14 Jahre an seiner Seite – was kommt nun?

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Steffi-nordheide
Beiträge: 6
Registriert: 16. Jun 2010, 12:59

14 Jahre an seiner Seite – was kommt nun?

Beitrag von Steffi-nordheide »

Hallo liebes Forum,

ich schreibe das erste Mal hier, denn ich könnte Rat, Hilfe und Meinungen vertragen.

Zur Situation: Mein Mann <50 hat seit seiner Kindheit Depressionen.

Einige ambulante Therapien, ein Jahre zurückliegender Klinikaufenthalt mit anschließender Tagesklinik und einigen Gesprächstherapien brachten keine Besserung. (Tabletten hat er zu Hause verweigert).

Seit Ende April ist er wieder in stationärer Therapie mit Medikamentenbehandlung und es scheint sich diesmal etwas zu tun.

Er hat uns – seine Familie (mich und 3 Kinder) offiziell „verlassen“. Wenn er –in ca. 1 Woche- entlassen wird, wohnt er –mit allen bereits umgelagerten Sachen- in unserem Wochenendhaus.

Am 04.05 – also kurz nachdem er „auszog“ schrieb er:

„…Mir wäre es im Moment am liebsten wenn wir uns kurzfristig scheiden lassen könnten, …So weit erst mal, kriege nicht mehr zusammen, vielleicht später. Auch wenn es sich doof anhört… In Liebe …Unterschrift“

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Nun haben wir in den letzten Wochen wieder ein Stück zueinander gefunden; er hat uns die vergangenen 3 Wochenenden –mit Übernachtung- hier besucht.
Er will wieder zu uns finden, braucht aber Zeit.

Diese Woche war ich zu einem Paargespräch in der Klinik.

Es verlief soweit ganz gut, bis kurz vor Schluss, als ich nach meinen Gefühlen gefragt wurde und antwortete, dass es mir wichtig wäre von ihm zu erfahren, was wir nun eigentlich sind: getrennt oder ein Paar ??

Er konnte/wollte –hat es nicht beantwortet.

Beim Verabschieden sagte ich dann: Wenn wir kein Paar sind brauchen wir das hier auch nicht zu veranstalten (Paargespräch, Übernachtung…)
Ich fuhr unter Tränen ohne Verabschiedung heim.

Ich weiß dass es falsch war, habe ihm später eine Mail geschrieben, in der ich mich mit u.a. mit folgenden Worten „entschuldigen“ wollte:

„Es gibt für mich zur Zeit nichts Schöneres, als dass du hier bist -und hier schläfst! Ich frage mich nur: Wofür; warum? Wenn wir kein Paar sind ?! Was aus uns wird, weiß keiner; was jeder von uns will, wie sich jeder von uns fühlt, sollten wir schon wissen und es dem anderen mitteilen.
ICH will irgendwann wieder mit dir leben, lachen; dich Tag für Tag lieben. ICH fühlte mich (bis vorhin, als mir klar wurde: du willst nicht) als Paarteil von Dir. Aber wie kann ich mich so fühlen, wenn mir das Gegenstück fehlt? Einer alleine bildet kein Paar.

Du kannst/willst keine Aussage machen –obwohl du es doch zu zeigen scheinst- das tut mir weh. Du kommst her, sagst du liebst mich, küsst mich, streichelst mich, nimmst mich in den Arm, schläfst mit mir … Wie kannst du das alles machen, wenn dir das Paar-Gefühl fehlt?“

Als Antwort kam als Originalschreiben von ihm:

„Ich möchte zu euch zurück, zurzeit steht nur das „aber“ dazwischen.

Es bedeutet mit euch, ich brauche nur Zeit und weiß nicht, wie viel.

Ich besuche dich und die Kinder nicht, um euch zu verletzen, ich komme, weil ich euch will. Ich stecke voller Ängste und unbekannten Gefühlen, diese möchte ich weiter eingrenzen um damit besser umzugehen.
Oft kommen sie auch bei dir zu Hause durch, machen mich depressiv und ich muss aufpassen, wie es mir dabei geht, ich schaue auch, wie es euch dabei geht.

