kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Thommyri
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kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Hallo, ich selbst bin neu hier im Forum, 24 Jahre alt und bin neben meinen beiden Schwestern bei meinen Eltern (Mutter- Lehrerin, Vater- Psychotherapeut) aufgewachsen.
Ich kenne meinen Vater als einen sehr ausgeglichenen, freundlichen, einfühlsamen und humorvollen Menschen. Er ist 57 Jahre alt und arbeitet als Psychotherapeut (Analytiker) in einer Psychosomatischen Rehaklinik, in der es aufgrund der schlechten personellen Situation oft sehr stressig ist.

Nun bemerke ich seit einiger Zeit, dass mein Vater einen sehr gestressten und gereizten Eindruck macht. Er fährt gereizt zur Arbeit und kommt noch gereizter nach Hause. Er begründet dies mit der beruflichen Situation und der hohen Arbeitsbelastung (Gutachten schreiben, Betreuung im Akkord und Übernahme von Patienten anderer Therapeuten, die krank sind; Daneben finden dann noch nervtötende Sitzungen statt, in denen Druck gemacht wird). Normalerweise bewältigt er solche Situationen gut, aber wir machen uns alle momentan große Sorgen, weil sich sein Zustand zunehmend verschlechtert und er dies abtut, als sei nichts los. Die Arbeit muss er sich teilweise für Samstags mit nach Hause nehmen, da die normale Arbeitswoche nicht ausreicht. Seitdem ich ihn kenne, ist das so. Er arbeitet Samstags noch ca. zwei bis drei Stunden von zuhause aus, dann war aber immer Schluss. Jetzt ist es so, dass er den ganzen Samstag über regelrecht "büffelnd" vor seinen Arbeitsbergen sitzt und den Eindruck macht, als stünde er kurz vor einem Nervenzusammenbruch Er wird sogar laut, wenn meine kleine Schwester (12 Jahre) ihn ruft oder ein bisschen necken will. So kennen wir ihn gar nicht!

Hat jemand ähnliche Erfahrungen oder einen Rat für uns? Wir wissen echt nicht weiter, denn er verhält sich wie verwandelt. Spreche ich ihn mal an, so von Sohn zu Vater, sagt er liebevoll, so wie ich ihn kenne, ich solle mir nicht "seine" Sorgen machen, er würde das schon alles hinbekommen, es wäre nur momentan ein bisschen anstrengender als sonst, da müsse er jetzt eben durch.
Sonnenmann
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Re: Brauche einen Rat...

Beitrag von Sonnenmann »

Hallo Thommyri,

für mich hört sich das sehr nach Burnout-Syndrom an! Ich bin jetzt seit gestern 2 Wochen krankgeschrieben genau deswegen. Vielleicht will er es sich nicht eingestehen, weil er ja selbst Psychotherapeut ist und Angst davor hat. Ich habe es jetzt sehr lange mit mir rumgeschleppt, immer wieder verdrängt und vor mir hergeschoben, weil ich es mir wohl selbst auch nicht eingestehen wollte. Es wurde ja auch immer wieder besser, aber dann eben auch wieder schlechter, dann wieder etwas besser, um dann aber noch schlechter zu werden. Es ist eine Spirale die einen immer weiter nach unten zieht, in Wellenbewegungen. Ich hoffe Du verstehst was ich meine!

Ich habe Dir hier mal ein paar Links mitgepostet...

http://www.psychosoziale-gesundheit.net ... urnout.htm
http://www.burnout-fachberatung.de/burnout-syndrom.htm
http://www.burnoutsymptome.com/

Vielleicht hast Du ja selbst schon im Netz geschaut, aber ich denke die Symptome, die dein Vater zeigt sind recht typisch und bei seiner beruflichen Belastung wundert mich das ehrlich gesagt überhaupt nicht. Jeder Mensch hat seine emotionalen und körperlichen Grenzen bei einer solchen Dauerbelastung!

Ich hoffe ich konnte Dir ein wenig mit meinen Gedanken helfen.

Liebe Grüsse


Das Licht...



