Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Sommerland
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Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Sommerland »

Hallo an alle "psychisch Gesunden"!

Bin eine Depressive. Es ist wohl chronisch.

Lebe sehr isoliert und leide darunter - aber ich kann es nicht ändern und will das jetzt auch nicht mehr...

Nun zu meinem Anliegen:
Wie kann ich meinen Angehörigen kommunizieren, dass ich mich zurückziehen muss - ohne sie zu verletzen???

Sie machen mir ständig "Angebote" und ich lehne ständig ab...

Neulich sagte ich meiner Schwester, dass mich Nichts zu ihr zieht -
sie war danach total fertig. Obwohl wir wirklich nie ein herzliches Verhältnis hatten!!!
Ich meinte das ganz sachlich - sie nahm es persönlich...

Was könntet ihr verstehen, welche Argumente oder Gründe wären für euch akzeptabel,
wenn ein Depri euch seinen sozialen Rückzug erklären würde?
Und wie kann man jemandem, der gesund ist, klar machen, dass es keine Aussicht auf Besserung mehr gibt.
Dass es nur diesen Zustand jetzt gibt und das der wohl so bleibt?

Meiner Erfahrung nach leben Gesunde immer mit der Hoffnung auf BESSERUNG UND HEILUNG.
Ich muss mich aber damit zufrieden geben, wie es jetzt ist und kann nur hoffen,
dass die Tage nicht wieder dunkler werden...

Ein paar Tipps wären toll.

Danke im voraus.
Bianca
Irgendwas is ja immer...
lae
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Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von lae »

Hallo Bianca,
habe die Erfahrung gemacht, dass Gesunde uns nicht verstehen können. Und bin sogar davon überzeugt, wenn ich gesund wäre und nicht erlebt und erlitten hätte, was ich nun mal durchgemacht habe, ich könnte es, glaube ich, auch nicht verstehen, würde nicht glauben, dass es "das" gibt.

Daher erwarte ich schon lange von Gesunden kein Verständnis mehr, nur noch Akzeptanz.

Ich habe gute Erfahrung mit der Versachlichung von Themen gemacht:

z.B. der Schwester nicht sagen, dass ich keinen intensiven Kontakt mehr zu i h r möchte, sondern erklären, dass es mich aufgrund meiner Belastungsstörung leicht überfordert mich intensiv auf Kontakte einzulassen.

Oder anderes Beispiel: dass ich bei einer Verabredung gleich mit erkläre, dass es wiederum aufgrund der Erkrankung leicht sein kann, dass ich sie vorher absagen muss oder auch mal die Veranstaltung verlassen muss, wenn es mir schlecht geht, und für diesen Fall auch immer eine Rückzugsmöglichkeit einplane, die den/die Anderen nicht beeinträchtigt.

Ich habe, Gott sei Dank, ein Umfeld, das meine Erkrankung akzeptiert und sich in großen Teilen so wie ich damit arrangiert - wer das nicht kann, distanziert sich mit der Zeit von mir oder ich von ihnen.

Ich wünsche dir einen guten Weg zu mehr Akzeptanz
laetitia
Shay
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Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Shay »

Guten Morgen Bianca,

als selbst Betroffener hatte ich zunächst nicht den Eindruck, von Dir angesprochen zu sein - jedoch denke ich, kann man auch als Betroffener vielleicht den einen oder anderen Tipp geben.

Was Betroffenen nach meiner Beobachtung manchmal situationsbedingt fehlt, ist Empathie. Wir haben - besonders, wenn wir im Tief sitzen - nur eingeschränkt die Möglichkeit, auf die Gefühle anderer einzugehen. Wir neigen, glaube ich, dazu, Dinge etwas zu direkt auszusprechen. Wir haben in dieser Situation nach unserem eigenen Empfinden nichts zu verlieren, die Welt ist dann sowieso düster, grau und freudlos, warum und wie sollte man sich da noch bemühen, anderen nicht wehzutun? Und letztlich sind wir dann auch zu sehr mit uns selbst beschäftigt, als dass wir uns noch um die Sorgen und Befindlichkeiten anderer Leute kümmern könnten. (Bitte widersprecht mir, wenn ich falsch liege!)
Wir sind also während einer depressiven Episode nicht unbedingt als Diplomaten geeignet.

Ich denke, dennoch sollten wir ehrlich zu unseren Mitmenschen sein - zumindest zu denen, die über unsere Lage informiert sind und denen wir zutrauen, mit diesen Informationen vernünftig umzugehen.
Wir sollten aller Schwierigkeit zum Trotz versuchen, uns so auszudrücken, dass wir unsere Gefühle zwar transportieren, aber die Empfänger nicht verletzen. Wenn wir einen Menschen in dieser Zeit nicht sehen wollen, weil wir gerade seine Anwesendheit nicht ertragen, wäre es vielleicht eine Möglichkeit, so etwas allgemeiner auszudrücken - anstatt "Ich kann Dich momentan nicht um mich haben" vielleicht sowas wie "Ich bin momentan kein guter Gesprächspartner, es geht mir zur Zeit besser, wenn man mich ein wenig in Ruhe lässt - ich verspreche Dir, mich zu melden, wenn es besser geworden ist". Damit stößt man niemanden vor den Kopf und hat trotzdem sein Ziel erreicht.

