Der K(r)ampf mit den Kostenträgern
Verfasst: 13. Dez 2003, 17:43
Im August diesen Jahres hörte ich zum ersten mal von der Fachklinik Heiligenfeld. Ich hatte schon so viel versucht, um meine Depression (die Ärzte sprechen von Dysthymie, eine weniger schwere aber dafür chronische Depression) loszuwerden. Die Behandlung in einer psychosomatischen Klinik erschien und erscheint mir fast als letzte Möglichkeit. Immerhin, mit dieser Klinik, von der mir meine Tante erzählt hatte, hatte ich wieder eine Perspektive.
Ich vereinbarte einen „Schnuppertermin“ mit der Klinik Anfang September. Mein Eindruck war sehr positiv (siehe dazu mein Bericht „Wieder ein Schritt ...“ im Forum Klinik-Aufenthalte). Ich vereinbarte einen Termin mit meinem Hausarzt. Glücklicherweise habe ich mit ihm inzwischen einen Arzt gefunden, der für die Erkrankung Depression offen ist und mich mit der Erkrankung ernst nimmt. Es brauchte noch ein Weilchen, dann bekam ich von ihm eine Krankenhauseinweisung und ein Attest ausgestellt.
Muss ich vorher die Krankenkasse informieren?
Muss ich vor der Klinikaufnahme mit meiner Krankenkasse Rücksprache halten? Das Aufnahmeteam der Fachklinik Heiligenfeld meinte Nein. Ich wollte aber auf Nummer sicher gehen. Nicht dass es dann plötzlich während des Klinikaufenthalts Gerangel um die Kosten gibt. Also setzte ich mich mit meiner Krankenkassen in Verbindung. Diese bat mich, Ihr die Krankenhauseinweisung zur Prüfung zuzuschicken. Was nun? Ich hatte zwei unterschiedliche Informationen. Die Klinik meinte, ich brauchte vorher nichts mit der Krankenkasse zu klären, die Kasse meinte aber doch. Aber ich wollte wie gesagt auf Nummer sicher gehen. Ich wollte vor allem auch sicherstellen, dass die Kasse die Behandlung in dem von mir gewünschten Krankenhaus, der Fachklinik Heiligenfeld, übernimmt. So schickte ich Krankenhauseinweisung und Attest an meine Krankenkasse.
Das war Anfang Oktober. Danach fuhr ich für ein paar Tage weg in der Hoffnung, bei meiner Rückkehr sei alles geklärt. Die Krankenkasse stimmt der Kostenübernahme für Heiligenfeld zu und die Klinik, der ich inzwischen die übrigen Anmeldeunterlagen geschickt hatte, nennt mir einen Aufnahmetermin. Doch es sollte anders kommen.
Böses Erwachen
Als ich zurück kam, hatte sich weder Krankenkasse noch Klinik brieflich bei mir gemeldet. Ich rief also bei der Krankenkasse an, um den Stand der Dinge in Erfahrung zu bringen. Da kam der große Schock! Die Kasse lehnte die Kostenübernahme ab! Begründung (Zitat aus dem Brief der Krankenkasse):
„Unser medizinischer Berater kommt zu dem Ergebnis, dass Ihre Erkrankung die sofortige Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen durch den Rentenversicherungsträger erforderlich macht, um eine Gefährdung Ihrer Erwerbsfähigkeit abzuwenden und einen dauerhaften Therapieerfolg zu erreichen.“
Das war für mich ein Schlag ins Gesicht! In meiner Verzweifelung wendete ich mich an das Aufnahmeteam Heiligenfeld. Die freundliche Dame sagte mir in diesem Telefonat, dass es ein Fehler von mir gewesen sei, die Klinik im Vorfeld zu informieren. Wäre ich einfach mit der Klinikeinweisung in das Krankenhaus gekommen, hätte die Krankenkasse zahlen müssen. So habe ich die Kasse im Vorfeld ins Spiel gebracht und ihr die Möglichkeit gegeben, die Kostenübernahme auf einen anderen Kostenträger abzuwälzen.
