Seite 1 von 1

Should I stay or should I go

Verfasst: 21. Nov 2009, 10:58
von detresse
Liebe Forumsleser,
Ich wende mich an euch, da ich einfach nicht mehr weiter weiß. Meine Freundin ist stark depressiv und war es auch bevor sie mich traf schon. Anfänglich bekam ich davon nicht so viel mit, da sie nach außen hin eigentlich eine gute Figur machte. Irgendwann sagte sie mir, dass sie 2 Wochen ins Krankenhaus müsse, um ein Medikament abzusetzen. Gut dachte ich, von Medikamenten hielt ich zu der Zeit sowieso nicht viel (etwa 14 Monate her). Was ich nicht wusste: sie wollte das Medikament vor allem absetzen, da sie dachte, ich würde sie für eine verrückte halten. Leider ist sie schüchtern genug, um mir die die Wahrheit nicht, oder erst viel später, zu sagen.
Ende letzten Jahres hatten wir dann einen tollen und medikamentenfreien Urlaub, in dem wir uns eigentlich erst wirklich näher gekommen sind. Anfang diesen Jahres begann eine Serie von Katastrophen: bei ihrer Arbeit wurde sie gemobbt, da sie zum falschen Zeitpunkt im Urlaub war und da sie 2 Wochen krank geschrieben war (wir erinnern uns: sie war 2 Wochen im Krankenhaus um das Medikament abzusetzen). Dann passierte etwas wirklich unglückliches: sie wurde gegen ihren Willen schwanger. Man muss dazu sagen, dass sie immer sagte sie wolle keine Blagen etc. Sie sagte sogar mehrmals, dass sie lieber abtreiben wolle als ein Kind im Arm zu halten. Ich bin auch noch nicht so weit, also unterstütze ich sie wo ich konnte, und dachte ich täte ihr gut, wenn ich bei meinem Standpunkt bliebe: ich bin noch nicht so weit. Darauf hin kam die Abtreibung, die mit der bescheidenen Berufssituation nicht zum allgemeinen Wohlsein beitrug. Einige Monate später erst sagte sie mir, dass sie wegen mir abgetrieben hat. Sie wollte mich nicht verlieren. Toll.
Im Sommer wollten wir dann mal wieder in den Urlaub fahren. Am Tag vor der Abreise schmiss sie mich raus, sie wolle nicht fahren usw. Ich überzeugte sie dann doch, hatte allerdings darauf hin 2 wirklich schwere Wochen. Sie hatte einfach Angst zur Arbeit zurück zu müssen. Dies hielt sie vom schlafen ab (trotz vieler Medikamente, die ihr verschrieben wurden... auch Anti-depressiva). Am vorletzten Tag des Urlaubs kam dann doch alles raus, und ich versprach ihr, dass ich ihr helfen würde. Nach dem Urlaub schlief sie am Steuer ein und baute einen kleine Unfall. Darauf hin wurden ihre Medikamente neu angepasst, da sie in der Kombination schlafwandelte und tagsüber einfach einnickte.
Endlich war es etwas besser, bis das ich Blödmann unglücklich falle, was einen Beckenbruch ihres Hundes zum Resultat hatte. Darauf hin kümmerte ich mich um beide... vielleicht ein bischen viel. In der Zeit wohnte ich quasi nur bei ihr... vielleicht auch ein bischen viel. Als wir dann endlich in den lang ersehnten und erträumten USA Urlaub fahren sollten passierte die nächste Katastrophe: eines morgens – zwei Tage vor der geplanten Abreise - rief sie mich in der Firma an, ihr Vater sei Tod. Urlaub abgesagt, erträumtes Rockkonzert auch. Sie wollte eigentlich noch sofort nach der Beerdigung fahren (bring auch nichts hier rum zu sitzen), doch ihre Mutter hielt sie davon ab. Mit ihrer Mutter hat sie sowieso nur eine Hassbeziehung, sie mochte aber ihren Vater.