Jemandem die eigene Situation und das eigene Gefühlsleben zu erklären, ist schwierig. Ich habe mir angewöhnt, interessierten Menschen folgendes zu erklären:
"Depressionen bezeichne ich als eine Zeit allgemeiner Losigkeit. Meine Welt ist dann gefühllos, farblos, geschmacklos, freudlos, reizlos, lustlos, lieblos usw. Versuche, dir das mal vorzustellen - du spürst einfach nichts mehr, alles das, was vorher an positiven Eindrücken da war, ist weg. Du kommst Dir vor, als seist Du kein Mensch mehr, sondern ein Stein. Ein Stein mit der Erinnerung daran, dass die Welt mal schön und bunt war. Dann übermannt Dich so eine tiefe und allumfassende Trauer, bei der Du irgendwann nur noch willst, dass es aufhört. Dein Leben empfindest Du nur noch als Existenz im materiellen Sinne, aber nicht mehr als Leben. Der Stein existiert - aber er lebt nicht. Alles, was Du vorher mit Leichtigkeit erledigen konntest, ist jetzt ungeheuer anstrengend und saugt Dir jegliche Energie aus dem Körper. In dieser Situation empfindest Du Dich als vollkommen unerträglich. Du bist kein präsentables soziales Wesen mehr, sondern ein trauriger Stein, den man nicht gernhaben kann. Also verkriechst Du Dich und hoffst, nirgendwo aufzufallen. Du hoffst, dass Dich niemand anspricht und Dir erzählen will, wie toll die Welt ist. Deine Welt ist nicht toll, sie ist ein formloser grauer Matsch, in dem Du allmählich versinkst.
Wenn Du es schaffst, Dir dies alles vorzustellen, hast Du eine ungefähre Ahnung, wie es mir geht, wenn mich meine Depression im Griff hat."
Wenn die Menschen dann still werden, weißt Du, dass sie dem Verständnis einen guten Schritt näher gekommen sind.
Gruß: Martin





„A ship is safe in harbour - but this is not what a ship is made for."
Tabarka1
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Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Tabarka1 »

Hallo Bianca,

Ich bin Angehörige eines depressiven Mannes. Zunächst etwas zu "chronisch": Als mein Mann diese Diagnose bekam, habe ich es so erlebt, dass es schlimmer wurde. Er versuchte sich darin einzurichten, dass es auf Dauer so bleibt. Erst als er mir die Gelegenheit gab ein Dreiergespräch mit seiner Therapeutin zu führen wurde ihm klar, dass chronisch bedeutete, dass er länger als 2 Jahre eine Depression hat. Und er trotzdem eine Chance auf Heilung hat. Und ich erlebe es so, dass er ganz langsam Fortschritte macht - aber nur, wenn er am Ball bleibt.

Zu Deiner Frage: Wie es den Angehörigen sagen?

Ich merke, dass ich die Frage als doppelbödig erlebe. Möchtest Du denn, dass Du angerufen wirst? Das ist doch die erste Frage. Also weiter Angebote bekommen, die Du dann meistens ablehnen kannst? Oder ist Dir selbst das zu viel?

Mir selbst hat es im Zusammensein mit meinem Mann immer geholfen, wenn er seine Bedürfnisse klar geäußert hat. Ich möchte gerne mit mir alleine sein. Ich möchte jetzt nicht reden. Und wenn Du Dir oben die Fragen anschaust, dann schlage ich Dir vor, dass Du Dir überlegst, was ist Dein Anliegen? Also z.B. Ich freue mich, wenn Du an mich denkst und mir Kontaktangebote machst, weil mir das schwer fällt. Gleichzeitig geht es meistens nicht, dass ich darauf eingehen kann, wenn ich gerade allein sein möchte.

Oder: Im Augenblick ist es mir lieber, wenn Du gar nicht anrufst. Ich möchte selbst anrufen, wenn ich mich dazu in der Lage sehe.

Ich hoffe, es ist klar geworden, was ich meine. Ansonsten frag gerne nach.

Guten Sonntag
Tabarka
Wann, wenn nicht heute... ?
Sommerland
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Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Sommerland »

Tja...

dass iss es ja grad! Nämlich, dass andere (Gesunde) sich zurückgesetzt und vernachlässigt fühlen.

"Versachlichung" - ja das beschreibt meine Empfindung ganz gut. Bin mehr am analysieren, als das ich mit-fühlen kann. Und meine Versachlichung verletzt die "Gesunden".

Meine Verwandten fühlen sich schlecht, weil es mir schlecht geht. Da wird betroffen Rücksicht genommen (auf was eigentlich?), geweint und Hilfe angeboten usw. - und oft fällt der Satz: "... es wird bestimmt wieder besser werden mit dir..."

OK - die Idee, mein depressives Empfinden zu erklären, ist vielleicht ein Weg um jemandem klar zu machen, dass es mein krankes Erleben ist, dass mich isoliert.

Ich habe ein emotionales Defizit, die Emotionen anderer überfordern mich. Das war mal anders, insofern kann ich das beurteilen. Ich kann heute verstehen aber nicht mehr nachempfinden, wie es meinem Umfeld gehen muss.

Ich fühle und empfinde im übrigen genauso - N I C H T S . Steinmässig eben. Lauf mit ner "Betonfresse" herum - seit 8 Jahren!
...Verhindert immerhin Lachfalten

Bianca
Irgendwas is ja immer...
Sommerland
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Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Sommerland »

Tabarka,

schön, dass du und dein Partner einen guten Weg gefunden habt! Ich habe oft Hemmungen den Menschen, die noch Kontakt zu mir halten,
mein Empfinden zu erklären. Bei einem vertrauten Partner könnte ich das sicherlich. Den gibts nicht mehr.
Bei Menschen, die mir nicht so nah stehen, krieg ich das nicht gebacken. Wie viel (Seelenleid) kann ich preis geben ohne als Psycho dazustehen oder andere zu überfordern?