Danach war ich erst mal völlig fertig! Was hatte ich Esel da für eine Dummheit begangen?!? Erst langsam wurde mir klar, dass es nicht meine Dummheit war. Diese Information, die mir die freundliche Dame in unserem Telefongespräch gegeben hat, hätte ich vorher gebraucht. Dann hätte ich nie und nimmer die Krankenkasse eingeschaltet. Ich war in der Klinik zu einen Schnuppertermin, habe mehrmals mit dem Aufnahmeteam telefoniert, aber niemand hat mich vor dieser Falle gewarnt. Da war ich stocksauer auf dieses dämliche Aufnahmeteam! Wieso gehen die so leichtfertig mit dem Schicksal ihrer (zukünftigen) Patienten um??? Die Wut musste raus, und so habe ich der Klinik einen saftigen Brief geschrieben, den sie immerhin brav beantwortet hat.
Der Reha-Antrag
Aber das Kind war in den Brunnen gefallen, da half der Brief auch nicht weiter. Jetzt war ich gezwungen, den Weg über einen Reha-Antrag zu gehen. Schöne Scheiße! Erstens stand mir jetzt eine weitere formale Hürde bevor (ich hatte allerdings zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, wie hoch die sein würde) und zweitens damit verbunden eine Verzögerung meiner Klinikaufnahme. So was ätzendes!!!
So erhielt ich also von meiner Krankenkasse die Unterlagen für einen Reha-Antrag. Jetzt musste ich mich erst mal durch diesen Dickicht von Bestimmungen und Vorgabe wursteln. Ein Teil davon war von mir auszufüllen (Reha-Antrag und Selbstauskunftsbogen), ein anderer Teil vom Arzt (der ärztliche Befundbericht). Blöderweise war mein Arzt gerade eine Woche in Urlaub. Da ging es schon los mit den Verzögerungen.
Direkt am Montag, als mein Hausarzt wieder aus dem Urlaub zurück war, ging ich persönlich bei ihm vorbei und gab die Unterlagen für ihn ab mit der Bitte, die Unterlagen bis Donnerstag (da hatte ich einen Termin bei ihm) auszufüllen. Aber als ich Donnerstag in die Praxis kam, hatte der Arzt die Unterlagen mangels Zeit noch nicht ausgefüllt. Der Arzt bat mich, ihm die kompletten Unterlagen da zu lassen (also auch den Teil des Reha-Antrags, der von mir auszufüllen war, sprich Reha-Antrag und Selbstauskunftsbogen und noch einige weitere Papiere). Er würde dann alles komplett fertig machen und verschicken. Da hatte ich schon kein gutes Gefühl. Es wäre mir lieber gewesen, die Sachen wären über meinen Schreibtisch gegangen. Na ja.
Wo sind meine Unterlagen geblieben???
Samstag Abend kam ich nach Hause und hatte einen Anruf von meinem Arzt auf dem AB (ein engagierter Arzt, der auch Samstags arbeitet!). Ich hätte wohl bei meinem Besuch in seiner Praxis versehentlich die Formulare für den Befundbericht mitgenommen. Hatte ich aber nicht. Wo sind die geblieben? Keine Ahnung, sie blieben unauffindbar. Also mussten wir diese Formulare erneut anfordern (Nerv! Zeit verlier!). Mein Arzt füllte die Formulare aus und schickte sie an meinen Sachbearbeiter der Krankenkasse, den lieben Herrn Rathmann. Dieser verfügt über irgendwelche direkten Drähte zur BfA, mit denen sich die Antragsbearbeitung beschleunigen lassen soll.
