ich das immer noch so. Aber ihr sagt alle, dass man das gar nicht trennen kann, dass er sich darum kümmern muss, damit es uns gut geht zusammen. Und das macht irgendwie auch Sinn, bzw. es erscheint mir hoffnungsvoller, weil ich dann die Beziehung wieder ernst nehmen kann, auch ihn wieder ernst nehmen kann, und nicht nur denke: "Ach, von ihm kann ich eh nichts erwarten." Das Problem ist nur: Ich weiss, dass ihm das dann wieder so einen Druck machen würde und darauf reagiert er eigentlich immer aggressiv oder mit Depression oder beides. Wie kommt man denn da raus? Irgendjemand eine Idee?

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 3. Sep 2013, 12:13
von sunshine45
Liebe Dora,

eine ähnliche Situation wie Du sie beschreibst hatte ich auch jahrelang. Es ging soweit, dass ich mich selbst verloren hatte, nur noch auf Zehenspitzen gegangen und mich völlig verbogen habe. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich kaum noch eine eigene Meinung hatte und nur noch so funktioniert habe, wie er es wollte und kurz davor war selbst schwer krank zu werden.

Wenn ich Deine Beiträge lese, so denke ich, dass es höchste Zeit wird das "Stopschild" hochzuhalten. Du wirst in die Konfrontation gehen müssen. Übertriebene Rücksicht ist meiner Meinung und Erfahrung nach einfach falsch. Es darf nicht so weit gehen, dass Du leidest.
Natürlich darfst Du sagen, dass Du jetzt aber lieber das oder jenes machen möchtest. Es liegt dann an ihm den Weg mitzugehen und wenn er nicht kann oder will, so ist es sein Ding und nicht Dein Problem! Du hilfst ihm durch Dein Verhalten, dass er sich ganz und gar in seiner Depression einrichtet. Aber die Depression ist nicht DEINE Erkrankung.

Wenn er sagt, dass Du lügst, dann stell Dich dagegen. Sag, dass es Dir leid tut, dass er so denkt, aber dass Du genau weißt, dass Du nicht lügst. Aber Du kannst an seinen Empfindungen nichts ändern. Das kann nur er selbst tun. In einer Depression hat man schon mal ziemlich verzerrte Denkweisen und Realitäten, lass das nicht auch noch zu Deiner Realität werden.

Bleib Du selbst bzw. finde zunächst mal zu Dir selbst zurück. Du musst auch klare Grenzen setzen, auch wenn es Streit gibt, dann müsst Ihr dann Beide durch. Und vielleicht bewegt er sich dann endlich mal. Ich hatte damals auch viel zuviel Geduld, habe mir alles mögliches gefallen lassen und was habe ich damit erreicht? Ich habe das Leiden um viele Jahre mit verlängert und mich selbst verloren und dank einer eigenen Therapie wieder gefunden.
Heutzutage ist mein Umgang mit depressiven Menschen (und auch mit meinem Ex-LG) ein völlig anderer und es ist für beide Seiten viel besser.

Mit Rücksichtnahme auf depressive Menschen ist keine Selbstaufgabe gemeint!
Setz Grenzen für Dich und Dein Wohlbefinden.
Am besten lässt Du Dich als Angehörigt selbst professionell beraten.

Alles Liebe
von der Koboldin

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 9. Sep 2013, 14:51
von DoraD
Liebe Koboldin,

tausend Dank für's Teilen Deiner Erfahrungen. Das tut mir sehr gut, das zu lesen. Auch mit den anderen Reaktionen komme ich mehr und mehr zu dem Schluss, dass ich ihm sagen muss, dass es schwer für mich ist, wenn er seine Depression nicht ernst nimmt. Der beschriebene Streit ist immer noch nicht beendet, er hat sich jetzt völlig in der Position eingerichtet, dass ich ihn nicht ernst nehmen würde, will mir aber keine Gelegenheit geben, ihm richtiges feedback zu geben. Es läuft wie immer darauf hinaus, dass er furchtbar enttäuscht von mir ist.
Mir erscheint es aufgrund des Austausches hier auf dem Forum so, dass er sich selbst nicht ernst nimmt. Er hatte das ja auch selbst gesagt als Reaktion darauf, warum ich so lange brauchte, seine Depression ernst zu nehmen. Es ist dann vielleicht ein bequemer Weg für ihn, all diese Selbstzweifel auf mich auszulagern. Und ja, Koboldin, es ist an mir, das Stop-Schild hoch zu halten.
Ich fürchte mich sehr davor, ihm zu sagen, dass ich es brauche, dass er seine Depression ernst nimmt. Gibt es irgendjemand mit positiven Erfahrungen, die mich ermutigen könnten? Ich bin ziemlich sicher, dass er das als Unverschämtheit empfinden wird. Eigentlich hat er bisher auf jede Kritik von mir, auf jede Äußerung eines Bedürfnisses mit Streit und Depression reagiert. Ich kann mich an keine einzige Situation erinnern, in der er mir zugehört hätte, mein Bedürfnis ernst genommen hätte und versucht hätte dem nachzukommen, oder mir eben einfach erklärt hätte, warum er dem nicht nachkommen kann oder will. Während ich dies schreibe frage ich mich selbst, wie ich das so lange aushalten und mitmachen konnte. Vielleicht weil ich selbst auch in Therapie bin und eher zu Selbstzweifeln neige; mich häufig frage, ob er Recht hat mit all seinen Anschuldigungen. Vielleicht ist es gar nicht so unähnlich, dass seine Kritiken mir auch dazu dienen, mich selbst klein zu machen, wenn ich gerade ohnehin kein gutes Bild von mir selbst hab (weil ich mich viel frage, inwiefern doofe Familienstrukturen in mir sind, die ich nicht zu reflektieren schaffe).
Vielen Dank jedenfalls für den Post und es tut gut zu lesen, dass es bei Dir mit den Grenzziehungen dann schließlich besser wurde.