Liebe Grüße
Bianca
Irgendwas is ja immer...
Tabarka1
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Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Tabarka1 »

Hallo Bianca,

Könnte es sein, dass aber genau da der Weg ist? Ich habe erlebt, wie mein Mann sich bis zur absoluten Schmerzgrenze abgegrenzt hat. Und erst dann eine ganz vorsichtige Annäherung wieder möglich war.

Ich habe von ihm verstanden, dass er häufig nicht gesagt hat, wenn er etwas nicht wollte. Und ich habe es nicht gemerkt. Wir versuchen uns heute (mehr) in Ehrlichkeit zu begegnen. Ich lerne, dass er viel (aus meiner Sicht) Zeit für sich braucht und er lernt, dass ich Gefühle habe, vor denen ich ihn nicht mehr schone.

Ich erlebe unseren Weg schon als schwer - ich glaube für uns beide. Doch manchmal habe ich das Gefühl, dass es sich lohnen könnte. Es ist auf jeden Fall so, dass wir keine oberflächliche Beziehung führen und dafür bin ich dankbar.

Mein Mann behauptet, dass sein Weg aus der Depression nur über Mut gehen würde.

Insofern wünsche ich Dir viel Mut

Herzliche Grüße
Tabarka
Wann, wenn nicht heute... ?
Missing
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Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Missing »

Hallo,

ich bin nicht wirklich tief im Thema Depressionen, vermute aber, dass mich meine Freundin vor einiger Zeit verlassen hat, weil sie unter einer Mischung aus Depressionen und Bindungsangst leidet.

Ich wusste erst überhaupt nicht, wie mir geschieht. An einem Tag war noch alles normal und einen Tag später war sie dann total anders. Ihre Probleme kannte ich, wie sehr sie jedoch belastet war, konnte ich nicht einschätzen.

Das Problem war, dass sie nie wirklich über Gefühle und Emotionen sprach. Auch wenn sie immer beteuerte, mir nicht weh tun zu wollen und mir alles erklären wollte, riss sie alles nur an, so dass statt Aufklärung immer nur noch mehr Fragezeichen und letztendlich auch eben Verletztheit entstanden - wahrscheinlich sogar auf beiden Seiten. Die Missverständnisse potenzierten sich und es entwickelte sich irgendwann Ärger und Zorn. Auch wenn ich eigentlich jemand bin, der mit einer Engelsgeduld und einem ziemlich dicken Fell ausgestattet ist.

Ich denke, es hilft im Umgang mit Angehörigen und Freunden wirklich nur komplette Offenheit. Das heißt, es reicht nicht zu sagen: "Du, ich möchte nichts mit Dir zu tun haben", sondern das "Weil..." ist der entscheidende Faktor.

Wahrscheinlich ist das nicht einfach für jemanden, der unter Depressionen leidet. Aber man kann letztendlich nur Verständnis erwarten, wenn das Gegenüber auch tatsächlich das "Warum" kennt und versteht.

Liebe Grüße!
Sommerland
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Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Sommerland »

Hallo Missing!

Tabarka,

ja - ich bin wie viele Depris ein guter Schauspieler! Das kostet allerdings Kraft - die ich zunehmend abnehmend habe ...

Ich fass mal zusammen:
Offenheit und Mut.. Mut bräuchte ich, um offen sein zu können. Offen bin ich nicht, weil ich Angst vor Ablehnung habe.
Ich ziehe mich zurück bevor andere mich überhaupt ablehnen (können). U n d da beißt sich doch was selbst in den ...

Boahhhhhhh!!!!!!!!!!!!

Ich denk nochmal drüber nach, wie ich mir selbst Mut machen könnte und wovor ich eigentlich wirklich Angst habe...
Und darüber, was so schlimm daran wäre, Ablehnung zu erfahren...

Danke für eure Denk-Anstösse.


Viele Grüße
Bianca
Irgendwas is ja immer...
Missing
Beiträge: 7
Registriert: 28. Jun 2013, 21:06

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Missing »

Wenn Du sagst "Ich will nichts mehr mit Dir zu tun haben", ist das doch vielleicht sogar noch eine deutliche Spur schärfer, als es mit einem kleinen "Weil" zu würzen.

Letztendlich ist das Ziel Verständnis. Und für einen augenscheinlich grundlosen Tritt in den Arsch werden die wenigsten Menschen Verständnis aufbringen.

LG & alles Gute!
Clara1234

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Clara1234 »

Hallo Bianca, was hast Du denn schon versucht damit Deine Depressionen sich bessern?
Ich glaube nicht das irgendein Zustand festgeschrieben ist für alle Zeit, oder wie Du es nennst chronisch ist. Mir haben z.B. längere Klinikaufenthalte sehr geholfen und eine Zeit lang verschiedene Medikamente. Verständnis von meiner Familie war immer gleich null... anders war das bei anderen Menschen die mir nahe stehen.