... das Dunkel wird sich wieder erleuchten!
Thommyri
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Re: Brauche einen Rat...

Beitrag von Thommyri »

Vielen Dank, Sonnenmann, für Deinen Beitrag und die nützlichen Links! Ich kenne mich mit diesen Krankheitsbildern selbst nicht so gut aus, obwohl ich gerade in den letzten Jahren viele Fragen gestellt habe (was ist ein Burnout, wie machen sich Depressionen bemerkbar usw...?) Da ich selbst nicht objektiv genug sein kann, bin ich relativ ratlos und mache mir tatsächlich "seine" Sorgen und nicht nur ich allein. Mein Vater ist natürlich aufgrund seines Berufsstandes auch sehr geschickt im Ausweichen und Umdrehen von Tatsachen. Ich habe aber auch eben gerade bemerkt, dass er echt fertig ist (sitzt am Schreibtisch wie ein Häufchen Elend) und fluchte vor sich hin (ich habs mitbekommen), dass er diesen Druck nicht mehr lange mitmachen würde und es doch nicht sein könne, dass er jetzt die Krise bekommen würde)...Immerhin merkt er es wohl doch und gibt es einfach vor uns nicht zu?!
Thommyri
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Re: Brauche einen Rat...

Beitrag von Thommyri »

Hallo, ich bin´s nochmal. Heute ist mein Vater nach der Arbeit total ausgeflippt, als ich nur mein Paar Schuhe im Weg stehen hatte. Wir sind dann aneinander geraten und haben uns in die Wolle bekommen und regelrecht angebrüllt. So intensiv hatten wir noch nie Streit! Als ich dann noch eine Anspielung auf seine derzeitige gesundheitliche Lage machte, schrie er mich nur an, ich solle mich um meinen eigenen Kram kümmern und ihn in Ruhe lassen. Es könne doch nicht sein, dass er nicht mal zuhause ungestört sein könne...Naja, habe ihn dann in Ruhe gelassen, bin aber total geschockt, weil ich ihn so nun gar nicht kenne. Ich bin jetzt irgendwie fix und fertig, nicht, weil ich mal verbal was an die Ohren bekommen habe, sondern weil ich überhaupt nicht mehr weiter weiß... Hat vielleicht jemand von den Moderatoren einen Tipp?
Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Hallo, habe mir heute meinen Vater im wahrsten Sinne des Wortes "geschnappt" und bin mit ihm einen Trinken gegangen. Ich dachte, es sei mal gut bei aufgelockerter Stimmung so von Mann zu Mann bei nem Bierchen zu plaudern...und ich habe gemerkt, es tat ihm gut!

Das haben wir so zwar öfters mal gemacht, aber in letzter Zeit hatten wir gar keine Gelegenheit mehr dazu
Zu Beginn haben wir auch gelacht und ausgelassen den Abend genossen, aber so nach dem dritten Bier fing er plötzlich damit an, was für Arbeit noch auf seinem Tisch liegt und er hier gar nicht mit mir sitzen dürfe. Und er steigerte sich dann so in die Thematik hinein, dass er plötzlich zu weinen anfing und gar nicht mehr aufhören konnte...

Er sagte mir dann, dass er vermutlich eine Erschöpfungsdepression hätte. Er hatte früher (im Alter von 20 bis 25 Jahren) auch mit Depressionen zu tun, was letzten Endes auch ausschlaggebend für seine Berufswahl war.

Nun ist er selbst so geschockt darüber, es zu spät bemerkt zu haben. Er wird sich in der nächsten Woche zu seinem Arzt begeben und sich erstmal eine Auszeit verschaffen...
Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Ich weiß nicht mehr weiter...
Trotz unseres Gesprächs hat er sich wieder aufgerafft und ist nach "EINEM!!!" Krankentag wieder zur Arbeit gegangen. Es würden zu viele Dinge auf dem Schreibtisch liegen, und die Patienten hätten unter dem starken Krankenstand der Therapeuten zu leiden, was nicht sein könne.

Ich verstehe dieses Problem. Aber man kann doch nicht einen so hohen Preis dafür zahlen?

