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Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 10. Feb 2013, 10:55
von Zen
Hallo zusammen,

mein Leben mit meinem depressiven Mann dauert schon 16 Jahre.
Wenn ich diese Zahl jetzt so lese, denke ich, dass kann doch nicht wahr sein. Doch, ist es aber.
Was vor 16 J. relativ harmlos anfing, ist heute ein Leben mit einem schwerst Kranken.
Theresa Enke hat nach dem Freitod ihres Mannes im Fernsehen gesagt " Ich hab es mit Liebe versucht ".
Ich auch. Dann kam irgendwann Wut und Zorn dazu. Wut und Zorn wichen dann der Gleichgültigkeit und irgendwann war es mir egal, wie es meinem Mann geht.
Mir war es egal, ob er 1 Woche, oder 3 Monate keine Körperpflege betrieb.
Mir war es egal, ob er 10 Std.oder tagelang im Bett lag. Mir war es egal ob er aß, oder nicht.

Ein Beitrag hat hier die Überschrift " Wie haltet ihr das aus ?".
Was mich betrifft, eigentlich gar nicht und irgendwie doch.

Ich weiß nicht wie viel Psycho Pillen mein Mann die letzten Jahre schon geschluckt hat, wie viel Therapiestunden er hinter sich hat. Wie oft er im KH. war.
Er war der Musterpatient in den Kliniken, nur zu Hause, viel er wieder in den alten Trott. Von Umsetzung, was er gegen seinen Zustand machen soll, damit es ihm besser geht, keine Spur.

Denn das Gelernte umsetzen, erfordert Kraft und Disziplin.
Wenn man jahrelang, sich nur auf 10qm bewegt. Bett-Couch, Couch-Bett. Keinen Schritt mehr vor die Türe geht, keine Freunde mehr sehen will. Seine Gesundheit mit alles Gewalt ruiniert, ist man irgendwann, körperlich wie geistig nur noch eine Hülle, sonst nichts.

Silvester sagte er mir, dass er so nicht mehr weiterleben will.
OK, dachte ich nach 16 J. zusammenleben, soll ich dir jetzt das Glas Wasser für die Pillen holen oder später?

Nach 16J. bin auch ich nicht mehr der Mensch, der ich mal war. Ich habe meinen Glauben, an Ärzte, Psycho Pillen, Therapeuten verloren.
Sämtliche Bücher, die ich gekauft habe, landeten vor Jahren in der Tonne, weil ich es einfach nicht mehr lesen konnte,wie ich mich als Angehörige zu verhalten habe und sollte.

In den Angehörigen Gruppen, die ich besuchte, gab es jedes mal Stress, weil ich Fragen stellte, die nicht gefragt werden sollten.

1000 mal hab ich mich von ihm getrennt und 1000 mal bin ich doch geblieben. Mutter Theresa Syndrom? Ich hab keine Ahnung.

Seid Mittwoch ist er wieder in der Klinik, denn eine Therapie steht noch aus.
Die EKT Therapie, auch Elektrokrampf Therapie genannt.
Sie ist unsere letzte Hoffnung.

Ob es überhaupt bei meinem Mann machbar ist, steht in den Sternen, denn seine Lungenfunktion ist gleich null.
Er hat durch seine Depression sich körperlich so heruntergewirtschaftet, das er jetzt auf der Lungenstation liegt, anstatt da wo er eigentlich hingehört, auf der Psychiatrie.

Mal sehen, was mich gleich im KH. erwartet.

Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben.

Wünsche allen die sich hier durchgelesen haben einen schönen Sonntag.

Gruß
Sammie

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 10. Feb 2013, 14:47
von MUT65
Willkommen Sammie,

beim Lesen bekam ich Bauchweh...unglaublich was Du all die Jahre mitgemacht hast. Mein Partner ist erst seit einem Jahr schwerer betroffen und hat sich vor 11 Wochen getrennt, weil er allein sein will.

Wie hast Du ihn kennengelernt? Gab es einen Auslöser für seine Depression?
Du schreibst selbst, das es seit Jahren keine Partnerschaft mehr ist - was hält Dich, wo bleibst Du als Frau bei der Geschichte?

Dass Du noch immer nicht die Hoffnung verloren hast, zeigt mir, dass Du ihn noch immer liebst, ich hoffe Dein Partner weiß das zu schätzen....

LG

Mut

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 10. Feb 2013, 17:34
von sunshine45
Liebe Sammie,
das tut mir so leid.
Ich habe Dir eine mail geschickt. Bitte melde Dich mal!
Liebe Grüße
von der Koboldin

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 10. Feb 2013, 18:19
von Zen
Hallo Mut,

danke das Du dir die Zeit zum lesen genommen hast.
Wie Du sicher gesehen hast bin ich im Forum kein Neuling. Ich glaube 2010 habe ich meinen letzten Beitrag verfasst.

Irgendwann hatte ich einfach keinen Bock mehr, zu lesen, zu schreiben um mich dann anschließend wieder zu entschuldigen, weil irgendein Betroffener es mal wieder in den falschen Hals bekommen hat.
Damals war ich froh, ein Forum gefunden zu haben, wo ich meine Ängste, meine Wut und auch meinen Frust niederschreiben konnte. Mich mit Menschen austauschen konnte, denen es ähnlich geht wie mir.

Aber viele haben es nicht verstanden, was ich mit meinen Worten ausdrücken wollte.
Oder es lag an mir, an meiner Wortwahl. Keine Ahnung.
Du fragst, was der Auslöser seiner Depression war.
Da kann ich nur vermuten, dass es an seiner Familie lag.
Als der Kontakt vor 13 Jahren zu seiner Familie ganz abgebrochen wurde, wurde es mit seiner Depression immer schlimmer.
Dazu gesellte sich dann noch beruflicher Ärger und irgendwann ging gar nichts mehr.