Herzliche Grüße an Dich
bigappel
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Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von bigappel »

Hallo Bianca,

mein Mann ist seit ca. 35 Jahren (zumindest erinnert er sich so weit zurück mit Ende 40) betroffen; kennen tun wir uns lange, zusammen sind wir "erst" ein paar Jahre.

Offenheit, Kommunikationsfähigkeit und Verständnis für den Angehörigen sind nach meiner Auffassung die notwendigen "Handwerksmaterialien" der Betroffenen.

Ja, richtig.
Obwohl ich mittlerweile einiges auf dem Buckel habe an Erfahrung im Umgang mit der Erkrankung, so kann ich sie doch nicht nachfühlen.

Allerdings möchte ich nicht, das mir dies ein Betroffener vorwirft.

Für mich als Angehörige ist das "Störungsbild" meines Mannes mit den entsprechenden Beeinträchtigungen absolut unvorstellbar gewesen und teilweise heute noch absolut unvorstellbar.

Ich vergleiche dies mit meiner Krankheit.
Die, die davon hören, sind empathisch, verständnisvoll; aber nachfühlen ist etwas anderes und das kann ich niemandem vorwerfen.

Ich kann selber nur wachsen und dies sehen und vor allem kann ich wachsen, nicht immer und ewig als Betroffene selber etwas persönlich zu nehmen.

Bei psychischen Erkrankungen ist das vermutlich von Haus aus schwieriger, aber auch Betroffene können daran arbeiten.

Unheilbar.
Ja, Angehörige können mit der Zeit (Zeit wird benötigt, um ansatzweise zu verstehen) damit leben, dass Heilung nicht möglich ist.

Aber Weiterentwicklung ein Leben mit der Erkrankung ist gut möglich, wenn alle Beteiligten diesen Weg gemeinsam gehen wollen.

Dazu wird sehr viel Vertrauen benötigt, auf allen Seiten, die Fähigkeit, nicht alles persönlich zu nehmen - gleichfalls auf allen Seiten - und nach meiner persönlichen Auffassung der Wille, dass Beziehung gelingen soll.

Mal mehr, mal weniger möglich.

Auch Angehörige sind nur Menschen und eine psychische Krankheit (achtung: wertfreie Schilderung meiner persönlichen Ansicht) ist anstrengend, belastend und der Angehörige braucht ganz, ganz dringend Raum, Kraft zu schöpfen.

Kann der Betroffene damit leben, so wie z.B. gefordert wird, dass Rückzug akzeptiert wird, sehe ich kein Problem.

Probleme wird es immer geben im Miteinander, dass ist nie anders: oder in sehr ungesunden Beziehungen.

Bei nahen Angehörigen finde ich es auch sehr hilfreich "in guten Zeiten" Vereinbarungen zu treffen, wie mit bestimmten Situationen umgegangen wird.

Es ist immer eine Gratwanderung, für alle Beteiligten und ich gebe zu: so manches Mal stelle ich mir selbst die Frage: warum um Gottes Willen tust Du Dir das "an"?

Es ist sooooo anstrengend.

Ich komme aber immer wieder zu dem gleichen Punkt: mein Mann ist der Mensch, mit dem ich leben möchte.

LG
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
SucheAustausch
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Registriert: 15. Aug 2012, 12:35

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von SucheAustausch »

Liebe Bianca,

mein Mann ist auch schon seit Jahren betroffen. Wir waren letztes Jahr auch mal an einem Punkt, an dem wir dachten: es wird nie besser. Wir haben uns schon mit dem Thema Erwerbsminderungsrente auseinander gesetzt. Und heute, knapp ein Jahr später geht es meinem Mann relativ gut. Er kann 6 Stunden pro Tag arbeiten, die Spülmaschine reparieren, den Wohnwagen putzen und sogar mit mir sprechen.

Ich weiß, dass das nicht bedeutet, dass er wieder vollständig genesen ist. Ich weiß, dass akute Phasen immer wieder kommen können. Und ich weiß, dass wir dann wahrscheinlich wieder größere Probleme bekommen werden.

Aber auch bei chronisch Depressiven gibt es bessere Phasen.

Egal, ich will Dich nicht bekehren, aber vielleicht ein bisschen Mut machen.

Was das Verständnis angeht, so glaube ich auch, dass es schwierig ist, eine Krankheit zu verstehen, die man nicht selbst erlebt hat. Ich bin überzeugt, dass es in engen Beziehungen ein Lernprozess ist.
So war es zumindest bei mir. Erst war da oberflächliches Verständnis, dann Wut und Unverständnis und jetzt im Moment der Selbstschutz und Distanz.

Ich kann und möchte die negativen Emotionen meines Mannes gar nicht verstehen. Ich möchte bei mir bleiben - bei einer optimistischen und fröhlichen Frau, die ich einmal war und langsam wieder werde...
Aber ich akzeptiere sie, seine Emotionen meine ich. Ich höre mir seine Verbitterung über die Welt nur nicht mehr an.

Das mag hart klingen und das ist es auch. Aber es sind seine Emotionen. Seine Muster. Und mit seinen Schilderungen der Welt macht er mir mein Erleben der Welt kaputt. So hart das klingt, das macht er natürlich nicht mit Absicht und deshalb kann ich es im Moment ganz gut, mich abgrenzen und ihm seines lassen.

Aber der Weg dahin war schwer. Ein Lernprozess wie gesagt. Einer der auch noch weiter geht, denke ich.

