Diskussionsforum Depression

Hallo

mein Freund hat schon lange Depressionen - wie lange genau weiß ich nicht - schon bevor wir uns kennenlernten.
Seit einem absoluten Tief vor mehr als 3 Jahren kommt er nicht mehr richtig raus.
Es ist ein ständiges Auf und Ab.
Mal ist es einige Zeit "gut" - oder es scheint wenigstens so zu sein. Dann plötzlich wieder Rückzug und Schweigen. Da wir nicht zusammen leben weiß ich meist nicht, ob es einen Grund dafür gibt...
Ich weiß, daß er sehr darunter leidet.
Er ist in psychiatrischer Behandlung, nimmt Medikamente, war schon mal lange in der Klinik.

Mein großes Problem ist, daß er mit mir nur sehr sehr selten darüber spricht wie es ihm geht. Ich interpretiere meist sein Verhalten, seine Stimme am Telefon etc.
Es ist nur eindeutig, wenn er am Wochenende allein sein möchte, am Telefon nur ein paar Worte von sich gibt und ansonsten schweigt.

Zeitweise komme ich damit ganz gut zurecht - manchmal zieht es mich runter.
Einfach die Unsicherheit, wie weit es runter gehen wird.....
Zur Zeit geht es offensichtlich nur abwärts...

Irgendwie muß ich es einfach mal loswerden - auch wenn mir da kaum jemand helfen kann....

Xam

Hallo Xam,

ich kann nur von mir ausgehen, womöglich ist dieser Rat absolut nicht praktikabel für Dich… wäre es möglich, dass Du Dich in einer „guten Phase“ Deines Freundes mal mit ihm konkret über das Thema „Depression – wie gehen wir in unserer Beziehung damit um?“ unterhältst?

Vielleicht wäre es für euch beide hilfreich, wenn z.B. folgende Aspekte geklärt sind:

- wie empfindet ihr beide in solchen Phasen?
- wie fühlt ihr dem Partner gegenüber?
- Verhalten, auf was ist zu achten, Rücksicht?

Ich halte es mit meinem Freund beispielsweise so, dass ich ihm sage „Pass auf, mir geht´s besch… , es hat nix mit Dir zu tun, geht wieder vorbei.“

Womöglich hilft Euch eine gezielte Kommunikation besser über diese Phasen hinweg. Wo unausgesprochene Dinge im Raum stehen, entsteht schnell eine unüberwindbare Mauer.

Liebe Grüße
Elli

Hallo Elli

stimme dir in allem zu.
Aber leider konnte ich auch in guten Phasen da nicht wirklich etwas klären.
Ich bat ihn schon öfters, mir wenigstens zu sagen "... mir gehts besch...". Dann kann ich mich darauf einstellen, muß nicht "interpretieren", weiß was los ist. Aber vergebens.

Da ich weiß, daß er auch wenn es besser geht, nur sehr sehr ungern über die Depression spricht und dieses Thema abblockt, spreche ich ihn kaum darauf an.
Ist es vielleicht ein Fehler dieses Thema sein zu lassen?
Ich bin halt oft einfach froh, wenn ich das Gefühl habe, es geht etwas besser.
Wirklich gut ging es in den vergangenen Jahren kaum - glaube ich wenigstens.
Auch wenn einige "gute Tage" darunter waren.

Wie es für ihn wirklch war - woher soll ich es wissen???
Wenn ich mal konkret frage, bekomme ich meist zu hören "es geht".... und dann wird das Thema gewechselt.

Wie kann ich ihn unterstützen?
Wie komme ich besser damit zurecht???

Einen schönen Abend noch
Xam

Hi Xam,

ja das ist alles nicht so einfach.
Ich kann mir schon vorstellen, warum er nicht über die Depression reden will.
Für ihn bedeutet sie Schwäche, verstehst du.
Er empfindet sich selbst als schwach, weil er eben depressiv ist.
Und deshalb mag er auch nicht darüber reden, weil er sich dann damit auseinandersetzen muß und etwas vor Augen gehalten bekommt, was er nicht sehen will, verstehst du.

Für viele Männer bedeutet so eine Depression auch, kein ganzer Mann zu sein. Jedenfalls sehen depressive Männer es so, das habe ich schon oft erlebt.
Sie können damit nicht umgehen, so wird es bei deinem Mann auch sein.

