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Mein Freund, sein Leben & ich.

Verfasst: 14. Sep 2010, 18:14
von Amlah
Hallo Ihr Lieben,

ich bin schon des öfteren durch dieses Forum gegeistert, aber war mir nie sicher, ob ich hier selbst etwas schreiben sollte..
Ihr merkt - ich habe mich entschlossen es doch zu tun.

Ich wende mich an Euch wegen meines Freundes.
Mein Freund und ich sind seit gut zwei Jahren ein Paar und unter sehr, sehr schwierigen Umständen zusammengekommen.
Er war zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet (und ist es bis heute), lebte aber bereits in Trennung - als Grund für die Trennung nannte seine Frau MICH. Ich möchte mich nicht lange rechtfertigen, denn das habe ich schon viel zu oft getan, ich bin es leid das tun zu müssen, Fakt ist aber: der Hauptgrund der Trennung war nicht ich, ich hatte keine Affäre mit ihm oder sonstiges, unser Umfeld suggerierte uns dies aber leider, da wir auch während seiner Ehe schon eine sehr gute Freundschaft geführt hatten; nachdem wir zusammenkamen, sah man die Tatsache bestätigt, dass er seiner Frau fremdgegangen war.

Angesichts vieler Schuldzuweisungen, vieler Vorwürfe, viel Hass und Wut, ist mein Freund erst in eine Essstörung, später in eine Depression hineingerutscht.
Er lässt alle Wut darüber, dass ihm von allen Seiten gesagt wird, was für ein schlechter Mensch er doch wäre, an sich selbst aus. Bestraft sich, isst nicht, fährt tausende Kilometer Rad jenseits der Belastungsgrenze.

Seine Frau und er führen einen erbitterten Rosenkrieg, der Streit um die Kinder ist dreckig, ekelhaft und bodenlos.

Nach und nach hat auch unsere Liebe unter dem Streit gelitten.

Es fällt mir sehr schwer meine Gedanken richtig zu ordenen..

Ich weiß, dass er mich über alles liebt, ich weiß, dass er mit mir zusammen sein möchte, ich weiß, dass er nicht vor hat zu seiner Ex zurückzukehren. Seine Kinder (noch unter 10 Jahre) sind regelmäßig bei ihm und haben mich sehr gern, akzeptieren mich als Papas neue Freundin und auch ich komme problemlos mit ihnen klar und mag sie furchtbar gern.
Was das angeht, ist alles wunderbar

Doch komme ich mit seinen Gefühlsausbrüchen überhaupt nicht mehr klar.
Er äußert sehr oft, er kann sich nicht zu viel Nähe erlauben, er will seine Ruhe haben, in regelmäßigen Abständen macht er via SMS mit mir Schluss (wir wohnen nicht in der selben Stadt). Sind wir beieinander, klappt alles ganz gut, aber sobald ich weg bin, wird aus vollen Rohren geballert. Oft tut er mir bewusst weh, weil er meint, er hätte mich nicht verdient, will er mich von sich fernhalten und mich verletzen, damit ich nicht wiederkomme. In ruhigen Momenten sagt er dann später, er tut das, weil er weiß, dass er sich selbst damit sehr, sehr weh tun kann - das, was ihn momentan anscheinend befriedigt. Sich selbst weh tun.