Ab diesem Zeitpunkt ist die totale Schieflage erreicht. Jedes Wochenende das gleiche: fast die ganze Zeit lieft sie schlafend oder weinend im Bett, spricht von Suizidgedanken, nimmt tonnenweise Medikamente und schnauzt mich an. Ich versuche alles, sie aufzumuntern, sie aus dem Haus zu bekommen, alles... ohne Erfolg. Ihr Psychiater ignoriert die Realität, da sie vor ihm sehr gutes Kino spielt. Genau genommen, möchte sie vor allem an die Medikamente kommen, aber eigentlich keine Lösung ihrer Probleme. Durch die Negativerfahrungen im Krankenhaus und bei der Arbeit lehnt sie eine stationäre Behandlung ab. Sie besucht mehrere Ärzte um möglichst viele Medikamente zu bekommen, einfach nur um nicht nachdenken zu müssen.
Auf ihren ausdrücklichen Wunsch bemühte ich mich um einen Termin bei einem anderen Psychiater, der wollte aber aus kollegialen Gründen keine Behandlung beginnen und verwies auf seinen Kollegen, bei dem meine Freundin schon seit Jahren in Behandlung ist. Mit dem Arzt sprach ich auch schon, und schilderte ihm die Vorkommnisse. Darauf hin bekam ich einen Termin bei ihm, zu dem sie alleine gehen sollte, was sie aber nicht tat (sie schlief den ganzen Tag und ich konnte sie nicht erreichen). Eines abends schrieb ich einen langen Brief an den Arzt um ihm die Situation zu schilder. Eine Antwort bekam ich nie, und der Termin zu dem meine Freundin 2 Wochen später ging brachte auch keine Änderung.
Diese Woche war ich beim Psychologen der Suizidprävention und habe ihm alles geschildert. Der Psychologe rät, das sie auch eine Psychotherapie bei einem Psychologen machen sollte. Nach meinen Erzählungen schließt der Psychologe auf Posttraumatischen Stress (ungelöste Probleme aus der Kindheit), der auch die Depression auslösen kann. Daraufhin sprach ich mit meiner Freundin über eine mögliche zusätzliche Behandlung beim Psychologen. Leider lehnt sie auch das Kategorisch ab, da ein Psychologe keine Medikamente verschreiben könne und sie partout nirgends ihr Leben erzählen will. Alles was sie will sind betäubende Medikamente.
Auch wurde sie diese Woche von der Polizei wegen zu schnellen Fahrens angehalten. Sie fuhr schnell genug um vor Gericht zu müssen. Sie sagt, sie bringe sich sowieso vorher um. Am gleichen morgen sagte sie mir am Telefon ich solle gefälligst meine Sachen packen. Abends tat ich genau das, woraufhin sie mir drohte sich umzubringen wenn ich gehen würde. Im Grunde genommen währe es ihr recht wenn ich gehen würde, weil dann würde endlich niemand mehr auf sie einreden.
Mit meinen Nerven bin ich fast am ende. Wenn das so weiter geht brauche ich auch bald eine psychologische Behandlung. Sie spricht kontinuierlich von Suizid, sagt dass sie nie wieder arbeiten wolle, das ihr gar nichts spaß macht usw. Sie erwartet von mir, das ich für sie in der Zukunft finanziell sorge und sie zu hause bleiben kann. Kinder will sie plötzlich auch (was mit den Medikamenteneinnahmen die sie tätigt nicht verantwortbar ist).
Alles in allem wird mir das zu viel, aber ich mag sie immer noch auch wenn ich mir fast schon nicht mehr vorstellen kann je ein normales Leben mit ihr zu führen. Zudem schränke ich mich extrem ein, damit ich bei ihr sein kann (raus will sie nicht mehr). Aber irgendwie sehe ich, dass ich so langsam an meine Grenzen stoße. Ich kann sie aber auch nicht verlassen, da ich angst habe, dass sie sich dann das Leben nimmt. Sie hat auch keine anderen Vertrauenspersonen mehr. Mein Verstand sagt mir, ich solle endlich gehen (7 Monate von 17 in denen wir zusammen waren drehte sich alles um sie und ihre Krankheit). Aber mein Herz lässt mich nicht so einfach. Sie hat mir schon oft gesagt ich solle mir endlich eine suchen, mit der man noch was anfangen kann, doch das tut alles sehr weh.
Was mache ich falsch und was soll ich tun?

