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Kinder von depressiven Eltern

Verfasst: 24. Sep 2010, 16:57
von Emporiana
Hallo. Ich habe mich hier angemeldet, weil ich Rat suche. Meine Mutter hat seit 25 Jahren Depressionen (unbehandelt). Mein Vater hat sich das Leben genommen als ich 5 Jahre alt war und seit diesem Tag war nichts mehr so wie zuvor. Meine Mutter kämpfte sich durch das Leben mal mehr mal weniger gut. Doch Sie hadert mit ihrem Leben so lange ich denken kann. Die Symptome und den emotionalen Druck und dessen Auswirkungen auf ihr Leben und mich als Tochter brauche ich ja nicht weiter zu beschreiben. Das schlechte bzw. teilweise doch sehr gestörte Verhältnis von meinen Großeltern speziell meinem Großvater zu meiner Mutter scheint mir ursächlich für ihren Kummer und gipfelt in diversen schlimmen Rückschlägen, wie den frühen Suizid meines Vaters, die meine Mutter immer wieder hinnehmen musste. Ich bin auf der Suche nach "anderen Kindern" von depressiven Elternteilen und deren Erfahrungen und Umgang mit den Eltern und natürlich Lösungsansätzen. Meine Mutter nimmt seit 1 Woche Medikamente, zum 1. Mal in ihrem Leben. Allerdings verweigert Sie therapeutische Hilfestellung. Wie habt Ihr Eure Angehörigen, Partner oder Eltern zum Therapeuten bekommen. Ich halte es für so wichtig, dass sie professionelle Unterstützung bekommt, da auch ich drei Jahre zum Therapeuten gegangen bin, um mit meinem Leben bzw. meiner Kindheit und deren Geschehnissen aufzuräumen. Ich erlebe seit 25 Jahren den Tanz am Abgrund mit meiner Mutter und mir gehen Kraft,Ausdauer und die Geduld aus. Bitte meldet Euch. Herzlichst Emporiana

Re: Kinder von depressiven Eltern

Verfasst: 24. Sep 2010, 20:57
von Maximiliane
Hallo Emporiana,

da ich sehr lange Therapie gemacht habe und mir dabei bewusst wurde, dass meine Eltern beide psychisch krank sind, schreibe ich dir hier.
Meine Mutter hatte selbst keine leichte Kindheit, ihre Mutter Heimatvertriebene, Vater Kriegstraumatisiert, Bruder wurde immer bevorzugt.
Ich habe meine Mutter schon als Kind nie richtig DA erlebt, und auch heute ist sie unterschwellig depressiv und eigentlich überfordert mit ihrem Leben und müsste aus meiner Sicht dringendst sich therapeutische Hilfe suchen.
Mein Vater, als Kind kriegstraumatisiert, spielte immer den starken Mann und hat sich nie um seine Gefühle gekümmert. Doch die Seele meldet sich, und heute ist er dadurch so krank, dass er ohne die Hilfe meiner Mutter nicht mehr zurecht kommen würde. Auch ihn habe ich als Kind nie wirklich DA erlebt.

Ich hatte also sozusagen Eltern, die zwar äußerlich da waren, aber innerlich in anderen Welten schwebten.

Mein Vater ist ein harter Brocken, sehr eigenwillig, und sich Hilfe holen, selbst jetzt in seinem Zustand, macht er äußerst selten. Da bleibt vieles an meiner Mutter hängen.
Doch die ist total überlastet, aber Hilfe sucht sie sich auch nicht.
Ich habe ihr schon den Vorschlag gemacht, sich doch wenigstens eine Haushaltshilfe zu suchen. Nichts zu machen. Da hat sie ähnlichen Stolz wie mein Vater. Hilfe holen, ich doch nicht, solange ich noch kriechen kann, mache ich das.
Und sie hat Angst, sich gegenüber meinem Vater durchsetzten zu müssen, und dazu hat sie keinen Nerv mehr. Und mein Vater nutzt das aus .... u.s.w.

Als ich ihr mal sagte, das es gut wäre, wenn sie ihre Kindheit bearbeiten würde, meinte sie nur: "Ach, Schwamm drüber!" Als wenn das so einfach wäre, die Seele lässt sich nun mal nicht austricksen.
Andererseits erlebe ich sie als neidisch, wenn ich in KLiniken bin. Da habe ich mir schon doofe Bemerkungen einfangen müssen, das tat sehr weh. Oder sie jammert mir vor, wie erschöpft sie selbst sei. Ja, kein Wunder, einerseits jammert sie, andererseits verharrt sie in der Opferrolle.

Bei meinem Vater brauche ich mit Therapie gar nicht erst anfangen. Kranke Seele, das gibt es nicht, und seine Krankheit ist halt Schicksal, da gibt es keine Hilfe mehr.