Liebe Grüße
DoraD

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 17. Sep 2013, 13:11
von naicheben
Hallo,

vieles von dem was du schreibst, kommt mir bekannt vor. Bei mir ist es so, dass meine Partnerin seit einigen Monaten etwas tut (Therapie, REHA …). Du solltest dir auf jeden Fall im Klaren sein, dass es auch bei einer Therapie/Medikamenten keine Besserung von heute auf morgen gibt. Meiner Partnerin geht es zum Beispiel erst einmal schlechter, weil sie gezwungen ist, sich mit dem Problem auseinander zu setzen. Wenn du glaubst, du kannst deinen Partner dazu bewegen, eine Therapie zu beginnen, dann versuch es. Es ist gut für ihn, wenn er sich dafür öffnen kann! Aber es muss erst einmal nicht gut für dich/euch sein. Du solltest parallel überlegen, was du tun kannst (dein Verhalten ändern, gehen, deine innere Haltung ändern …).

Alles Gute und ganz viel Kraft!

Re: Mit Depression leben oder sie loswerden wollen?

Verfasst: 18. Sep 2013, 12:07
von kijani81
Hallo Leute...

also ich muß sagen das ihr alle "irgendwo" mit euren Aussagen Recht habt. Nur ist es schwer die eigene Situation mit anderen zu vergleichen. Jeder Mensch reagiert da anders drauf. Ich selber kenne leider "beide" Seiten. Ich habe vier Jahre mit einem depressiven Mann zusammen gelebt (haben uns wenig gesehen, er hat sein Ding gemacht, fremd gegangen usw.) Ich habe selber gemerkt wie mich das ganze fertig macht. Doch ich war immer der Auffassung das bei ihm was nicht stimmte. Habe sogar einen Job dadurch verloren. Begab mich damals in die Tagesklinik um mich zu stabilisieren. Habe es dann irgendwie geschafft mich da durch zu boxen (mußte bis jetzt immer kämpfen in meinem Leben). Ende letzten Jahres begab er sich dann in eine Rhea (und es wurd viel schlimmer) Leider sind bei uns zuviele Vertrauensbrüche gewesen worauf ich endlich den Mut gefasst habe die Beziehung zu beenden! Eine ganze Weile ging es mir auch besser (habe einen neuen Mann kennengelernt der mir zeigt das es auch anders geht). Doch seid einigen Wochen befinde ich mich selber in einer depressiven Phase. Ich denke die letzten Jahre waren einfach "zuviel" für mich. Und da ich immer aufstehen MUSSTE, blieb mir auch nichts anderes übrig. Doch als ich jetzt quasi zur Ruhe gekommen bin, einige Schicksalsschläge auf mich einprasselten, sagte mein Körper das er nicht mehr kann Ich merke selber das ich dann manchmal zu meinem Mann so komisch bin (obwohl das gar nicht meine Absicht ist), denn er kümmert sich viel und ich möchte ihn auch NIE verlieren! Darum habe ich den Entschluß gefasst ein weiteres mal die Tagesklinik zu besuchen und einen Rheaantrag gestellt! Wahrscheinlich wird mich das mein Job kosten (befristeter Vertrag), aber ich möchte so nicht weiter machen und vor allem nicht die Menschen verletzen (ohne das ich es in dem Moment bemerke) die mir so nahe stehen im Leben! Es wird ein schwieriger Weg, aber ich werde auch jetzt versuchen nicht aufzugeben! Allen anderen wünsche ich für Ihre Situation "Kraft" sie durchzustehen. Doch ich muß dazu sagen wenn die Person nicht von selber einlenkt und mithilft, stehen die Chancen auf Besserung schlecht da.

kijani81