Und ausgerechnet er, der mir immer gesagt hat, ich solle mich nie von anderen unter Druck setzen lassen und für eine ausgeglichene "Work-Life-Balance"- sorgen. Ebenso solle ich mir nie die Probleme anderer (z.B. Arbeitgeber) zu meinem eigenen machen, und nun?! Ich verstehe ihn nicht...
Oskar
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Oskar »

Also ich schließe mich da dem Licht an, wobei ich Probleme mit dem Wort BO habe und zu der Fraktion zähle, die das für eine Depression oder Erschöpfungsdepression im chicken, noblen Gewand hält.

By the Way: Ich bin selber deswegen krank geschrieben auch wenn ich meine Arbeit am Wochenende nicht mit Heim genommen habe. Nur mental und dann habe ich am Wochenende irgendwie kaum noch was auf die Reihe gebracht.

Und in der Woche:Feierabend machen und in ein tiefes schwarzes Loch fallen, unfähig dabei abzuschalten.

Dein Pa hat ja schon eine Selbstdiagnose gestellt, was ja zu zeigen scheint, dass er sich ein wenig damit auseinander gesetzt hat.

Ich denke, dass Du mit Vorwürfen gegen eine Wand läufst. Evtl. mal gezielt Dinge nachfragen oder Alternativen aufzeigen:

-Paps ist es so viel mehr Arbeit oder schaffst Du das nicht mehr so schnell? (weil z.B. das Gutachten schreiben plötzlich länger dauert?)

-Frag vertrauensvoll nach, ob sich seine Beziehung zu den Patienten geändert hat oder er viel zynischer geworden ist. (Das ist ein Alarmsignal)

-Paps stell Dir vor, Du wärst Dein Patient. Was würdest Du ihm raten?

-Was wäre, wenn einer Deiner Kollegen an Deiner Stelle das Problem hätte und mit Diagnose BO mal länger ausfällt? So schlimm? Ist der Kollege dann als nicht belastbar stigmatisiert?

-Kannst Du Dich in der Klinik vertrauensvoll wem anvertrauen (Personalrat oder so)?

-Leidet die Arbeit am Patienten nicht, wenn es zu viel wird?

-Gibt es nicht Möglichkeiten, die Wochenendarbeit auf ein kleines Zeitfenster zu reduzieren?

-Könnt ihr Ihn in der Family ein wenig unterstützen? Ihm Haushaltskram abnehmen und er muss dafür die "Pausen" einhalten.

-Selbst wenn Du den Papierkram weg schaffst, kennst Du das ungeschriebene Gesetz der natürliche Zunahme der Arbeit "Oh der hat das ja gut im Griff, dann kann er noch mehr Arbeit erledigen..."

und so fort...

Dann frag doch mal Deinen Pa, was den schlimmes passieren kann, wenn er ne Zeit ausfällt oder schlimmer noch ganz ausfällt?

Was ist das Worst Case Szenario

Antworten:
-Eventuelle finanzielle Sorgen, die in den Griff zu kriegen sind. So lange hat Dein Pa bis zur Rente ja nimma.

-Die Sonne wird weiter morgens aufgehen.

-Die Rehaklinik wird nicht zusammen brechen.

-Wahrscheinlich leistet er sogar einen Beitrag, dass in der Klinik oben ankommt, dass es immer unproduktiver und destruktiver wird, wenn der Kostendruck und die wachsende Patientenzahl durch Mehrarbeit auf dem Rücken des Personals ausgetragen wird.

und noch mal und so fort...

Ich weiß, ich sage das so einfach. Es fällt mir auch noch immer schwer, nach meinem mehr oder weniger Zusammenbruch, mir einzugestehen, dass es:

1. Nicht mehr ging
2. Meine Leistungsfähigkeit nicht mehr die alte war.
3. Die Selbstvorwürfe: "Du kannst Deine Kollegen nicht hängen lassen" Moppelkotze und Bullshit sind, weil ich meinen Kollegen auch nicht helfe, wenn ich nur noch auf 50% laufe.
4. Das gewisse Ängste OK sind, aber objektiv schlimm bis lebensbedrohlich ist nicht einmal das Worst Case Szenario.
5. Selbst wenn das Wetter scheiße ist, die Sonne geht auf, die Kollegen kommen ohne mich zurecht...