Ich habe mich viel zu spät um mich gekümmert, ich möchte dir ein gesunder Partner werden der an deiner Seite steht, ich möchte den Kindern ein gerechter Vater sein. Bitte verstehe, ich möchte auch die Zukunft mit dir verbringen und teile mich dir mit, bitte gehe diesen Weg doch mit mir zusammen.
Ich bin immer noch dein Mann, nehme mir aber die Freiheit an mir zu Arbeiten um mit euch weiter leben zu können.“



Meine Frage an Angehörige, die ähnliches erlebt haben oder Betroffene, wie sie was empfinden würden:

Was kann ich tun? Was sollte ich lieber nicht tun?
Was wäre richtig?? Was wäre falsch??
Ich liebe ihn trotz allem - oder gerade deswegen!?
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: 14 Jahre an seiner Seite – was kommt nun?

Beitrag von sunshine45 »

Hallo Steffi,
bisher hat Dir noch niemand geantwortet.
Ich versuche es mal etwas, denn Du bist in einer ganz anderen Situation als die anderen Angehörigen.

Es ist eigentlich ziemlich ungewöhnlich, dass Dein Mann noch den körperlichen Kontakt suchen bzw. überhaupt zulassen kann und auch so offen mit Dir sprechen kann.

Meistens ist es bei der Depression so, dass sich die Partner komplett zurückziehen und nicht über ihre Gefühle sprechen können und Körperlichkeiten gar nicht aushalten können.

Bei Euch ist es ja so, dass Dein Mann von sich aus den Kontakt sucht, auch wenn er zunächst einmal im Wochenendhaus lebt.

Spontan würde ich sagen, dass es bei Euch wirklich gute Chancen gibt, dass es wieder besser werden kann.
An Deiner Stelle würde ich mir wahrscheinlich auch therapeutische Hilfe holen um besprechen zu können wie man sich in bestimmten Situationen verhält und wie Du während dieser noch schwierigen Zeit mit Deinen Gefühlen zurechtkommen kannst.

Wichtig ist ihn NICHT zu bedrängen, nicht zuviel zu fragen und abwarten wieviel er zulassen kann.

Ich lebe mittlerweile seit fast 2 Jahren in so einer Schwebesituation und kann Dir nur raten auch während dieser Zeit viel für Dich selbst zu tun.

Liebe Grüße
von der Koboldin
Love it, leave it or change it!
Marionka
Beiträge: 175
Registriert: 22. Nov 2009, 18:53

Re: 14 Jahre an seiner Seite – was kommt nun?

Beitrag von Marionka »

Hallo Steffi,

ich möchte dir auch gerne antworten, denn die Worte deines Mannes haben mich zutiefst berührt.
Ich möchte mich meiner Vorrednerin anschließen und dir auf alle Fälle raten, dich in Geduld zu üben. Dein Mann weiß sehr genau, was er sich für seine Zukunft wünscht - nämlich das Zusammenleben mit dir und den Kindern. Das ist in der Tat außergewöhnlich, dass er seine Wünsche und Gefühle so artikulieren kann.

Ich würde dir auch gerne sagen wollen, dass du wirklich nur auf Schritte und Zugeständnisse von ihm warten solltest und ihn nicht mit irgendwelchen "Aktionen" sprich Mails, SMS usw. in die Enge treibst.
So hat es zumindest mein Partner empfunden
und ich habe ihn diesen Dingen immer weiter von mir weggetrieben, weil ich diesen Zustand einfach nicht aushalten konnte.

Erst als ich mir die Ratschläge hier aus diesem Forum zu Herzen genommen habe, mich einfach komplett zurückzuziehen, hat sich - zwar nur sehr langsam - unsere Situation entspannt.

Mein Partner konnte mir zu keiner Zeit Gefühle zeigen oder körperliche Nähe zulassen, was auch bis dato noch nicht möglich ist.

Wir machen ganz, ganz kleine Schritte nach vorn und ich hoffe, dass wir irgendwie wieder ein "normales" Paar zusammen sein können.

Also, schreib ruhig weiter hier in dieses Forum - hier sind soviele Leute, die wirklich mit Ratschlägen oder auch nur mit einem offenen Ohr zur Seite stehen können.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch mal bei allen bedanken, die mich hier aufgefangen haben. Ich glaube, sonst hätte ich es nicht geschafft.