Re: Should I stay or should I go

Verfasst: 21. Nov 2009, 12:22
von trydan
...ich finde mich wieder in deiner Erzählung...
auch ich weiss nicht mehr weiter...es gibt so viele parallelen. Ich werde in den nächsten tagen mal meine geschichte bzw Fortsetzung hier rein stellen...vielleicht können wier uns ja mal direkt schreiben.
grüsse trydan

Re: Should I stay or should I go

Verfasst: 21. Nov 2009, 23:39
von sunshine45
Lieber Detresse,
es tut mir leid was in der Vergangenheit so alles bei Euch passiert ist.
Das war schon ein heftiger Leidensweg für Euch alle.
Gerade wenn auch noch ein Schwangerschaftsabbruch in einer Beziehung passiert ist, so kann allein das schon vieles verändern. So ein Erlebnis ist unglaublich belastend und läuft einem meist das ganze Leben lang hinterher.
Schon allein aus diesem Grund wäre eine Paartherapie schon mal sehr sinnvoll.
So wie Du schreibst, bist Du aber auch schon auf bestem Weg in die Co-Abhängigkeit reinzuschlittern bzw. bist vielleicht auch schon mittendrin.
Du wirst das alles so nicht mehr lange aushalten können und es ist wirklich Zeit die Notbremse zu ziehen.
Du schadest Deiner Freundin nicht, wenn Du Grenzen setzt. Wenn Du ihr sagst, dass Du manchmal auch Zeit für Dich brauchst, in Deiner Wohnung sein möchtest und trotzdem für sie da bist.
Du kannst nicht Tag und Nacht für sie da sein, das kannst Du nicht leisten.
Deine Freundin merkt sehr wohl, dass sie Dich sehr belastet, daher kommen auch so Ideen, dass Du Dir eine andere suchen sollst. Sie fühlt sich sehr klein und als Ballast für Dich.
Gleichzeitig möchte sie Dich aber auch nicht verlieren und möchte, dass Du für sie sorgst. Sie möchte beschützt werden und hat anscheinend auch ziemliche Angst vor ihrer eigenen Vergangenheit.
Solange Du hundertprozentig für sie da
bist, wird sich wahrscheinlich nichts für Euch ändern.
Du darfst ihr ruhig sagen, dass es so einfach viel zu heavy für Dich ist und Du möchtest, dass sie eine Therapie macht. Bitte sie darüber nachzudenken und nenne ihr einen Zeitpunkt wann sie Dir dazu eine Antwort geben soll.
Bei uns war es ähnlich, mein LG wollte bzw. macht bis heute noch keine Einzeltherapie. Wir machen aber seit 3 Monaten eine Paartherapie. Auch wenn dies ein Umweg ist für den man als Angehöriger einen ziemlich langen Atem braucht, hat es bei uns dazu geführt, dass mein LG seine Depression annimmt und immer mehr zu dem Ergebnis kommt, dass er sich seinem Leben stellen muss und dazu professionelle Hilfe braucht.
Vielleicht wäre das auch ein Versuch für Euch?
Lieber Detresse, so schwer es auch fällt und ist, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass man als Angehöriger die Depression immer mehr füttert, je mehr man dem an Depressionen erkrankten Partner abnimmt. Man entmündigt ihn und erschlägt sich gleichzeitig selbst.
Denke mal darüber nach, welche Aufgaben oder Verantwortungen Du wieder an sie zurückgeben könntest. Das muss ja auch nicht alles von heute auf morgen sein, aber es bringt schon mal ein großes Gefühl der Befreiung, wenn man in der Partnerschaft wieder ansatzweise auf eine Ebene kommt.
Ich wünsche Dir alles Gute
die Koboldin