Kurze Zeit darauf erhielt ich einen Anruf von Herrn Rathmann. Die Post von meinem Hausarzt sei bei ihm eingetroffen. Es seien aber nur die Unterlagen des Arztes dabei. Meine fehlten! Es sind bei dem Hausarzt also nicht nur die Formulare für den Befundbericht verloren gegangen, sondern auch die Unterlagen von mir. Ich kriegte den absoluten Ausraster!!! Was ist denn das für ein Scheiß?!!! Geht denn hier alles schief?!? Erst wollte ich mich wutentbrannt an meinen Hausarzt wenden, besann mich dann aber eines besseren. Ich ließ mir von Herrn Rathmann neue Formulare zuschicken, füllte diese aus und schickte sie an Herrn Rathmann zurück. Dieser hatte nun die kompletten Unterlagen für den Reha-Antrag vorliegen und leitete Sie an die BfA weiter. Das war übrigens am 13. November. Wir hatten also einen Monat gebraucht, um diesen blöden Reha-Antrag auf den Weg zu bringen.
Warten auf den BfA-Bescheid
Jetzt hieß es warten. Herr Rathmann hatte gemeint, in günstigen Fällen erhielte er bereits innerhalb von drei Tagen einen mündlichen Bescheid. Aber das war wohl die LVA (Landesversicherungsanstalt) nicht die BfA. Deren Mühlen malen etwas langsamer. Nach zwei Wochen war immer noch nicht passiert. Ich spitzte schon Herrn Rathmann an, bei der BfA nachzuhaken. Da kam Anfang Dezember immerhin ein Eingangsbescheid der BfA bei mir an, datiert auf den 21.11. Wo der wohl so lange rumgelegen hat? Und, kaum zu glauben, ein paar Tage später, sozusagen als Nikolausgabe, erhielt ich am 5.12. tatsächlich den Bescheid der BfA. Und? Große Aufregung? Wie fällt die Entscheidung aus? ... leider nicht gut. Die BfA lehnt meinen Reha-Antrag ab. Dafür haben wir jetzt zwei Monate rumgeiert, wegen nichts und wieder nichts.
Wenn ich jetzt teilweise so locker-flockig schreibe, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass mich die Sache sehr belastet hat und mich tiefer in die Depression gedrückt hat. Ich war einfach blockiert. Dazu muss ich erklärend hinzufügen, dass ich im Moment arbeitslos bin. Aber ich bin im Moment einfach nicht in der Lage, die Jobsuche vernünftig anzugehen. Ich weiß auch noch gar nicht, wo ich beruflich überhaupt hin möchte. Da hoffe ich, in der Klinik Klarheit zu gewinnen. Daher das Gefühl, mir läuft die Zeit davon. Ich bin seit Sommer diesen Jahres arbeitslos und je länger ich arbeitslos bin, desto schwieriger ist es, wieder eine Stelle zu finden. Ich fühle mich da unter Druck, bin aber auf der anderen Seite was die Jobsuche betrifft handlungsunfähig. Und diese Blockade kostet mich viel Kraft und zermürbt!
Showdown mit der Krankenkasse
Jetzt hatten wir also die Ablehnung der BfA auf dem Tisch. Herr Rathmann hatte mir mündlich zugesagt, dass wenn die BfA die Kosten nicht übernehmen würde, die Krankenkasse wieder als Kostenträger in der Pflicht wäre. Hoffentlich hält er sich an diese Aussage. Nach dem, was in der Geschichte schon alles schief gelaufen ist! Wie gesagt, am 5.12. hatte ich den BfA-Bescheid im Briefkasten. Noch am selben Tag kopierte ich den Bescheid und schickte die Kopie weiter an die Krankenkasse. Dienstag rufe ich bei der Krankenkasse an. Der Brief ist noch nicht angekommen. Was ist denn das schon wieder? Mittwoch Morgen rufe ich wieder an. Nein, der Brief sei immer noch nicht da. Da platzte mir der Kragen. So ein Scheiß! Jetzt reicht´s: ich suche mir irgendwo ein Faxgerät und faxe den Bescheid an die Krankenkasse. Gesagt, getan, um 11:00 Uhr geht das Fax raus. Sendebericht kommt, alles ok! Gegen 14:00 Uhr rufe ich bei Herrn Rathmann an. Nein, das Fax sei noch nicht auf seinem Bildschirm erschienen. Das käme schon mal vor, das ein Fax ein, zwei Stunden auf dem Server rumhängt. Jetzt bin ich mit den Nerven absolut runter. Irgendwann ist der Punkt erreicht. Mein letzte Maßnahme: ich tippe den Bescheid ab und schicke ihn per E-Mail an Herrn Rathmann. Immerhin das funktioniert. Ich erhalte von Herrn Rathmann eine Bestätigung, dass die Mail angekommen sei. Na Gott sei dank! Er würde sich gleich morgen früh mit dem medizinischen Berater, dieser ominösen grauen Eminenz der Kasse, in Verbindung setzen. Ich bekäme dann am Vormittag von ihm Bescheid.