Seine Essensportionen sind streng rationiert, sobald die Waage eine bestimmte (sehr niedrige!) Zahl anzeigt, wird nicht mehr gegessen, im Notfall auch nicht mehr getrunken.
Er war bereits bei einer Kur, wo es anfing besser zu werden. Er aß wieder normal und regelmäßig - zumindest ansatzweise. Doch kaum war er zurück, kaum war der erste Streit mit der Ex wieder da, brach er wieder ein und zusammen.
Seit langem kämpft er um einen ambulanten Therapieplatz, steht in der Warteliste. Ich hoffe, dass es bald losgeht. Ob er es so wirklich will ... hm, naja.
Da ist seine Angst wieder dick zu werden (er ist nicht das allerdürrste Klappergestell, hat durch den vielen Sport schon einige Muskeln, aber alles bei einer schrecklich schmalen Statur), er sieht nicht, dass auch diese ständigen Gedankenwechsel zwischen himmelhochjauchzend und sterbenstraurig davon kommen. Er war mal extrovertiert, immer am Lachen, unbeschwert, liebte viele Menschen um sich herum.
Jetzt bunkert er sich (je nach Phase) in seinem Zimmer ein, will niemanden sehen und hören, spielt irgendwas am PC und grübelt vor sich hin. Sagt, er will seine Ruhe, nimmt aber auf subtile Art dann doch Kontakt auf, manchmal provoziert er mich regelrecht, da ich mich dann eben auch nicht bei ihm melde, wenn er sagt: Will meine Ruhe. Er ist kalt- und hartherzig geworden, ab und an richtig verbal aggressiv, verletzend und gleichgültig.
Aber eben nur phasenweise.

Momentan läuft es wieder sehr gut, bis zum Scheidungstermin ists nicht mehr lang. Er sagt, dass ihn der ganze Ärger, den es gibt, so runter zieht. Er hat irgendwie nicht die nötige Beherrschtheit, um das alles an sich abprallen zu lassen - ich weiß es nicht.

Mehrmals, nachdem er mir gesagt hatte, ich habe keine Lust mehr, ich will das mit uns nicht mehr, war ich so konsequent und habe mich komplett zurückgezogen, Handy aus, Internet aus, gesagt: Gut, dann ist es so. Und tschüss.
Jedes Mal stand er Stunden später entweder vor meiner Haustür (einmal ist er deswegen hunderte Kilometer gefahren) oder schrieb mir tausende Entschuldigungsmails oder ließ das Telefon so lange klingeln, bis ich irgendwann entnervt ranging und er sich dort entschuldigte und in Zukunft alles besser machen wollte.
Ich begreif das nicht.

Ich spüre seine Liebe manchmal (momentan zum Beispiel) sehr deutlich, habe aber immer das Gefühl, dass er sie zurückhält, zurücknimmt. Ich liebe ihn wirklich über alles, will mein Leben mit ihm verbringen, aber diese ständigen Stimmungsschwankungen machen einen irgendwann fertig, man zweifelt, ob man den richtigen Weg geht.

Ich würde mich sehr freuen ein bisschen was von Euch zu hören, einfach mal eine Sicht von außen zu haben. Das würde mir sehr gut tun.
Muss ich diese Schwankungen einfach "ertragen", kann das irgendwann besser werden, vielleicht, wenn die Scheidung endlich durch ist? Kann eine Therapie etwas bringen?
Es gab eine Zeit, da war es noch schlimmer, da dachte er sogar an Selbstmord. Was das angeht, hat sich schon vieles verändert. Aber trotzdem muss man mit soviel Wechselbad der Gefühle erstmal klarkommen.

Ich freue mich auf Eure Antworten.
Danke!

Re: Mein Freund, sein Leben & ich.

Verfasst: 14. Sep 2010, 23:52
von sunshine45
Hallo Amlah,
zunächst mal herzlich Willkommen hier.
Ich vermag nach Deinem Bericht nicht zu beurteilen, ob es sich bei Deinem LG um Depressionen handelt, aber ich würde Dir vielleicht auch mal empfehlen Dich bzgl. des Themas
"Borderline" einzulesen.
Da ist doch vieles in Deinen Schilderungen was darauf hinweisen könnte.
Alles Liebe und Gute für Dich
die Koboldin

Re: Mein Freund, sein Leben & ich.

Verfasst: 15. Sep 2010, 00:18
von Amlah
Hallo, liebe Koboldin,

danke für Deine Antwort, ich habe mich sehr darüber gefreut.
Mit dem Borderline-Syndrom habe ich mich tatsächlich schonmal beschäftigt und auch einige Parallelen gefunden - aber auch vieles, was absolut nicht auf meinen Partner zutrifft und dem gänzlich widerspricht.