Als Angehöriger, ob Ehefrau, Freundin oder Familie steht man daneben und kann einfach nicht glauben, was da mit dem Partner passiert.
Heute wird ja offen über Depressionen gesprochen und diskutiert. Das war ja vor 16 Jahren ganz anders. Da sprach man das D. Wort nur hinter vorgehaltener Hand aus.
Für mich waren Depressive damals Sensibelchen, die ihr Leben nicht auf die Reihe kriegten. Sollen sich mal zusammen reißen, dann klappt das auch, so meine Denke.

Bis ich selber erlebt habe und noch erlebe, was eine Depression aus einem Menschen macht.

Hier im Forum habe ich einer Frau, die total verzweifelt war, weil ihr Freund sich getrennt hatte wegen seiner Depression, geschrieben, sie solle froh sein, das sie mit dem Thema Depression nichts mehr zu tun hat. Sie war geschockt, dass ich ihr so eine Antwort schicke.

Aber diese Krankheit zieht den stärksten Angehörigen mit runter, wenn man nicht aufpasst. Selber ist man schneller in diesem Teufelskreis mit drin, wie einem lieb ist.

Meinem Mann geht es den Umständen entsprechend. Man ist dabei, ihn Luftmäßig zu stabilisieren.
Ich hoffe ja, wenn das alles weiter so gut klappt, die EKT Therapie doch noch machbar ist.

Dir noch einen schönen Abend
Gruß
Sammie

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 10. Feb 2013, 18:26
von Zen
Spätzcken, ( Kobold )

Du hier ? Bin vonne Socken. Da freu ich mich aber.
Is schon verdammt lang her unser letztes Date
Klar, werde mich melden.

Gruß
Sam.

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 11. Feb 2013, 10:44
von Tabarka1
Hallo Sammie,
Was hält Dich bei ihm? Das ist die Frage, die sich mir aufdrängt und die ich mir fortlaufend selbst stelle, da mein Mann auch mit Depressionen unterwegs ist.
Hast Du Wünsche und Pläne für Dein Leben? Ich merke bei mir, dass ich die letzten Jahre wie in einer Warteschleife auf bessere Zeiten gelebt habe. Und es schmerzt mich das zu Schreiben und besonders das zu fühlen.
Mein Mitgefühl für Dich, hoffentlich gelingt die EKT
Tabarka1

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 11. Feb 2013, 15:50
von Zen
Hallo Tabarka,

wir brauchen uns nicht zu schämen für unsere Gefühle, dass wir uns mit unserem Partner ein ganz anderes Leben vorgestellt haben.
Das Lebensträume zerplatzt sind wie Luftballons, wegen dieser teuflischen Krankheit. Das ist einfach nur menschlich.

Ich habe weder eine Vergangenheit, noch eine Gegenwart, geschweige eine Zukunft mit meinem Mann.
Dir wird es nicht anders gehen.

Mein Mann legt mit keine Steine in den Weg. Ich kann alleine in den Urlaub fahren, alleine aus gehen, alleine shoppen fahren, alleine spazieren, alleine Essen gehen, alleine, alleine , alleine.....

Du fragst, was mich hält.
Darauf kann ich Dir keine vernünftige Antwort geben.
Ich weiß wie er vor seiner Krankheit war und ich will einfach nicht aufgeben, auch wenn er es schon oft getan hat.

Der Gedanke, es passiert etwas wenn ich ihn verlasse, läßt mich nicht kalt.

Es kommt auch immer auf meine persönliche Tagesform an. Mal kann ich mit der Situation gut umgehen, mal weniger gut. Und oft auch gar nicht.
Dann wünsche ich mir, dass es irgendwie aufhört. Wie ist mir egal. Ich lasse diese Gedanken dann auch zu. Sie gehören einfach zu mir und ich weiß sie gehen auch wieder weg.

Wünsche für mein Leben habe ich natürlich auch, aber ich bin realistischer geworden.

Heute kann ich mich über den Piepmatz vor meinem Fenster, über das Schneeglöckchen das aus dem Schnee guckt, oder über meine Katzen die sich schnurrend an meine Seite legen freuen.

Durch die Krankheit meines Mannes habe ich einen anderen Blickwinkel bekommen auf das was man Leben nennt.

Auch ich wünsche Dir viel Kraft für die Zukunft.
Lieben Gruß von
Sammie

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 11. Feb 2013, 18:03
von Tabarka1
Hallo Sammie,
Ich habe selbst Angst davor zu lange auszuhalten. Und dann die Selbstachtung zu verlieren. Und wann genau muss/soll ich gehen. Wieviel alleine kümmern mit Gemecker als Dank brauche ich noch?
Auch ich fahre "alleine"in Urlaub. Allerdings mache ich das mit unserer Tochter, also nicht ganz alleine. Und bin dann doch, wenn er nicht erreichbar ist mit dem Kopf zu Hause - beim letzten Mal drei Tage.
Über Ostern möchte ich etwas Neues wagen in den Osterferien. Ich habe für meine Tochter und mich meine Traumreise gebucht und warte nicht mehr auf ihn. Es ist ja auch mein Traum. Es ist diese Warteschleife, die mich zermürbt. Gibt es denn Neuigkeiten von Deinem Mann? Geht EKT? Bald?
Darf ich Dir eine warme Umarmung schicken?
LG Tabarka

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 11. Feb 2013, 20:22
von Zen
Hallo Tabarka,

gerne lasse ich mich von dir umarmen. Damit machen wir uns ja beide Mut.

Warum verlierst du deine Selbstachtung?
Und deine Frage, wann sollst/ musst du gehen, die Frage kannst nur du dir nur selber beantworten.

Es ist unsere Entscheidung, dass wir bei unseren Partnern bleiben. Es zwingt uns niemand. Wir können jederzeit gehen.
Ich habe keine Kinder, ich brauche nur für mich sorgen.
Habe einen guten Job, nette Freunde und auch keine Angst vor dem allein sein.
Ich genieße jetzt sogar die Zeit, wo mein Mann im KH. ist.
Er ist versorgt und ich habe meine Ruhe, die ich dringend nötig brauche.