Nächster Tag, Donnerstag. Der Vormittag geht vorbei. Kein Rathmann, diese Kröte, ruft an. Ich versuche selbst anzurufen, erreiche aber nur die Zentrale. Herr Rathmann ist nicht erreichbar. Mit einer Mischung aus Wut und Verzweifelung setze ich mich an meinen Rechner und schicke Rathmann eine Mail. Ich hatte ihm bereits am Vortag gesagt, ich möchte heute die Kostenzusage bekommen. In der Mail drohe ich, dass mich andernfalls den Konflikt eskalieren und mich an den Vorgesetzten von Herrn Rathmann wenden würde.
Ich gehe kurz in den Keller, um Wäsche aufzuhängen. Als ich wieder hochkomme, habe ich eine Nachricht von Rathmann auf dem AB. Er habe meine Mail erhalten und werde sich in Kürze ebenfalls per Mail dazu äußern. Der Tonfall seiner Stimme, mir schwant nichts Gutes. In Abständen von einer viertel Stunde rufe ich meine Mailbox ab. Dann ist die Mail da.
Darin teilt er mir mit, dass er den „Antrag pflichtgemäß, sorgfältig, ohne jeden zeitlichen Verzug und im vollen Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen bearbeitet“ habe und er gerne bereit sei „ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten herbeizuführen und den gesamten Vorgang noch einmal zu einer umfassenden Prüfung vorzulegen“. Andernfalls wäre er bereit, mir „das Ergebnis seiner Bemühungen, welche er auf Sachbearbeiterebene bisher eigenverantwortlich habe herbeiführen können, umgehend mitzuteilen.“
Ok, einverstanden, dann teilen Sie mir das „Ergebnis ihrer Bemühungen mit“!
Mit einer solchen Anspannung habe ich noch nie auf eine E-Mail gewartet. Wieder und wieder rufe ich die Mailbox ab. Dann ist sie da, die E-Mail.
Sehr geehrter Herr Gardzella,
wir haben Ihren Antrag erhalten und freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass wir im Rahmen einer Einzelfallentscheidung ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung die Kosten der medizinisch notwendigen Krankenhausbehandlung für die Dauer von 6 Wochen in der Fachklinik Heiligenfeld/Bad Kissingen im Rahmen der vereinbarten Pflegesätze übernehmen. (...)
Im Moment bin ich zu erschöpft, um mich über diese Nachricht richtig freuen zu können. Ich gehe erst mal raus ins Dorf einkaufen. Da fällt so langsam die Spannung von mir ab, die sich über die letzten mehr als zwei Monate aufgebaut hat. So lange hat es gebraucht, bis ich jetzt endlich die Kostenzusage in Händen halte. Am Donnerstag, den 11. Dezember 2003, um kurz nach 15:00 Uhr.
Am Abend telefoniere ich mit einer Freundin und erzähle ihr von dem Ausgang dieses Dramas. Sie meint, diese „Kur“ (für mich ist es ein Klinikaufenthalt) hätte ich mir jetzt wirklich verdient. Das ist wohl wahr! Das war eine schwere Zeit und ein hartes Stück Arbeit. Ich frage mich nur, wie das mit Menschen ist, die mitten drin stecken in einer schweren Depression. Die brauchen dringend Hilfe, sind aber nicht im entferntesten in der Lage, so einen Kampf durchzufechten, wie ich es jetzt getan habe. Das ist eine der vielen Schattenseiten unseres unmenschlichen Gesundheitssystems.