Ich fahre jetzt den "einfacheren" Weg, obwohl der auch nicht einfach auzuhalten ist:

Zwar sehe ich, wo es bei meinen Eltern brennt, und worunter ich schon als Kind zu leiden hatte, doch wenn sie es selbst nicht einsehen, sich therapeutische Hilfe oder anderweitige Hilfe holen zu müssen, dann kann ich mir die Energie in solche Gespräche auch sparen. Mein Bruder mit seiner Frau haben es auch schon probiert und sind auf eine hohe Mauer aus Granit, wenn nicht sogar noch härter, gestoßen.

Es tut verdammt weh, meinen Eltern bei ihren kranken Verhaltensweisen zuzuschauen und es bei ihnen zu lassen. Doch ich tue besser daran, auf MEINE Grenze zu achten. Glaube mir, ich würde jetzt am liebsten heulen, denn es tut wirklich SAUWEH, die eigenen Eltern so leiden zu sehen. Doch ich sagen mir auch, wenn sie selbt nicht das Einsehen haben, dann ist die Leidensgrenze immer noch nicht groß genug.

Ich bin selbst sehr depressive, seit Jahren, und muss schauen, wie ich mein Leben lebe, das ist schwer genug. Und ich habe lange gebraucht, meine Eltern und mein Wunsch, ihnen zu helfen, Loszulassen. Erst als ich einige Male ziemlich auf die Nase gefallen bin, weil ich glaubte, meinen Eltern helfen zu müssen, hat es im Kopf "Klick" gemacht. Seitdem bin ich schlauer und lasse meine Eltern ihr Ding machen, und ich lebe mein Leben.
Das tut weh, ist aber aus meiner Sicht die gesündere Variante im Hinblick auf meine Gesundung, die vermutlich bis an mein Lebensende dauern wird.

Einen guten Abend wünscht dir

Häutpling

Re: Kinder von depressiven Eltern

Verfasst: 26. Sep 2010, 12:34
von Niccolina
Hallo!

Auch ich komme wohl, im Nachhinein betrachtet, aus einer Familie, in der Depression sehr oft vorkam und vorkommt. Schlimm ist, dass es bei mir sowohl auf der Seite der Mutter als auch auf der Seite des Vaters immer wieder psychische Krankheiten gab.

In der Familie meines Vaters war es immer üblich, Sorgen und Probleme im Alkohol zu ertränken. Mein Mutter selbst hat auch viel getrunken, ihre Mutter und Geschwister auch. Von dem, was ich von meiner Mutter weiß (sie ist einfach weggegangen als ich 9 Monate alt war und ließ mich tagelang allein in der Wohnung, bis mein Vater von der Montage nach Hause kam!) weiß ich, dass sie immer trank und dazu sagte "Ich war ein Muss-Kind!" Spricht also für eine Depression.

Mein Großvater mütterlicherseits hat sich erhängt, mehrfach hat er versucht, sich umzubringen.

Mein Vater, meine Onkel und sogar mein Großvater haben alle stark getrunken. Meine Onkel haben eine Therapie gemacht und seitdem geht es ihnen gut, denn der Entzug beinhaltete auch eine Psychotherapie. Mein Vater weist so was wie psychische oder psychosomatische Krankheiten von sich; der Mensch besteht für ihn aus Körper und Willen - und Punkt. Dass ich mich behandeln lasse, hält er für schwach, aber wundert sich nicht denn "Du bist ja eh ein Mädchen, die halten ja nix aus."

Kein Wunder vielleicht, dass ich selbst Depressionen und eine Angststörung habe? Ich lasse mich seit Jahren behandeln und weiß, dass meine Kinder eine besondere Unterstützung brauchen, um mit meiner Krankheit umgehen zu können. Ich hoffe, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, indem ich ihnen diese Unterstützung zukommen lasse und mir selbst helfen lasse.

Leider habe ich gemerkt, dass nur der Kranke selbst sich helfen lassen kann. So traurig es ist: mein Vater kapselt sich ab, vernachlässigt sich, seine Familie und seine Lebensgestaltung komplett - und niemand erreicht ihn. Seele ist für ihn, wie gesagt, dummes Gewäsch, nur Arbeit, Wille und der Körper sind wichtig für's Leben. Niemand kann ihn erreichen und so wird er vorher wohl auch keine Therapie machen.

Die Einsicht, Hilfe zu brauchen muss vom psychisch Kranken selbst kommen, damit er sich Hilfe holt und diese Hilfe auch annimmt. Es fällt schwer und tut weh, aber das ist die Erfahrung, die ich gemacht habe.

Alles Liebe,

Niccolina