Ich wünsche Dir, liebe Bianca, alles Gute. Viel Kraft für Dich, viel Kraft dafür, Deine Grenzen zu zeigen (denn auch das hilft mir als Angehöriger, wenn mein Mann mir sagt, wo seine Grenzen sind), und viel Akzeptanz von seiten Deiner Familie. Akzeptanz ist wahrscheinlich das, was Du erwarten darfst, denke ich. Verständnis ist wahrscheinlich ein bisschen viel verlangt.
Denn das würde bedeuten, dass Dir Deine Angehörigen in die Düsternis folgen müssten. Und da hoffe ich zumindest, muss ich nie wieder hin! Ich habe es jahrelang versucht.

Alles Liebe Austausch
Deprus
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Registriert: 7. Jun 2011, 00:16

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Deprus »

Hallo Bianca,

ich bin auch seit Jahren Depressiv.

In unserer SHG haben wir fest gestellt, das es meist für einen Depressiven sehr schwer ist, seine Lage verständlich und glaubhaft zu erklären und wie ihm die Angehörigen helfen können

Besser könnte es mit einem Buch, Text von neutraler Seite gelingen:


Partnerschaft und Depression, ein Buch: "Mit dem schwarzen Hund leben"
- hält eine Fülle praktischer Ratschläge bereit - darüber, wie man eine Depression frühzeitig erkennt, was man dagegen tun kann und was man lieber bleiben lässt, vor allem aber auch darüber, wie Angehörige helfen können, ohne dabei selbst krank zu werden. http://www.kunstmann.de/titel-0-0/mit_d ... leben-650/

Beratung zum "schwarzen Hund": Psychologische Beratung für betroffene Paare und Familien von der Katholischen und Evangelischen Kirche in Freiburg. http://www.buendnis-depression.de/depre ... tellen.pdf


Landesärztekammer Baden-Württemberg:
Patienteninformation "Einfach nur traurig - oder depressiv? www.aerztekammer-bw.de/20buerger/30pati ... on_kip.pdf
Patienteninformation "Depression – Ratgeber für Angehörige" www.aerztekammer-bw.de/20buerger/30pati ... ge_kip.pdf


aus: Nützliche Adressen und Links für Depressive und Angehörige aus Freiburg und Umgebung.
7. Und was sonst noch für Depressive gut sein kann.
http://www.diskussionsforum-depression. ... 1299703643
julcas
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Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von julcas »

Hallo Bianca,

mein Freund ist seit vielen Jahren krank, lange unbehandelt.

Ich denke auch das du von deinen Lieben Akzeptanz erwarten darfst. Ich habe gelernt die guten und schlechten Tage zu akzeptieren. Verstehen kann ich diese Krankheit nicht. Ich habe viele Bücher gelesen, mich im Internet erkundigt, hier im Forum ausgetauscht. Ich weiß das es die schlechten Phasen gibt und in dieser Zeit grenze ich mich ganz bewußt ab. Ich weiß auch das es meinem Freund in diesen schlechten Phasen nicht möglich ist, mit mir zu kommunizieren, oder gar auf meine Gefühle einzugehen.

Mein Alltag wäre leichter, könnte mein Freund mir mitteilen, wie es ihm geht, kann er aber oft nicht.

Auch ich finde dies sooo anstrengend (erahnen müssen, raten müssen), kann es jedoch nicht ändern.

Zum Glück gibt es ja auch die besseren Zeiten. Da tanke ich Kraft.

Ich finde den Tipp deinen Lieben Literatur zu empfehlen ganz gut. So sind keine großen Erklärungen notwendig, wenn du keinen Kontakt haben kannst.

Ich wünsche dir alles Gute.

lg julcas
feuerfisch
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Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von feuerfisch »

Hai Bianca

ich bin selbst auch Betroffene.

Ich habe früher viel gerade in diesem Teil des Forums gelesen. Und das aus genau dem Grund weshalb du fragst. Hier habe ich gelernt welche Aussagen von mir die Menschen in meiner Umgebung verletzt haben ohne das ich das wollte. Vieles von dem was ich sagte war NUR gegen mich gemünzt - wurde aber ganz anders aufgenommen.

Hier habe ich gelernt!
Manche Sätze verkneife ich mir schlicht und einfach - und andere formuliere ich um.

Übrigens bin ich Depri seit ich Kind war - aber letztes Jahr hat es bei mir einen großen `Knacks´ gegeben.....und seither lerne ich mich neu kennen.

Nichts muss bleiben wie es war.
Du mußt dich nicht der Krankheit ergeben, sondern kannst sie in dein Leben integrieren.
Du BIST anders - na und?
Mit Jeder Krankheit kann man lernen zu leben, auch mit dieser!

*Viel Erfolg*
Es gibt 1000 Gründe alles beim Alten zu lassen und nur einen einzigen etwas zu ändern - DU HÄLTST ES EINFACH NICHT MEHR AUS!
Sommerland
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Registriert: 9. Aug 2012, 08:21

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Sommerland »

Hallo Claratheres,

ich war seit 2005 eigentlich in jedem Jahr 2 Mal mehrwöchig stationär in Behandlung. Habe außerdem 3 Jahre Psychotherapie hinter mich gebracht und habe diverse Medis ausprobieren "dürfen".

Mit der Erkrankung hat sich viel geändert: Mann weg, Haus weg, Job weg, Freunde weg, Optimismus weg, mehrere Versuche, dem Ganzen ein Ende zu setzen sind gescheitert ...