Ich vereinbarte einen „Schnuppertermin“ mit der Klinik Anfang September. Mein Eindruck war sehr positiv (siehe dazu mein Bericht „Wieder ein Schritt ...“ im Forum Klinik-Aufenthalte). Ich vereinbarte einen Termin mit meinem Hausarzt. Glücklicherweise habe ich mit ihm inzwischen einen Arzt gefunden, der für die Erkrankung Depression offen ist und mich mit der Erkrankung ernst nimmt. Es brauchte noch ein Weilchen, dann bekam ich von ihm eine Krankenhauseinweisung und ein Attest ausgestellt.
Muss ich vorher die Krankenkasse informieren?
Muss ich vor der Klinikaufnahme mit meiner Krankenkasse Rücksprache halten? Das Aufnahmeteam der Fachklinik Heiligenfeld meinte Nein. Ich wollte aber auf Nummer sicher gehen. Nicht dass es dann plötzlich während des Klinikaufenthalts Gerangel um die Kosten gibt. Also setzte ich mich mit meiner Krankenkassen in Verbindung. Diese bat mich, Ihr die Krankenhauseinweisung zur Prüfung zuzuschicken. Was nun? Ich hatte zwei unterschiedliche Informationen. Die Klinik meinte, ich brauchte vorher nichts mit der Krankenkasse zu klären, die Kasse meinte aber doch. Aber ich wollte wie gesagt auf Nummer sicher gehen. Ich wollte vor allem auch sicherstellen, dass die Kasse die Behandlung in dem von mir gewünschten Krankenhaus, der Fachklinik Heiligenfeld, übernimmt. So schickte ich Krankenhauseinweisung und Attest an meine Krankenkasse.
Das war Anfang Oktober. Danach fuhr ich für ein paar Tage weg in der Hoffnung, bei meiner Rückkehr sei alles geklärt. Die Krankenkasse stimmt der Kostenübernahme für Heiligenfeld zu und die Klinik, der ich inzwischen die übrigen Anmeldeunterlagen geschickt hatte, nennt mir einen Aufnahmetermin. Doch es sollte anders kommen.
Böses Erwachen
Als ich zurück kam, hatte sich weder Krankenkasse noch Klinik brieflich bei mir gemeldet. Ich rief also bei der Krankenkasse an, um den Stand der Dinge in Erfahrung zu bringen. Da kam der große Schock! Die Kasse lehnte die Kostenübernahme ab! Begründung (Zitat aus dem Brief der Krankenkasse):
„Unser medizinischer Berater kommt zu dem Ergebnis, dass Ihre Erkrankung die sofortige Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen durch den Rentenversicherungsträger erforderlich macht, um eine Gefährdung Ihrer Erwerbsfähigkeit abzuwenden und einen dauerhaften Therapieerfolg zu erreichen.“
Das war für mich ein Schlag ins Gesicht! In meiner Verzweifelung wendete ich mich an das Aufnahmeteam Heiligenfeld. Die freundliche Dame sagte mir in diesem Telefonat, dass es ein Fehler von mir gewesen sei, die Klinik im Vorfeld zu informieren. Wäre ich einfach mit der Klinikeinweisung in das Krankenhaus gekommen, hätte die Krankenkasse zahlen müssen. So habe ich die Kasse im Vorfeld ins Spiel gebracht und ihr die Möglichkeit gegeben, die Kostenübernahme auf einen anderen Kostenträger abzuwälzen.