"Reine" Depressionen, behaupte ich jetzt mal, sind das bei meinem Freund nicht - trotzdem wurden Depressionen bei ihm diagnostiziert, allerdings als Folge der Essstörung, soweit ich das weiß. (Kann das was mit diversen Mangelfunktionen zu tun haben?)
Er war auch ein dreiviertel Jahr in psychologischer Behandlung (hat ihn aber meiner Meinung nach nur noch mehr aufgewühlt - aber das ist nur eine subjektive Meinung, vielleicht ist das auch normal). Antidepressiva wurden ihm angeboten, nur wollte er das nicht.
Ich weiß nicht, ob sein Verhalten auf Depressionen schließen lässt.
Nur "normal" ist dieses Verhalten ja auch nicht..

Re: Mein Freund, sein Leben & ich.

Verfasst: 15. Sep 2010, 10:27
von Alma21
Hallo Amlah,

ich habe deinen Beitrag gelesen und in meinem Kopf lief ein Film ab. So ähnlich war es damals bei meinem Mann und mir auch. Wir lernten uns kennen und er lebte bereits in Scheidung (bzw. eigentlich noch im Trennungsjahr). In den ersten drei Jahren unseres Zusammenseins habe ich alle Arten von Gerichtsverhandlungen vorm Familiengereicht miterlebt und wußte gar nicht, daß man auf so vielfältige Weise und zu so vielen verschiedenen Themen die Gerichte beschäftigen kann: Umgangsrecht, Sorgerecht, Unterhalt, Getrenntlebenden Unterhalt, Hausratteilung, Kindesunterhalt, etc. Es war und ist für mich heute noch unverständlich, warum zwei Menschen, die von sich behaupten, sich irgendwann mal geliebt zu haben, so unwürdig miteinander umgehen. Aber vermutlich handelt dann jeder nach dem Grundsatz: du hast mich verletzt, jetzt verletze ich dich - und das ganze schaukelt sich hoch, weil jeder dem anderen noch ein bißchen mehr Schmerz zufügen will.

Am Anfang war das Verhältnis zwischen meinem Mann und seiner Ex-Frau einigermaßen "brauchbar", d. h., sie konnten phasenweise miteinander kommunizieren, ohne mit den Äxten aufeinander loszugehen. Aber hatte man dann mal das Gefühl, daß jetzt langsam Ruhe einkehrt, kam mit absoluter Sicherheit ein echter Kracher, der den "Frieden" wieder sowas von gestört hat, daß man am liebsten Schreiend von dannen gezogen wäre.

Eine Trennung ist auch immer die (aufkeimende) Erkenntnis des eigenen Scheiterns. Das muß erst mal verkraftet werden, letztendlich von beiden Parteien. Wer erkennt schon gerne, daß er Fehler gemacht hat bzw. wer übernimmt schon gerne die Verantwortung dafür. Viele gehen mit großen Vorstellungen eine Ehe ein und müssen irgendwann feststellen, daß sie die gleichen Fehler (oder noch schlimmere) gemacht haben, wie die eigenen Eltern. Obwohl man es doch soooo viel besser machen wollte. Der extreme Sport kann ein Ventil hierfür sein, genauso die Eßstörungen. Man fügt sich selbst Schmerzen zu, um die anderen, inneren Schmerzen nicht so sehr zu spüren.