LGO
Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Hallo Oskar,
habe mir Deine guten Tipps zunutze gemacht und einige Deiner Fragen an meinen Vater gestellt. Die Antwort war "Seit wann bist Du denn mein Therapeut? Naja, immerhin sind das schon mal die richtigen Fragen". Da mussten wir beide lachen.

Ich bin mir bei ihm sehr unsicher. Er lacht auf der einen Seite und zeigt sich einsichtig. Auf der anderen Seite zeigt er durch sein Verhalten genau das Gegenteil, merkt aber offensichtlich, dass ich es merke und fragt mir dann selbst einen Knoten ins Hirn, indem er von sich ablenkt und bei mir "rumsucht"...Therapeuten eben.

Da meine beiden Geschwister und ich sowie auch meine Mutter immer mal wieder Anspielungen machen bzw. gute Ratschläge geben, gehen wir ihm natürlich so richtig auf den Geist. Er "überspielt" dies. Mit Vorwürfen dürfen wir nicht kommen, weil´s dann einen Mega-Streit gibt. Ich denke, in der Situation sind Vorwürfe sowieso nicht richtig.

Ich vermute mal, dass er keine Schwäche zeigen will, schon gar nicht vor seiner Chefin. Dieser verdammte Stolz! Dann ist da natürlich die starke verantwortungsbewusste Seite. Er sorgt sich eben um seine Patienten, nur kann ich nicht verstehen, dass er dabei keine Rücksicht auf sich selbst nimmt. Er war nie krank und jetzt, wo es mal nötig ist zuhause zu bleiben, tut er dies nicht mal für eine Woche, ich schnall`s nicht!!!

Ich überlege immer, was besser ist. Ihn so lange zu nerven, bis er "platzt" oder gar nichts tun, und ihn komplett kaputt gehen zu lassen oder behutsame Gespräche führen, die er eh durchschaut um mich dann zu fragen, ob ich selbst mit ihm über MEINE Probleme sprechen möchte?!
Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Hallo, ich bin´s wieder mal,

ich bin ein bisschen ratlos...

Mein Vater verhält sich auf einmal wie ein trotziges Kleinkind und spricht nicht mehr mit uns, nur mit meiner zwölfjährigen Schwester, weil sie anfängt zu weinen und wütend wird, wenn er überhaupt nicht reagiert. Meine Eltern haben sich fürchterlich gestritten und seitdem ist Sendepause.

Ich frage ihn, was wir falsch gemacht haben?!
Er entgegnet nur, dass wir ihn in Ruhe lassen sollen...das wäre das Einzige, was wir richtig machen können...

Zur Arbeit geht er noch, aber er sieht nicht mehr gut aus, sondern krank.
Warum handelt er nicht so, wie er es einen Patienten rät?
DYS-
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von DYS- »

Hallo Thommyri

Auch ich wäre da ratlos. Ich glaube, Dein Vater leidet sehr. Nichtsdestotrotz müsst Ihr auch auf Euch aufpassen. Was würde denn passieren, wenn Du ihm sagst, dass DU dir einen Therapeuten suchst, weil DU nicht mehr mit der Situation zu Hause klar kommst?

Bei der Frage, warum er nicht so handelt, wie er es seinen Pat. rät, muss ich doch glatt schmunzeln. Ich war viele Jahre Krankenschwester auf einer Intensivstation. Kaum jemand ist so fahrlässig mit seiner Gesundheit umgegangen wie Ärzte und Schwestern.
Wie oft wurde ich in der Psychotherapie von meinem Therapeuten gefragt, ob ich auch mit meinen Patienten so ungnädig umgehe wie mit mir selbst. Neeee, würde ich nicht.

Kennst Du das alte deutsche Sprichwort: Der Schuster trägt die schlechtesten Schuhe ?

Ist alles vielleicht nicht so hilfreich was ich hier schreibe, sind nur so meine Gedanken dazu.