Danach war ich erst mal völlig fertig! Was hatte ich Esel da für eine Dummheit begangen?!? Erst langsam wurde mir klar, dass es nicht meine Dummheit war. Diese Information, die mir die freundliche Dame in unserem Telefongespräch gegeben hat, hätte ich vorher gebraucht. Dann hätte ich nie und nimmer die Krankenkasse eingeschaltet. Ich war in der Klinik zu einen Schnuppertermin, habe mehrmals mit dem Aufnahmeteam telefoniert, aber niemand hat mich vor dieser Falle gewarnt. Da war ich stocksauer auf dieses dämliche Aufnahmeteam! Wieso gehen die so leichtfertig mit dem Schicksal ihrer (zukünftigen) Patienten um??? Die Wut musste raus, und so habe ich der Klinik einen saftigen Brief geschrieben, den sie immerhin brav beantwortet hat.
Der Reha-Antrag
Aber das Kind war in den Brunnen gefallen, da half der Brief auch nicht weiter. Jetzt war ich gezwungen, den Weg über einen Reha-Antrag zu gehen. Schöne Scheiße! Erstens stand mir jetzt eine weitere formale Hürde bevor (ich hatte allerdings zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, wie hoch die sein würde) und zweitens damit verbunden eine Verzögerung meiner Klinikaufnahme. So was ätzendes!!!
So erhielt ich also von meiner Krankenkasse die Unterlagen für einen Reha-Antrag. Jetzt musste ich mich erst mal durch diesen Dickicht von Bestimmungen und Vorgabe wursteln. Ein Teil davon war von mir auszufüllen (Reha-Antrag und Selbstauskunftsbogen), ein anderer Teil vom Arzt (der ärztliche Befundbericht). Blöderweise war mein Arzt gerade eine Woche in Urlaub. Da ging es schon los mit den Verzögerungen.
Direkt am Montag, als mein Hausarzt wieder aus dem Urlaub zurück war, ging ich persönlich bei ihm vorbei und gab die Unterlagen für ihn ab mit der Bitte, die Unterlagen bis Donnerstag (da hatte ich einen Termin bei ihm) auszufüllen. Aber als ich Donnerstag in die Praxis kam, hatte der Arzt die Unterlagen mangels Zeit noch nicht ausgefüllt. Der Arzt bat mich, ihm die kompletten Unterlagen da zu lassen (also auch den Teil des Reha-Antrags, der von mir auszufüllen war, sprich Reha-Antrag und Selbstauskunftsbogen und noch einige weitere Papiere). Er würde dann alles komplett fertig machen und verschicken. Da hatte ich schon kein gutes Gefühl. Es wäre mir lieber gewesen, die Sachen wären über meinen Schreibtisch gegangen. Na ja.
Wo sind meine Unterlagen geblieben???
Samstag Abend kam ich nach Hause und hatte einen Anruf von meinem Arzt auf dem AB (ein engagierter Arzt, der auch Samstags arbeitet!). Ich hätte wohl bei meinem Besuch in seiner Praxis versehentlich die Formulare für den Befundbericht mitgenommen. Hatte ich aber nicht. Wo sind die geblieben? Keine Ahnung, sie blieben unauffindbar. Also mussten wir diese Formulare erneut anfordern (Nerv! Zeit verlier!). Mein Arzt füllte die Formulare aus und schickte sie an meinen Sachbearbeiter der Krankenkasse, den lieben Herrn Rathmann. Dieser verfügt über irgendwelche direkten Drähte zur BfA, mit denen sich die Antragsbearbeitung beschleunigen lassen soll.
Kurze Zeit darauf erhielt ich einen Anruf von Herrn Rathmann. Die Post von meinem Hausarzt sei bei ihm eingetroffen. Es seien aber nur die Unterlagen des Arztes dabei. Meine fehlten! Es sind bei dem Hausarzt also nicht nur die Formulare für den Befundbericht verloren gegangen, sondern auch die Unterlagen von mir. Ich kriegte den absoluten Ausraster!!! Was ist denn das für ein Scheiß?!!! Geht denn hier alles schief?!? Erst wollte ich mich wutentbrannt an meinen Hausarzt wenden, besann mich dann aber eines besseren. Ich ließ mir von Herrn Rathmann neue Formulare zuschicken, füllte diese aus und schickte sie an Herrn Rathmann zurück. Dieser hatte nun die kompletten Unterlagen für den Reha-Antrag vorliegen und leitete Sie an die BfA weiter. Das war übrigens am 13. November. Wir hatten also einen Monat gebraucht, um diesen blöden Reha-Antrag auf den Weg zu bringen.