Hab dann versucht, mein Denken zu ändern, Sport in meinen Alltag integriert und mehrfach versucht, mich Gruppen anzuschließen.

Jetzt zieh ich grad Bilanz. Und stelle fest, dass alles Bemühen und gegen die Krankheit angehen fruchtlos bleibt...

Liebe Grüße
Bianca
Irgendwas is ja immer...
Sommerland
Beiträge: 216
Registriert: 9. Aug 2012, 08:21

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Sommerland »

Hallo Pia,

Du schreibst:
"...Auch Angehörige sind nur Menschen und eine psychische Krankheit (achtung: wertfreie Schilderung meiner persönlichen Ansicht) ist anstrengend, belastend und der Angehörige braucht ganz, ganz dringend Raum, Kraft zu schöpfen."

Wertfrei - das ist manchmal gar nicht so einfach. Denn grade wenn man über das eigene Unvermögen spricht, ist es nicht einfach, den anderen damit nicht zu belasten...

Ich hab bisher noch keinen guten Weg gefunden. Angehörige werden im Gespräch irgendwie immer auch zu Betroffenen. Oder?

Liebe Grüße
Bianca
Irgendwas is ja immer...
Sommerland
Beiträge: 216
Registriert: 9. Aug 2012, 08:21

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Sommerland »

Hallo Feuerfisch!

Sorry - aber beim Lesen Deiner Antwort werd ich grad sauer!!!

Nichts muss bleiben wie es war?
Lernen zu leben, auch mit dieser Krankheit?

Ich find deinen Beitrag oberflächlich und platt! Helfen dir solche inhaltsleeren Hülsen????

Hört sich für mich an wie :"Tun Sie sich doch mal was Gutes..."

Bianca

P.S.: Mir fehlt wohl noch der entscheidende "Knacks"...
Irgendwas is ja immer...
bigappel
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Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von bigappel »

Hallo Feuerfisch,

danke, für Deinen tollen Beitrag (das meine ich ganz genau so, wie ich es auch schreibe).

Einerseits macht er mir Mut, andererseits trifft er mich momentan bis in ´s Mark.

Auch mein Mann ist seit seiner Kindheit betroffen; die Persönlichkeit ist verändert.

Ich bin schon einige Zeit an seiner Seite, aber es läuft so langsam aus dem Ruder.

Obwohl ich vermute, dass auch er diverse Statements letztlich auf sich bezieht, so kann ich es nicht mehr verhindern, wiesehr mich seine diversen Ansagen verletzten, zutiefst verletzten; sein Verharren, seine Resignation, sein durch Passivität akzeptieren der Erkrankung.

Ich selber, empfinde Deine Lebenseinstellung (mit der Erkrankung lernen zu leben) auch als meine Lebenseinstellung...... alleine habe ich jedoch keine Chance.

Mein Mann kommt nicht an den Punkt, mit der Krankheit aktiv leben zu wollen.

In meinen Augen habe ich das mir möglich getan;
in meinen Augen habe ich durch die vielen Jahre an seiner Seite inklusive aller damit verbundenen Besonderheiten einer "Beziehung" Akzeptanz, Verständnis und Liebe bewiesen..... aber nichts kann ihn bewegen, leben - mit mir - zu wollen.

Es tut nur noch unendlich weh.

Wir hätten eine Chance gehabt, oh ja.

Aber einen Partner, der vor mir flüchten muss, in der wenigen gemeinsamen Zeit, die der Alltag mit sich bringt....... ein Partner, der den Rückzug vehement abstreitet (der ihm meinerseits jederzeit gewährt werden würde, allerdings würde ich gerne "nicht Gedankenlesen" müssen, sondern dies von ihm erfahren - er zieht sich mental zurück, nicht auch körperlich ) , der immer und immer wieder, jahrelang sagt: ich will mit Dir leben, ich will Dich, ich will diese Familie, der aber sich jahrelang gegenteilig verhält und dann auch noch sagt, er muss vor mir flüchten........... nein, den habe ich nicht verdient.

Ich halte diese Beziehung derzeit nur noch aus. Mehr nicht.
Ich nehme momentan vieles nur noch persönlich. Meine Grenze ist emotional überschritten.

Ich weiss nicht, wielange noch, bevor
i c h flüchten muss.......

Wir hätten wirklich eine Chance gehabt.

@ Bianca: ich spreche hier von meinem Mann
und seiner Erkrankung nebst Auswirkung auf mich.

Feuerfisch; ich freue mich mit Dir, dass Du "die Kurve" bekommen hast.

Viele Grüße
Pia

@ Bianca: Angehörige werden zu Betroffenen?

Ja, ich als Angehörige bin sehr betroffen davon, wie sich die Beziehung zu meinen Mann entwickelt hat.

Wäre es nicht entsetzlich (oder ein Zeichen tiefer Depression, wenn Gefühlslosigkeit da ist) , wenn die Angehörigen nicht
b e t r o f f e n wären.

Würde ich nicht über die Entwicklung der Beziehung mit / zu meinem Mann trauern, wäre es leichter, sicherlich: aber auch verdammt
arm.

Ich bin froh, fühlen zu können;
es ist leben, dass auch negative Gefühle von Zeit zu Zeit dazu gehören und Trauer:

aber ich kann diese aktiv leben.
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
Deprus
Beiträge: 90
Registriert: 7. Jun 2011, 00:16

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Deprus »

Hi Pia,

ich bin selbst seit Jahren Depressiv.