Ich schätze mal, daß deinem Partner die ganze Situation einschl. der Belastungen über den Kopf wachsen. Gerade wenn Kinder im Spiel sind, wird von vielen Frauen ein absolut brutales Spiel gespielt. Die Kinder werden (leider zu oft) als Werkzeug "mißbraucht" und unsere deutsche Rechtssprechung läßt das auch noch zu. Da werden kleine Menschen "instrumentalisiert" und benutzt, um als "Ex-Partner" nochmals auf perfide Art und Weise Rache nehmen zu können. Das mieseste Spiel, was „Erwachsene“ spielen können und letztendlich auf dem Rücken der Kinder, die überhaupt nicht verstehen können, um was es jetzt geht. Wie die mit der ganzen Situation (Trennung der Eltern) klarkommen, danach kräht kein Hahn. Ich habe es als Kind am eigenen Leib erlebt und durfte es als Erwachsene bei meinem Mann miterleben. Er leidet wie ein Hund. Er sagt mir immer, daß ein Mann daran kaputt gehen kann, wenn der Kontakt zu den Kindern unterbunden wird. Ich selbst kann es nicht einschätzen, da ich es immer zu verhindern gewußt habe, Kinder in diese Welt zu setzen. Meine eigene Kindheit war alles andere als "erlebenswert"...

Zwischen meinem Mann und mir habe ich "Ruhe" reingebracht, in dem ich mich immer wieder abgegrenzt habe. Nicht ICH habe ihm Probleme bereitet oder die Kinder aufgehetzt, sondern meine Vorgängerin. Manchmal hat er wirklich diesen Hinweis von mir benötigt, um erkennen zu können, daß nicht alle Frauen grottenschlecht und bösartig sind. Oftmals reichte auch der Hinweis, dass ich nicht sein FEIND, sondern sein FREUND bin. Vieles habe ich auch einfach nur ertragen und mir immer wieder gesagt, daß das verletzende Verhalten nichts mit mir zu tun hat, daß ich nur eine Projektionsfläche bin, aber nicht die Verantwortung trage. Es ist mit Sicherheit sehr schwer, ruhig zu bleiben - aber es bringt dich persönlich überhaupt nicht weiter, wenn in der ohnehin angespannten Situation noch mehr Spannung reingebracht wird.

Mein Mann hat mir irgendwann, nachdem alles rum war, mal gesagt, daß es ihm gut getan hat, daß jemand zu ihm stand, der Verständnis für ihn hatte, daß er auch mal als "starkes Geschlecht" ganz "schwach" sein durfte und sich einfach nur nach Geborgenheit suchend in meine Arme legen konnte, um das Chaos im Kopf wieder halbwegs zu sortieren. Es gab auch verletzende Situationen, in denen ich was abgekriegt habe, daß eigentilch gar nicht für mich bestimmt war. Damals hatte ich die Fähigkeit, ruhig und gelassen zu bleiben und nicht zu reagieren. Ob es richtig oder falsch ist - vermag ich nicht zu beurteilen, es hat geholfen, die Situation zu ertragen. Es gab allerdings auch Momente, in denen ich das Gefühl hatte, das alles nicht mehr ertragen zu wollen. In denen ich das Gefühl hatte, dass mein Leben nur noch aus Problemen besteht, wo es mir einfach nur zuviel wurde. Ich weiß nicht, wie oft ich im Kopf Schluß gemacht habe, mich gedanklich von ihm getrennt habe – getan habe ich es nie. Das Herz und die Gefühle waren immer stärker – habe ich in ihm doch meine große Liebe gefunden (wenn auch eine sehr problembehaftete). Auch er leidet unter Depressionen – aber das ist ein anderes Thema.

Es kann sein, daß mit der ausgesprochenen Scheidung etwas Ruhe in Euer beider Leben einkehrt - nutzt die Zeit, um miteinander zu reden, auch über negative Gefühle oder Gefühle des Scheiterns, Ängste, etc. Alles, was mal ausgesprochen ist, kann im Verborgenen nicht mehr fressen oder vergiften.

Auf alle Fälle wünsche ich viel Kraft, Gelassenheit, Ruhe und einen sicheren Boden unter den Füßen, der so schnell nicht weggezogen werden kann. Wenn du kannst, sei für deinen Partner da - ohne ihm Vorwürfe zu machen (die macht er sich im Stillen selbst), ohne ihn zu "bevormunden" oder ständig gute Ratschläge zu geben. Manchmal hilft eine "stumme Umarmung" um dem anderen zu sagen: ich bin für dich da und ich liebe dich.