Liebe Grüße an alle und ein schönes bevorstehendes Wochenende.

Marion
tomroerich
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
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Re: 14 Jahre an seiner Seite – was kommt nun?

Beitrag von tomroerich »

Hallo Steffi,

ich schreibe dir als Betroffener, nicht als Angehöriger.

Auffällig ist ja die Widersprüchlichkeit in den Wünschen deines Mannes und die scheint mir daher zu rühren, dass du ihm signalisierst: Paar oder nicht Paar - das ist hier die Frage. Das Wort "Paar" ist für gewöhnlich verknüpft mit Erwartungen von Nähe und Verbindlichkeit, und dass du dir das wünscht, ist ja völlig normal. Möglicherweise ist es aber für ihn jetzt so, dass er, angeregt durch Therapiegespräche und vielleicht auch der Trennungszeit, in eine Art von Selbstfindungsprozess eingetreten ist und dann erscheint es ihm hinderlich, sich um dich und deine Bedürfnisse zu kümmern.

Es war einst auch für mich so, dass ich ein ganz dringendes Bedürfnis danach hatte, mich nun endlich mal ganz und gar um mich selbst zu kümmern. Das heißt allerdings garnicht: Du und die Kinder, ihr interessiert mich nicht mehr. Es heißt nur: Ich habe mich verloren und ich brauche Abstand.

Ich, als einst depressiv denkender Mann, hatte mich darin verrannt, immer für andere da sein zu müssen und dann geht man sich selbst irgendwann verlustigt und bekommt das Gefühl, die äußeren Bande wären es, die dafür verantwortlich sind. Es sind die inneren, wie ich jetzt weiß. Es sind die inneren Einstellungen, die es nicht erlauben sich selbst anders zu erleben als wie ein Dienstleister an der Familie. Gleichzeitig war ich mir völlig bewusst, dass ich niemanden verlieren oder verlassen wollte.

Und diese beiden Impulse
1.) Ich muss für mich selbst besser sorgen und mich daher distanzieren und
2.)Die anderen sind nicht dafür verantwortlich und ich will sie nicht verlassen

erzeugen diese seltsame Widersprüchlichkeit. Wichtig für dich: Es hat nichts damit zu tun, ob er dich noch will oder nicht. Ich deute es so, dass er die Enge, die ihn beängstigt, überwinden will. Sie ist in ihm und nicht in dir, aber du repräsentierst das Problem. Du bist seine Rückfallgefahr in alte Muster, die er gerade mit ersten Schritten überwinden will.

So habe ich das damals alles erlebt und ich vermute nur, dass das Problem dort liegt.



Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
tangram
Beiträge: 131
Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: 14 Jahre an seiner Seite – was kommt nun?

Beitrag von tangram »

Hallo Thomas,

habe gerade deinen Beitrag gelesen.

Ich bin Angehörige und deine Darstellung der Situation hat mir in meiner Situation gerade sehr geholfen.

Danke
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: 14 Jahre an seiner Seite – was kommt nun?

Beitrag von sunshine45 »