Was du für Verhaltensweisen von deinem Mann beschreibst, muss ich sagen, er hält sich voll und ganz an das, was eine Depression an einem Mann hervorrufen kann. Ich kann da nichts erkennen, das er vielleicht kreativ aus eigenen Stücken hinzugefügt hat.
Auch wenn dir das nicht hilft – das scheint bei euch die Realität zu sein.

Ich möchte noch mal auf die Bücher die ich weiter obern empfohlen habe hinweisen.

Habt ihr es schon mal mit Selbsthilfegruppe aus probiert?
Er als Mann wird sich fürchterlich schwer tun da hin zu gehen. Das ist Männerkarma zur Depression.
Für dich wäre vielleicht eine Angehörigengruppe hilfreich. Für Frauen ist sowas meist einfacher und auch schneller erfolgreich.

Falls es die in eurer Nähe nicht gibt, Neugründung wird von Selbsthilfebüros unterstützen. Bedarf gibt es überall in Deutschland dafür.
Unterstützung findest du unter: http://www.nakos.de/site/datenbanken/

Du hast bei den Gesetzlichen Krankenkassen einen Anspruch auf eine Behandlung/ innere Klärung für dich, wenn du nicht mehr weiter weist, bei einem Psychologen.


Hier lokal haben wir eine Sammlung angelegt: „Nützliche Adressen und Links für Depressive und Angehörige aus Freiburg und Umgebung.“
http://www.sho.rtlink.de/DepriFreiburg
Sommerland
Beiträge: 216
Registriert: 9. Aug 2012, 08:21

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Sommerland »

Hallo Pia!

Klar, dass dich selbst betrifft, was oder wer dir das Leben erschwert! Schlimm, wenn es die Krankheit des eigenen Partners ist. Und beide machtlos sind.

Du hast ein Leben - das stimmt. Er auch. Als Depressive kann ich diesen Satz von dir verstehen: ..."Ich bin froh, fühlen zu können; es ist leben, dass auch negative Gefühle von Zeit zu Zeit dazu gehören und Trauer..."

Und das "von Zeit zu Zeit" und der "Trauer" unterscheidet die Gesunden eben von den Kranken...

Dir wünsche ich ganz viele schöne Momente und Kraft.

Liebe Grüße
Bianca
Irgendwas is ja immer...
bigappel
Beiträge: 1488
Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von bigappel »

Hey Deprus;

ich kann einer öffentlichen Bibliothek mit Büchern zu dem Thema Konkurrenz machen
.

Selbsthilfegruppe ist schön und gut;
es mangelt mir weder am Verstehen, noch an eigenem Leben, noch an Freunden: allerdings am Partner.

Ich weiss, ein Betroffener kann in der Situation nicht anders..... das kann kann eben auch Jahre, Jahrzehnte gehen.....

Ich als Angehörige kann mich um mich kümmern, kann mein Leben leben, kann gut zu mir sein..... alles kein Thema.

Da bin ich geübt.

Was ich nicht kann, ist dauerhaft Pflegerin und Putzfrau sein und nichts anderes.

Das meine ich nicht als Vorwurf und ich rede auch nicht von vorübergehenden Lebensabschnitten; sondern von dem, was bei uns sich die letzten 3 Jahre - überwiegend - als Alltag herausgestellt hat:

ich habe bisher immer die Auffassung vertreten: wenn ich Singl wäre - so lebe ich ja nunmal im Hinblick auf Partnerschaft - wäre ich ja auch überall alleine, müßte mich alleine kümmer usw.

Allerdings gäbe es den pflegerischen Part dann nicht und den Putzfrauenpart in der Weise auch nicht.

Bei allem Verständnis für die Erkrankung, aber ich bin in erster Linie Ehefrau und nicht Pflegerin.........

Ich bin zwar privat versichert, trotzdem habe auch ich mir therapeutische Unterstützung diesbezüglich gesucht:

Ergebnis: wollen Sie ggf. (wenn es schlecht läuft) den Rest ihres Lebens Pflegerin sein?

Ehrliche Antwort unausgesprochen von mir bisher, weil ich mich in Grund und Boden schäme: nein, ganz sicher nicht.

Das reicht mir nicht als "Partnerschaft".

Ich entdecke neuerdings Seiten an mir, die mir nicht gefallen, die in mir Schuldgefühle auslösen, obwohl ich weiss, dass sie nicht berechtigt sind, ich weiss, dass es anderen Angehörigen genauso geht...... ich kann schon selber eine Selbsthilfegruppe leiten.

Ich weiss, dass es nicht richtig ist, wenn ich nach 10 Stunden Arbeit nach Hause komme, mich um Kind, Haushalt, Tiere, Haus und Freunde, Hobbies kümmere, absolute zeitliche Bestorganisation hinlege und dann meinen Mann am PC sitzen sehe, bei dem halt "nicht mehr geht", dass es nicht richtig ist sauer zu sein.

Das dies ungerecht, gemein und fies ist;
weil der Mann tatsächlich krank ist.
Daran herrscht nicht der Hauch eines Zweifels.

Dieses schädliche Verhalten hat selbst der größte Eigenbrödler nicht.

Aber es ist so.
Diese Gefühle, es nicht mehr ertragen zu können, dass mein Mann in all den Jahren keine Aktivität entwickelt hat, gesund werden zu wollen (so erscheint es aus meinen Augen).

Kein Therapie, nicht das Haus verlassen, keine Freunde, keine Interessen......