Re: Mein Freund, sein Leben & ich.

Verfasst: 15. Sep 2010, 14:55
von Amlah
Liebe Gizmo,

vielen Dank für Deine lange und ausführliche Antwort. Es tat sehr gut mal von jemandem zu lesen, der ähnliches durch hat wie man selbst.

Auch mir ist es unbegreiflich, wie man - gerade bei kleinen Kindern - so einen bodenlosen Hass aufeinander an den Tag legen kann. Die Scheidung ist das eine, die Kinder das andere und es wird schlussendlich, wie du sagtest, auf deren Rücken ausgetragen. Das ist traurig und tut auch mir in der Seele weh. Ich halte mich weitestgehend aus allem raus - da allerdings seine Launen auch abhängig sind von diversen Boykottierungen seiner Ex-Frau, Briefen von Anwälten usw., hänge ich halt doch zwangsläufig mit drin. Da seine Frau mich furchtbar hasst, die gemeinsamen Kinder mich aber sehr gern haben, ist zusätzlicher Zündstoff vorprogrammiert.

Was ich nur gerne wissen würde, ist ... wie soll ich mit ihm umgehen?
Ich muss zugeben, dass ich es verlernt habe, ich habe sehr oft Angst vor seinen Reaktionen.
Manchmal wird er aus den kleinsten Anlässen schrecklich wütend, was in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass ich ihn oft mit Problemen oder meinen eigenen Gefühlen und Ängsten nicht mehr konfrontiert habe, was dazu führte, dass ich genau das Gegenteil erreichte. Ich würde ihn in Watte packen, hätte keine eigene Meinung mehr, usw. Ich kann ihn verstehen, andererseits verstehe ich auch mich - ich habe keine Lust immer zu streiten oder wegen Kleinigkeiten Boshaftigkeiten an den Kopf geworfen zu bekommen, die ich mir (so ist leider mein Charakter) sehr annehme. Ich verzeihe sehr, sehr schnell und bin nich nachtragend, allerdings kann man mich umso schneller verletzen.
Was soll ich tun, wenn er verbal bösartig wird, wie reagieren? Was "wünscht" sich ein Betroffener? Wünscht er sich, dass man contra gibt, ihm sagt: so aber nicht, mein Freund!?
Ich hab keinen Mut mehr zu sagen: Hey, red vernünftig mit mir, ich kann nichts dafür, dass "Madame" so und so drauf ist.
Denn dann bekomme ich nur wieder zu hören: Jaaaa, ist besser, wir gehen getrennte Wege, denn ich tue dir ja eh nur weh und Frauen vertrauen kann ich anscheinend auch nicht mehr, ich bin beziehungsunfähig. Und so weiter und so fort. Das will ich doch gar nicht, nur will ich einen respektvollen Umgang. Und den bekomme ich auch nur phasenweise. Mal ist er so wie "früher", im nächsten Moment wieder ein "Monster", vor dessen Unberechenbarkeit ich "Angst" habe.

Ich weiß, wie auch dein Mann es später äußerte, Gizmo, dass er mir über alles dankbar ist, dass ich zu ihm halte und an seiner Seite bin. Du sagtest etwas über eine Projektionsfläche ... ich glaube, darüber muss ich mal ein bisschen nachdenken. Vielleicht ist es so.
Aber ist es denn vertretbar, dass das zur Folge hat, dass man soetwas wie "Angst" hat vorm eigenen Partner?
Seine gesamte Verwandtschaft, die weitestgehend zu ihm hält, sagt mir, wie gut ich ihm tue, wie ausgewechselt er ist, wenn ich da bin, wie glücklich er mit mir ist, auch darüber, dass seine Kinder mich so bedingungslos akzeptieren. Und es ist toll, dass sie mir das sagen.