Wir kennen uns jetzt 22 Jahre und das verbindet natürlich.
Immer wieder rufe ich mir auch ins Gewissen, er ist krank und sein Verhalten mir gegenüber ist nun mal das eines Kranken. Dann sage ich mir, nimm es nicht zu persönlich.

Habe lange, lange gebraucht das zu kapieren und zu akzeptieren.

Ich kenne das auch nur zu gut, das Leben in der Warteschleife, darum finde ich es sehr gut, das du deinen Traumurlaub auch alleine mit deiner Tochter machst.

Freue Dich darauf, das hast du dir verdient.
Denn ein zusammenleben mit einem depressiven Menschen ist schon schwer genug.

Es grüßt und umarmt dich
Sammie

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 11. Feb 2013, 21:51
von MUT65
Liebe Sammie,

ich hatte in anfangs nicht bemerkt, dass Du hier schon ein "alter Hase " bist - lieben Dank für Deine Antwort.

Auch mein Partner hat sich innerhalb seiner schweren Depression getrennt - ob ich darüber "froh" sein sollte, weiß ich noch nicht....

Dir, Deinem Mann und Deiner Zuversicht alles Liebe und Gute.

LG
Mut

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 11. Feb 2013, 22:07
von Ulysses
Hallo Sammie,

ich habe schwer geschluckt, als ich Deine Zeilen gelesen habe. Ich wünsche Dir alles Gute und dass das Fünkchen Hoffnung weiterglimmt und kräftiger werden kann.

Der Satz von Dir:
"Durch die Krankheit meines Mannes habe ich einen anderen Blickwinkel bekommen auf das was man Leben nennt."
hat mich sehr berührt.

Ich kann den so auch unterschreiben, mit dem Unterschied, dass mir meine eigene Krankheit den Blickwinkel aufs Leben völlig verändert hat. Und als ich in den letzten eineinhalb Jahren bei meiner Partnerin die Depression als Angehörige von außen erlebt habe, gab und gibt es wieder ganz neue Blickwinkel.

Und ja, liebe Mut, "froh" kann man sicher nicht sein über eine Trennung. Könnte ich auch nicht. Ich glaube, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann, und trotzdem weiterzugehen und mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich ändern kann, das ist eine der ganz großen Lektionen im Leben. Und die Depression mit ihren vielen Gesichtern ist für mich eine große Lehrerin, genau dafür.

Liebe Grüße

Ulysses

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 08:56
von bigappel
Guten Morgen zusammen,

worauf bezieht sich denn das Fünkchen
Hoffnung?????????

Darauf, dass vollständige Heilung entsteht?
Darauf, das wieder alles wird wie früher?

Liebe Sammie,

16 Jahre sind eine lange Zeit.
Auch eine lange Krankheitszeit.

Auch mein Mann ist viele Jahre krank;
er war es wohl schon, als wir vor 30 Jahren
erstmalig zusammen waren als Teenager.

Dazwischen lag eine lange Zeit, in der wir nicht zusammen gelebt haben / Beziehung hatten.

Deine Zeilen, liebe Sammie, machen mich sehr betroffen.

Betroffen in vielerlei Hinsicht: am meisten jedoch in die Richtung: warum hast Du in diesen langen Jahren nicht für Dich abgeklärt, warum Du bleibst?

Willst Du es nicht wissen?

Du schilderst das gemeinsame Leben in der Weise, dass es keines mehr gäbe.
Soweit war ich in schweren Zeiten auch schon; allerdings habe ich für mich entschieden und festgestellt, dass ich auch - ungern - aber sehr gut ohne meinen Mann leben kann, das Leben gestalten kann und dass mir persönlich das Leben zu kostbar und zu kurz ist, dauerhaft entweder das Leben eines depressiv erkrankten Menschen mitzuleben oder, wenn ich feststelle, dass ich mich in vielen Bereichen einsam fühle, dies so nicht leben möchte.

Daher wieder die provokative Frage:

was hält Dich bei diesen - Deinen - Worten
- über Eure Nicht-Beziehung - ?

LG
Pia

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 09:17
von Lerana
Hallo Sammie,

auch mich macht dein Posting sehr betroffen und ich finde die Frage von Pia mehr als berechtigt!

Um ehrlich zu sein, dein Posting klingt bitter.

Mein Mann ist bestimmt schon viele Jahre erkrankt, aber erst seit kurzem in Behandlung und obwohl es von außen bestimmt so aussieht, als wäre es sinnvoll, niemals dazu bereit, in eine Klinik zu gehen. Und wir gehen im Moment in Minischritten in ein gute Richtung!

Warum bleibe ich? Warum beende ich das nicht, obwohl mein Mann eine zeitlang sogar mir gegenüber aggressiv (nicht körperlich!!), abweisend, zornig und alles andere als liebvoll war. Die Frage stelle ich mir wieder und wieder und wenn mich eine Frage weiter gerbracht hat in den letzten zwei Jahren, dann diese.

Ich habe wegen dieser Frage (gut und wegen mittlerweile depressiver Symptome, die nicht mehr zu leugnen waren) eine Therapie begonnen und fühle mich nach zwei Jahren nicht mehr gefangen in meiner Beziehung, nicht mehr ausgeliefert, sondern empfinde mich als selbsständig und völlig freiwillig in genau dieser Situation!

An Kanreval sprach mich jemand an und sagte: Und du bist? Und ich antwortetet: Selbstständig! - Ja, er war doch etwas irritiert, aber das war mir egal, denn es ist genau das Gefühl, das mir so viel bedeutet.