Re: Should I stay or should I go

Verfasst: 22. Nov 2009, 19:08
von Babi
Hallo detresse,
das ist schon einiges, was du durchmachen mußtest. Wenn deine Freundin nicht von selbst Therapie annehmen will, kannst du da gar nix tun, das muß von ihr selbst kommen. Sich mit Medikamenten betäuben wollen, ist der falsche Weg.
Es ist wichtig, daß du auch an dich denkst und nicht selbst vor die Hunde gehst.
Im Moment ist es für dich sicher besser, sich zu distanzieren, möglicherweise braucht deine Freudin im Moment einfach nur Ruhe. Und du mußt auch zur Ruhe kommen.
Ich bin der Meinung, das ist im Moment das beste für euch beide.
Natürlich ist es schwierig, wenn sie sagt, sie nimmt sich das Leben, das zeigt, wie verzweifelt sie ist und welchen inneren Kampf sie eigentlich führt.
Aber ich habe das Gefühl, so wie sie im Moment drauf ist, kommst du überhaupt nicht mehr an sie ran.
Du mußt einen Weg für dich suchen, bei dem du wieder Kraft tanken kannst.
Lieber Gruß Babi

Re: Should I stay or should I go

Verfasst: 25. Nov 2009, 21:26
von detresse
Vielen Dank für eure Tips. Leider wird das mit einer gemeinsamen Therapie erst einmal nichts, da meine Freundin z.Zt. alles verweigert. Zwar geht es ihr diese Woche anscheinend etwas besser aber das kann auch schnell wieder kippen.
Allerdings werde ich etwas mehr Abstand nehmen, indem ich öfter mal nach Hause fahre. Ich glaube das tut uns beiden gut.

Re: Should I stay or should I go

Verfasst: 27. Nov 2009, 00:24
von annilein77
Lieber Detresse, ich war sehr betroffen, als ich Deinen Hilferuf gelesen habe. Das ganze kommt mir so unglaublich bekannt vor - nur dass ich an Stelle Deiner Freundin war. In der Beziehung mit meinem Ex-Freund drehte sich 8 von 15 gemeinsame Monaten alles um mich und meine Krankheit (inkl. 4 Monate Klinikaufenthalt). Nach 15 Monaten hat er sich endgültig von mir getrennt (3 Monate zuvor schon einmal für 2,5 Wochen, danach kam er zurück). Mein Ex-Freund, selber Arzt, hat in dieser Zeit alles versucht, mich so gut es geht zu unterstützen und für mich da zu sein. Am Schluss war er am Ende, ausgelaugt und müde. Er sagte, er könne einfach nicht mehr, er hätte alles gegeben und sei zu schwach. Ich war am Boden zerstört, er war meine große Liebe, wir haben schon zusammengewohnt, haben über Kinder gesprochen etc. und vor allem hatte er mir immer versprochen, dass er für mich da sei und auf mich warten würde und wir das ganze irgendwie zusammen durchstehen würden. Aber Menschen haben ihre Grenzen und diese Krankheit ist so heimtückisch, dass sie eben auch Menschen, die einen lieben an ihre Grenzen bringen.

Was ich damit sagen will: Sei ein bisschen egoistisch. Versuche, auch Dinge zu tun, die Dir gut tun. Triff Freunde, unternimm Sachen, die Dir Spaß machen. Setze Grenzen um Dich selbst zu schützen. Wenn Du Dich selbst für sie aufgibst, wirst Du früher oder später komplett ausgelaugt sein und nur noch wegwollen. Wichtig ist, zu verstehen: Du bist nicht verantwortlich für das Glück Deiner Freundin. Sie selbst ist für sich und ihre Gesundheit verantwortlich. Du kannst sie zwar (unter)stützen und für sie da sein, aber sie braucht professionelle Hilfe, auf die sie sich einlassen muss und die Du ihr nicht geben kannst. Ob Ihr es gemeinsam schafft, wird nur die Zeit zeigen. Ich glaube, es ist dann besonders schwierig, wenn man wie in meinem und auch in Deinem Fall nicht schon viele Jahre oder gar Jahrzehnte mit seinem Partner zusammen ist und auf ausreichend schöne Erinnerungen "zurückgreifen" und daraus Kaft schöpfen kann. Ich denke heute oft, dass unsere Beziehung vielleicht auch noch zu jung war, um eine derartige Belastungsprobe die die Depression eines Partners nun mal bedeutet nach weniger als einem Jahr zu überstehen. Das heißt aber nicht, dass es bei Dir/Euch auch so laufen muss. Ich drück Dir auf jeden Fall alle Daumen!

Liebe Grüße, annilein