Aber meine Unsicherheit, was den Umgang mit ihm anbelangt ... die bleibt.
Sage ich ihm, was meine Meinung ist, fühlt er sich bevormundet. Hat immer das Gefühl, dass das dann gemacht werden muss. (Bei seiner Frau war das halt so - was sie sagte, wurde gemacht.)
Sage ich ihm nicht, was meine Meinung ist und äußere, dass er selbst entscheiden soll, wirft er mir an den Kopf, ich würde ihn schonen wollen und meine Meinung nicht vertreten.
Wie soll man auf sowas reagieren?
Er sagt selbst, es fällt ihm momentan schwer Kompromisse zu schließen - ganz oder gar nicht.
Was würde IHM gut tun?

Da sein und alles schlucken und einfach daran denken, dass er krank ist und das nicht persönlich meint..?

Re: Mein Freund, sein Leben & ich.

Verfasst: 15. Sep 2010, 16:12
von Alma21
Hallo Amlah,

wie gut ich dich verstehen kann. Hab' grad das Gefühl, der ganze alte Mist wird "aufgekocht".

Es gab auch bei mir Situationen, in denen ich Angst vor meinem Mann hatte - Angst vor seinen Reaktionen. Klar zieht man sich dann zurück und noch klarer, genau dieser Rückzug bedeutet Spielraum für Spekulation und Vermutungen. Eine echte Zwickmühle - denn das, was man natürlich überhaupt nicht möchte: Benzin ins Feuer zu kippen.

Ich habe Phasen genutzt, in denen wir uns gut verstanden haben, um ihm zu beschreiben, wie schwer mir manchmal der Umgang mit ihm fällt. Ich habe ihn dann einfach gebeten, mir nur aufmerksam zuzuhören, bei Unklarheiten sofort nachzufragen oder bei Unsicherheiten in der Interpretation das Gesagte in eigene Worte zu fassen - einfach um Mißverständnisse vorzubeugen. Dabei habe ich von MEINEN Gefühlen gesprochen, von MEINEN Empfindungen, von MEINEN Gedanken. Ich habe es vermieden, ihn in diesem Gespräch mit verbalen Formulierungen wie: du hast..., du bist...., du machst...., etc. direkt anzugreifen oder ihm ein schlechtes Gefühl zu vermitteln. Es war eine formulierungstechnische Gradwanderung, manchmal (um die ein oder andere Situation zu beschreiben) eine Rumeierei - und es kam vor, daß ich ihm auch ein direktes Beispiel gegeben habe. Wobei ich auch hier versucht habe, neutral und ohne Anschuldigung zu bleiben. Auf diese Weise habe ich ihm vermitteln können, welche Faktoren wie zusammenspielen (wie ein Orchester) und welche schiefen Töne manchmal dabei rauskommen. Mit einem Gespräch dieser Art war es nicht getan - aber er hat sich Mühe gegeben und war im Bezug auf meine Reaktionen etwas aufmerksamer. Es ist für euch beide keine einfache Situation. Und es ist von beiden Seiten enormes Verständnis gefordert. Wenn du merkst, daß es dir für den Moment zuviel wird oder dir der Kamm schwillt und im nächsten Moment ein Streit droht - sage ihm, daß du erst mal an die frische Luft gehst und ihr später darüber redet (wenn sich die Gemüter wieder etwas beruhigt haben). Alles andere schaukelt eine Situation nur unnötig nach oben. Eure Beziehung sollte eure "Kraftquelle" sein und kein "Nebenkriegsschauplatz".

Und im Bezug auf seine Kinder: lasse dich keinesfalls vor einen Karren spannen. Diesen Fehler habe ich gemacht und mich beeinflussen lassen. Das Kind meines Mannes hatte irgendwann die Anwandlung "Mama" zu mir zu sagen. Mir haben sich die Nackenhaare gestellt, er fand's toll und das Kind hat seinen Spaß dran gehabt, mich so zu nennen. Irgendwann habe ich für mich gedacht, daß mir es als Mutter nicht gefallen würde, wenn mein Kind zu einer anderen Frau "Mama" sagen würde - so verletzt ein Kind sein Elternteil ohne zu ahnen, daß es das tut. Vor allem macht man sich als "Neue" (Partnerin) die andere Frau direkt zum Gegner - das braucht kein Mensch. Frauen kämpfen härter und vor allem mit eiskalter Berechnung.