Diese Frage hat mich so weit gebracht und ich bin daran gewachsen. Es ist schlimm mit einem Menschen, dem scheinbar nichts hilft so lange einen gemeinsamen Weg zu gehen und ihm dabei zuzusehen, wie er leidet. Auch für mich ist es immer wieder schwer, zu erleben, dass mein Mann am liebsten alleine oder mit mir ale seelische Mülltonne im Wohnzimmer sitzt und verzweifel über die Entscheidung, ob er es aushalten kann, wenn jetzt ein gemeinsamer Freund mit seinem Sohn kommt, weil sich unser Sohn eine Spielverabredung gewünscht hat. Er kann dann nicht mal sagen, es wäre mir lieber du führest dahin. Ich glaube, auch wenn mein Mann noch arbeitsfähig ist, kann ich mir ein kleines Bild machen, wie schwer das sein muss und will dir das nicht absprechen.

Ich möchte mich jedoch unbedingt Pias und vorher auch Trabakas Frage anschließen, denn meiner Erfahrung nach, kann sie ein Schlüssel sein, ein Schlüssel gegen Bitterkeit allemal aber auch einer zu mehr eigener Zufrienheit und in unserem Fall einer in Richtung gemeinsamer Bewegung!

Herzliche Grüße
Lerana

PS. Liebe Pia ich hoffe du hast Karneval gut überstanden!

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 10:14
von Ulysses
Liebe Pia, liebe Lerana,

danke, ihr habt mit euren Posts Worte gefunden, die mir gefehlt haben. Bei alle Betroffenheit sind auch mir diese und ähnliche Fragen im Kopf herumgeschwirrt.

Sammie, ein Satz von Dir ist mir richtig eiskalt über den Rücken gelaufen:
"Ich habe weder eine Vergangenheit, noch eine Gegenwart, geschweige eine Zukunft mit meinem Mann."
Und mein erster Impuls war: Dann schaff Dir Deine eigene Zukunft, ohne ihn.

Die Phasen von Verletztheit, Wut, Gleichgültigkeit, die Du beschreibst, kennt zum Teil wohl jeder, der lange Zeit mit einer depressiv erkrankten Person zusammenlebt. Aber ich habe meiner Partnerin deutlich gesagt, dass sie von mir nicht auf Dauer Gleichgültigkeit erwarten kann. Dass ich ihr die Freiheit geben will, ihren Weg zu finden, aber dass es mir als Partnerin nicht egal sein KANN, z.B. ob sie isst. Dass meine Toleranzgrenze weit gesteckt ist, aber dass sie damit rechnen muss, dass ich Alarm schlage, wenn für mich gewisse Grenzen bei der Selbstgefährdung überschritten sind.

Ich habe darauf keine Antwort bekommen, aber ich habe gesehen, dass sie beginnt, nach Hilfe zu suchen. Auch wenn diese Schritte langsam passieren, ich könnte es auf Dauer nicht akzeptieren, wenn es sie nicht gäbe. Ohne Idee einer gemeinsamen Zukunft geht es für mich nicht.

Dazu noch eine Rückmeldung von mir als Betroffene: Meine heftigen Zeiten liegen nun schon viele Jahre zurück. Aber das Ausmaß, das Du beschreibst, hat mich sehr an mich erinnert. Gerade das völlige Herunterfahren der körperlichen Kräfte und das absolute "nur noch auf wenige qm existieren". Bei mir ging das ca, ein knappes Jahr. Und auch wenn es jetzt vielleicht provokativ klingt: Meine Rettung damals war, dass sich mein Partner getrennt hat. Auch mit der Aussage, das nicht mehr mittragen und ertragen zu können. Nicht verachtend, mit viel Mitgefühl, aber völlig verzeifelt und hilflos.

Zuerst dachte ich, das war's jetzt für mich. Aber erst dann fing die Motivation an, für mich selber zu handeln. Musste ich ja vorher nicht.

Das ist sicher nicht das, was Angehörige und Betroffene gerne lesen. Ich selber lese das auch nicht gern, weil ich hoffe, dass mir und meiner Partnerin heute dieser Schritt erspart bleibt, und weil es damals eine wirklich krasse Zeit war. Aber in der Rückschau muss ich es zugeben, es war gut so. Auch für mich.

Mehr kann ich dazu gerade nicht formulieren, das geht mir auch mit Jahren Abstand noch immer sehr nah.

Liebe Grüße

Ulysses

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 10:46
von sunshine45
Hallo,
ich kann all Eure postings gut nachvollziehen und verstehe Eure Einwände.
Ich war auch selbst jahrelang in einer destruktiven Beziehung (mit einem LG, der sich nicht behandeln lassen wollte) gefangen.
Glücklicherweise habe ich geschafft mich zu lösen. Das war ein sehr langer und schmerzhafter Prozess und ich habe dazu unterschiedliche Hilfestellungen benötigt.
Ich wußte nur, dass ich nicht mehr kann, aber ich konnte es allein nicht mehr ändern. Eine ganz schreckliche Erfahrung und ich möchte nie mehr in so eine Situation geraten.

Wenn man seinem Partner zur Seite steht und sieht wie schlecht es ihm geht, dann fällt es sehr schwer zu gehen, wenn man genau weiß, dass er allein nicht mehr zurecht kommt. In Sammie's Fall ist es ja so, dass ihr Mann schon etliche Therapien, Klinikaufenthalte etc. gemacht hat und das alles nicht gebracht hat.
Jetzt ist der Partner auch noch schwer körperlich erkrankt.
Da ist es dann schon schwierig genügend Wut und Egoismus zu entwickeln um zu gehen. Anders sieht es aus, wenn der Partner nicht bereit ist sich professionell helfen zu lassen.
Man gerät sehr schnell in eine Co-Abhängigkeit (ich glaube davon sind auch einige andere hier betroffen) und schafft es nicht sich zu lösen.
Dazu kommen noch ganz alte Muster die man lebt bzw. die einem anerzogen wurden.
Es ist einfach unethisch den erkrankten Partner allein zu lassen, schließlich hat man sich ja bei der Trauung auch gesagt " in guten wie auch in schlechten Zeiten".