Das wichtigste ist, daß du ihm das Gefühl gibst, daß du da bist und daß er dir wichtig ist. Das hilft ihm viel, glaub mir.

Du hast gefragt, wie du besser damit zurecht kommst. Du solltest vor allen Dingen akzeptieren, wenn er über das Thema Depression nicht reden will.
Wenn er merkt, daß du akzeptierst, wie er mit der Sache umgeht, wird er mit der Zeit mehr Vertrauen fassen und wird vielleicht irgendwann von selbst kommen und mehr reden.
Das braucht einfach Zeit.

Schaue auch, daß du dich selbst nicht vernachläßigst. Tue dir hin und wieder was gutes. Das hilft auch, neue Kraft zu schöpfen.
Und damit zeigst du ihm auch, daß er sich um dich keine Sorgen machen braucht, daß du gut für dich selbst sorgen kannst, verstehst du.

Das ist ganz wichtig, denn Depressive haben immer die Sorge, daß sie Menschen, die sie lieb haben, zu sehr mit ihrer Krankheit belasten. Wenn dein Mann merkt, daß er sich um dich keine Sorgen machen braucht, dann ist das für ihn schon sehr hilfreich.

Liebe Grüße Babi

Hallo Babi

ich stimme dir ja zu.
Doch wie soll ich jemals etwas zwischen uns klären können, wenn ich immer sein Schweigen akzeptiere?
Du spricht davon, daß es Zeit braucht bis er vertrauen kann.
Ich mache das nun schon mehr als 3 Jahre mit, war in dieser Zeit immer und jederzeit für ihn da.
Ist das nicht lange genug?
Ich habe immer akzeptiert, wenn er sich zurückgezogen hat, habe versucht ihm die Zeit zu geben die er braucht.
Verlange ich wirklich zuviel, wenn ich erwarte, daß er einfach mal ausspricht wenn es ihm schlechter geht? Dann weiß ich zB am Wochenende, daß ich wieder einmal allein sein werde und kann mich darauf einstellen.
Dann kann ich für mich etwas planen, mich mit Freunden treffen oder ähnliches. Ich tue ja auch was für mich - das weiß er auch.
Doch vor kurzem erst sagte er mir noch "es geht" und wir planten für den nächsten Tag. Einem Freund konnte er kurz darauf sagen wie schlecht es ihm wirklich geht - und mir sagte er erst am nächsten Tag das Treffen ab.....
Das verstehe ich nicht.

Dieses "Single - mit - Partner - sein" wie ich es nenne, ist nicht mein Problem. Sondern sein Schweigen!

Und natürlich wünsche ich mir auch mal eine beständige Besserung. Doch daran kann ich zur Zeit nicht glauben - eher an das Gegenteil......

Viele Grüsse
Xam

Hi Xam,
ich kann deine Verzweiflung gut verstehen.
Natürlich ist es nicht zu viel erwartet, dass er dir sagen soll, wie es ihm geht.

Aus deinen Schilderungen kann ich erkennen, daß es ihm enorm schwer fällt, dir zu sagen, wie es ihm geht. Vielleicht solltest du ihn ja mal fragen, warum er dir nicht sagen kann oder will, wie es ihm geht.
Ob du natürlich da eine Antwort kriegst, ist auch die Frage.

Ich denke, es ist ihm wirklich enorm peinlich, darüber zu reden und er hat vielleicht auch Angst, dich zu enttäuschen, wenn er von vornherein sagt, es geht ihm nicht gut.
Weißt du, es ist nicht bös gemeint, daß er erst zusagt und dann doch absagen muß, weil es ihm nicht gut geht.
Daß er erst zusagt, zeigt doch seinen guten Willen. Er will mit dir was machen, will es jedes Mal versuchen.
Schau, daß er dir erst so spät absagt, heißt, daß er wirklich bis kurz vorher kämpft, weil er dich nicht enttäuschen will. Und er muß dir doch meist absagen, weil es ihm nicht gut geht.
Glaub mir, das ist für ihn auch schlimm, daß das so läuft, und es belastet ihn sicher.