Irgendwann (ich habe viel zu lange damit gewartet), habe ich sowohl meinem Mann als auch seinem Kind gesagt, daß ich NICHT die Mama bin und es niemals sein werde. Ganz besonders habe ich darauf hingewiesen, daß das Kind eine Mutter hat und zwei Mütter EINE zuviel sind. Ich habe aber gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, daß ich sowas wie eine "Freundin" sein kann, bei der sich das Kind auch ausheulen kann, mit der es kuscheln/schmusen kann, Spaß haben kann aber auch Ärger kriegen kann. Es gab dann noch Versuche seitens des Kindes, mich weiterhin "Mama" zu nennen und ich habe es jedesmal korrigiert, in dem ich meinen Vornamen genannt habe "ich bin die XXX und kann deine Freundin" sein - und irgendwann war das Thema gegessen. Das Kind war aus dem Konflikt draußen, hat seiner Mutter gegenüber von der XXX erzählt und fertig. Auf diese Weise habe ich mir eine Mutter als "Furie" vom Hals gehalten.

Mache deinem Partner auch klar, daß es, solange es eure Partnerschaft betrifft, GEMEINSAME Entscheidungen gibt. Hier geht es nicht darum, daß der eine das zu tun hat, was der andere sagt. Ich schätze, das dürfte ein Lernprozeß sein, der vielleicht auch gebetsmühlenartig zu wiederholen ist.

Ich habe keine Ahnung, ob meine Vorgehensweise richtig oder falsch war und habe auch keine Ahnung, ob sie für dich vielleicht eine Anregung sein kann - zumindest hat es mir in den ganz extremen Zeiten geholfen, die Situation und die Kriege der Ex-Partner auszuhalten. Das Fell ist natürlich in der Zeit auch dicker geworden. Hilfreich sind auch gedankliche Anker wie z. B. schöne gemeinsame Erlebnisse. Da hab ich mich oftmals dran festgeklammert. Da habe ich nämlich meinen Mann erlebt, wie er sein kann (wenn er mal nicht die Birne voll hatte mit Problemen, Streitereien, Gerichtspost und sonstigem Mist).

Wenn du Interesse hast, können wir gerne über Mail kommunizieren - sofern du es auf diese Weise lieber möchtest. Melde dich einfach nochmals hier im Forum, da ich meine Daten "Blickdicht" gemacht habe.

Liebe Grüße

Re: Mein Freund, sein Leben & ich.

Verfasst: 19. Sep 2010, 02:42
von wennfrid
Hi Amlah
Bei deinem Freund und bei dir wird sich eine emotionale Achterbahn abspielen. Er wird zweifeln, ob sein Tun auch das richtige ist. Meist verschwinden diese Zweifel nach der Scheidung nach und nach. Ich denke, daß ihr beide leidet und jeder Einzelne fühlt sich in seiner Gefühlswelt hin und her gezogen. Geduld und Durchhaltevermögen sind angesagt.
Ich lese sehr oft, daß "alte" Beziehungen beendet werden und neue Freundschaften werden geschlossen. Solange nicht Kinder oder anderes darunter leiden, sollte man so fair sein und den Partner loslassen. Loslassen in einer Art Freundschaft, denn Liebe, die nicht mehr vorhanden ist, kann man nicht erzwingen. Außerdem findet bei jedem Einzelnen ein Entwicklung statt. Denk- und Lebensstrukturen ändern sich. Schade, daß dann sehr oft ein Rosenkrieg stattfindet, der denn Partner und auch andere nur noch mehr entfernt und verärgert.