Wenn man schon so viele Jahre mit einem schwer erkrankten Partner zurückgelegt hat, so klammert man sich an jeden Strohhalm der sich noch bietet. Schließlich möchte man ja nicht, dass man in der Vergangenheit komplett umsonst gekämpft und vieles aufgegeben hat.

Daher kann ich schon verstehen, dass Sammie vielleicht ein "Fünkchen Hoffnung" hat was diese neue Therapie angeht, denn eine Elektro-Therapie wurde bisher noch nie gemacht.

Aber grundsätzlich geht es ja auch um das Thema "Loslassen", damit man selbst nicht untergeht. Jeder hat da seine eigenen Grenzen und wenn man die mal für eine längere Zeit und sehr stark überschritten hat, so merkt man selbst nicht mehr, dass man gar nicht existiert.
Man funktioniert nur noch und versucht den Tag zu überleben und dabei können leider schon mal mehrere Jahre ins Land gehen.
Da ist es dann sehr schwierig aus diesem Hamsterrad auszusteigen.

Liebe Sammie, ich erinnere Dich nochmal ganz liebevoll an den Kinesiologen von dem ich Dir vor einigen Jahren mal erzählt habe.

Auch wenn es sich für Euch jetzt ganz schlimm anhört:
Wenn ich noch mal einen Mann kennenlernen würde, der schwer depressiv ist oder sogar noch andere psychische Erkrankungen hat, so würde ich nur noch rennen, rennen, rennen...

Liebe Grüße
von der Koboldin

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 10:52
von bigappel
Liebe Sammie,

nochmal ich .

Genau der von Ulysses zitierte Satz hat auch mir beim Lesen das Blut gefrieren lassen.....

Mein Mann ist auch ein stark Betroffener
(die Muster sitzen seit der Kindheit).

Insbesondere ist er fern von Therapie.
Er tut, macht, geht in Kliniken, nahm zig AD ´s: nix konnte ihm längerfristig helfen.

Bescheidene Zeit sicherlich nicht nur für den Angehörigen.

Allerdings kann ich aus meiner Erfahrung heraus schreiben: je klarer ich selber war und bin, desto besser funktioniert unsere Beziehung.

Mein Mann weiß ganz genau, wann ich etwas ganz genau so sage, wie ich es meine und dann auch umsetze.
Bisher hat er es geschafft, dann Hilfe anzunehmen (das geschah nicht im Rahmen von emotionaler Erpressung meinerseits, sondern indem ich einfach wußte, was ich will).

Mein Mann schafft es auch langsam, Veränderung für sich anzunehmen.

Er kann z.B. heute gut sagen und leben: nein, ich bleibe heute hier, gehe nicht mit...

Vermutlich fühlt er sich ein kleinesbißchen immer noch schlecht dabei, weil er "die Familie im Stich läßt" und nicht mitgeht, fährt, wie auch immer: aber er schafft dies immer, immer besser.

Ich glaube auch da war ich insofern eine Art Hilfe, indem ich statt zu rätseln, Gedanken versuchen zu lesen, wie es ihm denn gehen könnte, was er vielleicht leisten / verkraften könnte nunmehr viel klarer bin, in dem er weiß: es ist nicht mein Part zu erahnen, wie es Dir geht.

Ich habe Dich sehr gerne bei mir, aber es ist absolut o.k., wenn Du etwaige Grenzen von Dir achtest und lebst oder ausprobierst.

Probierst Du aus und gehst mit und es geht schief (Überforderung, Abgang in die Depri), hast Du eine Erfahrung mehr; ich kann es in keine Richtung ändern.

Allerdings ist die Aussage von mir "es ist in Ordnung, wenn Du nicht mit gehst, wenn Du nicht mit in Urlaub fährst usw. auch authentisch.

Authentisch bedeutet für mich in dem Fall:
es ist schade, dass er nicht dabei ist, aber ich habe keine negativen Gefühle dabei für ihn; auch keine "ist mir egal Gefühl", sondern kann diese Zeit sehr gut für mich nutzen; eine gewinnbringende Zeit für mich und letztlich auch für unsere Beziehung.

Deine Worte "ich fahre auch allein in Urlaub" klingen für mich unterschwellig wie: .. tue ich, will ich aber gar nicht.
Das ist doof. So will ich nicht leben..."

Ist das ein falscher Eindruck meinerseits?

Für uns beide ein sehr guter Weg, wie es derzeit läuft.

Verändert sich die Situation des Lebens wieder, werde ich erneut prüfen, ob ich mitgehen kann.

Nochmal LG
Pia

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 11:06
von bigappel
Liebe Koboldin,

bei der organischen Situation wird voraussichtlich gar keine Elektrokrampftherapie stattfinden können.

Dies geschieht in Vollnarkose........ mit Lungenproblemen sicher nicht.

Ich kann Deine Worte gut nachvollziehen;
ja, es ist verdammt schwer einen kranken Menschen zu verlassen.

Aber zum Glück kann auch der Angehörige Hilfe annehmen.

Hilfe zum Herausfinden, wohin ich möchte und ggf. zur Stabilisierung einen kranken Menschen zu verlassen.

Verbitterung ist das Eine, selber krank werden, liebe Sammie, das andere.

Ich selber (so empfinde ich es) habe selber eine schwere - körperliche - Krankheit erfahren um zu verstehen, welchen Wert das eigene Leben hat, welche Grenzen ich zu wahren habe und dass ich es alleine schaffen kann.

Paß gut auf Dich auf!