Und schau: Ist doch klar, daß er mit einem Kumpel offener redet, Männer fühlen sich von Männern immer besser verstanden als von Frauen, das ist einfach so.
Du darfst nicht alles gegen dich sehen, denn das ist es nicht, glaub mir.
Und ist dir schon mal die Idee gekommen, daß dieser Kumpel zwischen euch vermitteln könnte? Ich meine in dem Sinn, daß ihr euch mal zu dritt zusammensetzt und daß dein Mann dann eher redet, weil er dabei ist.
Überlegs dir mal!

Jedenfalls solltest du generell für dich einen Notfallplan bereithalten, was du für dich tun kannst, wenn es ihm nicht gut geht.
Weißt du, es kann nämlich sehr schnell umschlagen bei Depressiven mit der Stimmung.
Selbst wenn er dir am Abend sagt, es geht ihm ganz gut, kann das übernacht schon wieder umfallen und es geht ihm am nächsten Morgen wieder schlechter. Bei Depressiven kann das sehr schnell gehen, verstehst du.
Deswegen habe immer etwas als Zweitplan, was du machen kannst, wenn es ihm nicht gut geht.
So bist du dann auch nicht so frustriert, wenn er absagt, weil es ihm nicht gut geht.

Ich wünsch dir viel Kraft und alles Gute
Babi

Hallo Xam,

ich kann dich so gut verstehen!
Man hat immer das Gefühl, dass etwas ungeklärtes zwischen sich und dem Partner steht.
Man will verstehen um daraus für die Zukunft lernen zu können. So eine Art "Notfallplan" erstellen.
Mir geht es auch so, ich möchte auch gerne helfen, aber er kann die Hilfe nicht annehmen. Ich "bunkere" alle Informationen und Signale, vor allem merke ich mir genau auf welche "Ideen, Anregungen,Worte" er "allergisch" reagiert hat und versuche noch vorsichtiger zu sein. Aber immer öfter denke ich - man kann gar nicht vorsichtig genug sein... Macht dich das manchmal auch wütend? Mich schon, aber ich sag ihm das nie aus Sorge dass er sich dann noch mehr unter Druck gesetzt fühlt.

Du siehst: Leider kann ich dir auch nicht weiterhelfen,
versuch es nicht persönlich zu nehmen, bleib an seiner Seite, aber pass gut auf dich auf!

Liebe Grüße
Mima

Hallo Xam,

mir als Betroffene fällt es auch sehr schwer zu sagen "mir geht es nicht gut". Eigentlich kann ich es nur meinem Psychiater und meinem Therapeuten sagen, weil ich dort das Gefühl habe verstanden und nicht bewertet zu werden.

Ich finde es selber blöd, dass es mir schlecht geht, wenn es mir schlecht geht. Mir wäre es lieber, wenn es diese depressiven Phasen nicht geben würde.

Es fällt mir sehr schwer vor anderen Leuten zuzugeben, dass es mir schlecht geht, auch bei Menschen, die mir sehr nahe stehen.
Eine depressive Phase kann mehrere Wochen oder Monate anhalten, und ich komme mir selber schlecht vor, wenn ich monatelang immer nur sagen muß, dass es mir schlecht geht. Ich habe Angst, dass andere dann irgendwann sagen "ich kann es nicht mehr hören".

Bei Menschen, die mir sehr nahe stehen ist es besonders schwer, weil ich nicht möchte, dass sich diese Menschen Sorgen machen.
Ich denke dann immer, es reicht wenn es mir schlecht geht und ich muss andere da nicht mit belasten.

So ist es auch mit Verabredungen.
Ich freue mich auf das Geplante und möchte es unbedingt auch machen. Aber dann geht es doch nicht und ich muß absagen, oft erst im allerletzten Moment.
Ich mache es mir durch eine Absage nicht leicht, im Gegenteil. Dann kommen Gedanken wie, jetzt ist der andere enttäuscht, verletzt, verärgert oder was auch immer. Das sind dann auch wieder Gedanken und Gefühle, die an einem nagen und ich fühle mich schuldig.

Vielleicht hilft es Dir weiter von einer Betroffenen zu hören, wie es für einen selber ist.

Ich hoffe, ich konnte Dir damit etwas weiter helfen!