Warten auf den BfA-Bescheid
Jetzt hieß es warten. Herr Rathmann hatte gemeint, in günstigen Fällen erhielte er bereits innerhalb von drei Tagen einen mündlichen Bescheid. Aber das war wohl die LVA (Landesversicherungsanstalt) nicht die BfA. Deren Mühlen malen etwas langsamer. Nach zwei Wochen war immer noch nicht passiert. Ich spitzte schon Herrn Rathmann an, bei der BfA nachzuhaken. Da kam Anfang Dezember immerhin ein Eingangsbescheid der BfA bei mir an, datiert auf den 21.11. Wo der wohl so lange rumgelegen hat? Und, kaum zu glauben, ein paar Tage später, sozusagen als Nikolausgabe, erhielt ich am 5.12. tatsächlich den Bescheid der BfA. Und? Große Aufregung? Wie fällt die Entscheidung aus? ... leider nicht gut. Die BfA lehnt meinen Reha-Antrag ab. Dafür haben wir jetzt zwei Monate rumgeiert, wegen nichts und wieder nichts.
Wenn ich jetzt teilweise so locker-flockig schreibe, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass mich die Sache sehr belastet hat und mich tiefer in die Depression gedrückt hat. Ich war einfach blockiert. Dazu muss ich erklärend hinzufügen, dass ich im Moment arbeitslos bin. Aber ich bin im Moment einfach nicht in der Lage, die Jobsuche vernünftig anzugehen. Ich weiß auch noch gar nicht, wo ich beruflich überhaupt hin möchte. Da hoffe ich, in der Klinik Klarheit zu gewinnen. Daher das Gefühl, mir läuft die Zeit davon. Ich bin seit Sommer diesen Jahres arbeitslos und je länger ich arbeitslos bin, desto schwieriger ist es, wieder eine Stelle zu finden. Ich fühle mich da unter Druck, bin aber auf der anderen Seite was die Jobsuche betrifft handlungsunfähig. Und diese Blockade kostet mich viel Kraft und zermürbt!
Showdown mit der Krankenkasse
Jetzt hatten wir also die Ablehnung der BfA auf dem Tisch. Herr Rathmann hatte mir mündlich zugesagt, dass wenn die BfA die Kosten nicht übernehmen würde, die Krankenkasse wieder als Kostenträger in der Pflicht wäre. Hoffentlich hält er sich an diese Aussage. Nach dem, was in der Geschichte schon alles schief gelaufen ist! Wie gesagt, am 5.12. hatte ich den BfA-Bescheid im Briefkasten. Noch am selben Tag kopierte ich den Bescheid und schickte die Kopie weiter an die Krankenkasse. Dienstag rufe ich bei der Krankenkasse an. Der Brief ist noch nicht angekommen. Was ist denn das schon wieder? Mittwoch Morgen rufe ich wieder an. Nein, der Brief sei immer noch nicht da. Da platzte mir der Kragen. So ein Scheiß! Jetzt reicht´s: ich suche mir irgendwo ein Faxgerät und faxe den Bescheid an die Krankenkasse. Gesagt, getan, um 11:00 Uhr geht das Fax raus. Sendebericht kommt, alles ok! Gegen 14:00 Uhr rufe ich bei Herrn Rathmann an. Nein, das Fax sei noch nicht auf seinem Bildschirm erschienen. Das käme schon mal vor, das ein Fax ein, zwei Stunden auf dem Server rumhängt. Jetzt bin ich mit den Nerven absolut runter. Irgendwann ist der Punkt erreicht. Mein letzte Maßnahme: ich tippe den Bescheid ab und schicke ihn per E-Mail an Herrn Rathmann. Immerhin das funktioniert. Ich erhalte von Herrn Rathmann eine Bestätigung, dass die Mail angekommen sei. Na Gott sei dank! Er würde sich gleich morgen früh mit dem medizinischen Berater, dieser ominösen grauen Eminenz der Kasse, in Verbindung setzen. Ich bekäme dann am Vormittag von ihm Bescheid.