Hallo,
da bin ich nochmal und möchte Thomas danken für seinen Beitrag. Das ist wirklich genau auf den Punkt gebracht und genau das was ich bei meinem Ex-LG (weiß nicht wie ich ihn bezeichnen soll, denn heute spricht er im ich und morgen wieder im wir) und genau das stellt auch das dar was Thomas beschreibt.
Nur Steffi, Du bist zumindest schon in der Situation, dass Dein Mann sich dahingehend ausdrücken kann und Dir sagt, dass er Zeit braucht.
Es ist ja auch so, dass man sich im Partner spiegelt und so spürt Dein Mann ja auch wie sehr die Familie unter seinem Rückzug leidet und Du formulierst es ja auch ganz klar. Das macht ihm unglaublichen Druck, denn er selbst wäre ja auch so gern mit sich schnell wieder im Reinen, nur leider dauert es seine Zeit und die heißt es überbrücken lernen.
Mein Bauch und meine Erfahrung sagen mir, dass jedesmal wenn Du fragst was Ihr denn nun seid "Paar oder nicht Paar" Dein Mann vielleicht innerlich einen kleinen Rückschritt macht, weil es einfach zuviel ist. Er hat ja gesagt, dass er erstmal mit sich selbst zurechtkommen muss um Dir ein guter Partner zu sein. Ich finde es wirklich unglaublich gut und mutig, dass er schafft Dir sowas zu sagen. Davon träumen die meisten Angehörigen hier und somit ist Dein Mann wirklich auf gutem Weg und hat wohl einiges an Selbsterkenntnissen, die er zunächst einmal allein umsetzen muss. Das muss er erst noch üben und kennt seine Stimmungsschwankungen ganz genau und möchte Euch nicht damit belasten und geht daher lieber ins Wochenendhaus.
Wahrscheinlich macht er das auch um seine Familie zu schützen und und das ist wirklich sehr verantwortungsvoll. Er hat ja auch schon so lange Depressionen und ist lange in Behandlung wie Du geschrieben hast, somit kennst Du ja auch die starken depressiven Phasen und aus der Distanz heraus, kannst Du dann auch etwas Luft holen und für Dich etwas tun.

Ich weiß selbst, dass es sehr sehr schwer ist, aber versuch doch vielleicht einfach mal jetzt Dinge anzugehen, die nur Dich interessieren und die Du schon immer mal machen wolltest. Es wird gut tun und es wird auch Deinem Mann gut tun, wenn er merkt, dass Du Dir Auszeiten nimmst und nicht so sehr auf ihn fixiert bist, das macht ihn freier und fördert den Gesundungsprozess.
Mir gelingt das zwar auch nicht immer, aber immerhin schon mehr als früher und es tut gut.

Alles Liebe
die Koboldin
Love it, leave it or change it!
Steffi-nordheide
Beiträge: 6
Registriert: 16. Jun 2010, 12:59

Re: 14 Jahre an seiner Seite – was kommt nun?

Beitrag von Steffi-nordheide »

Liebe Leser/innen,

ich habe grade meinen Fehler bemerkt, dass ich hätte "antworten" können.
Statt dessen hab ich " ein neuen Beitrag"
eröffnet.

Entschuldigt bitte, kommt nicht wieder vor.

Steffi
Ich liebe ihn trotz allem - oder gerade deswegen!?
Analena
Beiträge: 77
Registriert: 19. Jun 2010, 19:30

Re: 14 Jahre an seiner Seite – was kommt nun?

Beitrag von Analena »

Hallo Thomas,

ich wollte dir auch nur mal kurz danken für diesen - auch für mich - sehr hilfreichen Beitrag.
Es ist immer wieder sehr hilfreich, dass aus Betroffenen-Perspektive zu hören und in meinem Fall ist es auch noch der männliche Partner.
Ich kenne diese Aussagen, die ganze Bandbreite von "Ich wollte nicht Schluss machen, nur Abstand, nur getrennt Urlaub machen", gleichzeitig sollte ich ausziehen, dann wollte er sofort ausziehen (ich sollte die Kündigung für die gemeinsame Whg. unterz.)bis zu Aussagen wie "Du hast die Beziehung an die Wand gefahren" und "Ich will im Moment einfach nur alleine leben". Ich kenne dieses Muster von ihm als er seine Ex-Freundin verließ. Er hat mir erzählt, dass er damals nach einer kurzen Hochphase total alleine war, abgestürzt ist und als es ihm besonders schlecht ging, rief er sie an. Dann kamen sie wieder zusammen, er meinte, sie jetzt heiraten zu müssen (er sagte: "Ich dachte, das muss jetzt so sein" - schon wieder ein Zwang...) dann fingen wohl alte Muster in der Bez. wieder an (sie setzte ihn wegen WOhnortwechsel wohl unter Druck) und dann lernte er mich kennen und trennte sich Knall auf Fall. MIt mir begann er dann ein ganz anderes Leben, wie er mir gesagt hat.
Leider wieder abgelehnt durch seine Eltern.

Nun denn, das führt zu weit, wollte dir eigentlich nur sagen, dass dein Beitrag sehr hilfreich war.

Alles Gute!
Analena
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