LG
Pia

@ Lerana: fast geschafft .
Aber die nächste Session steht ja quasi
vor der Tür .
LG

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 11:52
von Tabarka1
Hallo Zusammen,
Was träume ich mir für mein Leben?
Was wünsche ich mir für mein Leben?
Was brauche ich in meinem Leben?
Was trägt mein Partner dazu bei?
Bei mir fast nichts. Es ist die Idee aus einer gemeinsamen Zeit, die mich trägt. Die Hoffnung, es könnte besser werden. Und nicht die Realität. Der Alltag. Aber er scheint mir etwas zu geben. Ist es das "Gebrauchtwerden" oder "die Einzige die ihn versteht" oder "beruflich erfolgreich mit Kind und krankem Mann - was für eine Heldin"?
Für mich ist heute die Frage: "was kann ich in dieser Beziehung noch lernen?"
Und ganz ehrlich mit mir zu sein. Was macht mir Freude? Darf ich scheitern?
Und was macht Dir Freude Sammie? So wirklich? Was wünschst Du Dir? Wo sind Deine Träume? Was ist wenn du heute wissen würdest, dass auch in 16 Jahren noch keine Veränderung passiert ist?
Mir macht gerade diese letzte Frage Angst, denn ich weiß, dass ich so nicht weiter will. Lieber würde ich dann einen behinderten Hund aufnehmen und pflegen, denn der ist wenigstens dankbar und freut sich auf mich. Und ich weiß nicht wie es weiter geht, außer so nicht. Aber vielleicht ist das ja auch ein Anfang.
Manchmal komme ich mir genauso ver"rückt" vor, wie mein Mann. Ich kümmere mich um ihn, das Kind, mache einen Superjob ... Und bekomme von ihm eher Mißachtung als Zuwendung, da er ja glaubt, dass er es nicht wert ist. Dann werde ich mit abgewertet.
Auf die Frage "was hält mich?" finde ich immer weniger eine ehrliche Antwort, die mich zufrieden macht. Es ist oft die Angst vor dem was kommen könnte, die mich hält. Und ich verliere meine "tolle" Lebensaufgabe.
Es ist so erstaunlich, dass positive Hoffnung auf ihn gerichtet ist und nicht auf mich. Was hoffe ich für mich? Und was bin ich bereit dafür zu tun?
Einen ganz herzlichen Gruß an euch Alle, die ihr ja mit ähnlichem unterwegs zu sein scheint. Mir tut es gut zu wissen, dass ich nicht alleine bin - Danke
Tabarka

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 14:48
von sunshine45
Liebe Tabarka,
Dein posting finde ich absolut klasse!
Das sind gute Fragen, die Du Dir da stellst.

Jede/Jeder von uns hier hat sein eigenes Muster, dass ihn dazu bringt an Dingen oder an einer Beziehung festzuhalten, die einem nicht gut tut.
Es ist wichtig sich mal ganz intensiv mit dem Thema "Helfersyndrom" oder dem Gefühl " gebraucht zu werden" oder "der Angst vor dem Alleinsein" oder oder oder auseinanderzusetzen.
Man kommt aus dieser Situation nur heraus, indem man als Angehöriger auch ganz hart an sich arbeitet und genau herausfindet was einem gut tut und was nicht.
Wenn dann dabei herauskommen sollte, dass die Trennung das Beste ist, so ist das kein Verrat, sondern dringend nötig um sich selbst zu schützen.
Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass ich erst geschafft habe etwas zu ändern, als ich mich selbst und meine "Macken" im Focus hatte.

Wie heißt es immer so schön bei "Frau Kallwass": Man kann den anderen nicht ändern, man kann nur sich selbst ändern!

Liebe Grüße
von der Koboldin

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 17:25
von Zen
Hallo zusammen,

danke für eure ehrlichen Antworten und für eure Fragen. Provokant hin oder her.

Ich möchte ein bisschen weiter ausholen, damit ihr mich versteht.
Kobold und ich kennen uns noch aus meiner aktiven Zeit hier im Forum.
Damals brauchte und suchte ich eine Plattform um meinen Frust von der Seele zu schreiben.
Unter der Überschrift " Aufgeben können wir uns später immer noch " habe ich hier mein, oder besser gesagt unser ganzes Leben von Anfang seiner Depression bis 2010 niedergeschrieben.

Ich war wie besessen. Wollte mit aller Gewalt den Urzustand meiner Partnerschaft wieder haben. Habe dafür auch viel getan, wie ich glaubte.
Ich war da für ihn, wenn er mich brauchte, hab ihn getröstet, wenn er weinte, hab ihn alles abgenommen, was zu anstrengend für ihn war. Ich hab das unmögliche, möglich gemacht, nur damit er wieder lacht.
Hat ihn jemand angegriffen ( mit Worten ) hab ich ihn verteidigt wie ein Löwe, ohne Rücksicht auf Verluste. Egal ob es sein Vorgesetzter, andere Familienmitglieder oder Freunde waren.

Ich hab mich um alles gekümmert.
Nur nicht um mich selber.
Und das der größte Fehler den ich machen konnte.
Nur, ich habe es einfach nicht kapiert.

Mein Frust, meine Wut wurde immer größer, dass übertrug sich natürlich auch auf unser Zusammenleben.
Ich wusste, mein Mann ist krank, aber wenn doch ich schon alles für ihn tue, warum gibt er sich dann keine Mühe und versucht seine Depression zu überwinden.

Meine Aussage, keine Vergangenheit mit ihm zu haben, bezieht sich darauf, wenn ein älteres Ehepaar zusammen sitzt und die Frage auftaucht " Weiß du noch " da klafft bei uns ein großes Loch. Dass macht mich sehr traurig.
Sicher haben wir eine Vergangenheit.
Vor seiner Depression, nach seiner Depression hat er seine und ich meine.
Gemeinsamkeiten fanden dort kaum statt.
Mit Gemeinsamkeiten meine ich, dass was das Leben so lebenswert macht.
Die Kleinigkeiten des Alltages, das gemeinsame erleben, das gemeinsame Lachen.