Nächster Tag, Donnerstag. Der Vormittag geht vorbei. Kein Rathmann, diese Kröte, ruft an. Ich versuche selbst anzurufen, erreiche aber nur die Zentrale. Herr Rathmann ist nicht erreichbar. Mit einer Mischung aus Wut und Verzweifelung setze ich mich an meinen Rechner und schicke Rathmann eine Mail. Ich hatte ihm bereits am Vortag gesagt, ich möchte heute die Kostenzusage bekommen. In der Mail drohe ich, dass mich andernfalls den Konflikt eskalieren und mich an den Vorgesetzten von Herrn Rathmann wenden würde.
Ich gehe kurz in den Keller, um Wäsche aufzuhängen. Als ich wieder hochkomme, habe ich eine Nachricht von Rathmann auf dem AB. Er habe meine Mail erhalten und werde sich in Kürze ebenfalls per Mail dazu äußern. Der Tonfall seiner Stimme, mir schwant nichts Gutes. In Abständen von einer viertel Stunde rufe ich meine Mailbox ab. Dann ist die Mail da.
Darin teilt er mir mit, dass er den „Antrag pflichtgemäß, sorgfältig, ohne jeden zeitlichen Verzug und im vollen Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen bearbeitet“ habe und er gerne bereit sei „ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten herbeizuführen und den gesamten Vorgang noch einmal zu einer umfassenden Prüfung vorzulegen“. Andernfalls wäre er bereit, mir „das Ergebnis seiner Bemühungen, welche er auf Sachbearbeiterebene bisher eigenverantwortlich habe herbeiführen können, umgehend mitzuteilen.“
Ok, einverstanden, dann teilen Sie mir das „Ergebnis ihrer Bemühungen mit“!
Mit einer solchen Anspannung habe ich noch nie auf eine E-Mail gewartet. Wieder und wieder rufe ich die Mailbox ab. Dann ist sie da, die E-Mail.
Sehr geehrter Herr Gardzella,
wir haben Ihren Antrag erhalten und freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass wir im Rahmen einer Einzelfallentscheidung ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung die Kosten der medizinisch notwendigen Krankenhausbehandlung für die Dauer von 6 Wochen in der Fachklinik Heiligenfeld/Bad Kissingen im Rahmen der vereinbarten Pflegesätze übernehmen. (...)
Im Moment bin ich zu erschöpft, um mich über diese Nachricht richtig freuen zu können. Ich gehe erst mal raus ins Dorf einkaufen. Da fällt so langsam die Spannung von mir ab, die sich über die letzten mehr als zwei Monate aufgebaut hat. So lange hat es gebraucht, bis ich jetzt endlich die Kostenzusage in Händen halte. Am Donnerstag, den 11. Dezember 2003, um kurz nach 15:00 Uhr.
Am Abend telefoniere ich mit einer Freundin und erzähle ihr von dem Ausgang dieses Dramas. Sie meint, diese „Kur“ (für mich ist es ein Klinikaufenthalt) hätte ich mir jetzt wirklich verdient. Das ist wohl wahr! Das war eine schwere Zeit und ein hartes Stück Arbeit. Ich frage mich nur, wie das mit Menschen ist, die mitten drin stecken in einer schweren Depression. Die brauchen dringend Hilfe, sind aber nicht im entferntesten in der Lage, so einen Kampf durchzufechten, wie ich es jetzt getan habe. Das ist eine der vielen Schattenseiten unseres unmenschlichen Gesundheitssystems.