Gruß
dys
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
Regenwolke
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Thommyri,

im Gesundheitswesen wird (wie auch anderswo) die Arbeitsbelastung immer höher, am Personal wird gespart, die Arbeit auf immer weniger Angestellte verteilt. Das betrifft auch Therapeuten, die ja eh schon einen zum Teil belastenden Job machen. Wenn dann noch durch Urlaub oder Krankheit jemand ausfällt, wirds für die Mitarbeiter und für die Institution richtig eng, weil die Versorgung der Patienten in Gefahr gerät. Das ist zumindest das, was ich von befreundeten Therapeuten mitbekomme - und auch übrigens, dass sie ihren Patienten zur Selbstfürsorge raten, obwohl sie dies selber manchmal nur ansatzweise umsetzen (können).

Ich kann mir vorstellen, dass dein Vater beruflich unter sehr hohem Druck steht, aber gleichzeitig ein hohes Pflichtgefühl hat und weder die Patienten noch seinen Arbeitgeber im Stich lassen will. Dabei scheint er aber sich selber und auch euch im Stich zu lassen. Vielleicht ist ihm nicht klar, wie sehr seine Probleme auch die Familie beinträchtigen.

Du hast viel Verständnis für deinen Vater, bemühst dich sehr, ihm zu helfen, was aber glaube ich für Kinder (auch für erwachsene) oft eine schwere und manchmal auch überfordernde Aufgabe ist. Was sagt denn deine Mutter dazu? Meines Erachtens wäre es ihre Aufgabe, mit deinem Vater zu sprechen und ihn ggf. dazu zu bewegen, Hilfe in Anspruch zu nehmen, gerade auch, wenn die jüngeren Kinder unter seinem Verhalten leiden.

LG, Wolke
kossi
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von kossi »

hallo lieber Thommyri,

vielleicht verhält er sich nicht so, weil es ihm selbst extrem schwer fällt sich selbst diese Krankheit einzugestehn und damit umzugehn. Allerdings versteh ich sein Verhalten mit dem nicht reden überhaupt nicht, damit schadet er sich selbst doch noch mehr.

ganz liebe Grüße Kossi
Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Vielen Dank für die hilfreichen Beiträge!

Meine Mutter setzt meinen Vater richtig energisch auf den Pott, nachdem es auf die liebevolle und verständnisvolle Tour nicht geklappt hat, aber er trotzt einfach, das ist unglaublich.

Vielleicht sollte ich wirklich mal den Rat annehmen und ihm sagen, dass wir Kinder Hilfe von einem Therapeuten brauchen, weil wir uns aus Sorge schon auf nichts mehr konzentrieren können?!

Zumal er richtig krank aussieht, richtig schlapp und total kaputt. Er hat auf nichts mehr Lust und ist dauergereizt und richtig grantig.

Er tut mir sehr leid und wenn ich ihm irgendwie helfen könnte, ich würde es tun. Aber im Moment gehe ich ihm lieber aus dem Weg.
Sister-Act

Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Sister-Act »

hallo,

das einzige was ihr in diesem fall tun könnt, ist wirklich ihn in ruhe zu lassen.
dein vater schätzt sich selber so ein, dass er nach der depressiven episode wieder allein auf die reihe kommt.
vielleicht hat er das schon mehrmals so durchgemacht; ausserdem ist er selber spezialist auf diesem gebiet und weiß wie weit er gehen kann.
für die familie ist dies besonders schwer und kaum zu verstehen. versucht euch (mutter und kinder) gegenseitig zu stützen und vertraut darauf, dass euer vater sich wieder erholt.
gebt ihm die ruhe, die er so dringend braucht und einfordert.
alles, alles gute für euch.
Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Dankeschön, sister-act! Wir werden es versuchen...
Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Guten Morgen,
war gestern auf einer Studentenparty und bin eben gerade aufgestanden um zu frühstücken. Da lief mir mein Vater über den Weg, der mich total genervt abgemistet hat, ich hätte mal früher aufstehen können usw...Als ich ihn fragte, was das gebracht- und jetzt mit ihm zutun habe, meinter er nur, dass ich am normalen Familienleben teilzunehmen hätte?!