Die Gegenwart sieht z.Zt. auch nicht gerade rosig aus und was die Zukunft bringt, weiß ich nicht.

Es ist heute in unserer Ehe vieles noch bitter, aber ich bin nicht mehr verbittert.

Seit 3 Jahren bin ich selber in Psych. Behandlung.
Es ging nicht mehr anders.
Eines Tages sagte mein Doc zu mir " Sie versuchen mit aller Gewalt eine Lawine mit dem kleinen Finger aufzuhalten. Gehen sie an die Seite sonst werden sie überrollt und mitgerissen.

Dieses an die Seite gehen, klappt noch nicht so wie es sein soll, aber es klappt immer besser.
Ich lerne seine Depression zu akzeptieren, ohne das ich dabei unter gehe.
Gönne mir Auszeiten und genieße sie auch.
Alte Verhaltensmuster sind leider nicht so leicht zu durchbrechen und oft genug verhedder ich mich auch wieder.

Was mich hält ?
Wir leben jetzt 22 J. zusammen, haben viel durchgemacht und er ist immer noch mein Mann auf den ich mich verlassen kann.
Es herrscht ja nicht nur Krieg zwischen uns.
Es tut mir weh ihn leiden zu sehen, ohne das ich Mitleid mit ihm habe.
Aus Mitleid würde ich nicht bleiben.

Nicht er macht die Fehler, sondern ich.
Es ist nicht die Person, die mich so fertig macht, sondern seine Krankheit.

Mein Mann hat viel zu lange gewartet, professionelle Hilfe anzunehmen.
Von den ersten Anzeichen bis zum ersten Klinikaufenthalt vergingen 10 Jahre. Das ist jetzt 6 Jahre her.
Bis heute hat keine Pille, keine Therapie, ein Klinikaufenthalt eine Änderung hervorgebracht.
Körperliche Krankheiten kamen dazu und die Depression hinderte ihn daran, gegen diese Krankheit an zu kämpfen.
Heute ist er zusätzlich noch schwer Lungen krank.

Das Fünkchen Hoffnung ist die EKT Therapie.
Seine Lungenwerte sind z..zt ok und er soll in den nächsten Tagen auf die Psychiatrie verlegt werden.
Die EKT wird unter Narkose gemacht.
Ob es bei ihm machbar ist, kann ich heute noch nicht sagen.
Das macht mir natürlich auch angst.
Was wird, wenn es nicht machbar ist? Und was wird, wenn es klappt?

Wie hab ich schon mal hier geschrieben? " Aufgeben können wir uns später immer noch "
dazu ist später immer noch Zeit, jetzt denke ich erst mal positiv und und er zum Glück auch.

Danke fürs lesen

Gruß
Sam

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 19:42
von Tabarka1
Hallo Sam,
Danke für Deine Geschichte und ich verstehe jetzt mehr. Und ich selbst übe mich täglich auch darin auf mich zu schauen, für mich zu sorgen, mich gern zu haben.
Und es bleibt der Wunsch, dass mein Partner in Resonanz geht, mitschwingt. Dies tun oft andere und das tut auch gut.
Und es macht mich selbst traurig, dass ich meine Wünsche an Partnerschaft nicht mit meinem Partner besprechen kann, geschweige denn leben. Ich lebe eine Menage a trois - Mann - Depression - ich .
Und ich kann herrlich wütend sein, denn zur Depression hat mein Mann sicher die größere Nähe. Also seine Geliebte, sozusagen. Und mit ihr hat er dann auch das was Du als Vergangenheit bezeichnest. Eigentlich ist es ein Zustand wie getrennt, den wir als Partnerinnen von Depressiven nur anders leben, oder?
Wo ist der Raum für mich in der Partnerschaft? Gar nicht da? Wieviel darf, kann, muss ich fordern, um mich nicht weiter zu schädigen? Ist Paartherapie der Minimalweg? Darf ich gemeinsame Tätigkeiten einfordern? Spazierengehen z.B.?
Ich finde therapeutische Hilfestellung ganz wichtig und habe sie zum Glück bekommen. Und es fehlt so was wie der gemeinsame Therapeut, um obige Fragen noch ganz anders anzugehen, meine Therapeutin rätselt ja nur rum, was mit ihm ist. Ich habe mit ihm und unserer Tochter eine Familienreha mitgemacht. Da hatte ich das erste und einzige Mal den Eindruck, dass wir jede(r) verstanden wurden und alle Bedürfnisse Platz hatten. Zu Hause gibt's sowas leider nicht.
Oder geht bei euch gar nichts mehr? Also auch kein Gespräch?
Fühlst Du Dich denn auch gesehen in der psychiatrischen Station auf die er verlegt wird. Ich bin beim letzten Mal rausgeflogen. Angehörige störten dort.
Noch ein fester Drücker von mir für Dich
Tabarka
@koboldin: DANKE, das tut gut

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 12. Feb 2013, 23:49
von Yvonne84

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 13. Feb 2013, 11:52
von bigappel
Hey Sam,

danke für Deine Erläuterungen.

Nein, es ist nicht die Krankheit Deines Mannes, die Dich fertig macht.

Du hast objektiv betrachtet jederzeit die Wahl.
Wählst Du jeden Tag neu - wenn auch passiv - zu bleiben, so ist dies Deine Entscheidung, nicht die der Krankheit Deines Mannes.

Beispiel:
ich selber bin krebskrank.
Wenn ´s doof läuft tötet diese Krankheit mich irgendwann.

Diese ggf. Tatsache hat Auswirkungen auf meinen Mann; "genial", wenn man bedenkt, dass es sich auch noch um einen psychisch kranken Menschen handelt; aber es ist seine Aufgabe, daran nicht auch zu zerbrechen.

Zugegebenermaßen ein schweres Schicksal; aber wenige Menschen, die ihren Partner lieben, würden diesem wirklich zumuten wollen, beim Dahinsiechen zuzuschauen.