Liebe Grüße,
Schneeball

Hallo

es ist nicht nur das Schweigen, das mich belastet.
Mein Freund ist seit langer Zeit einfach nicht stabil. Es ist ein häufiges Auf und Ab, teilweise ein schneller Wechsel. An einem Tag scheint "alles gut" - am nächsten wieder Rückzug…


@ Mima:

Wütend macht es mich meist nicht - eher bin ich frustriert. Aber ich denke durchaus, daß man auch sagen muß wenn man sauer ist. Auch als Angehöriger muß man eine Grenze ziehen und muß sich nicht alles bieten lassen.
Natürlich kann man bei der Formulierung vorsichtig sein, muß den Partner nicht "angreifen" oder wartet einen "besseren" Moment ab.

@ Schneeball

>Bei Menschen, die mir sehr nahe stehen ist es besonders schwer, weil ich nicht möchte, dass sich diese Menschen Sorgen machen.Ich denke dann immer, es reicht wenn es mir schlecht geht und ich muss andere da nicht mit belasten.<

Dies kann ich gut verstehen und nachvollziehen. Danke für diesen Gesichtspunkt.

@ Babi

Du hat sicher recht. Es ist ja auch alles nicht neu für mich.
Ich habe mich in den letzten 3 Jahren sehr intensiv mit dem Thema Depression auseinandergesetzt. Viel darüber gelesen und auch hier im Forum sehr sehr viel darüber erfahren. Ich lese hier immer wieder mit - auch wenn ich lange Zeit nicht mehr geschrieben hatte.

Du machst einen so großen Unterschied zwischen Männern und Frauen.
Nun - ich bin auch ein Mann - es trifft also bei uns nicht wirklich zu. (Konntest du natürlich nicht wissen… )


Viele Grüße
Xam

HI Xam,
nee wußte nicht, daß du ein Mann bist.
Aber macht doch nix, das ändert ja nix an deiner Situation.
Find es eher bewundernswert, daß du dich als Mann so mit der Sache auseinandersetzt.
Ich erlebe das selten.

Ich denke, dein Freund will dich einfach auch schonen, weil er dich eben sehr gern hat. Er meint das gewiss nicht böse.

Alles Liebe Babi

Hallo

Wir konnten uns mal wieder sehen endlich mal reden:
Er sagte mir, wie es ihm momentan geht - nämlich sehr schlecht. Genau wie ich es schon befürchtet hatte.
Daher auch sein Rückzug, sein Schweigen.

Doch es gibt auch etwas sehr positives dabei:
Er hat schon die Initiative dagegen ergriffen. Er telefonierte mit seinem Arzt und hat seinen nächsten Termin vorgezogen. Hat mit ihm wohl auch über seine Medikamente gesprochen.
Das wäre letztes Jahr meiner Meinung nach nicht möglich gewesen!

Irgendwie war ich sehr erleichtert, daß er sich trotz seiner schlechten Verfassung in die richtige Richtung bewegt.
Ich hatte nämlich schon den nächsten Klinikaufenthalt nahen sehen - wobei dieser bei einem absoluten Tief durchaus hilfreich ist!

Gruß Xam

HI Xam,
na das hört sich doch schon gut an.

Ich finde es erfreulich, daß er jetzt mit dir geredet hat. Möglicherweise hat er ja mit dem Freund auch darüber gesprochen, wie er es dir sagen soll oder mit dir darüber reden soll.

Weißt du, es ist oft so, wenn Depressive jemand sehr gern haben, holen sie sich Rat von einer dritten Person, wie sie mit demjenigen, den sie gern haben, reden sollen. Das gibt ihnen mehr Sicherheit!

Ich denke, jetzt hat er den Anfang gemacht bei dir mit Reden und wird auch weiter offener zu dir sein.
Ich finde, daß das schon ein Fortschritt ist, den er da jetzt macht, daß er jetzt erkannt hat, daß er mehr tun muß.

Ich wünsch dir und ihm weiterhin alles gute.

Alles Liebe Babi

Hey Xam,

na, das hört sich doch ganz gut an!
Freut mich, dass dein Freund die Hilfe zulässt - kann er meinem bitte mal den Kopf waschen?!! (mein herzilein ist beratungsresistent)

Wünsch dir einen guten Start in die Woche und schick dir ein paar sonnige Grüße


Mima