Ich fühle mich schlecht, diesen kranken Mann wieder allein zu lassen ggf.
Aber ich werde es tun.

Und was gar nicht geht, sind diese - das ist neu - dauernde Vorwürfe an mich.
Mein Mann hat sich mich genauso ausgesucht, wie ich bin.

Aktiv, aktiv, aktiv und nochmal aktiv und ich bin es gerne.
Aktiv sein und Veränderung bedeutet für mich leben.

Er hat sein Tempo, ich meines.
So, wie er nicht möchte, dass ihm das vorgehalten wird, so lasse auch ich mir das nicht gefallen.

Ich verstehe, dass es dem Ego nicht gut tut, selber Denkblockaden zu haben, verlangsamt zu sein und was weiss ich noch.
Es ist mit Sicherheit hart, zuzusehen, wie andere Menschen dies & das mit Leichtigkeit erledigen.

Aber das liegt auch nicht in meiner Verantwortung.

Krank hin oder her: den Respekt, den ein Betroffener einfordern nebst Verständnis, das sollte er wohl dem Angehörigen gegenüber auch gewehren und wenn er es krankheitsbedingt nicht kann: dann ist es logisch, das sich das Gegenüber das nicht gefallen läßt oder alternativ: es sich gefallen läßt und künftig mit im Doppelzimmer in der Psychatrie sitzt.

Ohne seinen Willen, ohne seinen Weg keine Genesung, daran kann auch ich nichts verändern.

Es geht nicht um Schuld, mir jedenfalls nicht, aber um meine Trauer, dass unsere "Beziehung" nicht anders gestaltet werden kann und vor allem meine Einsicht, so dauerhaft nicht leben zu können.

Es tut einfach weh.

@ Bianca: Danke!

LG
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von julcas »

Liebe Pia,

was kann ich dir schreiben? Ich lese dich, ich nehme deine Verletztheit wahr und ich kann dich sehr gut verstehen. Raten kann ich dir nichts, ausser,

vielleicht ist eine vorübergehende räumliche Trennung eine Möglichkeit für dich, euch ?

Ich habe wie du weißt in der Vergangenheit bei emotionaler Grenzüberschreitung meinerseits, meinen Freund in seine Wohnung "verbannt" Nicht weil ich ihn nicht mehr liebte, oder wollte sondern um mich selbst zu schützen.

Mir hat diese Trennung auf Zeit immer gut getan, ich hatte eben z. Bsp. nicht mehr das Gefühl Putzfrau und Pflegerin zu sein, konnte mich ausschließlich um mich kümmern und mir in Ruhe überlegen, was ich will, was geht und was nicht. Auch mein Freund kam während dieser räumlichen Trennung in Bewegung.

Klar bei uns ist das einfach, denn er hat ja seine Wohnung. Ich weiß nicht, ob ihr das bewerkstelligen könnt und ob es überhaupt eine denkbare Geschichte für euch sein könnte.

Ich biete dir eine virtuelle von Herzen kommende Umarmung an und wünsche dir viel Kraft und noch mehr Selbstliebe.

lg julcas
Gerbera
Beiträge: 619
Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Was versteht Ihr "Angehörigen"?

Beitrag von Gerbera »

Hallo Bianca,

irgendwie entwickelt sich Dein Thread gerade von Dir weg, und irgendwie auch nicht.

Ich bin selbst Betroffene und habe den Eindruck, dass Angehörige aller Art, angefangen bei der Familie über Freunde und Bekannte zu Kollegen nicht nachvollziehen können, wie es ist, depressiv zu sein.

Umgekehrt ist es mir während der Depression sehr schwer gefallen, nachzuvollziehen, warum manches von dem, was ich gesagt und getan habe, so vollkommen anders angekommen ist, als es gemeint war.

Mir geht es inzwischen Gottseidank wieder ziemlich gut, aber auch aus der heutigen Sicht lese ich Beiträge wie den von Pia mit sehr zwiespältigen Gefühlen. Zu sehr verstehe ich noch ihren Mann. Andererseits verstehe ich zunehmend auch sie.

Mir hat vor einiger Zeit jemand, den ich sehr schätze, den Vorwurf gemacht, ich hätte ihn über viele Monate falsch verstehen WOLLEN. Mein spontaner Gedanke dazu: es liegt soviel Leid für einen selbst darin, Worte/Taten oder unterlassene Taten so zu interpretieren, wie ein Depressiver das nun mal tut, gegen sich gerichtet nämlich, dass das niemand absichtlich tun würde. Diese Botschaft ist aber offenbar schwer zu transportieren.

Liebe Angehörige, auch ich frage mich, was versteht Ihr, die Gesunden, von dem, was ein Depressiver denkt und tut oder eben nicht tut?

Ich werde vermutlich nie verstehen, wie jemand, der mich seit Jahren kennt, glauben kann, ich hätte meinen wahren Charakter in all der Zeit gut verborgen, und jetzt wäre er plötzlich zum Vorschein gekommen, statt mir zuzugestehen, dass ich lebensgefährlich erkrankt und streckenweise nicht mehr Herr meines Tuns war.

Dein Thread, liebe Bianca, geht mir an die Nieren!

Ich wünsche Dir, dass Du Antworten für Dich findest. Mir ist es bisher nur mangelhaft gelungen .

Viele Grüße und alles Gute auf Deinem Weg mit und aus der Krankheit!

Gerbera
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