So wird dies auch Dein Mann nicht wollen.

Gott sei Dank gibt es in Deutschland eine gute medizinische Versorgung, so dass niemand mehr stirbt, wenn ein Angehöriger eine Pause braucht.

Gestehe Dir bitte Raum zu.
Raum, Luft zu holen. Auszeit von den Krankheiten Deines Mannes; dann kannst auch Du wieder Kraft tanken und vermutlich besser den Weg Deines Mannes weiter begleiten.

Liebe Sam, meine Worte sollen Dir nicht weh tun, sondern helfen zu reflektieren, was Du weißt: niemandem ist geholfen, wenn Du gesundheitlich den Bach runter gehst.

Ich freu mich, hier mehr von Dir zu lesen.

Wenn Du magst: fühl Dich bitte von mir in den Arm genommen.

LG
Pia

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 13. Feb 2013, 16:55
von Lerana
Liebe Sammie,

auch ich danke dir für deinen ausführlichen Bericht. Er liest sich ganz anders als dein erstes Posting! Es berührt mich nach wie vor, aber dieses Mal lese ich viel Kummer und viel wneiger Verbitterung heraus und wie so oft, kann ich mich nur wieder Pia (das wird sich wohl niemals ändern) anschließen, die darauf pocht, dass du vor allem auf dich schauen sollst. Denn letzendlich weißt du es selber, dass du diese Lawine nicht aufhalten kannst.

Vor allem drücke ich dir jetzt mal feste die Daumen, dass es deinem Mann für die EKT gut genug geht und diese dann auch noch einen positiven Effekt hat!!!!

Herzliche Grüße
Lerana

Re: Ein Fünckchen Hoffnung

Verfasst: 14. Feb 2013, 22:06
von Zen
Hallo zusammen und guten Abend,

sorry das ich mich jetzt erst melde, aber ich hatte den Super Gau zu hause. Hab mich aus dem Internet gekickt. Kein Telefon, kein Internet.
Ich habs aber überlebt.

Leider kommt es manchmal noch über mich, wie ein Tsunami. Diese Frustwelle.

Es kam aber auch letztes Jahr knüppeldick.
Meine Mutter ist im August verstorben, nach kurzer schwerer Krankheit. Habe sie ein halbes Jahr gepflegt, bin hin und her gependelt, zwischen Arbeitsplatz, meiner Mutter und meinem Zuhause.

Jetzt bin ich gerade dabei, die Wohnung auszuräumen. Das zieht mich emotional so runter, dass hätte ich nicht für möglich gehalten.

Tarbaka, Du schreibst, dass du erst in der gemeinsamen Reha, deinen Mann verstehen konntest und er Dich.

Bei uns lief und läuft es nicht anders.
Obwohl es heute schon viel besser geht mit unserer Kommunikation.
Das hat einen besonderen Grund.
Auch wenn jetzt ein Aufschrei kommt, Kopfschütteln, oder Aussagen wie " Das geht ja wohl gar nicht ".
Doch das geht. Denn das Wichtigste, dass wir damit klarkommen.

Als ich vor 3 j. meine Therapie anfing, hatte ich wahnsinniges Glück. Der Therapeut war neu in der Stadt und ich bekam innerhalb kurzer Zeit einen Termin.

Ein paar Monate später kam mein Mann wieder in die Klinik für 4 Mon.
Als er raus kam sollte er sich einen Therapeuten suchen.
Überall lange Wartezeiten.
Da habe ich meinen Th. bekniet, hab gebittet und gebettelt, er solle sich meinen Mann wenigstens mal ansehen und wenn er ihm nur die Medikamente verschreibt.
Ich würde sogar meinen Platz für ihn zur Verfügung stellen.
Seit damals gehen wir beide zu ihm.
Auch hatten wir schon zusammen mehrere Sitzungen.
Ansonsten jeder für sich.

Durch unseren Therapeuten, weiß ich wie mein Mann tickt und mein Mann weiß jetzt auch besser wie ich mich fühle.
Ich habe mich nie getraut meinem Mann zu sagen, das ich mich manchmal richtig schlecht und mies fühle. Das mir alles zu viel wird. Aus Angst, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden.
Manche gehen zu lachen in den Keller und ich zum heulen, damit er nicht meine Tränen sieht.
So eine Fassade kann nicht lange aufrecht gehalten werden. Je mehr ich sie aufrecht halten wollte, des do schlechter ging es in unserer Ehe zu.

Als ich noch alleinige Patientin war, kannte er meinen Mann nur durch meine Schilderung.
Oft bin ich mit einem riesen Pflaster auf meiner Seele nach hause gegangen.
Als er meinen Mann dann kennenlernte, bekam ich auch ganz andere Worte zu hören.
Z.B. das mein Verhalten ganz und gar nicht akzeptabel ist und ich umdenken muss und soll, damit ich nicht vor die Hunde gehe.

Aus den kuscheligen Sitzungen wurden manchmal knallharte Gespräche, die mir oft ganz und gar nicht gefallen haben.
Wer gibt schon gerne seine Fehler zu und verläßt freiwillig seinen Trampelpfad, der doch so schön eingelaufen ist.
Meinem Mann ging es nicht anders.

Er vermittelt natürlich mit Rücksprache, was er sagen darf und was nicht.
Wir kommen damit gut zurecht. Das ist für uns das ausschlaggebende.
Er als Arzt anscheinend auch.

Pia, ich würde dir gerne auch antworten, aber ich habe deine Frage vergessen.
Ich weiß nicht mehr, wie ich zwischen euren Antworten und meinem Text hin und her springen kann, ohne das ich mich hier raus kicke.
Hole ich nach, die Antwort.

Sorry, ist mal wieder viel zu lesen, aber ich kann nicht kurz

Schönen Abend noch
Gruß
Sam

Gestern ist Vergangenheit, Morgen ist Zukunft und Heute ist ein Geschenk