Sonst war es ihm egal und er fand es gut, dass ich mich neben dem Studienstress ablenke.

Als ich versuchte ruhig zu bleiben, meinte er nur ich bräuchte jetzt nicht zu taktieren, das würde er ohnehin merken?! Irgendwie ist mir das zu komisch...Ich traue mich ja schon bald nicht mehr in seine Nähe. Das habe ich ihm gesagt und er fragte mich, ob ich ihn provozieren möchte?!

Ich habe ihm gesagt, dass ich ja ausziehen könne, wenn ich ihm so sehr auf den Geist gehen würde, habe dann meine Sachen gepackt und bin erstmal zu meiner Freundin...

Ist diese Feindlichkeit normal? Ich habe ihm ja nichts getan.
DarkRaven
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von DarkRaven »

Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Hallo DarkRaven,

"Die Sorge, die sich meine Familie macht, erdrückt mich noch zusätzlich - setzt mich unter Druck."

Gut, das mag sein. Das verstehe ich auch. Nur warum hat er "mich" so auf dem Kicker, zumindest habe ich den Eindruck? Ich brauche nur aus Versehen mal etwas fallen zu lassen, zu stolpern oder anders zu gucken, dann gibt´s schon Diskussionen und die ironische Frage wie ich denn so mit meinem Studium zurecht komme?! Da hapert es momentan tatsächlich, aber das ist normal. Nur "schlachtet" er MEIN Thema dann aus. Er sucht dann bei mir rum.

Ich versuche ihm wirklich sonst aus dem Weg zu gehen, vermeide es auch mit meinen Geschwistern oder meiner Mutter irgendwie "auffällig" zusammen zu sitzen. Ich sitze in meinem Zimmer oder bin gar nicht zuhause.

Ich habe ihm schon gesagt, dass ich mir vorkomme wie irgendjemand anderes auf den er wütend ist, so als sei ich seine blöde Chefin oder so. Da meinte er nur, ich würde spinnen... Meine Frage ist dann: "Redest Du auch so mit Deinen Patienten?" Seine Antwort: "Bist Du ein Patient?". "Nein, ich bin Dein Sohn und mit einem Sohn redet man so nicht!" und dann knalle ich wütend die Tür zu. So ist bei uns momentan der Umgang.

Habe meine Mutter mal gefragt, ob er solche Phasen schon einmal hatte. Es sei wohl schon häufiger der Fall gewesen, auch in dem Ausmaß, was allerdings schon Jahre zurück liegt. Zwischendurch hätte es kleinere Krisen gegeben. Sie selbst kommt deshalb damit auch irgendwie etwas besser klar und geht im freundlich aus dem Weg.

Mich belastet es nur, dass er alles so an mir auslässt, es tut mir weh, weil wir ein so schlechtes Miteinander wie jetzt, nie hatten und es bislang auch keinen Anlass dafür gegeben hat.

Ich versuche mich da schon abzugrenzen und mir seine Sorgen nicht zu den meinen zu machen. Aber sobald es irgendeinen Anlass gibt, dass ich z.B. irgendetwas hab liegen lassen, dann stürmt er zu mir ins Zimmer und macht mich an. Ich sage ihm jetzt auch schon, er solle mich in Ruhe lassen. Es ist echt anstrengend, zumal diese Phase schon so lange anhält...Naja, erst mal bleibe ich bei meiner Freundin.
DarkRaven
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von DarkRaven »

Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Hallo DarkRaven,

ich sehe es genauso. Eigentlich sollte er doch gerade als Therapeut damit umgehen können, aber ich kenne mich nicht so gut mit dem Thema Psyche aus und kann mir deshalb nur schwer ein Urteil bilden.

In der Klinik gibt´s viele Zickereien zwischen den Therapeutinnen. Er hat einen Kollegen, mit dem er auch mal privat Kontakt hat. Mit seinem Freund telefoniert er häufig und ich weiß, dass er selbst auch, ich glaube zweimal im Jahr oder so, zur Eigentherapie muss. Das muss wohl so sein, und ich glaube es nennt sich Supervision oder so ähnlich, damit man eigene Probleme nicht auf seine Patienten überträgt...

