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Wie erklärt man das einem Aussenstehenden?

Verfasst: 4. Feb 2004, 22:03
von MrSandman
Ich bin langsam auf dem Weg mir einzugestehen, dass mit mir etwas ganz gravierend nicht stimmt, dass ich allem Anschein nach depressiv bin. Dass ich das nicht ewig für mich behalten kann und es bestimmten Leuten erzählen muss ist klar.
Meine Mutter wird es verstehen, denke ich, da sie selbst Psychotherapeutin ist.
Viel mehr Sorgen macht mir meine Freundin. Wir haben grade kurz telefoniert und sie hat gemerkt dass mit mir mal wieder was nicht stimmt. Letztendlich hat sie mich dazu gekriegt ihr meine Erkenntnisse zu beichten. Wir kamen also in's Reden, obwohl ich das eigentlich erst übermorgen machen wollte, wenn wir uns wiedersehen.
Ich habe versucht ihr meinen Zustand zu erklären und dass ich wahrscheinlich die Hilfe eines Therapeuten benötigen würde.
Sie war verständlicherweise erstmal ziemlich von den Socken und reagierte so wie man es von jedem "normalen" Menschen erwarten würde: mit guten Ratschlägen. All die Symptome die ich ihr nannte schob sie auf meinen Lebensstil. Dass ich zu viel Fastfood esse, dass ich meinen Körper nicht genug beanspruche, dass ich keinen vernünftigen Ausgleich zu meiner geistigen Tätigkeit habe, dass ich zu wenig tue. Viele ihrer Ratschläge waren auch gar nicht so übel und ich werde diese Dinge sicher ausprobieren (mehr Sport, gesundere Ernährung, strengerer Terminplan, klare Einteilung des Tages in Zuständigkeitsgebiete des Gehirns, in etwa: 8-15 Uhr - Universität, 15 - 17 Uhr - Sport, 17 - 18 Uhr Essen 18 - 21 Uhr Freizeit/Entspannung). Das sind sicherlich alles Sachen, die helfen können und Kraft spenden können, aber das Problem Lösen tun sie nicht.

Ich kann reden so viel ich will, meine Freundin versteht einfach nicht was in mir vorgeht. Wie in aller Welt soll ich ihr bloß erklären, wie es einem geht, wenn man depressiv ist? Sie ist eine starke Frau mit einer fast nicht zu sättigenden Lebenslust. Sie versteht es einfach nicht, wenn ich ihr sage, ich will nicht mehr leben, oder dass ich antriebslos bin und mich auf nichts konzentrieren kann. Sie fragt dann immer: warum geht es dir denn so schlecht? Was stimmt denn nicht mit deinem Leben? Und dann muss ich ihr sagen: mein Leben ist eigentlich voll in Ordnung. Trotzdem geht es mir schlecht.

Hat damit jemand Erfahrungen gemacht und kann mir dabei helfen? Wie kann ich sie dazu bringen zu verstehen? Wie kann ich ihr das erklären?

Vielen Dank schon mal im Vorraus,

Sven

Re: Wie erklärt man das einem Aussenstehenden?

Verfasst: 5. Feb 2004, 10:32
von kr
Hallo Sven,

habe mich jetzt durch mehrere threats von Dir gelesen. Versuch doch mal kurz auf die Bremse zu treten , die tolle Zeiteinteilung zu vergessen und einfach mal auf Deine innere Stimme, Dein Gefühl zu horchen. Dein Herz und Deine Seele brauchen bestimmt keine Uhr oder Terminkalender – sie suchen etwas Anderes. Vielleicht gelingt es Dir, die ganz leisen Stimmen und Töne zu hören. Mit Sicherheit ist durch Aktionismus wenig zu erreichen, eher mit Ruhe und Stille.

Ich wünsche Dir ganz sehr die Kraft, die Du für Deine Zukunft brauchen wirst.

Grüße vom Kleinen Raben

Re: Wie erklärt man das einem Aussenstehenden?

Verfasst: 5. Feb 2004, 10:44
von banshee
hallo sven,

geh doch mal in einen guten buchladen und such dir ein buch über depressionen raus, das dir zusagt. und gib das (vielleicht nachdem du es selber gelesen hast) deiner freundin zu lesen. jemand der mit beiden beinen fest im leben steht und noch nie in so einer situation war, wird natürlich erstmal mit guten ratschlägen kommen, und das ist ja auch gut so. du kannst im grunde froh sein, dass deine freundin so reagiert und dein problem nicht einfach komplett abtut. aber wenn du ihr etwas zeit gibst und das nötige infomaterial, wird sich in ihrem kopf vielleicht der schalter umlegen und sie wird merken, das eben nicht alles einfach so zu regeln ist. (klar, sport hilft bei depression, aber wie um gottes willen soll man sich erstmal dazu überwinden? das ist ein problem, das ein nicht-depressiver nur schwer nachvollziehen kann)

ich wünsch dir viel viel glück dabei! und gib deiner freundin etwas zeit - bei dir hat es ja sicher auch gedauert, bis du dir die depression eingestehen konntest!

Re: Wie erklärt man das einem Aussenstehenden?

Verfasst: 5. Feb 2004, 21:15
von MrSandman
@Kleiner Rabe:
Auf die Gefühle ganz tief in mir drin zu hören war noch nie meine Stärke. Bei dem Gedanken ich könnte ernsthaft depressiv sein, kommt erstmal Panik auf. Wenn sich mir andere Lösungen anbieten ist da Hoffnung und das Verlangen die Chance zu nutzen und vielleicht Erfolg zu haben. Aber das sind natürlich die dominanten, oberflächlichen Gefühle. Was darunter liegt weiss ich selber nicht. Ich werde in Zukunft darauf achten, vielleicht merke ich ja was...

@banshee:
Ich fürchte, Zeit ist etwas was ich gerade gar nicht habe. Es kann gut sein, dass mich meine Freundin bald für jemand anderen verläfft und bevor sie eine Entscheidung trifft, möchte ich, dass sie mich versteht.
Davon mal abgesehen habe ich mir die Depression selbst noch nicht ganz eingestanden. Gerade heute keimte (und keimt immer noch) neue Hoffnung in mir auf. Hab mal versucht mich an ihre Ratschläge zu halten und zusammen mit einem erstaunlichen Gefühl der Gelassenheit und Angstlosigkeit, dass sich seit gestern nacht bei mir eingenistet hat, hatte ich dadurch einen echt tollen Tag, wie ihr vielleicht schon in meinem anderen Thread gelesen habt.
Ich weiss nicht so recht was ich jetzt machen soll... abwarten wahrscheinlich.