Meine Mutter rief mich gerade an und sagte mir, dass mich mein Vater nicht verletzen wollte, aber warum meldet er sich nicht selbst bei mir?
DarkRaven
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von DarkRaven »

Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Er hat schon häufiger mal erzählt, welche Fälle er so betreut und das war teilweise ganz schön heftig. Als ich ihn mal fragte, wie er das so alles schaffen würde, kam als Antwort, er hätte ja uns, zwei gute Freunde und Sport, der ihn ablenken würde bzw. ein guter Ausgleich dafür wäre.

Er macht jetzt so einen unglücklichen Eindruck. Es berührt mich sicherlich mehr, weil ich noch zuhause lebe und ihm jeden Tag begegne und ihn gar nicht so niedergeschlagen kenne. Hab auch schon mit einem Kumpel drüber gesprochen aber der konnte damit nichts anfangen.

Meine Freundin mag ich damit nicht näher belasten, obwohl sie natürlich merkt, dass ich ein wenig unentspannt bin...

Naja, mir bleibt ja nichts als abwarten und die Hoffnung, dass sich die Situation wieder entspannt.
Antiope
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Antiope »

Hallo Thommryi,

vielleicht liege ich mit diesem Eindruck völlig falsch, weil Du Dich sehr um Deinen Vater kümmerst - aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass Du gerade Deinen Vater ziemlich überforderst und ihn selbst etwas "auf dem Kieker" hast.

Du hältst ihm verschiedene Fehler vor und kreidest sie ihm an: er verpasst Dir immer wieder unerwartete Dauerwellen, ruft nicht an, wenn und wie Du es erwartest, als Psychotherapeut soll er unbedingt fehlerlos sein, ...

Selbstverständlich *sollte* er so nicht mit seiner Familie umgehen, naja, aber ...

Vielleicht einfach versuchen, den Ball zuhause etwas "flacher halten" - nein, damit Zurückziehen o.dgl, sondern "mit ruhiger Hand reagieren".
Thommyri
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Thommyri »

Hallo chris,

habe mir Deinen Beitrag zweimal durchgelesen und muss feststellen, dass Du vielleicht nicht ganz unrecht hast.

Meine Freundin hat mir vorhin auch gesagt, ich solle meinen Vater nicht selbst noch mit irgendwelchen Erwartungen überfordern nur weil ich derzeit überfordert bin.

Ehrlich gesagt bin ich momentan mit dem Studium überfordert und in meiner Beziehung läuft es nicht ganz so gut. Das Problem zuhause ist das i-Tüpfelchen.

Ich glaube ein wenig, dass ich selbst Hilfe von meinem Vater brauche und weil er mir diese im Moment nicht geben kann, drehe ich selbst am Rad und reagiere ebenso empfindlich auf Anspielungen.

Versuche, mich nun etwas mehr um mich zu kümmern...

Vielen Dank für Eure Unterstützung.
Antiope
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Re: kranker Psychotherapeut? Was tun als Angehöriger?

Beitrag von Antiope »

Hallo Thommryi,

was ist es, was Dich im Studium so sehr belastet?
Ist das Fach das, was Du gerne machst?

Ich habe auch ein Zweitstudium absolviert, das mich permanent überfordert hat. Aber: ich wollte es machen. Und das hat mich dazu gebracht, es irgendwie abzuschließen.
Die Hilfe, die ich mir unterwegs geholt hatte, war leider nicht hilfreich, und ich hatte hinterher sehr mit dem Ausgebranntsein zu kämpfen.
Aber trotzdem bin ich froh, dass ich es geschafft habe (auch mit längerer Studienzeit als üblich).

Vielleicht kannst Du Dir ein Urlaubssemester nehmen? Eine Reise mit Fahrrad/Motorrad/Bahn/Auto machen? Und Deine Freundin für ein paar Wochen mitnehmen?

Gibt es bei euch eine Studienberatung oder etwas ähnliches, die bei Problemen im Studium zur Seite stehen?
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